Nagra Großspuler
#10
Nun ja, zur Nagra 4.2 kann ich dir und euch folgendes schreiben:

Klanglich ist sie eine Nagra Wink . Richtig eingemessen ist sie zumindest bei 19,05 und 38,1 cm/s über jeden Zweifel erhaben. Studioqualität im besten Sinne!
Das Einmessen als solches ist natürlich bei einer Monomaschine wesentlich einfacher als bei einer stereophonen Apparatur. Es gibt zudem getrennte Trimmer für die Aufsprech-Höhenentzerrung für jeweils zwei Bandsorten pro Geschwindigkeiten, was in gewissen Grenzen die Einmessung auf ein "Standard"band (z.B. PER 368 ) und eine Low Noise-Type (z.B. PEM 468 ) ermöglicht. Es gibt weiterhin drei Trimmpotis für eine Feinjustage des Wiedergabeentzerrers, deren Regelbereich aber nicht so groß ist, dass man damit die Maschine völlig "verkurbeln" könnte.

Bei der 0 dB-Anzeige des Modulometers (Spitzenwert, Integrationszeit 7,5 ms) wird das Band mit 320 nWb/m magnetisiert. Dabei hat man dann noch einen Headroom bis mindestens 4 dB. Bei diesem Pegel greift auch der zuschaltbare Limiter, der seine Arbeit völlig unauffällig verrichtet, sofern man es mit dem Pegelsteller nicht übertreibt: zwischen +4 und +10 dB wird der Pegel konstant gehalten.
Als Alternative steht eine zuschaltbare Pegelautomatik für die Mike-Eingänge zur Verfügung, die durch ihre spezielle Auslegung besonders praxisgerecht ist. Die ist gedacht für technisch unbegabte Reporter, die nicht dauernd auf das Modulometer schielen wollen. 8|

   

Der Frequenzbereich reicht bei 38 cm/s von 30 bis 20000 Hz, bei 19 von 30 bis 15000 Hz, jeweils ±1,5 dB. Bei 9,5 allerdings soll die 4.2 nur noch 8 kHz schaffen, was wohl auf die Auslegung der Kopfspalte und das bevorzugte Rundfunkband zurückzuführen ist. Rein gehörmäßig meine ich, dass durchaus mehr als 10 kHz erreicht werden; nachgemessen habe ich es noch nicht.
Der Ruhegeräuschspannungsabstand bei 19 cm/s beträgt mit LN-Band bei CCIR-Entzerrung (= IEC I) A-bewertet >72 dB, mit "Standard"-Band >70 dB, wobei ein Klirrfaktor K3 von nur 0,4 % bei +4 dB erreicht wird.

Für die Mikrofon-Eignung gilt, dass Kudelski verschiedene steckbare Vorverstärkermodule liefern konnte. Die Vorverstärker QPAU-T und QPU-T sollten sich schon bald nach Produktionsbeginn 1970 als die Standardbestückung erweisen, mit der wohl die meisten Besteller glücklich wurden. Sie sind umschaltbar für alle Arten von üblichen Mikros (dynamisch niederohmig/Kondensator m. 12 V-Tonader- oder 12-/48 V-Phantomspeisung), und zwar der Eingang 1 von außen (Drehschalter an der linken Seite) und der Eingang 2 über ein Daumenrad im Inneren des Gehäuses.

In meiner 4.2, die vom ZDF stammt, werkelten ursprünglich zwei nur für Kondensatormikrofone mit 12 V-Tonaderspeisung geeignete Vorverstärker QPM 3-5 (Eingangsempfindlichkeit 1,5 mV/µbar). Man kann dort etwa die älteren Sennheiser MKH-Typen anschließen — wenn auch mit der Besonderheit, dass die Stiftbelegung umgedreht werden muss, da bei der Nagra Plus an Masse liegt. Es lassen sich dort aber auch batteriegespeiste Kondensatormikros wie etwa das Røde NT-3 oder das AKG C1000 anschließen, die Auskoppelkondensatoren haben. Dynamische Mikros werden beim Anschluss evtl. beschädigt, da eine Gleichspannung von 11 V anliegt!
Direkt auf der Vorverstärkerplatine kann man einen 5-stufigen Tiefenfilter (max. -15 dB) zuschalten. Ich habe inzwischen einen Mikrovorverstärker QPSE 200-XOYO bekommen, der nun ermöglicht, an den Eingang 1 nieder- bis mittelohmige symmetrisch beschaltete dynamische Mikrofone anzuschließen (Eingangsempfindlichkeit 0,2 mV/µbar). Den zweiten habe ich mit dem QPM 3-5 belassen, weil ich ein Sennheiser MKH 405 besitze, dass ich dort genialerweise direkt anstecken kann.

Im Signalweg hinter den Mikroverstärkern befindet sich ein Filternetzwerk, das von der Frontplatte (Drehschalter rechts unten neben dem Modulometer) umschaltbar ist. Damit ist man so ziemlich allen Eventualitäten im rauen Reportage- oder Filmaufnahmealltag gewachsen. Man kann zwei verschiedene Tiefenfilter sowie zwei Hochpässe schalten, sowie eine Kombination beider. Damit bekommt man auch die heftigsten Wind- oder Griffgeräusche gebändigt, zumal, wenn auch noch das Mikro ein Tiefenfilter hat... Zusammen mit dem Trittschallfilter am Vorverstärker QPM 3-5 hat man damit die Möglichkeit, den Pegel bei 50 Hz um max. 35 dB abzusenken!

Ein integrierter Pegelgenerator (Taster unten zwischen Line- und Mike 2-Steller) gibt ein Signal mit 1000 Hz und -8 dB (= 0 dB VU) ab, das außerdem eine Harmonische bei 9 kHz enthält, womit man im "Feldeinsatz" den Aufnahmekopf ohne Messmittel nach Gehör oder Modulometer einstellen kann.

Die Pilottonmimik mit dem freilaufenden 50 Hz-Quarzgenerator habe ich stillgesetzt, bzw. entfernt. Ich benötige sie nicht. Da der Pilotton in der Mitte des vollspurigen Bandes über zwei Kopfspalte gegenphasig aufgezeichnet wird, hört man ihn bei Wiedergabe mit der Nagra oder einem anderen vollspurigen Gerät nicht (Auslöschung), wohl aber beim Abspielen auf einem Halbspurer! Da hat man dann ständig ein 50 Hz-Brummen auf der Aufnahme. Das fand ich nicht so toll und deshalb habe ich zunächst den Blindstecker auf der rechten Seitenflanke der Nagra gezogen. Dadurch wird der intern erzeugte Pilotton nicht mehr mit aufgezeichnet. Als ich sie mal offen hatte, habe ich das Pilottonmodul gezogen, weil es den Stromverbrauch bei Batteriebetrieb unnötig erhöht — wenn auch nur um rund 20 mA. Aber diese 20 mA müssen ja nicht sein.

   

Die Laufzeit mit einem Satz (12 Stück) Monozellen ist nahezu unbegrenzt Big Grin ! Ich habe noch den ersten Satz drinnen, und die Mühle seit dem Kauf etwa 40 Stunden im Aufnahme-, Wiedergabe- und Umspulbetrieb betrieben. Immer noch liegt die Zellenspannung bei rund 1,35 V, was man mit dem Modulometer neben vielen anderen Dingen messen kann. Die Stromaufnahme liegt bei Aufnahmebetrieb nur um die 240 mA. Wenn man die Nagra mit einer externen Spannungsversorgung speisen will, kann dies ohne Weiteres in einem Bereich von -10,5 bis 30 V erfolgen, wobei es sinnvoll ist, nicht unter -12 V zu gehen. Intern wird dieser weite Spannungsbereich auf 10 V heruntergeregelt und stabilisiert. Ich habe mir ein 24 V/1 A-Schaltnetzteil mit einem passenden Kleintuchelstecker versehen. Das empfiehlt sich schon aus dem Grund, dass die Umspuldrehzahl direkt proportional zur Betriebsspannung ist! Bei 12 V spult sie nur noch halb so schnell.

Es gäbe noch sehr viel über dieses Maschinchen zu schreiben, aber das würde hier den Rahmen sprengen. Ich kann allerdings nicht umhin, noch ein paar Worte zur Verarbeitung und Haptik zu verlieren. Wenn man eine Nagra anfasst und bedient, oder auch das Gehäuse aufklappt, hat man das Gefühl , eine hochwertige, präzise Werkzeugmaschine in der Hand zu haben. Es gibt bis auf ein paar Kleinteile (Griffüberzug am Andruckrollenhebel, Klarsichtdeckel...) kein Plastik an der Nagra. Nicht mal das Modulometer hat eine Plexi- sondern eine Echtglasabdeckung. Alle Gehäuse- und Laufwerksteile sind aus Aluminium, Aluminiumguss oder Edelstahl. Die Mechanik beim Betätiges des Andruckrollenhebels läuft satt und spielfrei; nicht eines der über 40 Jahre alten Potis neigt auch nur ansatzweise zum Krachen. Das Laufwerk macht bei 38 cm/s manchmal leise klackernde oder mahlende Geräusche, denen ich noch nicht auf den Grund gegangen bin.

Die Bandführungen bestehen aus Rubin. Inzwischen sind sie übrigens Ultraschall-gereinigt!
Die Beruhigungsrolle daneben enthält dreidimensionale, geätzte "Stroboskopzähnchen" für alle drei Bandgeschwindigkeiten, die sich so mittels einer netzbetriebenen Lampe überprüfen und an drei Trimmern auf der Motor- und Stromversorgungsplatine einstellen lassen.

   

Jetzt ist aus den paar Sätzen, die ich eigentlich absondern wollte, doch wieder fast eine komplette Gerätevorstellung geworden... :whistling: Tschuldigung!!

Gruß Holgi
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Nagra Großspuler - von hardy55 - 18.09.2014, 15:52
[Kein Betreff] - von cisumgolana - 18.09.2014, 18:49
Nagra T-Audio / Ti - von Magnetophonliebhaber - 12.10.2014, 14:11
[Kein Betreff] - von hannoholgi - 12.10.2014, 23:23
[Kein Betreff] - von sensor - 13.10.2014, 06:41
[Kein Betreff] - von frank1391 - 13.10.2014, 08:20
[Kein Betreff] - von hannoholgi - 13.10.2014, 14:05
[Kein Betreff] - von frank1391 - 13.10.2014, 14:27
[Kein Betreff] - von EN1RZ - 13.10.2014, 18:00
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[Kein Betreff] - von hannoholgi - 13.10.2014, 23:22
[Kein Betreff] - von Mecki - 14.10.2014, 10:27
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[Kein Betreff] - von UHER-Report-Fan - 15.10.2014, 20:07
[Kein Betreff] - von Mecki - 16.10.2014, 11:02
[Kein Betreff] - von bitbrain2101 - 16.10.2014, 18:42
[Kein Betreff] - von hannoholgi - 16.10.2014, 18:49
[Kein Betreff] - von hannoholgi - 18.10.2014, 21:20

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