Bandgeschwindigkeiten anno 1946
#3
Obgleich ich mich mit der Überlieferungssituation der Mediendokumente zu den Nürnberger Prozessen (20.11.45-1.10.46) nie befasst habe, glaube ich doch anhand von Indikatoren auf ein bestimmtes Umfeld schließen zu können:

Nachdem 1945/1946 in den USA weder eine Bandgeräte- noch eine Tonbandfertigung angelaufen war, ja, man noch nicht einmal einen ordentlichen Überblick über die deutschen induktiven Medienspielereien der Jahre seit 1940 gewonnen hatte (die einschlägigen Passagen der Geheimdienstreports waren -als Niederschriften Braunmühls- bei Beginn der Prozesse am 20. November 1945 vermutlich noch im Entstehen begriffen), könn(t)en Tonbandgeräte bestenfalls aus den Beständen der RRG, der Wehrmacht oder der Reichspost verwendet worden sein. So sie denn überhaupt verwendet wurden, denn dagegen spricht zum einen die kriegsbedingte Seltenheit funktionstüchtiger Exemplare, der erhebliche Bandengpass (Fertigung lief im Odenwald sicher auch 1946 nur rudimentär, wenn überhaupt), zum anderen aber auch die Qualität der erhaltenen akustischen Dokumente, die hörbar (Mikrofone und Speicher) unterhalb der Schwelle des Hf-Magnetofons angesiedelt ist. Überdies vermisst man Neumanns CM3 auf den Gerichtssaalfotos.

All dies spricht für importierte und nicht hierzulande mühsam (aus Feindeshand!) zuammengekratzte Technik, die dann ja auch von dieser hätte bedient werden müssen. Übrigens kam die Dometscheranlage von IBM.

Für die Amerikaner dürfte es daher schlicht in jeder Hinsicht einfacher und zuverlässiger gewesen sein, Tondrahtgeräte mit bekannt funktionierender Peripherie aus den USA anzuschleppen -man brachte ja sogar Lokomotiven mit- und/oder das, was festgehalten werden sollte, eben gleich auf Tonfilm nach dem Lichttonverfahren aufzunehmen. Rechtsverbindlich war damals ja ohnehin nur das, was der Stenograf/Protokollant 'mitgenommen' hatte.

Die Einlassungen des Spiegels klingen vom Standort des Historikers aus betrachtet einmal mehr nach ungeprüft -journalistisch nicht eben umsichtig- übernommenen Drittinformationen (Agenturen?); mittlerweile gehört diese typische und wohl als lässlich empfundene Sünde ja zur Normalität in diesem Mainstreamblatt modernistisch halbgebildeter Journaille.

Hans-Joachim
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[Kein Betreff] - von niels - 21.10.2006, 12:43
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