Aktuelle Schlagzeile aus dem heutigen Spiegel- online: steigende Vinylverkäufe in England...
#7
Moin, moin,

weiterhin ist es so, dass niemand eine Musik-Konserve benötigt. Daran hat sich in den letzten Jahrzehnten nichts geändert. Unser natürliches Verhalten wäre "selber Musizieren" oder bestenfalls Livemusik hören. Konservenmusik zu hören wird uns von Kindheit an beigebracht, so auch die Art ihres Konsums. Ein "Richtig" oder "Falsch" gibt es da nicht. Somit auch kein "überflüssig" oder "genügt".

Und auch das Streaming gibt es schon länger, es wird bald hundert Jahre alt. Denn am 6.11.1919 hatte der niederländische Fabrikant Hanso Schotanus à Steringa Idzerda in seiner Wohnung in Den Haag den ersten Rundfunk-Sender in regelmäßigen Betrieb genommen.

Immer mal wieder hat Irgendetwas irgendetwas Anderes verdrängt. Ich halte es für naiv zu glauben, dass es dabei mehrheitlich um "Qualität" gegangen ist. Spätestens seit Anfang der siebziger Jahre hatten Radio, Tonband und Schallplatte, später auch Kassette eine Qualität liefern können, die, gemessen an der Zahl der Benutzer, kaum noch irgendwo zum Einsatz gekommen ist. Würde sich irgendwer für die Qualität von Musikübertragung interessieren, dann würden wir über Lautsprecher und ihre Aufstellung, bestenfalls über das Recording von Musik reden, aber nicht in dem Maße über Verstärker, Plattenspieler oder Tonbandgeräte. Oder über Datenträger und ihre Formate. Und die wenigen "Audiophilen" oder "Highender" sind schon seit achtzig Jahren kein relevanter Markt mehr.
Grollt da Widerspruch im Hirn? Der, bei dem es grollt, der sollte sich fragen, ob er mehr Klassik oder mehr Pop und Rock von der neu gekauften Platte hört und ob deren Produktionsqualität tatsächlich irgendwelchen Ansprüchen an "Qualität" oder gar "Natürlichkeit" gerecht wird. Oder entspricht der aktuelle Sound vielleicht eher einer Mode?

Die Industrie versucht seit vielen Jahren, den Menschen zum Konsumenten zu degradieren. So wie die Politik den Menschen zum Wähler, die Religionen ihn zum Gläubigen, die Gewerkschaften ihn zum Mitglied, die Medien ihn zum Leser , Zuschauer oder Zuhörer zu degradieren versuchen. Er soll passiv bleiben und das tun, was man ihm sagt. Das Problem ist: Das funktioniert nur eine gewisse Zeit lang. Ist etwas "neu", ist der Mensch folgsam. Mit der Zeit aber folgt er weniger begeistert, wird kritisch, aufmüpfig. Man braucht dann neue Argumente, neue Ängste, neue Bedrohungen oder neue Produkte, damit er wieder folgsam wird.
"Betreut" man ihn nicht, dann fällt er in seine natürlichen Verhaltensweisen zurück und konsumiert nicht mehr (das, was er soll), wählt nicht mehr, tritt aus, glaubt nicht mehr usw.

Das Bekannte zu Reaktivieren ist kein neuer Weg. Denn für die neue Generation ist das Alte ja auch neu und für die alte Generation bedeutet das "Alte" eine Rückkehr zu einer positiv beleumundeten Verhaltensweise, zu einem Produkt mit der man selbst erfahrene Erinnerungen und Gefühle verbindet und von dem man ja schon überzeugt (worden) ist. Wie gesagt geht es um gelernte Verhaltensweisen, und was man einmal "gelernt" hat, das muss man nicht erneut lernen. Die Argumente, die einmal dagegen gesprochen haben - die der anderen und die eigenen - sind inzwischen nicht mehr virulent, müssten ebenfalls wieder aktualisiert werden, um einen Effekt zu haben.

Warum kommen Mode-Stile immer wieder?

Es ist ja nicht so, dass die Schallplatte heute DAS Medium für die kommenden Jahrzehnte sein wird. Es ist aber das Medium, mit dem man heute dem Konsumenten, der das Weiße Album der Beatles schon auf CD hat und die neu abgemischte Version des weißen Albums der Beatles schon auf CD hat und der die Extended Edition des weißen Albums der Beatles schon auf CD hat der das weiße Album der Beatles schon als Datei hat, das weiße Album der Beatles auch auf Vinyl verkaufen kann.

Wir erleben eine Revolution, die der durchschnitts-dumme Bürger offensichtlich gar nicht mit bekommt. Während sie Montags nach "Volk" und "Heimat" gröhlen, überweisen sie immer größere Teile ihres Vermögens und Einkommens in vorauseilendem Gehorsam in die USA und nach Asien und lassen immer größere Teile ihres Lebens von dort aus strukturieren; ganz unabhängig von ihrem Gegröhle. Amazone, Apple, Facebook, Google, Microsoft und andere sind dabei, das "globale Dorf" nicht nur zu schaffen, sondern es auch in jedem Winkel zu kontrollieren und zu gestalten. Und das ganz unabhängig von irgendwelchem Gefasel von Marktwirtschaft oder Demokratie; beides sind übrigens Werkzeuge und nicht Selbstzweck, und Werkzeuge lassen sich vielfältig benutzen. Vor allem wenn der Bürger nur folgt und seine Aufgaben in der Bedienung der Werkzeuge nicht wahrnimmt. Tatsächlich findet der Verbraucher es geil, seine Aufgaben zu delegieren, und macht sich zur Mobilitäts-App des von seinem Provider geliehenem Smart Phones: Beine für's Handy.

Für immer mehr z.B. Medien-Unternehmen bedeutet das den reinen Existenz-Kampf. Denn welcher Hersteller von etwas physisch Vorhandenem kommt in Bezug auf den Nutzen dauerhaft gegen digitale Dienstleistungen an?
Früher waren Nachrichten exklusive Dinge, die man hat suchen und kaufen müssen. Heute werden einem welche nachgeworfen, aufgedrängt. Und das inzwischen schon, bevor oder zumindest ohne dass etwas passiert ist. Warum also Zeitschriften kaufen? Warum Bücher kaufen? Warum CDs kaufen usw.? Darüber, dass der Aufdränger immer mehr entscheidet, wer wir sind, egal was wir Montags gröhlen, interessiert nicht einmal die Gröhler.

Für all die Unternehmer, die etwas herstellen das physisch vorhanden ist, besteht aber das Problem, dass die neuen Industrien in immer mehr Bereiche vordringen. Direkt und immer mehr auch indirekt: "Arbeit 4.0" bedeutet z.B. auch, dass immer weniger Autos benötigt werden, wenn immer mehr Arbeiter zuhause "arbeiten".

Beispielsweise die Firma Eumig ist in den siebziger Jahren nicht zuletzt daran kaputt gegangen, dass sie sich von einem US-amerikanischen Plattform-Anbieter (Kodak) abhängig gemacht hat, der den Österreichern plötzlich das Produkt entzogen hat. Der ehemals prominente Radio-Hersteller McMurdo Silver ist in den vierziger Jahren daran gescheitert, dass ein Lizenzgeber den Vertrag nicht verlängert hat. Das ist nicht neu. Plattform-Technologien hat es schon immer gegeben und Konzerne, die, abseits von Demokratie und Marktwirtschaft, diese Plattformen kontrolliert haben, auch. Neu ist die Durchdringung weniger Anbieter in viele Bereiche.; und zwar weltweit.
Womit kann also eine "alte" Firma Geld verdienen? Eine "alte Technologie" ist ein Weg, auf dem man die lästige binäre Konkurrenz nicht trifft. Noch. Denn die Brieftasche, um die es geht, ist die selbe. Eine dauerhafte Perspektive hat das also nicht. Doch welcher Manager bemisst sein Handeln noch an langfristigen Entwicklungen? Heutzutage wird der kurzfristige Erfolg honoriert.

Der Idee der Reaktivierung alter Technologien kommt entgegen, dass der Mensch letztlich immer noch ein haptisch veranlagtes Tier ist. Dem entspricht die Schallplatte und dem entspricht das Tonband mehr, als eine Datei oder ein Stream. Man kann etwas anfassen, eine Bewegung sehen. Es passiert etwas Greifbares. Eine Form von Faszination, die nicht unmittelbar in Konkurrenz mit dem virtuellen, globalen Dorf steht. Heute tritt man sich (noch) nicht auf die Füße. Letztlich wird sogar ein Bedarf befriedigt, so dass er die globale Entwicklung nicht stört. Das "globale Dorf" profitiert davon, dass der Spieltrieb mit der Schallplatte gestillt wird.

Nur so ein Gedanke. Oder zwei.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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[Kein Betreff] - von nick_riviera - 06.01.2017, 14:05
[Kein Betreff] - von maddin2 - 06.01.2017, 22:51
[Kein Betreff] - von nick_riviera - 10.01.2017, 16:27
[Kein Betreff] - von timo - 10.01.2017, 16:50
[Kein Betreff] - von maddin2 - 10.01.2017, 17:15
[Kein Betreff] - von Matthias M - 10.01.2017, 18:39
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[Kein Betreff] - von maddin2 - 10.01.2017, 20:16
[Kein Betreff] - von PeZett - 10.01.2017, 22:35

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