ACEC Lugavox 152
#3
Moin, moin,

auch von mir einen herzlichen Dank für die Vorstellung und die tollen Bilder.

Ich habe eben nochmal zur Geschichte der ACEC geschaut, weil Du ja schriebst, die Links im anderen Thread seien inzwischen "verblichen".

Also, wen es interessiert:

Die ACEC geht auf die im Jahre 1881 gegründete Compagnie Générale d'Electricité in Charleroi zurück, die sich mit elektrisch und hydraulisch angetriebenen Maschinen beschäftigte und beispielsweise ein Wasserkraftwerk entwickelt hatte.
Im Jahre 1886 wurde das Unternehmen in Société anonyme Électricité et Hydraulique à Charleroi (E & H) umbenannt, baute Lichtmaschinen, begann nach 1900 an der Elektrifizierung von Städten und Fabriken mitzuwirken, baute ab 1904 die ersten komplett in Belgien entwickelten Straßenbahnen.

Am 7.07.1904 erwarb Baron Edouard Empain die E&H und benannte sie in Ateliers de Constructions électriques de Charleroi (ACEC) um; sein Ziel sei es gewesen dem zunehmenden Einfluss der deutschen Elektro-Industrie in Belgien etwas entgegen zu setzen.
Im Jahre 1939 begann eine Zusammenarbeit mit der Constructions Electriques de Belgique (CEB), die schließlich 1947 zum Verschmelzen der Betriebe in das Tochterunternehmen ACEC Herstal führte.

ACEC war weiterhin im Bereich Pumpen, Elektro-Motorisierung, Züge, Kraftwerke etc. tätig, nahm außerdem am Raumfahrtprogramm teil.

Nach dem Krieg begann ACEC zudem die Teilnahme am Bau von Kernkraftwerken und ging dafür 1957 eine Lizenzvereinbarung mit der amerikanischen Westinghouse ein. Außerdem begann eine Partnerschaft mit Philips, die zum Beispiel in dem gemeinsamen Betrieb des Werkes in Herstal mündete und 1968 in der Zusammenlegung der Interessen an Elektro-Heizungen in die Elphiac Group.
1960 übernahm die ACEC die Société Electro Meccanique (SEM) in Gent, später zum Beispiel auch die Kölner Elektromotorenfabrik Johannes Bruncken und wurde selber schließlich 1970 von der amerikanischen Westinghouse-Gruppe übernommen.

Bereits 1971 gleiderte Westinghouse die Kabelfabrikation in ein eigenständiges Unternehmen Câblerie de Charleroi aus.
Im Verlauf der siebziger Jahre reduzierte Westinghouse seine Beteiligung auf 50% der Anteile und weiter. 1985 üernahmen die Société Générale de Belgique (SGB) und die Compagnie Générale d'Électricité Anteile an ACEC, die nun zusammen mit Westinghouse die Mehrheit an ACEC hielten. Es folgte eine Neu-Strukturierung mit einem Personalabbau auf 2.200 Angestellte (1998).

Noch 1990 schreibt das International Electronics Directory '90 zu ACEC: "Employees: 9.000" und "Parent: "Westinghouse Electric Corp. USA", sowie als "Subsidaries" die Cogebi S.A., Elnor S.A., Elphiac S.A., MAT-LMB S.A., ACEC-Deutschland, Kiepe Elektronik GmbH, Bruncken-Elektrofabrikate GmbH, Hochfrequenzwärme Schmidt & Co., Clarel S.A., ACEC-Ireland, sowie EFACEC, außerdem die ACEC Division Herstal mit den gleichen Tochtergesellschaften und dem Eigentümer ACEC in Charleroi.

Aufgrund der weiterhin hohen Verluste gab der inzwischen Hauptaktionär SGB schließlich bekannt, ACEC verkaufen zu wollen. Mehrere Betriebsbereiche der ACEC wurden von verschiedenen Tochtergesellschaften der französischen CGE, so Alstrom, Alcatel, CGEE Alsthom etc., übernommen, wobei wohl nur für den Energie- und Automatisierungsbereich zunächst der Name ACEC erhalten blieb. Weitere Unternehmensteile wurden an ABB (Maschinenbau), an Cassart (Stahlbau), Tractabel (IT), BW/IP (Pumpen) und an Umicore (Kreiselpunpen) verkauft. Damit war die ACEC abgewickelt.

Zur Größe: In der Liste der "größten Elektro-Unternehmen in den EWG-Ländern" (1960) tauchte ACEC mit 15.000 Beschäftigten und einer Bilanzsumme von 63.448.000 $ auf.
Zum Vergleich, die im verwiesenen Thread HDP und PEter bemüht hatten: Siemens wird mit 209.000 Beschäftigten und 568.101.000 $ Bilanzsumme, Philips mit 211.000 Mitarbeitern und 1.003.300.000 $ Bilanzsumme genannt. AEG lag bei 119.000 Beschäftigten und 280.600.000 $, Bosch bei 49.000 Leuten und 109.606.000 $.
In vergleichbarer Größe waren die französischen Alsthom (15.000/66.256.000$), Thomson-Houston (15.000/84.191.000$), CSF (15.000/48.153.000$) (Quelle: Determinanten der internationalen Güterströme von Peteer Düesberg, S.173, Volkswirtschaftliche Schriften Heft 83, c1965).


Scheinbar nach vor Ende des Krieges hatte das Unternehmen die Herstellung von Konsumgütern (Division Electronique), wie Radios, Fernseh- und Tonbandgeräten, begonnen. Zumindest schreibt die französische Wikipedia, die Sonofil-Drahttonbandgeräte wären bereits im Verlauf der vierziger Jahre erschienen. Zu Kriegszeiten hatte ACEC übrigens unter "Aufsicht" deutscher Konkurrenten gestanden.
Später hießen die Magnetband-Geräte Lugavox

In welchem Umfange beziehungsweise wie lange ACEC tatsächlich die Unterhaltungselektronik selber gebaut hatte, müsste geprüft werden. Immerhin nennt die amerikanische Official Gazette of the United States Patent Office für 1955 ein Patent der ACEC im Zusammenhang mit der Lugavox, vom Dezember 1954 (603.548), so dass ich es für wahrscheinlich halte, das dort selber oder zumindest in Verantwortung von ACEC entwickelt worden war.
In einem niederländischen Forum (philipsradio.nl) kann man, unter Bezug auf eine inzwischen erloschene Seite, lesen, die Unterhaltungselektronik-Sparte der ACEC war in den Fünfzigern noch selbstständig gewesen und sei in den sechziger Jahren von Philips übernommen worden. Auch überliefert die niederländische Wikipedia, das Fernsehgeräte der Marke ACEC beispielswiese bei der Compagnie Belge de Radio et Télévision (CBRT) in Brügge entstanden waren, die auch für Sierra, Novak und Philips baute und zwischen 1971 und 82 schließlich komplett von Philips übernommen werden sollte. "Sierra" war übrigens eine Philips-Marke. Auf radiofili.be kann man lesen, CBRT hätte Ende der sechziger Jahre für ACEC Radios gebaut.
Zumindest sind einige Radiogeräte der Marke ACEC mit Geräten der Marke Philips identisch, was den Verdacht, die Marke sei von Philips geführt worden, bestätigt. Plattenspieler in späteren ACEC-Anlagen kamen zum Beispiel von BSR aus England.
Übrigens hatte ACEC ein Frankreich eine eigene Marke gehabt, die für Lampen bekannt ist: Clarel. So erklärt sich auch die Clarel Lugavox, die ich im verlinkten Thread gezeigt hatte.

Einen kompletten ACEC-Prospekt von 1962 kann man übrigens hier einsehen: https://www.flickr.com/photos/29533980@N...777036581/
Dort gibt es auch weitere ACEC-Prospekte und Prospekt-Seiten.

Bei Google Books bin ich auf die ACEC Review von 1956 in englischer Sprache gestossen ... leider nur in der Snippet-Ansicht.
Unter "Magnetic Recorder" entziffere ich folgendes: "Lugavox tape recorders, industrial multi-channel tape recorders for airports and other applications. Recorders for telephone and radiotelephone messages. ACEC Dictorel magnetic sheet recorders, Telerel dictation ... (irgendwas)"
Im Bereich "home comfort" hatte ACEC folgende Artikel im Angebot gehabt: Fluorescent lightning equipment, Radio and Television receivers, Lugavox magnetic tape recorders, Domestic electrical equipment such as coffee mills, soup mixeers (Mixoup), electrical equipment for serving machines AMO household electric pumps and extractors, Lampen etc.
Es scheint, ACEC hatte zwischen 1922 und 69 ein Periodika herausgegeben, das über die Universitätsbibliothek Gent (http://lib.ugent.be/en/catalog/ser01:000354715) verfübar ist.

Tsschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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ACEC Lugavox 152 - von TSF - 09.01.2015, 19:01
[Kein Betreff] - von Roland - 10.01.2015, 21:58
[Kein Betreff] - von Matthias M - 11.01.2015, 19:29
[Kein Betreff] - von TSF - 11.01.2015, 21:52

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