Klangqualität - Vergleich: Tonband / Tapedeck
#67
ich finde es immer schön, wie sich bei derartigen Vergleichen nur auf die Technologie gestürzt wird, und alles andere vergessen wird. Der Satz "MC zu Tonband ist in etwa so, wie 10L Topf zum 200L Fass" drückt das auf ideale Weise aus.

Zuerst mal gibt es sowohl beim Tonband wie auch bei der Cassette unglaublich schlechte und unglaublich gute Geräte, gute und schlechte Bänder und so weiter, und natürlich alles dazwischen. Ohne genau zu sagen, WAS man da jetzt genau vergleicht, ist jede Diskussion eigentlich Kohl.

Dann gibt es einen schönen Satz, der sagt, dass 90% der Klangqualität im Aufnahmestudio gemacht wird. Eine audiophile Produktion aufgenommen auf einem Mittelklasse Tapedeck wird todsicher besser "klingen" als 60iger Jahre Beatmusik von Originalsingles mit 76cm/sek und Halbspur auf einem Studiotonbandgerät.

Und last but not least kommt noch der User dazu. Die meisten Tonbandnutzer nehmen Konserven oder Radioprogramme auf, und das schafft fast jedes HiFi-Mittelklassegerät ausreichend gut, um Spaß zu machen, egal, ob Cassette oder Tonband. In der "Holzklasse" hat die Cassette sogar noch den Vorteil, dass es trotz Viertelspur weniger Gegenspur Übersprechen als bei Spulenbändern gibt, weil man von Anfang an auf verschachtelte Spuren verzichtet hat. Die Spuren nebeneinanderzulegen verringert zwar ein wenig die Kanaltrennung, dafür hört man nie die Rückseite durch, und Cassetten nach dem Philips Standard sind voll kompatibel zueinander, egal, ob mono oder stereo. Die beiden Hauptvorteile der Cassette für den "Normaluser" haben aber gar nicht direkt was mit dem Klang zu tun. Man bekommt bei einem guten Cassettengerät einen gegenüber der Spule kaum schlechteren Klang zu einem winzigen Bruchteil des Preises fürs Tonband, UND die Cassette ist ohne Probleme mobil einsetzbar, und kann da auch eine hohe Performance anliefern - siehe die vielen Edel-Autoradios und die besseren Walkmen der achtziger Jahre.

Man darf auch nicht vergessen, dass die Entwicklung der Spule so um 1980 abgeschlossen war, während die Cassette noch das CD-Zeitalter erlebt, und da als Brückentechnologie noch eine wahnsinnige Weiterentwicklung erlebt hat. Hätte das Spulentonbandgerät wenigstens noch einen kleinen Teil der Innovationen mitbekommen, die in den achtzigern die Cassette bekommen hat, würde die Sache sicher heute anders aussehen.

Ich denke, statt sich über die zum Schluss nur noch akademischen Klangunterschiede Gedanken zu machen, sollte man sich lieber mal vor Augen führen, was man aus einer eher simplen Technologie wie der Cassette rausholen kann, wenn der Wille dazu da ist. Ich bin alleine deshalb ein Fan der späten Cassettentechnik, weil das alles so tolle Ingenieurskunst ist, während die Spule in den siebzigern irgendwie stehengeblieben ist. Wenn ich jetzt so schreibe, entdecke ich zunehmend eine Ähnlichkeit zwischen den Prozzo Großspulern der Tonbandgeräte Endzeit und den SUVs, die heute auf unseren Straßen kreuzen.

Gruß Frank
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RE: Klangqualität - Vergleich: Tonband / Tapedeck - von nick_riviera - 04.01.2024, 14:08

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