SABA 600 SH?
#20
Moin, moin,

ich muss Peter voll umfänglich zustimmen. Eine Saba 600SH mit einem jüngeren Gerät zu vergleichen und daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, sie sei eine Fehlkonstruktion, ist nicht angemessen.

Wer aus heutiger Sicht nach einem Bandgerät sucht, das beste Leistung mit einfacher Handhabung und Wartung verbindet, der hat die Wahl zwischen allem, was Hersteller im Magnetton-Bereich entwickelt und gebaut haben. Natürlich werden wir Verbraucher heute in dieser Situation einen Maßstab anlegen, der sich an ASC oder Revox orientiert. Als die Saba konzipiert wurde, gab es solche Konkurrenten noch nicht, da hatte hierzulande grad' mal Braun ein "großes" Bandgerät im Programm gehabt, das kein reines Profi-Gerät gewesen war. Und die meisten von uns wären auch nicht die Zielgruppe der Saba gewesen sein. Oder hat einer von Euch, Mitte der sechziger Jahre, eine 3-Kopf-Bandmaschine für 26,5 cm-Spulen gefordert und dabei dem Hersteller 2.000 DM angeboten?

Die Saba war eine Entwicklung für die Bundeswehr, für die Marine gewesen. Und dort war ein Design, das sich am Bedarf kleiner amerikanischer Rundfunk-Sender orientierte, nicht relevant gewesen. Wer für die Bundewehr bauen will, der muss sich nach deren Standards, nach deren Anforderungen richten. Nicht nach denen von privaten Tonband-Fans des Jahres 2017. Wer für die Bundeswehr baut, der muss beispielsweise in der Lage sein, eine stabile Technik zu liefern, die auch über Jahre in Betrieb gehalten werden kann. Setzt man da auf "neue" Technologien, oder verwendet man Bewährtes, wie beispielsweise Germanium-Transistoren?
Was auch immer wir davon halten: die Saba repräsentiert das, was der eigentliche Auftraggeber gefordert hatte, was er akzeptiert und abgenommen hat.

Als die 600 fertig gewesen war - vielleicht schon vorher - da hatte man sicher geprüft, welche Zielgruppen man damit noch würde erreichen können. Eine Heim-Version und eine Studio-Version waren die Folge gewesen. Es fand eine Weiter-Entwicklung der Maschine statt, die von der Marine-Version zur 600SH-A und weiter zum G-Modell mit Silizium-Transistoren geführt hat.
Ich bin sicher, hätten wir von Saba einen Großspuler mit 3-Kopf-Ausstattung und Highspeed gefordert, hätte Saba das gebaut. Haben wir gefordert? Insgesamt sind etwa zweitausend Stück aller Versionen dieser Saba gebaut worden. Für den Mitbewerber Grundig haben beispielsweise die Stückzahlen einer TS1000 nicht ausgereicht, die bereits angekündigte Highspeed-Version zu bauen. Wir haben davon auch nicht genug gekauft. Das ist Realität in der Marktwirtschaft. Im Osten war das anders gewesen: da wurde der Kunde "von oben" beglückt. Hier kann das nur der Kunde selbst durch sein Kauf-Verhalten ändern. Wie viele Akai's, Sony's und Teac's der hier geforderten Dimension haben wohl die Bundesbürger zwischen 1965 und 67 gekauft?

Es geht also nicht um die Frage, was Saba gekonnt hätte, sondern ob es jemanden gegeben hatte, der etwas gewollt hatte, was sich vom Marine-Entwurf unterschied.

Naben aller Kritik an Saba darf man auch die Rahmen-Bedingungen nicht vergessen, unter denen damals gearbeitet worden ist, die bedingen, was möglich war.
Saba war eine vergleichsweise kleine Firma gewesen, die mit dem Versuch der Kühlgeräte-Produktion ein Fiasko erlebt hatte, was die Substanz des Unternehmens schwer geschädigt hatte. Saba hatte Empfänger, hatte Verstärker, hatte Tonbandgeräte und hatte Fernsehgeräte gebaut. Mit "HiFi" hatte man keine Erfahrungen. Ebenso wenig mit Bauelementen. Hier war man abhängig von den Zulieferern gewesen. Realisieren konnte man das, was die zugelieferten Bauteile konnten, bzw. was die Hersteller der gelieferten Bauteile erklärten, was die Elemente könnten.
Wenn man sich von den Bauvorschlägen die Lieferanten entfernen wollte, dann musste man selber entwickeln. Und wenn das Bauelement des eigenen Lieferanten für die eigene Idee einer Schaltung nicht geeignet war, dann müsste man sich einen neuen Lieferanten suchen. Aber war das für Saba gangbar? Gute Preise für Bauelemente kommen durch hohe und regelmäßige Abnahme-Mengen zustande. Wechselt man für einen Teil der Produktion den Lieferanten, dann reduziert man die Mengen pro Lieferant. Die Preise steigen und man wird vielleicht nicht mehr so schnell beliefert, bekommt vielleicht auch nicht gleich die neuesten Modelle. Und Saba war vom Bildröhren-Lieferanten Telefunken abhängig gewesen.

Im Jahre 1964 hat Saba versucht, eine tiefer gehende Zusammenarbeit mit Telefunken zu realisieren. Damals dürfte die 600SH bereits in der Entwicklung gewesen sein. Hermann Brunner-Schwer berichtete in seinen Erinnerungen, "... Es wurde damals schon deutlich, daß sich die Entwicklung neuer und zukunftsweisender Technologien auch im Bereich der Unterhaltungselektronik mehr und mehr in die Forschungslaboratorien der großen Bauelemente-Hersteller verlagerte. Der dort betriebene Aufwand bewegte sich aber in Größenordnungen, die von einem Privatunternehmen wie SABA niemals hätten finanziert werden können. Je stärker sich dieser Trend durchsetzte, umso kleiner wurden die Freiräume für die Gestaltung eigener technischer Konzepte. Ein reiner Gerätehersteller wie SABA geriet so in eine zunehmende technische, aber auch wirtschaftliche Abhängigkeit von der zuliefernden Bauteile-Industrie. ..."
Saba bot Telefunken 1964 an, in Zukunft exklusiver Zulieferer zu werden, um bevorzugt über technische Neuerungen und Informationen verfügen zu können. Telefunken machte den Zuschlag von einer zehn-Prozentigen Beteiligung an Saba abhängig, was Herr Brunner-Schwer ablehnte. Es kam nicht zum Vertragsabschluss. Das Know How und neue Technologien der Telefunken, in Deutschland unter anderem Inhaber wichtiger Magnetband-Patente, standen damit für die 600SH nicht zur Verfügung.
Der ruinöse Preiskampf im TV-Markt sorgte dafür, dass Saba Mitte der sechziger Jahre in ernsthafte Schwierigkeiten geraten war. Die Banken machten Druck, den Deal mit Telefunken zu akzeptieren. Gleichzeitig machte Max Grundig Druck. Ob das wohl ein geeignetes Umfeld für Investitionen in die Entwicklung einer noblen Bandmaschine für einen mehr als ungewissen privaten Markt gewesen war? Wer hatte sie noch gleich gefordert?

Heute sehen wir anhand der späteren Umsatz-Zahlen der A77, dass es einen Markt gegeben haben dürfte. Im damaligen Verständnis der großen Hersteller gab es den Markt eher nicht und dürfte die Einführung der Revox zudem bedeutet haben, das der Markt nochmal schwieriger werden würde.
Die britische The Ferrograph beispielsweise hatte sich durch die A77 genötigt gesehen, mit den Seven neue Modelle einzuführen. Die waren nicht konkurrenzfähig, insbesondere internationale Marktanteile gingen an Revox verloren. The Ferrograph ging pleite, wurde an NEAL verkauft. Und nicht nur die. Denn die A77 verkaufte sich auch anderswo blendend. Auch andere Bandmaschinen-Hersteller verschwanden zeitgleich mit dem Erfolg der Revox. Wie viele 'A77' hätte der Markt vertragen?

Wie auch immer. Die 600SH wurde irgendwann nicht mehr weiter entwickelt. Der neue Eigentümer von Saba war übrigens nicht die Magnetband-affine Telefunken und auch nicht die Magnetband-affine Philips, mit der noch verhandelt worden war, sondern die amerikanische GTE. Die war eher Bauelemente-Hersteller gewesen und wohl eher an "Menge" als an "Tonband" interessiert. Was wäre wohl gewesen, hätten Millionen von Bundesbürgern nicht Fernsehgeräte, sondern Highend-Bandmaschinen gekauft ... Haben sie nicht.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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SABA 600 SH? - von olav246 - 03.08.2017, 10:50
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