Klirrfaktor messen - zu Fuß...
#11
Hallo Andreas,

um mal etwas zu rechnen, was mehr mit deinem Vorhaben zu tun hat, habe ich versucht, ein numerisches Modell des Aufnahmevorganges auf Magnetband zu erstellen. Die Ergebnisse sind nicht ganz kompatibel mit meinen Erwartungen. Ich weiß nicht, ob es an mangelnder Realitätsnähe des Modells liegt, oder an etwas zu blau-äugigen Vorstellungen. Deshalb lade ich dazu ein, es kritisch zu betrachten und, soweit möglich/vorhanden, durch Daten aus der realen Welt zu seiner Verbesserung beizutragen.
Das Modell geht davon aus, daß beim HF-Bias-Verfahren die Übertragung der Analog-Signale auf das Band über die Remanenz-Kennlinie des Bandes erfolgt. Das habe ich der Beschreibung dem Buch: Friedrich Engel, "Schallspeicherung auf Magnetband", AGFA-GEVAERT, 1975, entnommen.
Bänder werden typisch mit vier magnetischen Daten charakterisiert: Koerzitiv-Feldstärke Hc [A/m], Sättigungs-Remanenz Br [T], Relative Remanenz (das Verhältnis von Br zur Sättigungs-Flußdichte/Induktion Bs [T] und die remanente Flußdichte. Für die Verwendung in SPICE Programmen gibt es ein Hysterese-Modell von J.Chan, das mit den drei Parametern Hc, Br und Bs auskommt und gute Dienste bei der Analyse von Schaltungen mit Leistungs-Transformatoren geleistet haben soll.
Aus mehren unterschiedlich alten Datenblättern von BASF DP26xx Band habe ich folgende Daten komponiert:
Hc = 26 kA/m, Br = 0,145 T, Bs = 0,193 T
Aus dem Modell ergibt sich auch, wie man aus der Hysterese-Kurve zur Remanenz-Kennlinie kommt. Beide werden in den folgenden Bildern illustriert:
       

In blau die magnetische Induktion B(H), gestrichelt die "Neukurve",
in rot die entsprechenden Kurven für die Magnetisierung J(H) (B enthält zusätzlich den Luft-Term µ0*H (gepunktete Linie)).
Fett in schwarz die Remanenz-Kurve. Sie gibt das remanente Br(H) an für Hysterese-Schleifen zwischen [-H,+H].
Das nächste Bild zeigt den positiven Ast der Remanenz-Kurve im Detail. Der gekrümmte Abschnitt für Felder |H|<25 kA/m ist für die starken Verzerrungen ohne HF-Bias verantwortlich.
Diese Kennlinie habe ich in skalierter Form in das Analyse-Programm gesteckt, das ich schon im vorigen Beitrag zur Berechnung von harmonischen Verzerrungen benutzt hatte. Ein sinusförmiges Testsignal wird zusammen mit einem additiven HF-Bias auf diese Kennlinie gegeben und dann analysiert.
Dies Bild zeigt die umskalierte Kennlinie, zum Vergleich y=x und rot gestrichelt den bei den folgenden Ergebnissen verwendeten HF-Pegel (Spitzenwerte).
   

Dieses Bild zeigt dafür neben dem Ideal y=x (blau) den Verlauf der Grundwelle als Funktion des Eingangspegels in grün, in rot die 3te Harmonische, in türkis die 5te, in magenta die 7te Oberwelle. Die integrale Linearität ist sichtlich "suboptimal" (aber eine riesige Verbesserung gegenüber der Remanenz-Kurve), oberhalb Pegel x=1 setzt starke Kompression ein. Allerdings ist bei x=0,9 noch k3<1%.
   

Um die Klirrfaktoren näherungsweise zu erhalten, muß man die ki natürlich noch durch den Pegel der Grundwelle dividieren. das ist im nächsten Bild durchgeführt:
   

Bemerkenswert ist, daß trotz k3<1% bei x=0,9 "kritische" 3% bei x=0,5 und sogar nochmal bei x=0,1 auftreten, also ca. 20 dB unter einer Aussteuerungsgrenze bei 0,9<x_max<1. Das hat mich überrascht, weil es anders ist als bei Verstärkern (ohne Übernahmeverzerrungen), bei denen die Verzerrungen idR mit abnehmenden Pegel monoton kleiner werden. Da frag ich mich, ob das Realitäts-konform ist.
Dabei ist mir außerdem aufgestoßen, daß die Tonband-Datenblätter garnichts darüber aussagen, wie die Klirrfaktoren bei kleineren Pegeln sind. Sie werden anscheinend nur für den Bezugspegel angegeben. Das wäre bei geeigneter Skalierung so, als würde ich nur den Klirrfaktor bei x=0,9 angeben, aber nicht die größeren 6 dB darunter.

Wenn ich den HF-Bias geringfügig auf 0,42 erhöhe, wird die integrale Linearität etwas besser, aber k3 steigt bei x=0,5 auf 4%.
       

Höchste Empfindlichkeit bei niedrigen Pegeln erzielt man, wenn man die Spitzen des HF-Bias in die steilsten Punkte der Remanenz-Kennlinie legt. Das ist hier bei x = 0,5 der Fall:
   

Die integrale Linearität hat aber stark gelitten und k3 steigt auf 8% bei x = 0,5 und 3,5 % bei x = 1.
       

Kann jemand den Realitätsbezug dieser Simulation beurteilen ?
Verbesserungsvorschläge und reale Daten sind äußerst willkommen.
Ich hoffe, die Darstellung vermittelt zumindest einen kleinen Einblick in den offenbar schmalen Grat vorteilhafter HF-Bias-Einstellung.

MfG Kai
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Nachrichten in diesem Thema
Klirrfaktor messen - zu Fuß... - von andreas42 - 11.11.2016, 23:59
[Kein Betreff] - von kaimex - 12.11.2016, 14:29
[Kein Betreff] - von andreas42 - 12.11.2016, 21:18
[Kein Betreff] - von Peter Ruhrberg - 12.11.2016, 21:37
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[Kein Betreff] - von kaimex - 04.12.2016, 13:08

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