Mikrofonanordnung
#3
Lieber Frank,

Hendrik hat schon eine ganze Reihe von Untiefen in deiner Darlegung behandelt, weshalb ich mich eigentlich kurz fassen sollte. Man hat einen Ruf zu verteidigen, hust...

Zunächst Literatur:
Gehe doch bitte auf die Schoeps-Seite, und lade dir Jörg Wuttkes Aufsätze herunter, die unter anderem auch zumindest teilweise deine Gedanken auf wirklich lesbare Weise behandeln. Genau darin liegt ja neben dem erforderlichen Umfang das wohl zentrale Problem einer ergiebigen Behandlung der Mikrofonierungsfrage: Grundlegend einführende Literatur gibt es faktisch nicht, Schreiber zum Thema sind zumeist ausgekochte Fachleute, die binnen kurzem eine Informationsdichte erreichen, der der vital interessierte Laie nicht mehr folgen kann.

http://www.schoeps.de/D-2004/miscellaneous.html

Dann gibt es noch zwei weitere Dinge bei Schoeps:

http://www.schoeps.de/D-2004/mics-gen-characs.html
http://www.schoeps.de/PDFs/stereo-record...ques-d.pdf

Sieh' aber auch 'mal hier nach:

http://www.soundgalerie.de/stageaid.html#inhalt

Ich nehme an, dass du quasi klassisch aufnehmen willst, also mit einem Hauptmikrofon zu arbeiten beabsichtigst, deshalb noch ein paar weitere Hinweise:

Johannes Webers (den ich gestern besuchte) behandelt in seiner Bibel auch mancherlei von grundsätzlicher Bedeutung zur Frage der Mikrofonierung, weiterhin gibt es ein Heftchen von Michael Dickreiter (Mikrofon-Aufnahmetechnik, Stuttgart 1984 und später). Grundsätzlich zum Thema bezüglich des Mikrofonverhaltens in stereofonen Umgebungen äußert sich:

Michael Williams, The Stereophonic Zoom. New York s.d. (Erhältlich über die AES)

Seine Arbeit wird fortgesetzt von Helmut Wittek (IRT), dessen Seite im Internet (www.hauptmikrofon.de) neben vielen Aufsätzen im Image-Assistant 2.0 einen kleinen Rechner präsentiert, mit dem man -vom Mikroverhalten ausgehend- das (Lokalisations-)Abbildungsverhalten von Mikrofonanordnungen studieren kann. Leider hat Helmut (mancher Anhänger der musica sacra wird ihn als Sänger kennen..) diesen Rechner inzwischen sehr erweitert, was ihn zwar für viele der fachlichen Anwendungsbereiche nutzbarer macht, für den Einsteiger aber einen Wust von Informationen bereitstellt, in denen der untergeht. Der Image-Assistent Version 1.1 -im Menü unter 'recording' oder via http://www.hauptmikrofon.de/ima-folder-eng/image.html- ist leichter verständlich.

Tiefe Einsichten erlauben die für den Mehr-Oder-Minder-Laien allerdings sehr anspruchsvollen und teilweise auch nicht leicht zu überblickenden Seiten des Kollegen Eberhard Sengpiel (http://www.sengpielaudio.com/).

Ein paar Worte zur MS-Sereofonie Lauridsens.
Mikrofonierung wird bestimmt durch prinzipielle Eigenschaften des Wandlertyps, der Aufstellung des Mikros und vor allem durch das Verhalten des menschliche Gehöres, das in bestimmten Bereichen sehr anspruchsvoll, in sehr viel mehr Bereichen aber gnadenlos irre zu führen ist. Das setzt man natürlich ein.

Beispiel:
Unser Gehör leitet die Interpretation der räumlichen Tiefe aus seitlichen Reflektionen ab, deren Herkunftsort aber aufgrund der diesbezüglich mäßigen 'Diskriminationsschärfe' des Außenohres praktisch nicht ausgewertet wird. Es ist also ziemlich gleichgültig woher diese Information kommt. Stattdessen genügt dem Gehör die Wahrnehmung eines nicht korrelierten Signals entsprechenden Frequenzverhaltens, um der Persönlichkeit dahinter via Gehirn mitzuteilen: "Tiefer Raum".

Wir sollten also -sofern der Raum gut ist (= geeignet für die jeweilige Modulation)- darauf sehen, dass das akustische Eigenverhalten des Raumes (die Moden) in einer Aufzeichnung für das Ohr angemessen erhalten bleibt, den sonst bekommen wir diese Infos zur Tiefe nicht, es sei denn, man fügte sie künstlich zu.

MS-Stereo gehört nun zu den Koinzidenzstereofonien, die sich bewusst allein auf Pegeldifferenzen bei der Darstellung eines Ereignisses zwischen den Lautsprechern stützen. Die Mikrofone befinden sich de facto an einem Ort und sind deshalb nur in der Lage, eine von drei Raummodentypen zu wandeln. Die Darstellung der räumlichen Tiefe (in Gestalt der Nicht-Korrelation) fehlt, weil keine unkorrelierten Signale (Laufzeiten) übermittelt werden können. Man hilft sich dann mit beizumischenden 'Raummikrofonen' (zwei oder vier Mikros).

Der Vorteil von MS liegt zum einen in der nachträglichen Wandelbarkeit des Aufnahmewinkels der Mikrofonanordnung, wobei die Kugel und die Acht nach der Dematrizierung sich wie zwei gespreizte Nieren verhalten. Zudem liegt ein frei verwendbares Mono-Signal vor, was namentlich beim Film-O-Ton oft 'unbezahlbar' ist. Das so schöne Kugelverhalten geht aber -allem Reden in der Branche zum Trotz- infolge des Einflusses der Acht bei der Dematrizierung verloren. Ein weiterer Vorteil kann darin liegen, dass Mängel der Mikros einer Anordnung durch die Dematrizierung ein wenig kompensiert werden können. Dies gilt z.B. für das SM69 als Hauptmikro, das in MS meist besser klingt als in X/Y.

Die von dir beschriebene Links-Mitte-Rechts-Technik -das aber bitte als A-B mit Center-Mikro- wandte die RRG bei ihren Stereos an, dies jedoch mit Kugelmikrofonen, die klanglich immer vorzuziehen sind, weil sie als Wandler technisch erheblich besser beherrscht werden können und eben auch alle Moden des Raumes mitnehmen. Koinzidenztechniken mit Kugeln sind indes nicht möglich. Ähnlich arbeite(te)n auch Mercury-Living-Presence in den 1950ern oder der Decca-Tree, der im Augenblick eine interessante Renaissance erfährt. Das Verfahren funktioniert grundsätzlich ganz hervorragend, wobei Nieren klanglich immer zweite Wahl sind und nur dann eingesetzt werden sollten, wenn man sie braucht: Stützen verlangen meist Nieren, klanglich mäßige oder ungeeignete Räume ebenso etc.

Nichtsdestowniger ist auch bei einem Decca-Tree Vorsicht im Umgang angebracht; ein Kochrezept ist das nicht.

Hans-Joachim
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[Kein Betreff] - von Frank - 21.09.2004, 08:23
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