In memoriam Willi Studer (17.12.1912 - 1.3.1996)
#18
Danke Peter Ruhrberg für die Erinnerung an einen Menschen, dessen Produkte seiner Firma ich sehr schätze. Sie begleiten mich seit meinem 18. Lebensjahr. Sie dienen zur Wiedergabe der Musik, die in weiten Teilen mein Leben bestimmt. Sie begleiteten mich durch alle Höhen und Tiefen meines Lebens. Nur technische Geräte und doch soviel mehr ...

Mein ganzes Equipment besteht aus Revoxgeräten, bis auf einen Technics-Plattenspieler 1210, nach durchweg schlechten Erfahrungen mit deutschen Geräten. Revox wurde einmal angeschaft, blieb und das war es. Für mich ist keine Neuanschaffung nötig. 1975 begann es mit einer A77 MK4 und es endete im Jahr 1989 mit dem Kauf der B200-Serie, die in den Jahren danach (vor allem ab 2003 mit Gebrauchtgeräten) zu einer Multiroom-Anlage für 5 Räume ausgebaut wurde. Alles funktioniert noch immer. Nachhaltig und wertig - so kann man die Produkte eines Willi Studers, auch für den Consumerbereich, durchaus nennen. Sie werden täglich intensiv benutzt, vor allem zum Abspielen "alter" Medien: LP, Band, Kassette und CD.

Es ist müßig, ob die Sturheit eines Willi Studers dazu führte, daß Studer Revox zum Sanierungsfall wurde. Ob ein rechtzeitiges Erkennen der "digitalen Revolution" geholfen hätte, wage ich zu bezweifeln. Damals setzte eine Entwicklung ein, deren Auswirkungen man erahnen konnte, aber deren Dimensionen noch nicht wirklich wahrgenommen wurden. Der Aufstieg der "big player" war theoretisch vorstellbar und die damit verbundenen Veränderungen hätte Studer in seiner damaligen Größe und Bedeutung nicht überlebt. Auch Harman/Kardon ist Geschichte und wurde von Samsung übernommen. Somit wurde Studer zum dritten Mal verkauft. Auch Sony ist schon lange keine Größe mehr. Ihre Bedeutung im Audiobereich ist unbedeutend. Hat der Audiobereich überhaupt noch eine Bedeutung?

Der große Gleichmacher war die IT-Technik, die die Leistungen der analogen Technik überflüssig machte. Wachsende Konzerne wie z.B. Apple machten das Analoge der "alten Zeit" überflüssig. Teuere, schwere, unflexible Dinosaurier, die man nicht mehr benötigte. Das ergab sich ganz beiläufig. Da konnte keine der alten Firmen mithalten. Gleiches gilt für die Fotoindustrie. Wer braucht noch eine Film- oder Fotokamera. Ganze Gerätegattungen sind fast ausgestorben. Mittlerweile sind Smartphones so gut geworden, daß man damit Kinofilme drehen kann. TV sowieso. Selbst der Schnitt ist darauf machbar. Die alten Firmen sind verschwunden. Diese Entwicklung im Hard- und Softwarebereich hätten sie niemals mithalten können ...

So sind heute an meiner alten Revox-Anlage moderne Geräte angeschlossen (via Wifi oder direkt), die auch Musik machen: Smartphone und Computer. Und das in einer Qualität, die im Analogen nicht erreichbar ist.

Danke auch für den Hinweis, daß es ein neues Studer- und Revoxmuseum in der Schweiz gibt. Ich war dabei, als am 10. Juni 2006 bei Studer und Revox, schon lange getrennte Unternehmen, das 5. STUDER-REVOX-FAN-TREFFEN in Regensdorf stattfand. Es wurde vom damaligen "Museumsverein Studer Revox" ausgerichtet. In den nicht mehr vollständig genutzten Räumen von Studer auf der Althardstraße 30 in Regensdorf, dem neuen Hauptsitz der Firma ab 1976, war die entsprechende Ausstellung. Die Revox-Ausstellung war, wenn ich mich recht erinnere, in einem der ersten Neubauten (1960 - 1976) von Studer Revox auf der Althardstraße 150 oder 146. Beide Adressen waren ebenfalls Zwillingsbauten, die von Studer erbaut wurden. Die neuen Geräte wurden in den Verkaufsräumen der nachfolgenden Revox GmbH präsentiert, etwas weiter weg von den ursprünglichen Studergebäuden. Es blieb ein unvergessener Tag. Fast alle jemals hergestellten Geräte der Firma waren hier versammelt. Was für eine schöne, nostalgische Ausstellung. Damals ...

Was mich damals am meisten beeindruckte, war die Verbundenheit der verbliebenen Studermitarbeiter mit Willi Studer. Sie hielten sein Andenken und seine Leistungen hoch und versuchten sie zu bewahren, so lange es ging. Das war mehr als symphatisch. Mir wurde richtig warm ums Herz. Heute ist alles Geschichte.

   
Studer hatte damals nur noch ein Gebäude, hier im Bild das vordere, Althardstraße 30, Hauptsitz der Willi Studer AG ab 1976, welches vor kurzem wohl abgerissen wurde. Das hintere, ein Erweiterungsbau von 1982 auf der Althardstraße 10, bleibt wohl noch stehen. Oben links in der Ecke war das Büro von Willi Studer.

   
Hinter seinem Büro (die linken vier Fenster) befand sich eine zugehörige Küche, das fünfte Fenster von links. Die Tür steht offen. Der Revox-Schriftzug über seinen Büroräumlichkeiten ist als Schattenwurf noch gut zu erkennen.

   
Man betrat das Büro durch das Sekretariat, was sich nicht allzu sehr vom Interieur zu Lebzeiten von Willi Studer zu unterscheiden schien.

   
In Willi Studers Büro saß nun sein langjähriger Mitarbeiter und aktueller CEO von Studer Professional Audio GmbH, Bruno Hochstrasser. Diese Funkion übte er von 1990 bis 2008 aus. Er hielt auch das Eröffnungsreferat zum Fantreffen. Ich habe hier bewußt Fotos genommen, auf denen wenige Menschen zu sehen sind, aber damals war es richtig voll. Schade, daß die aktuelle Datenschutzlage ein Dokumentieren von Begebenheiten fast unmöglich macht. Die unkennlich gemachte Person in der Mitte des Fotos ist übrigens Michael Franz, der langjährige Moderator des Bandmaschinenforums.

   
Bruno Hochstrasser führte auch durch die Räumlichkeiten der Geschätsführung. Es hatte sich wenig seit dem Ausscheiden von Willi Studer verändert. Alles war noch orginal. Darauf wies er mehrfach hin.

   
Selbst die Stereoanlage stand noch unverändert in einer Ecke. Eingeschaltet war sie nicht. Sie sah auch nicht so aus, als würde sie noch funktionieren. Vielleicht wurde sie nur für die Veranstaltung dort hingestellt. Oder sie fungierte als Deko-Stück.

   
Die einzige Neuerung im Büro schien ein aktueller PC zu sein.

   
Hinter dem imposanten, schweren Schreibtisch befand sich ein Durchgang zur Küche. Rechts vom Schreibtisch steht die Aktentasche von Bruno Hochstrasser.

   
Auch hier hatte sich nichts geändert. Es sah aus wie zu Willi Studers Zeiten. Oder wie in der Küche meiner Mutter in den Mittsiebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts.

   
Mir gefiel die Bescheidenheit. Das Einfache. Sympathisch. Die Essenz der Studer Produkte. Es gab nirgendwo eine unnötige Ausschmückung, die sich am Zeitgeist orientierte.

   
Bruno Hochstrasser holte eine Flasche Wein aus dem Schrank.

   
Selbst diese hatte noch eine Verbindung zu Willi Studer. Es soll der Wein gewesen sein von der Winzerei, die auch Willi Studer getrunken hat.

Vielleicht war alles nur eine Inszenierung für das Fantreffen. Ein nostalgischer Blick in die gute, alte Zeit. Und der damals aktuelle CEO saß in Wirklichkeit in einem hochmodernen Büro. So wie die Produktionsräume, die wir besichtigten, in denen die aktuellen Vista-Mixing-Konsolen gefertigt wurden. Die Fertigungstiefe, die Studer einmal hatte, war auf jeden Fall Vergangenheit. Eigentlich wurden in der Fertigung nur Bauteile montiert, die anderwärtig hergestellt wurden. So wie es heute üblich ist.

Könnte so eine Firma in heutigen Zeiten überleben? Zeiten ändern sich. Für Studer Revox in seiner alten Form war kein Platz mehr. Gibt es Studer überhaupt noch? Im Internet hat die berühmte Firma keinen eigenen Internetauftritt, wie eine schnelle Suche ergab. Sie wurden scheinbar von Samsung weiter verkauft an eine Firma, die sich Evertz nennt. Die Firma hat etwa 1.700 Mitarbeiter. Weltweit. In etwa so viele, wie Studer Revox einmal hatte.

Revox existiert noch. Was für ein Glück ...

Bruno Hochstrasser verstarb im September 2020. Es gab nur die hier beschriebene Begegnung mit ihm. Es war eine sehr erfreuliche Begegnung. Er war ein durch und durch freundlicher und charismatischer Mensch.
Olaf, der eher passiv seit Jahren hier mitliest und sich an den fachlichen Beiträgen über Tonbandgeräte erfreut
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RE: In memoriam Willi Studer (17.12.1912 - 1.3.1996) - von Olllafff - 19.12.2022, 00:47

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