Viele reden von Breitbändern, warum?
#5
Liebe Mitleser,

ein Breitbandlautsprecher per se ist sinnlos, weil nicht mit angemesser Qualität zu realisieren, die Probleme in den 9-11 Oktaven unserer Gehörswahrnehmnung sind zu unterschiedlich, um eine Wiedergabe mit einem Lautsprecher abzudecken.
Oftmals wird in Fuzzykreisen aber mit diesem Begriff des Breitbandlautsprechers der Koaxlautsprecher belegt, der einen -wenn auch eher seltener genützten- Ausweg darstellt. Und da wird es dannauch gleich wieder recht interessant. An der ganzen Sache ist nämlich -zumindest im Anforderungsspektrum natürlich erklingender Signale (also nicht elektronischen Schallquellen) in aktiv klingenden Räumen ebenso 'etwas' dran wie am -ein weiteres Lieblingsthema der Fuzzies- Einsatz möglichst weniger Mikrofone. Nur wurden die Diskussionen hierzu in der Szene durch fuzzyhafte Glaubensbekenntnisse so verbogen, dass man heute nicht einmal mehr in Profikreisen unbeschwert zur Sache diskutieren kann, wo ja die Wenns und Abers eigentlich als bekannt vorausgesetzt werden könn(t)en.

Erschwerend mag dabei ein historischer Umstand hinzukommen: In Westdeutschland entwickelte der Koax-Lautsprecher im Gegensatz zur DDR nach dem 2. Weltkrieg keine neue Tradition. Zu RRG-Zeiten nämlich hatte Hans Eckmiller, zeitweise Senderchef von Radio München (er kippte dort dem Vernehmen nach über eine missglückte Naziübertragung), bereits in den 1930ern einen hoch interessanten Lautsprecher konzipiert, der nicht nur eine Hochmitteltonkalotte und -ungewöhnlich in dieser Zeit- eine aufwändigere Frequenzweiche besaß, sondern auch mit großer Konsequenz das Koax-Prinzip verfolgte. Der Kalottenlautsprecher saß nämlich nicht nur in der Mitte des Tieftöners, sondern tauchte mit seiner Schwingspule auch in dasselbe Magnetfeld ein.
Dies hatte (allemal damals) zwar soviele Vorteile wie Nachteile, zeigt aber, dass schon vor 70 Jahren in einer ansonsten durchaus abenteuerlichen Lautsprecherumgebung die Grundprobleme selbst des Bereiches Stereofonie und Lautsprecherbau erfasst und bedacht wurden.
Denn -und da liegt das wesentliche- das Koaxverfahren berücksichtigt als recht ordentliche Punktschallquelle die Anforderungen der Summen-Lokalisationstheorie bei stereofoner Wiedergabe. Ich diskutiere jetzt nicht das endlose Thema, inwieweit dieses Axiom oder aber Günther Theiles Assoziationstheorie zutrifft, weiterhin verzichte ich darauf, zu beschreiben, ob das Koaxprinzip allein zureichen könnte, und welcher Abhilfen man sich heute bedient etc. pp.

Eckmiller entwickelte seinen Lautsprecher bis in die 40er Jahre zum O15dyn der RRG bzw. zum O15a nach dem Kriege weiter, was aber in der BRD im Sande verlief. Telefunken lieferte seine teilweise riesigen -und monofon durchaus interessanten- 'Abhörschränke', man experimentierte (immer im Westen) mit Indirektstrahlern (WDR) und hatte, als die Stereofonie kam, eigentlich schon allerlei aus den Augen verloren, bis dann der (West-)Außenseiter J. Manger mit seinem 'Schallwandler' auch im professionellen Bereich wieder auf das Koaxprinzip aufmerksam machte.

Das DDR-RFZ, Berlin-Adlershof hatte jedoch -Eckmillers Lautsprecherfertiger war der Rundfunkausstatter Konski & Krüger in Berlin gewesen- die Weiterentwicklung des Koax-Prinzips vorangetrieben, was schließlich bis zum O19, vielleicht (mir unbekannt) gar weiter führte, der nach dem bei Konski & Krüger schon bald erfolgten Ende bei RFT in Leipzig gebaut wurde.
So gelangte schließlich über das RFZ auch das Koaxprinzip zu 'unserem' Jochen Kiesler in Geithain (heute MEG GmbH), der allerdings erst recht spät an die Sache kam. Dies geschah im Umfeld des Baues des "neuen Bezugsabhörraumes des Rundfunks der DDR" Mitte der 1980er Jahre, für den Kieslers Leute den RL 900 konzipierten, dessen verbesserte Nachfolger heute den Rundfunk in Mitteleuropa dominieren.

Diese Lautsprecher jedoch sind aber eigentlich keine konsequenten Koaxtypen, sondern eher aktive, koaxial angeordnete Mehrwegsysteme, weil die Hoch- und Mitteltöner vom Tieftöner elektrisch unabhängige Einheiten bilden.

Solche Kompromissbauarten sind in der Koaxtechnik eigentlich auch die Regel, wie man an den Versuchen anderer Hersteller recht gut erkennen kann. Interessant war in diesem Zusammenhang der 1948/49 konstruierte Lautsprecher "Orchester" der Isophon, Berlin (West), der vermutlich als Grundlage eines Regielautsprechers im Anschluss an den O15 Eckmillers gedacht war, sich aber -siehe oben- in diesem Kundenkreis nicht durchsetzen konnte, obgleich er möglicherweise bis (fast??) zum Ende der alten Isophon gebaut wurde.

Oben erwähnte ich den Gedanken der Punktschallquelle für alle Frequenzbereiche als günstige Voraussetzung für einen Lautsprecher in der Stereofonie. Dies kann nun der Koaxlautsprecher am besten bereitstellen und damit die Lokalisierung der einzelnen Lautsprechergruppen in der Schallwand der Box zu vermeiden helfen. Die technischen Schwierigkeiten aber, die man sich durch den begrenzten Platz für die Hochtöner 'im Tieftöner' einfängt, sind so groß, dass man sich mit der Einführung der Kalottentypen größerer Abstrahlwinkel eigentlich nicht undankbar von den Koax-Versuchen verabschieden konnte. Eckmillers betagter 015 hatte aber schon einen Kalotten-Hochmitteltöner besessen....
Der 015 wurde bei der RRG übrigens für die Überwachung der Stereoaufnahmen eingesetzt. Ein Leipziger Sammler besitzt zwei funktionierende Exemplare, so dass man mit seiner Hilfe vielleicht einmal die Abhöre Helmut Krügers von 1944 rekonstruieren könnte...

Die Konstanz der absoluten Phasenlage differenziert nach der Frequenz über das gesamte Audioband (Gruppenlaufzeit) ist weitestgehend egal, das menschliche Gehör wertet diese (nicht interauralen!) Informationen nicht aus. Es wird zwar immer wieder etwas anderes behauptet, die solide erstellten Untersuchungen sprechen aber eine andere, recht eindeutige Sprache. Was man, letztlich diesem Problemkreis angehörig, indes wahrnimmt, ist die (von Lautsprecherkonstrukteuren recht gern für die Tiefenmodellierung genutzte) Beschaffenheit der ziemlich langen Einschwingvorgänge bei den Tieftönern im Verhältnis zu den sehr kurzen der Hochtöner. Die Partialtöne schreien daher aus den Hochtönern voraus und fordern das Gehör zur Rekonstruktion der Grundwelle auf, die Tieftöner kommen mit der real reproduzierten Grundwelle hinterher. Studer und andere Lautsprecherbauer setzten in den 1980ern den Hochtöner geometrisch im Gehäuse einige Zentimeter zurück, um jenes Problem bei üblichen Anhördistanzen ein wenig zu kompensieren; na ja. Heute macht man das mit digitalen Verzögerungen und besserem Erfolg, den man auch in einem kleinen Gewinn an Natürlichkeit hört.

Trotz Koax und digitaler Kompensation bleibt der Lautsprecher aber ein solcher. Die Realität ersetzt er für mich nicht.

Hans-Joachim
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