Software "AudioTester" zur Messbandherstellung - ohne Bezugsbandverschleiß
#5
Liebe Freunde des Magnetbands,

Heute möchte ich berichten, auf welche Arten sich die Software „AudioTester“ zur einfacheren und ökonomischeren Herstellung von Messbändern bei nochmals gesteigerter Präzision nützlich machen kann.

Anlass dafür war eine Beobachtung bei dem M15A-Exemplar, das ich über Monate nach und nach zur Referenz-Bandmaschine um- und ausgebaut habe. Bei diesem Maschinentyp gibt es mit Hilfe von „Huckepack“-Steckkarten die Möglichkeit, die Entzerrung zwischen NAB und CCIR umzuschalten.

Seltsam erschien mir, dass bei 38 cm/s eine NAB-Aufzeichnung geringfügig mehr Höhen aufwies als bei CCIR (bei identischer Einmessung). Zunächst hatte ich das NAB-Bezugsband im Verdacht, was sich teilweise auch bestätigte, doch den Höhenanstieg nicht vollkommen erklären half. Also machte ich mich auf die Suche nach der Ursache. Bei einem Messband ist es unerlässlich zu wissen, ob Frequenzgangabweichungen sich bei der Kontrollwiedergabe einschleichen oder bereits auf dem Band aufgezeichnet wurden.

Sehr gelegen kam mir in diesem Augenblick ein „Magnetton-Betriebsmessgerät“ mit der Braunbuch-Bezeichnung „R57“, von dem MichaelB vorige Woche mir dankenswerterweise ein fast neu erscheinendes Exemplar zur Verfügung stellte.

Das R57 enthält u.a. schaltbare, frequenzbestimmende, passive Präzisionsnetzwerke, mit denen sich die Übertragungseigenschaften von Aufnahme- und Wiedergabekanälen ausführlich prüfen lassen: von der Höhe des Lösch- und AK-Stroms bis zur induktiven oder galvanischen Einspeisung direkt am WK – inklusive der nötigen Frequenzgang-Entzerrung zur einfachen und genauen Prüfung der Eigenschaften des WV. (Wie die Beschreibung im typischen Rundfunktechnikerdeutsch und leicht sperriger Grandezza formuliert: „Das R57 ist ein Messgerät für Magnettonanlagen und dient zum Messen der tonfrequenten und hochfrequenten Ströme des Aufsprechteils sowie zum Messen des Übertragungsmaßes des Wiedergabekanals bei den Bandgeschwindigkeiten 76,2; 38,1; 19,05 und 9,5 cm/s.“)

So handlich und vielseitig dieses Messgerät auch ist, für Bandmaschinen ab den späten 1960er Jahren ist seine Brauchbarkeit leider stark eingeschränkt. Zum einen, weil es nur auf die Mitte der 1950er Jahre genormten Entzerrungen schaltbar ist, zum anderen, weil seine Wiedergabe-Entzerrungsglieder auf Kopftypen optimiert wurden, die zur selben Zeit zwar rundfunküblich waren, doch heute so gut wie nicht mehr aufzutreiben sind. Um das Gerät sinnvoll einsetzen zu können, muss also mit Korrekturdaten bzw. -diagrammen hantiert werden, was die ursprünglichen Hauptvorteile des Gerätes – Einfachheit, Schnelligkeit und Genauigkeit – stark vermindert.

Glücklicherweise lassen sich sämtliche Funktionen des „R57“ auch mit dem „AudioTester“ auf elegante Weise erfüllen, weil dieses Programm etwaige Korrekturen aller Art schon beim Messvorgang berücksichtigen kann. Das grundsätzliche Verfahren für den Wiedergabeteil habe ich im Startbeitrag vor etwa zwei Wochen beschrieben.

Ähnlich funktionieren die Prüfungen und Justagen auch beim Aufnahmezweig, mit dem Unterschied, dass der Aufnahmestrom (hier nur die NF) als Spannungsabfall über einen kleinen Widerstand am Fußpunkt des AK gemessen und für jede Normfrequenz einzeln kalibriert werden kann.

Nebenbei erwähnt: Diese Methode bei der Messbandherstellung liefert die mit Abstand präzisesten Ergebnisse bei Frequenzen unter 1 kHz. Hierfür genügt es nämlich nicht, Einflüsse von Bezugsband und WK durch Ersatzschaltungen („R57“) oder Korrekturtabellen („AudioTester“) weitestgehend auszuschalten.

Den Tiefenfrequenzgang einer Aufzeichnung per Hinterbandmessung korrekt zu bestimmen, gibt sogar dem bestausgerüsteten Fachmann schwere Nüsse auf, beispielsweise die schwer zu berechnenden Einflüsse von Kopfspiegelwelligkeit und seitlicher Einstreuung einer Vollspuraufzeichnung in schmalere Wiedergabespuren. Nur durch unmittelbare Messung der Aufnahmekopfströme wird fehlerfrei dokumentiert, was tatsächlich „aufs Band geht“.

Durch diese Überlegungen und Schritte kam ich unter anderem zu der Erkenntnis, dass der Aufnahme-FG der M15A unterhalb 1 kHz überhaupt nicht korrigiert zu werden braucht, weil er bei CCIR-Entzerrung tatsächlich bis 10 Hz herunter linealgerade bleibt und nur geringe individuelle Korrekturen der Normfrequenzen nötig sind (<0,5 dB). Bei NAB-Entzerrung ist es daher ein Leichtes, den Pegel für die Tiefen nach Korrekturfaktoren zu kalibrieren, diese bleiben dann auch über längere Zeiträume stabil und konstant.

Bei dieser Gelegenheit erwies sich auch, dass der AV der M15A – gemeinsam mit dem AK immerhin das entscheidende Element bei der Messbandherstellung – langfristige Pegel- und Frequenzgangveränderungen allenfalls im hundertstel-dB-Bereich erzeugt, ich mich also bei der Suche nach Optimierungsmöglichkeiten hauptsächlich auf die Wiedergabeseite konzentrieren konnte.

Dabei geht es vor allem darum, Veränderungen der Eigenschaften des Wiedergabeverstärkers so weit wie möglich auszuschalten: Langzeitwirkungen, Temperaturdrift und dergleichen Einflüsse auf Verstärkung und Frequenzgang. Diese Änderungen bewegen sich im 0,1-dB-Bereich (etwa eine Größenordnung höher als im Aufnahmeteil), was normalerweise durchaus gering bis bedeutungslos erscheinen mag, doch in Verbindung mit anderen Einflüssen können solche Instabilitäten sich durchaus zu Pegelveränderungen außerhalb der eng gesteckten Toleranzgrenzen aufsummieren.

Zurück zur ungeklärten Frage vom Anfang, weswegen bei gleicher Geschwindigkeit der Frequenzgang der M15A bei CCIR und NAB unterschiedlich sein könnte. Im Frequenzschrieb sieht das so aus:

[Bild: m15a3016mkt-frequenzgangeigena.jpg]

Die beiden oberen Kurvenpaare wurden bei 38 registriert. Zu erkennen ist der leichte Höhenanstieg der NAB-Kurven (oder Höhenrückgang der CCIR-Kurven, je nachdem). Auch bei 19 sind Abweichungen zu sehen, jedoch weit geringer.

Dies lässt darauf schließen, dass bei einer der beiden Entzerrungseinstellungen für Geschwindigkeit 38 (CCIR: 35 µs / NAB: 50 & 3180 µs) die korrespondierenden Änderungen in den AV- und WV-Frequenzgängen nicht exakt spiegelsymmetrisch zueinander verlaufen.

Mit den nächsten Diagrammen möchte ich illustrieren, wonach ich genau suchte und was ich dabei fand.

Zunächst eine genormte Bandflusskurve für 38 CCIR (Wiedergabeentzerrung 35 µs), durch Excel berechnet und in „AudioTester“ importiert:

[Bild: normbandfluss381ccir.jpg]

Dazu in blau die NAB-Entzerrungskurve für 19 und 38 (50 + 3180 µs):

[Bild: normbandfluss382ccirnab.jpg]

Das nächste Bild zeigt die Differenz beider Entzerrungen (schwarz gepunktete Linie). Solche Pegelabweichungen ergeben sich durchweg, wenn z.B. ein nach NAB entzerrtes Magnetband auf einer nach CCIR entzerrten Bandmaschine wiedergegeben wird: Der Klang wird in den Höhen etwas dumpfer, und vor allem wird er merklich basslastig.

[Bild: normbandfluss383ccirnabdiffere.jpg]

Hier der Unterschied zwischen NAB-und CCIR-Entzerrung des Aufnahmeverstärkers alleine:

[Bild: normbandfluss384-differenznabr.jpg]

Da die Frequenzgangunterschiede beim Umschalten zwischen NAB und CCIR im Aufnahme- und Wiedergabeteil spiegelbildlich erzeugt werden, habe ich im nächsten Bild dieselben Abweichungen an der 0-dB-Achse gespiegelt (gestrichelte Linie):

[Bild: normbandfluss385-differenznab-.jpg]

Damit sehen wir die frequenzabhängigen normgemäßen Pegelunterschiede zwischen CCIR- und NAB-Entzerrung bei 38 cm/s. Die fallende Kurve zeigt die Änderungen im Frequenzverlauf beim Aufnahmeverstärker, die steigende die entsprechende Kompensation im Wiedergabeverstärker.

Anmerkung: Diese Kurven geben nicht etwa die genormten Verläufe der Bandflussfrequenzgänge wieder, sondern die Differenzen zweier Bandflusskurven unterschiedlicher Normen. Da es hier ausschließlich um die Abweichungen NAB gegenüber CCIR geht, lässt sich für diesen Zweck der CCIR-Frequenzgang als schnurgerade ansehen (was er real natürlich nicht ist). Dies wird durch die durchgezogene schwarze 0 dB Linie angedeutet.

Bis jetzt haben wir nur genormte „Idealkurven“ der Frequenzverläufe betrachtet. Im nächsten Bild habe ich diesen die realen Entzerrungsänderungen der M15A- Aufnahme- und Wiedergabeverstärker bei Umschaltung von CCIR auf NAB überlagert (orange = Aufnahme; blau = Wiedergabe):

[Bild: normbandfluss386-differenznab-.jpg]

Auffällig ist zunächst im Bereich <20 Hz die unterschiedlich starke Begrenzung des Anstiegs/Abfalls. Dies ist aber relativ unbedeutend, da die untere Grenzfrequenz der Maschine bereits bei ca. 35 Hz erreicht ist (Frequenzgang s.o.).

Die übrigen Kurvenabweichungen vom Sollverlauf geraten im AV und WV vorbildlich gering (0,25…0,3 dB max.). Die Höhenanhebung im Wiedergabezweig (blaue Kurve) zwischen 10…20 kHz ist demgegenüber auffallend groß, mit einer Maximalabweichung von 1,5 dB. Dies entspricht ziemlich exakt der Überhöhung, die im zuerst gezeigten Frequenzgangschrieb zu erkennen ist.

Für die wenigsten Menschen meines Alters dürften solche Unterschiede sogar im AB-Vergleich wahrnehmbar werden, doch bei der Messbandherstellung sind solche Abweichungen nicht hinzunehmen, besonders wenn ihre Ursachen unerkannt bleiben.

Vor allem wegen dieser Ungenauigkeiten der NAB-Entzerrung im WV wurde die Entscheidung unumgänglich: Für NAB-Messbänder belasse ich zukünftig die NAB-Steckkarten im Aufnahmezweig, entferne sie aber aus dem Wiedergabeverstärker und justiere statt dessen den Frequenzgang mit Korrekturtabellen-Unterstützung etwa auf die Art, die ich in meinem Startbeitrag umrissen habe. Unterhalb 1000 Hz hingegen werden die einzelnen Normfrequenzen durch direkte Messung der AK-Ströme kalibriert. Das geht deutlich schneller und ist gleichzeitig um das Zehnfache genauer als über Hinterband-Kontrollmessungen.)

Bislang hatte ich Messbänder grundsätzlich durch Direktvergleich mit dem jeweiligen primären Referenzband auf höchste Genauigkeit getrimmt, doch diese Referenzbänder möchte ich in Zukunft gerne möglichst schonen (und damit länger erhalten), da ihre Verfügbarkeit immer begrenzter wird. Dies war auch der Hauptgrund für meinen „Workaround“, der zu Anfang erst einmal viel Zeit verschlang, doch letzten Endes sehr viel zeitraubende Routinearbeit ersparen hilft thumbup

Soweit das Neueste aus meinem kleinen (aber feinen) Magnetband-Laboratorium.

Grüße,
Peter
Grüße
Peter


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Ich bin, wie ich bin.
Die einen kennen mich, die anderen können mich.
(Konrad Adenauer)
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Nachrichten in diesem Thema
[Kein Betreff] - von MichaelB - 17.02.2018, 21:54
[Kein Betreff] - von Peter Ruhrberg - 17.02.2018, 21:59
[Kein Betreff] - von MichaelB - 17.02.2018, 22:14
Neues vom „AudioTester“ zur Messbandherstellung - von Peter Ruhrberg - 06.03.2018, 20:07
[Kein Betreff] - von kaimex - 08.03.2018, 14:48
[Kein Betreff] - von Peter Ruhrberg - 08.03.2018, 15:33

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