Generationsunterschiede in der Magnetbandtechnik, A77 / A810
#11
Zur Pegelfrage digitaler und analoger Speicher ein paar Worte.

Ein digitaler Speicher sollte grundsätzlich nicht übersteuert werden, also letztlich bis auf das einzelne Sample hinab maximal 0dBfq aufweisen (Null dB full quantization; gemeinhin die digitale Vollaussteuerungsdefinition, bei der auch der Klirrfaktor ein Minimum annimmt).
Das heißt, dass auch kürzeste Spitzen (also kürzer als 10 ms) nicht am Quantisierungsraster anlaufen sollen bzw. dürfen. Misst man digital, so kann man im Rahmen der Systemgrenzen natürlich exakt erfassen, was an Pegeln einfällt, was heutzutage auch der Normzustand ist.

Analoge RTW-Pegel-Messgeräte (z. B. 1109) aber besaßen zunächst neben der analog üblichen Integrationszeit von 10 ms für den Digitalbetrieb auch eine solche von 1 ms, was man aber ganz schnell auf 0,1 ms absenkte, weil 1 ms eben doch nicht so ganz praxistauglich war.

Das Ansprechverhalten eines analogen Aussteuerungsmessers ist nach DIN 45406 bzw. IEC 268-10 genau genormt und bei Vollaussteuerung [Vollwellenpegel!] 0dB, 5 kHz Sinus, einer Impulsfolgezeit von 2,5 s folgendermaßen spezifiziert:

Dauer Sollwert Toleranz
10 ms -1 dB ± 0,5dB
5 ms -2 dB ± 1 dB
3 ms -4 dB ± 1 dB
0,4 ms -15 dB ± 4 dB

Man sieht daran, dass man für einen technisch einwandfreien Betrieb der Digitalspeicher schlichterdings nicht mit 10 ms messen kann, weil man hörbare Verzerrungen riskiert. Bei der Entstehung der CD (und nach ersten Versuchen) ging man davon aus, dass man mit einer 14-Bit-Anlage (theoretische 84 dB Betriebsdynamik) gute professionelle Magnetofone so einigermaßen erreichen konnte. Bei genauerem Zusehen indes -man wollte ja eigentlich deutlich besser sein- empfahl es sich, zur Wahrung von reichlich 50 dB Dynamik doch auf 16 Bit umzusteigen, weil man die Häufigkeit kurzzeitiger Spitzen (und den Einfluss des Funkelrauschens am unteren Ende des Dynamikbereiches) doch ein wenig unterschätzt hatte. Lässt man oben 20 dB Luft für die Spitzen und unten 20 dB Abstand vom Funkelrauschen, kommt man -aus der Warte des analogen Bandgerätes betrachtet- für das 16-Bit-Verfahren auf (bereitbandig!) 56 dB betrieblich schön nutzbarer Dynamik. Das ist bis heute etwas und war damals 'unerhört'.

Lehrreich ist, eine analoge Bandaufnahme mit 0,1 ms zu messen. Da ist natürlich jede Menge von Spitzenpegelüberschreitungen da, wenn auch nicht annähernd so viel wie bei einem digitalen Speicher, der nur eine Sättigung kennt: Die totale. Vorher kommt alles linear, so wie es das Mikro lieferte. Die Frequenz des Signales ist im durch das System gegebenen (also weitreichend frei definierbaren!) Rahmen gleichgültig.

Anders beim analogen Bandgerät, das dagegen munter drauflos begrenzt (aber überall eben schleichend), was übrigens auch das Ohr tut.

Wie hoch man den Headroom für digitale Speicher, bzw. wie man den Bezug zu einem mitlaufenden analogen 10-ms-Aussteuerungsmesser ansetzt, ist stark programmabhängig. Le "Percussion de Strasbourg" wird da anderes hervorrufen als die benachbart aktive Orgel von J. A. Silbermann/J. Wetzel/A. Kern in St. Thomas.

Anders: Eine digitale Quelle, die Musikmodulation mit 4,5 Volt (1ms), also 10 dB über 1,55 V liefert, kann deutlich leiser wirken als eine analoge Aufnahme, die auf 1,55 V (10 ms) als 0 dB ausgesteuert wurde.

Hans-Joachim

Eins hatte ich vergessen:

Man darf sich zum Verhältnis A77 und A810 nicht täuschen: Die grundlegenden Probleme sind für beide Maschinen gleich, sie liegen nämlich im Verfahren und im Band; das heißt auch, dass die A810 über Klippen nicht hinwegkommt, die für die A77 bestehen. Wenn deren interne Verstärker hinreichend hoch aussteuerbar sind (und das sind sie), dann tut die ganz ähnlich gut, da ist in weiten Bereichen kein Unterschied. Ein heftiger gegengekoppelter Verstärker ist unter den hier gegebenen Umständen in der Regel auch nicht schlechter, wenn er mit BC177 oder mit BC560 betrieben wird. Das Band schafft die Engpässe.

Der (digitale und lediglich zurechtgefilterte) Hf-Oszillator der 810 kann -soweit ich sehe- nicht symmetriert werden, was ihn am selben Strang ziehen lässt wie die 77er mit ihrem Zweitransistording. Der Brumm bei der A810 sollte andererseits deutlich geringer sein als bei der A77, was -um wahrgenommmen zu werden- auch erst einmal wahrgenommen werden muss. Die nutzbare Dynamik der Ausgangsverstärker der A810 spielt in einer anderen Klasse, was aber bei der A77 durch ein leichtes Zurücknehmen des "Volume"-Stellers eingerenkt werden kann (, sofern das opportun ist).
Die Kopfträgereigenschaften der 810 sind auch was anderes, selbst wenn die B67 (letzlich Quasi Großmutter der 810) gegenüber einer A77ORF bei 38 keineswegs Gold offerierte.

Die großen Vorsprünge liegen in der Zuverlässigkeit, den engeren Toleranzen (da gibt es nicht unbedingt 'solche und solche' Geräte) und vor allem in den höheren Bandgeschwindigkeiten.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
[Kein Betreff] - von Michael Franz - 30.05.2005, 18:38
[Kein Betreff] - von Etienne - 30.05.2005, 19:13
[Kein Betreff] - von revoxidiert + - 30.05.2005, 20:53
[Kein Betreff] - von MichaelB - 30.05.2005, 22:18
[Kein Betreff] - von analogi67 - 31.05.2005, 09:05
[Kein Betreff] - von Michael Franz - 31.05.2005, 10:39
[Kein Betreff] - von Etienne - 31.05.2005, 11:04
[Kein Betreff] - von MichaelB - 31.05.2005, 11:43
[Kein Betreff] - von Michael Franz - 31.05.2005, 11:59
[Kein Betreff] - von MichaelB - 31.05.2005, 12:00
[Kein Betreff] - von PhonoMax - 31.05.2005, 16:09

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste