02.04.2015, 23:01
Ich habe kürzlich ein Uher 4000 Report erstanden, das nicht vernünftig lief. Der alte Motor lief nur mit manueller Unterstützung an, und das auch nur bei 19 und 9,5 cm/s, was mir seltsam vorkam, denn schließlich läuft der Motor immer mit der selben Drehzahl! Das Umspulen funktionierte einwandfrei.
Nun heißt es ja allgemein, dass diese Bürstenmotoren nicht repariert werden können, was meinen Ehrgeiz weckte. Ich wollte wenigstens sehen, wie das innen aussieht, mehr kaputt machen konnte ich ohnehin nicht.
Ich möchte an dieser Stelle (per Edit) schon mal einflechten, dass die Reparatur nicht gelingen wird, wenn die Kohlebürsten vollkommen abgenutzt sind!! Die Überschrift lasse ich trotzdem so, wie sie ist.
Ich entfernte die beiden Befestigungsschrauben, die gleichzeitig die Lötösenleiste mit der Regelschaltung halten, machte Fotos von den Anschlüssen und lötete den Motor ab, wofür nur vier Lötstellen über 350° erhitzt werden müssen.
Nach der Entnahme des Motors wurde die völlig zerbröselte "Schwammgummi"-Umhüllung abgepult und das Mumetallblech entfernt.
Das Motorgehäuse ist an den Enden mit je einem farbigen Klebebandstreifen umwickelt, und zwar an einem Ende rot, am anderen grün. Man sollte sich aufschreiben, an welchem Ende die große und an welchem die kleine Riemenscheibe sitzt. Selbige werden daraufhin mit einem im Modellbauhandel erhältlichen Ritzel-Abzieher entfernt. Der Motor liegt nun nackt und bloß vor einem und die Frage ist: "Wie geht er auf?" Ich entfernte zunächst die bunten Klebebänder und fand darunter einige Öffnungen, durch die man ins Innere des Motors sehen kann. An einem Ende (mit der großen Riemenscheibe) erkannte man den Kollektor (oder korrekterweise Kommutator), am anderen einen Fliehkraftschalter. Dieser besitzt einen Kontakt mit einer Messing-Stellschraube und zwei konzentrische Schleifringe auf einer Pertinaxscheibe, auf denen zwei Schleifer mit Graphitbürsten an den Enden laufen. Eine dieser Berylliumbronze-Federn berührte nur dann den zugehörigen Schleifring, wenn man die Ankerwelle nach links, Richtung Umspulwippe, drückte! Die Motorwelle hat ein Axialspiel von ca. 1,5-2 mm. Damit war auch klar, warum der Motor bei 4,7 und 2,4 cm/s nicht anlief: der Treibriemen zieht bei diesen beiden Geschwindigkeiten den Motoranker nach rechts, was das Abheben der Schleiffeder bewirkt!
Ich beschloss nach dieser ersten Bestandsaufnahme, den Motor an der Fliehkraftschalter-Seite zu öffnen. Die Stirndeckel sind mit vier kurzen Schlitzen versehen, durch die Laschen gesteckt sind, welche an den Enden der Mantelbleche sitzen. Diese Laschen sind dann nach dem Schließen des Motors im Werk mit zwei Einkerbungen versehen worden, die die Enden aufspreizen und damit die Deckel festhalten, weil die Laschen nicht mehr durch die Schlitze passen. Zum Öffnen musste ich also diese Laschen wieder so schmal machen, dass sie durch die Schlitze im Motordeckel passen. Sicher könnte man das mit einem elektrischen Kleinwerkzeug und Trenn-/Schleifscheibe machen, es geht aber auch anders. Da diese Einkerbungen sehr tief waren, nahm ich einfach einen "offiziell" schon ausgemusterten Bestückungs-Seitenschneider und kniff die aus recht weichem Eisenblech bestehenden Enden der Laschen ab, indem ich die Zange einfach an beiden Enden der jeweiligen Lasche flach ansetzte und zudrückte. Das ging leicht und ohne die Zange dabei zu beschädigen, weil die Kerben so tief waren, dass die Enden der Laschen dabei fast zwangsläufig abfielen. Mit vorsichtigem rundum-Hebeln per 2 mm-Schraubendreher ließ sich der runde Stirndeckel dann abheben.
Und nun geht es bebildert weiter.
Der zerlegte Motor:
Man kann sehen, dass der Kommutator stark eingelaufen ist und die Schleifringe des Fliehkraftreglers ebenfalls. Die Graphitklötzchen sowohl an den Schleifern des Reglers als auch des Kommutators sind nur noch fragmentarisch vorhanden. Die Kohlen sind nur winzig (ca. 1 x 2 mm) und mit je einem Klecks Epoxydharz an den Bronzefedern befestigt. Auswechseln halte ich für so gut wie ausgeschlossen. Spätestens beim Versuch, die abgenutzten Teile zu entfernen, schrottet man die Federn.
Hier ein Blick in das Motorgehäuse auf die Kommutierung. Ich habe zur Verdeutlichung eine Schleifkohle und den Klebstofftropfen auf dem ersten Bild farbig markiert. Man erkennt auch, dass die beiden Zugfedern unterschiedlich gespannt und dadurch die Bürsten auch verschieden stark abgenutzt sind:
Der Motordeckel mit den Schleiffedern für die Zuführung zum Fliehkraftregler:
Es ist zu erkennen, dass die Kohlen nicht mehr wirklich viel "Fleisch" haben... Weiterhin hat die eine Feder einen Knick (grüner Pfeil), wodurch sie nur temporär anlag — der Grund für die Nichtfunktion bei 4,7 und 2,4!
Der Anker mit den stark eingelaufenen Kommutatorlamellen:
Die Schleifringe des Reglers sehen auch "nicht mehr ganz" neuwertig aus:
Hier der Fliehkraftschalter im Ganzen; leider etwas verwackelt... :
Ich machte mich nun daran, die Kupferbahnen mit dem Glasfaserpinsel zu reinigen; das Gleiche ließ ich auch dem Kommutator angedeihen. Danach sah die Sache schon besser aus:
Der Anker wurde sodann mit Kontak WL gründlich abgewaschen. Dafür hätte man auch Bremsenreiniger nehmen können. Bei dem Deckel mit den Schleiffedern benutzte ich nur ein Wattestäbchen und etwas Benzin, um das Sinterlager nicht auszuwaschen. Obwohl: mehr als ein paar Minuten würde der Motor künftig sowieso nicht mehr laufen müssen.
Auf dem zweiten Foto sind die Schleifer schon gerichtet, damit sie wieder ordnungsgemäß ihrem Dienst nachgehen können:
Der Zusammenbau ging dann schnell. Durch die eine Öffnung im Gehäuse hielt ich eine der beiden Kommutatorfedern mit einem Zahnstocher etwas beiseite, setzte den Anker etwas schräg an, führte das Ende zwischen die Schleifer und setzte es in die Lagerbuchse. Das ist mit Worten schwer zu beschreiben, aber es dauerte keine 10 Sekunden. Dann den anderen Deckel wieder drauf und je einen Klecks Epoxykleber (Pfeile) auf die vorher entfetteten Verschlusslaschen, da sie ja anders nicht mehr halten würden:
Die beiden Riemenscheibchen saßen komischerweise nach dem Wiederaufstecken so locker, dass ich je einen Tropfen Sekundenkleber verwenden musste, um sie festzulegen. Ich bin sicher, dass sie sich sonst auf der Welle gedreht hätten. Nachdem der Motor mit neuem Schaumstoff versehen und wieder eingesetzt und angeschlossen war, folgte der spannende Moment... ?( 8|
Das Report summte leise und gleichmäßig vor sich hin und das bei allen vier Geschwindigkeiten! 8o
Ich habe übrigens Rundriemen eingebaut, obwohl irgendwo hier im Forum mal zu lesen war, dass das beim Ur-4000 nicht funktioniert. Bei meinem geht es problemlos.
Umspulen mit erhöhter Drehzahl klappte auch. Nun kann ich es wenigstens für Demonstrationszwecke ab und zu mal laufen lassen; so lange, bis die Schleifkohlen wirklich am Ende sind. Leider habe ich noch zwei weitere Probleme mit diesem Gerät. Am rechten Bandteller fehlt die Verriegelung und die Wiedergabe ist extrem leise. Aber an der Elektronik habe ich aber bis jetzt noch nicht gewerkelt, alle Elkos sind noch "orginool"!
Vielleicht findet der Eine oder Andere diesen Bericht ja inspirierend, um bei seinem Uralt-Report auch mal den Motor zu öffnen. Ein Vergnügen ist es nicht, aber es geht.
Hier noch für die Statistiker das Fabrikschildchen.
LG Holgi
Nun heißt es ja allgemein, dass diese Bürstenmotoren nicht repariert werden können, was meinen Ehrgeiz weckte. Ich wollte wenigstens sehen, wie das innen aussieht, mehr kaputt machen konnte ich ohnehin nicht.
Ich möchte an dieser Stelle (per Edit) schon mal einflechten, dass die Reparatur nicht gelingen wird, wenn die Kohlebürsten vollkommen abgenutzt sind!! Die Überschrift lasse ich trotzdem so, wie sie ist.
Ich entfernte die beiden Befestigungsschrauben, die gleichzeitig die Lötösenleiste mit der Regelschaltung halten, machte Fotos von den Anschlüssen und lötete den Motor ab, wofür nur vier Lötstellen über 350° erhitzt werden müssen.
Nach der Entnahme des Motors wurde die völlig zerbröselte "Schwammgummi"-Umhüllung abgepult und das Mumetallblech entfernt.
Das Motorgehäuse ist an den Enden mit je einem farbigen Klebebandstreifen umwickelt, und zwar an einem Ende rot, am anderen grün. Man sollte sich aufschreiben, an welchem Ende die große und an welchem die kleine Riemenscheibe sitzt. Selbige werden daraufhin mit einem im Modellbauhandel erhältlichen Ritzel-Abzieher entfernt. Der Motor liegt nun nackt und bloß vor einem und die Frage ist: "Wie geht er auf?" Ich entfernte zunächst die bunten Klebebänder und fand darunter einige Öffnungen, durch die man ins Innere des Motors sehen kann. An einem Ende (mit der großen Riemenscheibe) erkannte man den Kollektor (oder korrekterweise Kommutator), am anderen einen Fliehkraftschalter. Dieser besitzt einen Kontakt mit einer Messing-Stellschraube und zwei konzentrische Schleifringe auf einer Pertinaxscheibe, auf denen zwei Schleifer mit Graphitbürsten an den Enden laufen. Eine dieser Berylliumbronze-Federn berührte nur dann den zugehörigen Schleifring, wenn man die Ankerwelle nach links, Richtung Umspulwippe, drückte! Die Motorwelle hat ein Axialspiel von ca. 1,5-2 mm. Damit war auch klar, warum der Motor bei 4,7 und 2,4 cm/s nicht anlief: der Treibriemen zieht bei diesen beiden Geschwindigkeiten den Motoranker nach rechts, was das Abheben der Schleiffeder bewirkt!
Ich beschloss nach dieser ersten Bestandsaufnahme, den Motor an der Fliehkraftschalter-Seite zu öffnen. Die Stirndeckel sind mit vier kurzen Schlitzen versehen, durch die Laschen gesteckt sind, welche an den Enden der Mantelbleche sitzen. Diese Laschen sind dann nach dem Schließen des Motors im Werk mit zwei Einkerbungen versehen worden, die die Enden aufspreizen und damit die Deckel festhalten, weil die Laschen nicht mehr durch die Schlitze passen. Zum Öffnen musste ich also diese Laschen wieder so schmal machen, dass sie durch die Schlitze im Motordeckel passen. Sicher könnte man das mit einem elektrischen Kleinwerkzeug und Trenn-/Schleifscheibe machen, es geht aber auch anders. Da diese Einkerbungen sehr tief waren, nahm ich einfach einen "offiziell" schon ausgemusterten Bestückungs-Seitenschneider und kniff die aus recht weichem Eisenblech bestehenden Enden der Laschen ab, indem ich die Zange einfach an beiden Enden der jeweiligen Lasche flach ansetzte und zudrückte. Das ging leicht und ohne die Zange dabei zu beschädigen, weil die Kerben so tief waren, dass die Enden der Laschen dabei fast zwangsläufig abfielen. Mit vorsichtigem rundum-Hebeln per 2 mm-Schraubendreher ließ sich der runde Stirndeckel dann abheben.
Und nun geht es bebildert weiter.
Der zerlegte Motor:
Man kann sehen, dass der Kommutator stark eingelaufen ist und die Schleifringe des Fliehkraftreglers ebenfalls. Die Graphitklötzchen sowohl an den Schleifern des Reglers als auch des Kommutators sind nur noch fragmentarisch vorhanden. Die Kohlen sind nur winzig (ca. 1 x 2 mm) und mit je einem Klecks Epoxydharz an den Bronzefedern befestigt. Auswechseln halte ich für so gut wie ausgeschlossen. Spätestens beim Versuch, die abgenutzten Teile zu entfernen, schrottet man die Federn.
Hier ein Blick in das Motorgehäuse auf die Kommutierung. Ich habe zur Verdeutlichung eine Schleifkohle und den Klebstofftropfen auf dem ersten Bild farbig markiert. Man erkennt auch, dass die beiden Zugfedern unterschiedlich gespannt und dadurch die Bürsten auch verschieden stark abgenutzt sind:
Der Motordeckel mit den Schleiffedern für die Zuführung zum Fliehkraftregler:
Es ist zu erkennen, dass die Kohlen nicht mehr wirklich viel "Fleisch" haben... Weiterhin hat die eine Feder einen Knick (grüner Pfeil), wodurch sie nur temporär anlag — der Grund für die Nichtfunktion bei 4,7 und 2,4!
Der Anker mit den stark eingelaufenen Kommutatorlamellen:
Die Schleifringe des Reglers sehen auch "nicht mehr ganz" neuwertig aus:
Hier der Fliehkraftschalter im Ganzen; leider etwas verwackelt... :
Ich machte mich nun daran, die Kupferbahnen mit dem Glasfaserpinsel zu reinigen; das Gleiche ließ ich auch dem Kommutator angedeihen. Danach sah die Sache schon besser aus:
Der Anker wurde sodann mit Kontak WL gründlich abgewaschen. Dafür hätte man auch Bremsenreiniger nehmen können. Bei dem Deckel mit den Schleiffedern benutzte ich nur ein Wattestäbchen und etwas Benzin, um das Sinterlager nicht auszuwaschen. Obwohl: mehr als ein paar Minuten würde der Motor künftig sowieso nicht mehr laufen müssen.
Auf dem zweiten Foto sind die Schleifer schon gerichtet, damit sie wieder ordnungsgemäß ihrem Dienst nachgehen können:
Der Zusammenbau ging dann schnell. Durch die eine Öffnung im Gehäuse hielt ich eine der beiden Kommutatorfedern mit einem Zahnstocher etwas beiseite, setzte den Anker etwas schräg an, führte das Ende zwischen die Schleifer und setzte es in die Lagerbuchse. Das ist mit Worten schwer zu beschreiben, aber es dauerte keine 10 Sekunden. Dann den anderen Deckel wieder drauf und je einen Klecks Epoxykleber (Pfeile) auf die vorher entfetteten Verschlusslaschen, da sie ja anders nicht mehr halten würden:
Die beiden Riemenscheibchen saßen komischerweise nach dem Wiederaufstecken so locker, dass ich je einen Tropfen Sekundenkleber verwenden musste, um sie festzulegen. Ich bin sicher, dass sie sich sonst auf der Welle gedreht hätten. Nachdem der Motor mit neuem Schaumstoff versehen und wieder eingesetzt und angeschlossen war, folgte der spannende Moment... ?( 8|
Das Report summte leise und gleichmäßig vor sich hin und das bei allen vier Geschwindigkeiten! 8o
Ich habe übrigens Rundriemen eingebaut, obwohl irgendwo hier im Forum mal zu lesen war, dass das beim Ur-4000 nicht funktioniert. Bei meinem geht es problemlos.
Umspulen mit erhöhter Drehzahl klappte auch. Nun kann ich es wenigstens für Demonstrationszwecke ab und zu mal laufen lassen; so lange, bis die Schleifkohlen wirklich am Ende sind. Leider habe ich noch zwei weitere Probleme mit diesem Gerät. Am rechten Bandteller fehlt die Verriegelung und die Wiedergabe ist extrem leise. Aber an der Elektronik habe ich aber bis jetzt noch nicht gewerkelt, alle Elkos sind noch "orginool"!
Vielleicht findet der Eine oder Andere diesen Bericht ja inspirierend, um bei seinem Uralt-Report auch mal den Motor zu öffnen. Ein Vergnügen ist es nicht, aber es geht.
Hier noch für die Statistiker das Fabrikschildchen.
LG Holgi