Bandmaschinen-Exoten
#23
Moin, moin,

im Laufe einer Recherche an anderer Stelle bin ich auf diesen Thread gestoßen. Da ich einige wenige Infos zu Marlux gefunden zu haben glaube - oder eben auch nicht - deponiere ich sie hier, falls sich jemand dafür interessiert...

Die Marke Marlux findet sich ja auf einer ganzen Reihe von Geräten - Bandmaschinen, Plattenspieler, Receiver, Tapedecks, Tuner, Verstärker -, von denen zumindest einige bereits bekannten Herstellern zugeordnet wurden.

So schreibt Wouter Heijke (naks.com, vintagecassette.com) zum Marlux Model 1, es sei ein typischer OEM-Nakamichi (bis Mitte der Siebziger größter OEM für Cassettedecks überhaupt).
Im HiFi-Forum (http://www.hifi-forum.de/viewthread-26-918.html) gibt es einen Thread zu Marlux-Plattenspielern. Auch hier schließt ein User: "Marlux war definitiv eine Vertriebsfirma.", denn der von ihm untersuchte Marlux-Dreher (MX86 ?) "war ein japanischer CEC" gewesen. (CEC war ein bedeutender OEM für Plattenspieler und später für CD-Laufwerke.)
In einem französischen Forum (http://fr.audiofanzine.com/vinyle-dj/for...it-il.html) ist ein Marlux-Plattenspieler zu sehen, der wohl von Matsushita (Technics, Panasonic, National, JVC) stammt, dem damals größten Plattenspieler-Hersteller der Welt.
In einem anderen Thread im HiFi-Forum (http://www.hifi-forum.de/viewthread-185-3249.html) gibt es eine konkrete Aussage zu dem Audion MX-960, dieser sei von der Fujiya Audio Corporation hergestellt, unterscheide sich von dem Marlux MX-960 aber durch den abweichenden Tonarm.

Zu dem Marlux-Tonbandgerät 607S gibt es eine eigene Homepage: http://www.tonbandhobby.de/marlux.htm.
Das gleiche Gerät war auch als "Heru" bzw. Hellwing oder als "Audiosonic" zu haben gewesen. Es gab weitere Modelle, die in den USA zudem als "Astrocom" vertrieben wurden.

Und tatsächlich wird immer wieder kolportiert, hinter Marlux hätte ursprünglich der amerikanische Versandhändler Astrocom gesteckt.
Das wäre nicht ungewöhnlich, denn viele der heute bekannten "japanischen" Marken sind durch Amerikaner oder für den amerikanischen bzw. "westlichen" Markt konzipiert worden: Kenwood, Pioneer, Luxman, Panasonic, Technics etc.
Zumindest Ende der Sechziger / Anfang der Siebziger wird die Marke Marlux in den USA immer und vor allem immer wieder in Zusammenhang mit Astrocom (Astrocom/Marlux) erwähnt.

Was also steckt dahinter?
Die Handels-, Wort- und Bildmarke "Marlux" stand im Eigentum der Marlux International Corporation. Sie hatte ihren Sitz in einem Bürogebäude in Tokyo (Torikatsu Building, 5-2-5 Roppongi, Minato-ku).
Eine Fabrik soll ebenfalls in Tokyo (1-4,2 Chome Haramachi Merguro-ku) ansässig gewesen sein; ob die Geräte dort allerdings tatsächlich produziert wurden, oder ob dort "nur" OEM-Ware individualisiert und verpackt wurde, ist nicht überliefert. Erklärt sich so vielleicht der Unterschied in der Tonarm-Ausstattung zwischen Marlux- und Audion MX960?
Zumindest in den Siebzigern hätte es eine Marlux Europe BV in der Jan van Gentstraat 50 in Badhoevedorp in den Niederlanden gegeben (http://forum.audiofreaks.nl/index.php?to...10.55;wap2), die Marlux-Geräte verkaufte.

Mitte der Achtziger Jahre trat die Marlux International Co. als Label für CDs auf. Bei der hier veröffentlichten Musik dürfte es sich jedoch kaum um eigene Produktionen gehandelt haben. Marlux brachte zum Beispiel "German trash speed Metal"-Prduktionen von Disaster Records heraus.

Noch im Jahre 2005 taucht die Marlux International Corporation als eines von 282 Mitgliedern des "Japanease Machinery Center for Trade and Investment" (JMC), einer "non-profit organization, that represents Japan's major electronics and machinery manufacturers, trading companies and engeneering companies", im Anhang eines Briefes an das US-Handelsministerium auf, in dem sich die JMC gegen Dumping-Vorwürfe wehrte.

Noch 2005 stellt sich eine Tokyoter Marlux International Co., jedoch in einem anderen Stadtteil von Tokyo (23-14, Seta 4-chome, Setagaya-ku) ansässig, als langjähriger "... international purchaser of Minerals & Chemicals products..." dar.
In Japan ist die Firma unter dieser Adresse als Im- und Exporteur für den Geschäftsbereich "Extile Product, Telephone, Pocket Telephone, Computer, Printing Ink, Carbon Black, Sound Equipment" bzw. als Exporteur für "Electric Equipment & Supplies" registriert.

Hier gibt es also das erste mal eine eindeutige Definition, die andeutet, Marlux würde nicht produzieren, nur Handeln. Aber ob das auch für die Siebziger Jahre galt?

Was die Anfang der Achtziger Jahre beim panamesischen Registro Publico eingetragene Briefkastenfirma Marlux International Corporation (Register Nr. 93242) damit zu tun hat, ist mir nicht klar und geht aus der Registrierung auch nicht hervor.

Fakt ist, die Marke Marlux ist von dem USPTO (amerikanisches Patentamt) als seit 1966 in Gebrauch befindlich registriert, war jedoch nicht exklusiv geschützt: "Marlux" wurde genauso von einem deutschen Optik-Hersteller wie von einem amerikanischen Kunststoff-Fabrikanten verwendet. Die Bezeichnung "Marlux" gibt es für Lampen genauso, wie für Feldstecher, Betonplatten, Salz- und Pfeffermühlen oder für durchsichtige Kunststoff-Bausteine. All das teils seit mehr als "100 Jahren" und von unterschiedlichen Verwendern in unterschiedlichen Ländern.

Mir sind Markenregistrierungen für die Tokyoter HiFi-Firma gemäß der internationalen Klasse 9 (Unterhaltungselektronik) in Japan, in der BRD (Antrag 9/75, Registernummer 999128), in den USA (Antrag 10/76, File 1078287) und in Kanada (Antrag 2/77, File TMA227497) bekannt.
In den USA wurde die Marke 1984 nach "Section 8" gelöscht, weil Marlux es versäumt hatte mitzuteilen, daß die Marke weiterhin in Gebrauch sei. In anderen Ländern wurden die Markenrechte in den Achtziger und Neunziger Jahren verlängert, sind aber inzwischen ebenfalls verfallen.

Tatsache ist, neben Riesen wie Hitachi und Sanyo, die auch als OEM weltweit lieferten, gab es in Japan eine Vielzahl von hierzulande vollkommen unbekannten Betrieben, die unter für den westlichen Leser kryptischen Firmennamen ihrem Kunden anboten alles zu liefern, was der spezifizierte.
Der Ingenieur Röthy schrieb beispielsweise in seinem Bericht für das virtuelle Eumig-Museum über ein 7-Mann-Unternehmen, das für Eumig die 500er und den FL900 geliefert hätte. So eine kleine Firma dürfte kaum in der Lage gewesen sein, mehrere HiFi-Komponenten zu entwickeln und zu bauen, dürfte sich eher als Agentur verstanden haben, die aus am Markt verfügbaren Bauteilen Geräte zusammenstellte oder die von größeren OEMs gekauften Geräte für den Bedarf des Kunden individualisierte, vielleicht auch nur mit Aufschriften und Logos versah und Endkunden-gerecht verpackte. War das im Marlux-Werk ähnlich? Wie gesagt: Erklärt sich so der Unterschied zwischen dem Marlux- und dem Audion MX960 und das es sie doch beide gab?

Jedenfalls ist weder "Marlux" eine typische japanische Markenbezeichnung noch ist "Marlux International Co." eine typisch japanische Firmenbezeichnung. Solche hießen eher "Kabushiki-Kaisha Nakamichi Kenkyujo", "Nippon Gakki Seizō" oder "Chuo Denki Kogyo Co., Ltd".

Die Geschichte einer bis heute aktiven Firma zeigt, wie ein westlich klingender Markenname zustande gekommen sein mag:
Im Jahre 1946 startete in Komegane eine Firma Kabushiki-Gaisha Ken'uddo. Kennt Ihr nicht? Da die amerikanischen Kunden mit diesem Namen auch nicht viel anfangen konnten, wurde für den Export die Firma Kasuga Radio Co. Ltd. gegründet. Kasuga kennt Ihr nicht? So wurde die Firma schließlich in "Trio Corporation" umbenannt. Dämmerts? Trotzdem suchte man nach einer Marke, die US-kompatibel schien: Den Namen "Ken" gab es in Japan und in den USA, klang für beide heimisch. Und die Endung "Wood" zierte nicht wenige amerikanische Ort und klang bodenständig. Die Marke "Kenwood" war erfunden. Doch erst ab 1986 hieß auch der Gesamtkonzern samt japanischem Mutterhaus "Kenwood Corporation".
Ähnlich war das mit der Fukuin Shokai Denki Seisakusho, die nach dem Einstieg amerikanischer Partner in Japan "Paionia Kabushiki-Kaisha" und ab 1961 international "Pioneer Electronic Corporation" hieß.

Typisch ist auch das Werden der Hokushin Kogyo Kabushiki-Kaisha aus Tokyo. Deren internationaler Name lautete "Standard Radio Corporation". Und nachdem die Superscope nach einem Produktionspartner in Fernost gesucht und sich bei der SRC beteiligt hatte, hieß die Firma bald Marantz Inc.

Wie mag das also mit Marlux gewesen sein? Gab es da auch eine japanische Firma hinter der Marlux International Co.. Und war vielleicht Astrocom der Initiator der Namensgebung des westlich klingenden Handelsunternehmens? Oder gab es eben nur das westlich klingende Handelsunternehmen mit einer Werkstatt, in der beispielsweise zugelieferte Plattenspieler von CEC, Matsushita oder Fujiya ein passendes Finish erhielten.

Wenn wer mehr weiß, dann möge er das äußern.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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