Ferrograph 4A
#1
Hallo und guten Abend,

da einige Forumsmitglieder gespannt sind versuche ich es mal mit der Vorstellung zu meinem Ferrographen.Kurz zur Historie, meiner ist das Modell 4A, er wurde 1959 in South Shields, i.d. Nähe von Newcastle in NO England produziert.Er besteht zu 85 % aus Teilen welche in UK produziert wurden, darauf und auf den Slogan "Buildt like a battleship" waren die Briten sehr stolz.
In der Fabrik in South Shields wurden die meisten mechanischen und elektrischen Teile speziell angefertigt, die Spulen, Motoren, Magneten, Tonköpfe sind alle exklusiv
für die Ferrographen angefertigt worden. Für das Modell 4A wurden noch keine deutschen Pabst-Motoren oder Bogen-Magnetköpfe verwendet, nein all is British made.

Gekostet hat das Teil 1960 um die 90 Pfund, das wären heute ca. 1620 oder rund 1800 EUR.

Meine Maschine hat "nur" 2 Köpfe, ist also die Halbspur Mono Variante, mit vorgesehenen Platz für einen 3. Kopf (Stereo Wiedergabekopf) zur Nachrüstung.Die Maschine ist sogar noch schwerer als gedacht, 24 kg, das merkte ich erst als der Postbote das Paket auf meine Türschwelle fallen ließ. Da stand zwar groß "Handle with care" drauf,
aber das hatte der junge Mann sicher überlesen. Zum Glück hatte der Absender die Maschine super verpackt, mit 4 gepolsterten Stuhllehnen ringsherum und noch jede Menge Holz als Transportversteifung , das Paket wog dann um die 40 kg. Nachdem ich es in die erste Etage geschleppt hatte war erst mal eine Woche Rückenschmerzen und Hexenschuss angesagt...
Aber, es ist ohne Schaden den ganzen Weg aus der Nähe von Liverpool bis nach Dresden gereist, das grenzt fast an ein Wunder...
Nun mal zum Aufbau des Ferrograph 4A, es ist ein 3 Motorengerät, und ist in 3 Teilen modular aufgebaut:


Teil 1 ist das Laufwerk mit den Motoren und der genialen MotorsteuerungTeil 2 ist das Netzteil mit Löschgenerator
Teil 2 ist das Netzteil mit dem Löschgenerator
Teil 3 ist das Verstärkermodul mit Aussteuerungsmesser und Bedienelementen

Im Laufwerksteil wirkt der Synchronmotor über 2 unterschiedliche Reibräder (diese werden je nach gewählter Geschwindigkeit 3 3⁄4 7 1⁄2 ips = 9,5 oder 19 cm/s in den Antrieb eingeschwenkt) auf die Schwungmasse. Oben auf der Schwungmasse ist die Gummirolle für den Bandantrieb befestigt, die Andruckrolle (Pinch) besteht hier aus polierten Messing. Das ganze funktioniert genau andersherum wie bei den kontinentalen Maschinen... aber bestimmt nicht schlechter.Die Motoren für Vor und Rücklauf sitzen genau unter den Wickeldornen und treiben diese über eine Rutschkopplung an. Die Wickelmotoren werden beim Abbremsen zusätzlich durch je 2 Gummibremsen angehalten, das funktioniert sehr zuverlässig.
Alle Motoren entwickeln erstaunliche Kräfte, werden aber nicht sonderlich warm.
Die Laufwerkssteuerung erfolgt über einen genialen Drehschalter als Vorwahl, d.h erst wird die gewünschte Funktion vorgewählt und dann über einen kleinen Schieber elektromechanisch betätigt.
Zum Auslösen oder stoppen wird über einen Druckknopf elektrisch die Funktion beendet und gestoppt.
Die sogenannte Schnellstoppfunktion wird rein mechanisch über einen Knopf welcher die Andruckrolle ein paar mm aus dem Bandkontakt nimmt realisiert. Hier kann lustigerweise ein mechanischer Drahtauslöser wie er an alten Kameras befestigt wird eingesetzt werden.
Der Kopfkontakt wird durch Filzandruckstücke sichergestellt, im Löschkopf befindet sich ein mechanischer Abschaltekontakt welche bei Bandende oder -riß durch einen eingreifenden Plastikhebel betätigt wird.
Die Köpfe werden stärker beansprucht, da auch beim Spulen permanent leichter Bandkontakt besteht. Ich muss aber dazu sagen daß diese alten Köpfe ohnehin nicht so geringe Spaltmaße wie ein moderner Kopf besitzen. Es sind aber meines Wissens keine speziellen Longlife Köpfe.
Standardmäßig ist auch eine stark untersetzte Rändelschraube mit Feingewinde für das head alignment, (Kopfausrichtung nach Gehör) eingebaut.
Das gesamte mechanische Laufwerk wurde als Wearite TapeDeck(kommt wohl von der Grafschaft Tyne and Wear?) auch an professionelle Studioausrüster geliefert unter dem Namen Vortexion hat auch die BBC diese Laufwerke benutzt.
Mechanisch und elektrisch ist dieses 3 Motoren Laufwerk das Beste was in Großbritannien zu diesem Zeitpunkt als semiprofessionel bezeichnet werden darf. Als nächstes gab es noch die Brenell Laufwerke welche ebenfalls eine sehr gute Reputation haben...

Als nächstes Modul ist das Netzteil mit der Hochspannungserzeugung für die Anodenspannung der Röhren zu nennen.Es beinhaltet gleichzeitig den Löschgenerator der mit einer riesigen Induktivität in der Rückkopplung der EL84 Leistungspentode arbeitet.
Zum damaligen Zeitpunkt musste man die Lösch-Hochfrequenz von gerade mal 56 KHz, nur die Hälfte von moderner Vormagnetisierung und Löschfrequenz, weit weg von den empfindlichen Eingangsröhren platzieren, deswegen gleich am Netzteilblock.
Die Anodenspannung wird über eine Zweiwegegleichrichtung mit der Röhre EZ80 und angeschlossener LC-Siebung realisiert.

Als elektrisches Herzstück ist das Modul des Aufnahme/Wiedergabeverstärkes mit Reglern und Aussteuerungsmesser zu sehen.
In den Vorstufen arbeiten 3 klirr- und mikrofoniearme EF86 Pentoden, der 15 Ohm Leistungsausgang bzw der abschaltbare Innenlautsprecher werden über eine Endstufe mit EL84 Röhre getrieben.
Je nach Betriebsart Aufnahme oder Wiedergabe werden entsprechende Ver- oder Entzerrerglieder in den Signalweg eingeschleift.
Zusätzlich gibt einen Port auf dem Bedienfeld an dem die Ausgänge sowie die interne Anodenspannung für einen externen Verstärker angegriffen werden kann.
Der Aussteuerungsmesser arbeitet mit der Doppeltriode ECC83 mit einer speziellen Integrationszeit, bei der Aufnahme muss darauf geachtet werden dass die Markierung 8 nicht überschritten wird.

An der Geräterückseite gibt es einige vorverkabelte Funktionen, wie zum Bsp das Abschalten der Löschfunktion mittels Drahtbrücken zum Aufnahmeschutz sowie die Anpassung an verschiedene Versorgungsspannungen. Auch der optional einsetzbare 3. Tonkopf ist unter anderem zur Rückseite verkabelt, zur Beachtung, es heißt in UK nicht Linke/Rechte Spur sondern vollkommen logisch Upper- und Lower Track (Spurlage auf dem Tonband)


Noch ganz kurz, was habe ich reparieren, austauschen, einstellen müssen?
Mechanisch, ganz klar war erst mal alles mit Staubsauger und Pinsel zu reinigen, die Motoren haben jeder an ihren Lagern ein Filz-Reservoirzur zur sogenannten Oilite Funktion, d.h man gibt einfach etwas Öl auf die Filze und die Lager saugen sich dann bei Bedarf das Öl selbst, einfach genial.Die Betätigungen und Reibestellen der Magnete und Gestelle wurden mit grünem Lithiumfett (das ist Temperaturstabil und läuft nicht weg) versorgt.
Die Umschaltkontakte sowie alle Röhrenfassungen wurden mit Ozillin T6 gepflegt.
Elektrisch habe ich alle Kondensatoren nachgemessen, sämtliche Folien und Papierkondensatoren wurden durch modere Hochvolt MKT-Typen Artgerecht ersetzt.
Im Verstärkermodul wurden alle Elkos (Bechertypen und andere Elkos) komplett durch Hochvoltelkos ersetzt. Dabei wurden alle Siebkondensatoren auf 47µF vergrössert.
Die alten schönen Becherelkos habe ich (abgeklemmt) erhalten wegen der Optik, die kleineren neuen Kondensatoren wurden unauffällig untergebaut.
Im Netzteil habe ich den Sieb und Ladeelko erhalten, die bringen noch exakt die Werte auch unter Belastung, vorerst kein Bedarf zum Tausch.
Sämtliche Kohleschichtwiderstände wurden nachgemessen, bei Abweichung wurde gegen funktionierende vintagegerechte Teile gewechselt.
Lediglich 2 Röhren, 1 x EF86 und 1 x EL84 waren fehlerhaft und mussten gegen 2 Tauschexemplare aus dem RW Neuhaus am Rennsteig getauscht werden.
Damit ist nicht mehr alles British made auch zwei ostdeutsche Röhren werkeln jetzt vorbildlich im Ferrograph.


Wie ist der Klang?
Tja, laut Datenblatt soll bei 19 cm/s mindestens 12 Khz in der 2 dB/Abweichung erreicht werden, für mich klingt das Gerät wesentlich besser, das kann und wird aber auch an meinem fortgeschrittenen Alter liegen. Falls ich mal Lust habe versuche ich mich mal am Frequenzgang messen, das ist aber eigentlich nicht mein oberstes Ziel bei diesen Oldies.
Ich bin bis jetzt absolut begeistert mit diesem "Schlachtschiff", es passt auch optisch sehr gut zu meinen Vorstellungen.
Ich finde dass dieses Konzept für die Zeit um 1960 sehr gut war und das Gerät nach 60 Jahren fast keine mechanischen Schwächen aufweist.
Weder haben sich irgendwelche Gummiteile verflüssigt oder zerbröseln, das passiert erst ab dem Ferrograph 7 als die Briten das Neopren als Gummiersatz verwendeten...
Achso, und die speziellen Spulen liebe ich, mit Verriegelung damit bei den enormen Umspulgeschwindigkeiten nichts wie UFO durch die Wohnung fliegen kann.
Natürlich mag die Maschine auch moderne Langspielbänder, am liebsten jedoch (wie könnte es anders sein) EMI-Tape und Scotch-Bänder (die schmierfreien natürlich)

So jetzt ist es einige Stunden später (bzw früher), ich hoffe Euch gefällt das tolle Teil von der Insel!


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Ferrograph 4A - von Ferrograph - 30.05.2019, 00:17
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