Köpfe taumeln, wie macht man es amtlich?
#17
Jetzt vielleicht auch etwas von mir. Das von Tamas geschilderte Verfahren ist mehr oder minder dasjenige, was regulärerweise angewendet wird.

Zunächst solide Einstellung des Wiederkopfes nach Höhe, Parallelität der Ebenen Band/Kopfspiegel, Spaltsenkrechtstellung.

Die Höhe wird bei Amateurs meist (vgl. Service-Anleitungen; Band zuvor mehrfach hin- und herspulen!) nur durch eine optische 'Peilung über die Bandkanten' auf symmetrische Lage des Bandes vor dem Kopf durchgeführt. Bei Vollspur geht es auch nicht anders, stellt aber auch nur ein einschränktes Problem dar.
Im Zwei- oder Mehrkanalfall nutzten Hersteller und Profis Spezialbänder mit Trennspuraufzeichnungen, wobei dazu Schmetterlingsköpfe durch ihre sehr schmale und daher 'scharfe' Trennspur einen unerwarteten, zusätzlichen Vorteil (neben dem generellen Nachtreil des Preises...) offerieren. Das ARD-Stereo-Bezugsband 514 beispielsweise enthält eine Trennspur-Aufzeichnung, mit der man wunderbar auf normgemäße Kopfhöhe abgleichen kann.
Bei Cassettenrecordern höherer Qualität (z. B. Revox 710 und Derivate) wurde/wird mit mechanisch präszise gefertigten Lehren zur optischen Peilung gearbeitet, die man teuer z. B. bei den Löffingern erwerben konnte. Studer hat dergleichen auch zumindest in der G36-Generation für seine Bandgerätekopfträger eingesetzt, wie man hier sehr schön sehen kann:

http://people.freenet.de/reeltoreel/Regensdorf/21a.jpg

Nachdem Studer/Revox offensichtlich (Einrichtung immer gut, aber nie 100%ig) die Kopfträger unabhängig vom endgültig 'mitkommenden' Bandmaschinenchassis abglich, denke ich, dass dies Verfahren zumindest für den Rohabgleich wohl noch deutlich länger eingesetzt wurde.

Gleichzeitig ließ sich mit diesem Verfahren auch die Parallelität der Ebenen durch Band- und Kopfspiegel kontrollieren und justieren, die ansonsten seit RRG-Zeit optisch/mikrosopisch auf dem planen Messtisch oder auch an der Bandfläche vorbei 'gepeilt' eingestellt werden kann. Dabei ist natürlich eine hohe Fehlerquote abzusehen, die man insbesondere bei bis zum Gehtnichtmehr abgefahrenen Profiköpfen oft auch erkennen kann, weil die Köpfe im oberen und unteren Bereich unterschiedlich breite Spiegel-Tragbilder aufweisen. Das ist teilweise durch Mängel im Kopfabgleich, im Bandmaterial (Hohlkrümmigkeit) oder auch solche in Bandzug und Bandführung bedingt.

Spaltsenkrechtstellung ist kein Problem, wobei ich zum oben Gesagten ergänzen möchte, dass eine Spaltsenkrechtstellungsjustage bitte nur anfänglich bei 1 kHz (Maximum), dann aber auf jeden Fall auch noch bei 10 kHz (Maximum und Feinabgleich nach Phasenlage, sofern erforderlich; bei Vollspur ist nur Abgleich nach Pegelmaximum möglich).
Um die senkrechte (Dreh-)Achse des Tonkopfes sollte man (so überhaupt möglich) nach Pegelmaximum bei einer relativ hohen Frequnez abgleichen und dabei bedenken, wie der Wiedergabe- bzw. später dann der Aufnahmevorgang erfolgt (Wiedergabe: Spaltmitte, Aufnahme: vom Band zuletzt passierte Spaltkante).

Hat man den Wiedergabekopf ordentlich an der Kandare, kann man sich dem Aufnahmekopf widmen.
Das geht letztlich genauso, wobei ich -einmal- erlebt habe, dass ein Kollege der Ingenieursfraktion für die Höheneinstellung den Aufnahmekopf behelfsweise als Wiedergabekopf schaltete, um die Trennspuraufzeichnung für die Höhenjustage auch des Aufnahmekopfes zu nützen. Ich fand das damals sehr tricky (wäre natürlich nicht darauf gekommen), weiß aber nicht inwieweit das allgemeinere Praxis war. Ansonsten nimmt man eine möglichst hohe Frequenz auf und versucht Pegelmaximum (im Mehrkanalfall auf allen Kanälen) zu erhalten. Die Parallelitätseinrichrtung der Ebenen läuft wieder -so oder so- optisch; die Spaltsenkrechtstellung ist kein Problem (bitte Feinabgleich bei 10 kHz), durch ein Drehen um die senkrechte Achse sucht man Pegelmaximum (aller Kanäle; hohe Frequnez) bedenkt aber, dass das Feld an der vom Band zuletzt passierten Spaltkante am wirksamsten arbeitet.

Überhaupt: Alles beeinflusst alles bei einem solchen mechanischen Abgleich von Anfang an. Man muss also den ganzen Zirkus während der Prozedur immer mal wieder von vorne durchziehen und dabei den Überblick behalten, ruhig zu Werke gehen(!), sonst ist man notfalls Tage beschäftigt, um die Fehler zu minimieren. Die ja nicht über 10 kHz hinaus denken wollende RRG veranlasste das in der Frühzeit dazu, gleich alles 'einfachheitshalber' auf die optische Ebene zu verlagern, unabhängig von der eigentlichen Maschine. Nachem Kopfträger idealerweise im Schnellaustausch verwendbar sein sollten, war dies ja auch nicht allzu abwegig.... Wunsch und Wirklichkeit ---.

Das änderte sich erst nach der K8 (1948) und T9 (ab etwa 1952), also mit den Tendenzen zur Halbierung der Bandgeschwindigkeit und der Anhebung der oberen Grenzfrequenz. Zumindest die Schrauben für die Spaltsenkrechtstellung wurden mitunter auch bei Altgeräten im Archiveinsatz 'von außen' erreichbar gemacht. Wenn eine K4/K8 diese Schraubenlöcher im ansonsten originalen Kopfträger aufweist, wurde sie 'nachgerüstet'.

Grundsätzlich kann man sich manche der oben geschilderten Prozeduren durch Messaufzeichnungen und Tricks (z. B. Phasendrehung zweier Kanäle zu Abgleichzwecken, frequenzselektive Messungen, Wiedregabe eines bespielten Bandes von Vorder- vs. Rückseite etc.) und speziell umgerüstete Messmagnetofone erleichtern, doch steht all dies unsereinem heute ja nun nicht, meist nicht oder nicht mehr zur Verfügung. Übrigens habe ich meine Spaltjustagen sehr gerne nicht etwa mit Touchierpaste (damit haben wir weiland das Getriebe der BMW-R26 meines Bruders eingestellt....), sondern mit einem blauen Edding-Markierstift (der mit dem Metalltank; "Edding 3000" oder so heißt/hieß das Ding, dessen Schrift immer so schön über Seiten hin durchschlug). Man lässt den spirituslöslichen Auftrag ordentlich trocknen; dann läuft ein 525 drüber und man sieht/sah sehr schön (zumindest bei den beiden Revoxen, denen ich vor sicher 20 Jahren jeweils einen neuen 'Verstand' verpasste), 'wo man steht', bzw. stand. Klarband habe ich damals nicht verwendet, kann daher also nicht recht sagen, ob dessen 'Abrasivität' für die Edding-Methode hinreicht.

Insgesamt empfiehlt sich immer Vorsicht und ehrfürchtige Zurückhaltung, wenn es um geometrische Probleme beim Bandgerät geht. Je seltener ein Bandgerät in seinem Leben kontrolliert wurde, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass vorher nicht 'Nachher' war und nachher nicht 'Vorher' ist.
Genau dies dürfte eine der zentralen Klippen des Kopfwechsels beim halbwegs anspruchsvollen Amateur sein, weil er ein potenziell nicht normgemäßes Archiv ja nachher auch noch wiedergeben möchte. Einmal abgesehen von den sachbedingten Beschwerlichkeiten eines Tonkopfwechsels. Also lieber einmal weniger als einmal zuviel.

Hans-Joachim

P.s.: Eines habe ich vergessen: Die von Tamas geschilderte Löschmethode ist mit gewissen Fehlerrisiken behaftet, weil die Löschkopfspuren etwas breiter sind als die Nutzspuren.
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