"Deutsches Rundfunkorchester 1940"
#9
Ja, das Konvolut ist defintiv weg. Da waren noch andere Dinge dabei, die über die Nebentätigkeiten des Magnetbandlabors Auskunft geben und heute in den USA bei Klu-Klux-Klan und ähnlichem Gelichter kursieren, während das kulturell bedeutende Material keine Liebhaber fand und in der bereits abstürzenden Wirtschaftssituation der Umgebung Detroits nur noch in den Müll gehen konnte.
Der ursprüngliche, waschecht bayerische Besitzer aus den Speinsharter Landen hatte sehr enge Verbindungen zum AFN, Grafenwöhr (da ist wohl heute noch was...) und verfügte zudem über eine Aufnahme von Elvis Presley, die dieser in seiner Zeit als Wehrpflichtiger innerhalb bunzrepublikanischer Grenzen mit dem AFN erstellt hatte, die aber weder dort noch sonst irgendwo (mehr) existierte. Sie ging, auf einer frühen Revox der 36er-Serie mitgenommen, ans Presley-Archiv in Memphis, Tenn. Nicht gerade kostenfrei.


Um offen und ehrlich zu sein: In den berüchtigten 1000 Jahren erschien die "Reichsrundfunkgesellschaft", die sich etwa 1925 konstituiert hatte, nicht mehr als offizieller Name jener Propagandainstitution. Sie bezeichnete sich stattdessen als "Großdeutscher Rundfunk". Der oben gehandelte Name wird dadurch nicht eben wahrscheinlicher. Ein "Rundfunkorchester" war damals selbstverständlich ein Ensemble, das sich zu 'höherem' berufen fühlte, also Beethoven, Wagner oder vor allem Franz Liszt vor der Veröffentlichung der Frontlage oder zur Vorführung des Hf-Magnetofons musizieren durfte.

Der 1939 meines Wissens (ich bin an sich Kirchenmusiker...) kriegsbedingt aufgelöste (die Musiker wurden schlicht eingezogen) Vorgänger des DTU war die "Goldene Sieben", so zumindest nannte sich dieses Studioensemble. Ansonsten entstammen die kulturellen Bereinigungen ("Negermusik") bereits der Zeit vor 1933, denn schon 1930 -so las ich- waren 'sarrazinische' (Sarazenus = der Morgenländer) Aktivitäten im Gange, die auch bei uns ja wieder regelmäßiger Unterstützer finden, selbst wenn der Terminus "Leitkultur" von Prof. Bassam Tibi, Göttingen stammen soll.


Ehe ich aus der Haut fahre, zum Band oben:
Ein "zeitgenössischer" Ursprung (also frühe 1940er Jahre) ist wegen der Involvierung von Scotch und der Bandgeschwindigkeit 9,5 cm/s vollkommen ausgeschlossen.
Bis 1950 waren praktisch keine Amateurgeräte auf dem Markt, der professionelle Betrieb nahm zunächst (K4, K7, K8/T8 ohne die Umbauten Amandus Kellers) nur mit 77 cm/s (!) und auf den tragbaren Tonschreibern mit sowas 19 cm/s auf. Auf die an sich notwendigerweise zu erwähnenden Details gehe ich nicht ein, da die hier nicht interessierende Abklärung vom thematischen Problem wegführte. Die amerikanisch bereinigten Bandgeschwindigkeiten kamen grosso modo ab der T9 verbindlich, gleichzeitig mit den 10-cm-Wickelkernen, den 38,1 cm/s und den hierzulande bis dahin noch nicht verbindlich gewesenen 6,25 mm breiten Bändern und der Bandbreitenerweiterung auf 15 kHz. Man plante damals in den noch überschaubaren professionellen Zirkeln, die notwendigen Umstellungen schleichend und nicht per Stichtag durchzuführen.


Scotch nahm die Bandfertigung zwar 1947 auf, soll dem Vernehmen nach aber zunächst nur Bänder auf Papierbasis (Typen 100 und 101) geliefert haben. "Soll" deshalb, weil ich ein derartiges Band nie gesehen habe. Papierbänder kenne ich (abgesehen von Erwähnungen des Assistenten von Eduard Schüller, Hans Westpfahl, zu den Pfleumerschen Typen nur aus den frühen 1930ern) aus eigener Anschauung nur aus Österreich, wo die Kollegen Inschenöre Niedenhuber & Welzl aus Wien, Schwarzenbergplatz sich noch in den 1950ern über längere Zeit mit diesem Verfahren befassten ("NIWE, das österreichische Qualitätserzeugnis"). Ein erster Bandtyp von 3M auf Kunststoffbasis (Polyester) erschien dann etwa 1951 (102). Offenbar hat 3M mit Polyester aber so seine Probleme gehabt, denn die folgende Generation (A 111), die Willi Studer für seine A27 (einer 38-er-Bandmaschine) vorgesehen hatte und dem Schweizer Radio empfahl, war dann nämlich wieder auf Acetatfolie aufgebaut.

9,5 cm/s sind in Deutschland bei Grundig und Ihle ab etwa 1952, sicher ab 1953 erhältlich. Wann hierzulande Scotch-Bandmaterial erstmalig wirklich zur Vefügung stand, weiß ich nicht, vermute aber aufgrund des damals üblichen Systems fester Wechselkurse (der Dollar war im Gefolge von Bretton Woods 1944 ab 1946 und in den 1950ern und auch noch 1960ern deutlich zu hoch bewertet -da und nicht bei Ludwig Erhard lag der Ursprung des "Wirtschaftswunders"!), dass dieses Band in Deutschland überaus teuer und damit für meinen Vater oder sonst einen Interessenten an der frühen, amateurüblichen Magnetbandaufnahme kaum interessant war. In meinem väterlich ab 1952 begründeten Bandarchiv finden sich daher Scotch-Materialien erst sehr vereinzelt ab meiner Zeit (also ab etwa 1971/72: flexible Wechselkurse und G36HS...).

In der ersten Auflage der PhonoRex-Bedienungsanleitung spricht Fritz Lösche von der Firma Ihle, Marktschorgast nur von BASF-, Agfa- und Genoton-Bändern. Bruno Woelke, nahe wohnender Freund und Ideengeber Max Ihles hatte nachweislich in der frühesten amerikanischen Magnetbandzeit (1947) direkten Kontakt mit amerikanischen Bandgeräteproduzenten (R. H. Ranger von Rangertone), was auch bei Ihles nicht unbeachtet geblieben sein wird. Auch die beiden weiteren Bedienungsanweisungsauflagen aus der Grundmühle im Tal der Schorgast (1953 und 1955) erwähnen Bänder amerikanischer Herkunft noch immer nicht.

Auch von dieser Seite her spricht damit allerhand für einen vergleichsweise 'neuen' Ursprung der Aufnahmen. Die Situation sähe lediglich dann anders aus, wenn man seitens der Vorbesitzer direktere Beziehungen beisspielsweise zum AFN belegen könnte. Dann aber verwunderte wieder das gespeicherte Programm, denn derjenige Interessent der 1950er, der sich solcher unmittelbaren Beziehungen zum Ursprung 'wahrhaften Swings' rühmen konnte, gäbe sich dann eher nicht mit germanisch angehauchten Surrogaten ab.

Ich würde versuchen, die auf dem Band gespeicherten Titel zu ermitteln, um deren Publikationsgeschichte herauszufinden. Ansonsten kann man durch Abklärung der Bandeigenschaften, Geruchsproben und was sonst so alles geeignet erscheinen mag, den Bandtyp bestimmen (sollte er denn wirklich Scotch sein), um dann einen terminus post quem zur Hand zu haben, da ein Band vor seiner Markteinführung schwerlich verwendet worden sein dürfte ...

Hans-Joachim
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