Entwicklung der Qualität von Vinylplatten im Lauf der Zeit
#85
Auch wenn Markus Klassikmann ist und damit die besten Voraussetzungen für eine Objektivierung subjektiver Eindrücke zu nachvollziehbaren Bwertungskriterien mitbringt, werden wir mit unseren Mitteln in dieser Frage nicht mit den Beinen auf die Erde kommen, weil allein schon eine pegelgleiche (± 0,5 dB), knackfreie Umschaltung der Quellen fast unüberwindliche Probleme machen wird. Die Auswertung muss nach statistisch einwandfreien Kriterien erfolgen, das Signifikanzniveau muss erreicht werden, was einen ziemlich erheblichen Aufwand fordert, der dem finanziellen Theater eine Privatmann überfordert. Warum auch: Die Versuche sind allesamt mit allerbestem Gerät und einer fachlichen Umsicht gefahren worden, die wir hier allesamt nicht einbringen können. Also lesen wir doch einfach, was dazu von solider Stelle (ohne den Einfluss der heute allgegenwärtigen Kommerzfraktion!) publiziert wurde.

Was mir immer auffiel:
Die Schallplattenliebhaber der Highend-Fraktion (im übrigen überprortional Hörer elektrogenetischer Musik) bemessen "Qualität" nach dem, was wie gefällt. Kenntnisse vom Originalband fehlen fast ausnahmslos. Ja nicht einmal die Beschaffenheiten der Reproduktionsanlagen werden kalkuliert, sondern nur als tauglich oder untauglich quantifiziert. Ein 'Warum' bleibt außen vor. Lieber biegt man ohne messtechnsiche Verifikationen an den Eigenschaften einer Einrichtung herum (Abschlusswiderstandsveränderungen auf der kapazitiven, induktiven und ohmschen Ebene) als universelle Ursachenforschung zu betreiben.

Die Ursachen werden dann (ggflls.) nach Gusto persönlicher Einsichten in den technischen Apparat 'gesucht', wobei der Schiefheit der Schlüsse vom Symptom auf die Ursache Tür und Tor geöffnet ist, Beispiel:

Klangqualität von Studiobandmaschinen.
Weil die so sündhaft teuer sind, kann sich deren Qualität nach Amateurs Sicht eigentlich nur in klanglichen Eigenschaften niederschlagen. Das ist falsch und davon abhängig, dass die Verbreiter entsprechender Kunde nie in den 50er, 60er oder auch noch 70er Jahren einer Tontechnikerin beim Schnitt auf einer (T8,) T9 oder M10 (primär mechanisch kontrollerte Bandgeräte, bei den früheren Studers sah das nicht sooo anders aus) zugesehen haben, den Betrieb und seine 'Peripherie' nicht kannten.
Nein, es ging primär um absolute, mechanische Zuverlässigkeit angesichts des rauen Betriebes, der für uns heute (die Elektronik macht nun alles für uns) durchaus die Eigenschaften des Schmiedehammers reflektiert. Dabei aber sollte eine sehr, sehr hohe Qualität gewährleistet werden, den die Rundfunkmannen kopierten ja, bis sie schwarz waren. Diese aber kam nach der Zuverlässigkeit. Das brachte seitens der Bandmaschinen immensen feinwerktechnischen Aufwand mit sich, der allemal angesichts der recht niedrigen Stückzahlen mit Mondpreisen zu belöhnen war.
Dabei blieb es letztendlich. Der Unterschied zwischen einer A77 und einer A80 liegt primär in der Standfestigkeit der Konstruktion; hörbar ist bei der A77 allein der leicht zu übersteuernde Ausgangsverstärker (und das nur deshalb) und der erhöhte, unangenehme Brumm der meisten Amateurgeräte. Hört man aber auf einer CD das alleinige Bandrauschen einer B67 oder A80 ab, fällt einem auch darin der Interferenzbrumm der Wickelmotoren auf. Ich habe das zur LP-Zeit nie wahrgenommen, es war normal, gehörte dazu.

Der Profi objektiviert; dass ihm das klangliche Ergebnis [i]gefiele[/], kommt in zweiter Reihe zum Tragen, zumal der musikalisch und technisch gebildete Tonmeister (er ist/war meist Musiker mit technischen, psychoakustischen, psychologischen und musikhistorischen Seitqualifiationen) genau weiß, was er als Musiker mit der Musik und die Musik mit dem Hörer (und ihm) anstellt. Zudem weiß er nur zu genau, wo Raum, Musikinstrument, Mikrofon und Lautsprecher die Figer auf das klangliche Ergebnis legen. Er weiß darüber hinaus en detail, wie klapperig dieses Gebilde ist.

Und jetzt kommt die (Vinyl-)Platte als ein von den Eigenschaften betrachtet fast abenteuerliches Transport- bzw. Speichermedium daher, an dem man sich schon bei der Aufnahme auf Magnetband eigentlich nur den Kopf einrennt/einrannte. Dies hatten auch die CD-Leute bei Philips als gewiegte Praktiker vor Augen, als sie den CD-Standard festlegten, der all diese Engpässe um möglichst mehrere Größenordnungen (!) hinter sich lassen und zudem deutlich 'besser' (gemäß Profidefinition) sein sollte, als das damals übliche Magentbandverfahren mit DOLBYA oder TelcomC4. Das wurde erreicht, machte aber hörbar, welche Suppe die Herren (und Damen) Tonverantwortlichen da für die LP (und den Stereomultiplexrundfunk) angerührt hatten. Die Tonmeister kannten diese Ergebnisse vom Mischpultausgang her natürlich, betrachteten sie aber als sachimmanent, weil sie für Stereo-Schallplatte und -Rundfunk (Kompatibilitätsgebot) als betriebsnotwendiges Opfer galten, das dann auch auf ästhetische Vorstellungen ausstrahlte. Was man täglich solide und reproduzierbar macht, kann ja nicht falsch sein, oder?

Der Hörer ahnte von alldem nichts, hörte aber bei der CD etwas, was ihm nicht so recht schmeckte, fremd war, da die Schallplatte dies verdeckte. Und lastete dies der CD, nicht aber tonmeisterlichen Traditionen an, die er ja nicht kennen konnte. Daraus speisen sich unzweifelhaft die nicht verstummen wollenden Qualitätsrügen, die heute indes ungerechtfertigt sind.

Nun, die Aufnahmetechniken und ihre Gewichte haben sich ja im Gefolge der CD-Einführung dramatisch geändert, denn sogar Tonmeister können hören. Die Mikrofachleute wuselten nervös durcheinander, bis modifizierte, verbesserte Produkte (nicht bis 50 kHz gehend!, das ist Unsinn) auf dem Markt waren. Man machte sich Gedanken zur Entstehung und Reproduktion eines Schallfeldes, erklärte sich die Reaktion des menschlichen Ohres auf die Stereofonie von neuem (J. Blauert/G. Theile), entwickelte in der Reaktion darauf neue Geräte.

All das war zu oft nichts neues, aber über geraume Zeit eben aus bestimmten und bestimmbaren Gründen aus dem Fokus geraten. So arbeiten z. B. die RRG-Stereos Ludwig Hecks und Helmut Krügers von 1943/44 mit unserer heutigen tereofonie[vorstellung]!

Michaels Ansicht, bewundernd vor der LP als einem mechanischen Speicher der letzten Zeit stehen zu sollen, der fürs Ohr letztlich ganz gut mit wesentlich moderneren Speicherverfahren mithalten konnte -das gilt ja sogar für die CD-, beschreibt eine schöne, aufrichtige, naturwissenschaftlich und ästhetisch gleichermaßen vertretbare, neuzeitliche Haltung zum System perfekt; meine ich.

Die LP der CD für überlegen einzuschätzen, sehe ich als mir fremd, ja fast abartig an. Jeder darf denken, was er will; sollen Ansichten aber akzeptierter Besitz einer größeren Gruppe von Menschen werden, kommen wir um eine Objektivierung des Sachverhaltes nicht herum, davon lebt unsere abendländische Welt nun schon mehrere Jahrtausende, und das nicht schlecht. Der von durchwegs Dummköpfen bereitgestellte Erkenntnisgewinn (wirkliche Genien sind selten und heute auch nur deshalb häufig, da meist selbstdefiniert) ist beeindruckend.

Meine eigene berufliche Laufbahn im Bereich der klassischen Musik (tendenziell primär Alte Musik, jedoch bis Jazz und Volksmusik ausstrahlend; jedoch immer akustisch, nur wenige elektrogenetische Arbeiten) zeigte mir, wie sich die klanglichen Einflüsse einer Tontechnik im Wandel als einer immer weitergehenden 'Entfärbung' des Ergebnisses äußerten:

Abkehr von der Koinzidenztechnik
Einführung von Äquivalenzverfahren (ORTF, NOS, Jecklinscheibe)
Rückkehr des Kugelmikrofones für das Hauptmikrofon
Einführung des Digitalverfahrens
Einführung von DMM
Einführung der CD mit Abkehr von den klassischen LP-Engpässen.

Dazu kommen Verbesserungen der Abtaster, der Lautsprecher (Kalotten-LS) auch beim Laien, hochwertigere Entzerrerverstärker, die man aber schon gleichzeitig mit den ersten Hifi-Plattenspielern (z. B. Dual 1009) bekam.
Die Einführung der CD verbesserte gemeinsam mit dem Kugelmikrofon das klangliche Ergebnis am meisten. Meine Aufnahmen erkannte ich mit der Einführung von DMM und schließlich der CD am besten wieder, wobei ich mit der Digitaltechnik (zunächst auf LP) am weitesten dahingehend gekommen war, dass ich meine Aufnahmen wirklich wiedererkannte. Mit der CD hörte ich dann auf dem 'Einzelhandelsspeicher' tatsächlich, was ich gemacht hatte.

Zusammensetzen sollte man sich, insofern ist Markus' Vorschlag eine schöne Sache. Nur: Die Überlegenheit der LP, ja nur der Abklatsch davon, dass die LP der CD überlegen sei, kann dabei nicht herauskommen, geschweige denn bewiesen werden. Man darf, soll sich über das wundern, was die LP mechanisch kann, ja dass diese Eigenschaften sogar bei normaler großindustrieller Fertigung erhalten blieben (man höre dagegen Schnellkopieranlagen-MCs an...), lässt einen dankbar vor diesem technologischen Fossil stehen (im Grunde Wende 19./20. Jahrhundert; ab 1932 ist alles -auch zu den theoretischen Prinzipien- da).
Derlei wird mit Müh' und Not noch vom Kondensatormikrofon in Gestalt des CM3 von G. Neumann (1928 bzw. 1932) erreicht, das auch heute noch so mithält, dass "man sich fragt, was in den letzten 70 Jahren im Mikrofonbau eigentlich geschehen ist" (Zitat Jörg Wuttke, Schoeps); dennoch höre ich, dass Wuttkes/Schoepsens MK2s in einer anderen Liga einen Elfmeter nach dm anderen ins Tor kriegt.

Im Rahmen des 'Spaßes an der Freud'' höre ich mir ja schon seit Jahren sehr gelegentlich wieder Schallacks (Familienbesitz aus den 1930ern) an, selbst meine eigene Sammlung von LPs findet noch manchmal den Weg an mein Ohr. Doch dies geschieht oftmals nicht ohne Schrecken bezüglich dessen, was ich damals -mit hörbar besseren Ohren gesegnet als heute- als beispielhaft betrachtete. Übersprechdämpfung, Raumregie und -darstellung lassn sich in der Pfeife rauchen.
Hätte ich heute kein leistungsfähigeres Medium, ich würde keine LP, keine Schellackplatte, mutmaßlich nichts mehr anhören. Der Rundfunk und das Fernsehen unserer Tage unterliegen bereits diesem Verdikt, da es mir dort -schlimm, so etwas sagen zu müssen- oftmals an inhaltlicher Substanz fehlt.

Hans-Joachim
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