22.07.2024, 19:10
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 23.07.2024, 14:25 von TonbandHesse.)
Da ich nun schon seit Jahren begeisteter Leser diverser Vorstellungsberichte bin, wollte ich hier zu Beginn auch gleich einen schreiben und somit etwas zurückgeben.
Wer sich meine Vorstellung durchlesen möchte, hier ist der Link: https://tonbandforum.de/showthread.php?tid=30919
Vorgeschichte:
Seit Frühjahr 2021 bin ich stolzer Besitzer eines Magnetophon KL65 KX. Das Gerät hatte ich unter anderem deshalb gekauft, da ich stark vermutete, dass mein Uropa (den ich leider nie kennenlernen durfte) ein solches besessen hat. Ich hatte von meinem Großonkel viele Tonbänder bekommen, einige mit Telefunken-Spule, nie mehr als mit 13 cm Spulendurchmesser und immer mit den Geschwindigkeiten 4,75 und 9,5 cm/s aufgenommen. Dazu die älteste Aufnahme vom April 1958, daher auch vom Baujahr her übereinstimmend. Seines muss aber irgendwann (vermutlich Anfang der 70er) weggekommen sein, als es durch ein Grundig TK 2400 FM mit eingebautem UKW-Radio ersetzt wurde. Also sollte der Kauf des (vermutlich) baugleichen Gerätes eine Hommage an meinen Uropa darstellen. Natürlich neben meinem technischen Interesse an einer Röhrenschleuder aus dem Hause Telefunken.
Nach der Restauration (Kondensatorkur, Wartung der Mechanik, Reinigung der Röhrenpins etc.) spielte es über drei Jahre wieder ganz munter, leider nur auf 9,5 cm/s, da der Schwungscheibenriemen schon etwas ausgeleiert war. Nachdem vor einigen Wochen der Motorriemen gerissen war, opferte ich 26,90 Euro und bestellte in der Bucht einen neuen Riemensatz. Seitdem kann ich auch 4,75 cm/s nutzen, was ich aber aus Klanggründen nicht mache. Auf 9,5 cm/s macht die Kiste aber ordentlich Krach.
Übrigens: Das Ding war mal in einer Schule im Einsatz, erkennbar an der eingeritzten Kennzeichnung "BBS II NOM -105-" ("Betriebsbildende Schule zwei; Raum 105"). Ursprünglich war sogar ein Prüfsiegel mit dem Jahr 1999 drauf, das Teil wird also wohl ein paar Jahrzehntchen in Betrieb gewesen, oder wenigstens dafür zugelassen sein. 2021 hatte es dann ein Lehrer in die kleine Bucht für einen akzeptablen Preis eingestellt, wo ich es dann erwarb. Ich bin dem guten Mann bis heute noch dankbar, dass er es nicht weggeschmissen hat.
So weit so gut. Doch irgendwann weckte der große Bruder des KL65, das Magnetophon 85, mein Interesse. Größere Spulen, höhere Bandgeschwindigkeiten, besserer Frequenzgang, Klangregler, besserer Klang...
So war´s dann um mich geschehen. Obwohl ich Platzmangel hatte (und weiterhin habe...), musste ein Magnetophon 85 her! Aber bitte nur die alte Version, mit elfenbeinfarbener Abdeckung, die anderen sehen zu modern aus!
Auch in diesem Fall wurde ich in der kleinen Bucht fündig. Der Verkäufer meinte, Wiedergabe würde noch funktionieren. Für 45 Euro inkl. Versand wechselte es den Besitzer.
Gut verpackt trudelte das gute Stück dann einige Tage später bei mir ein.
Ein ziemlicher Brocken würde ich meinen, das Ding nimmt fast meinen halben Schreibtisch ein!
Die Oberseite präsentierte sich als gut erhalten, keine Fehlteile:
Als nächstes wurde die Mechanik begutachtet:
Der Motorriemen wurde scheinbar schon mal nachgespannt, gut an den drei Schrauben am Motor zu erkennen.
Hier das massive Holzgehäuse mit der Endstufe. Der Schaumstoffring am Motor wurde schon vom Vorbesitzer (oder wem auch immer) ersetzt, der gerne zerbröselt und die Lamellen des Lüfterrades verstopft. Das ist auch einer der Gründe, wieso einige dieser Motoren den Hitzetod sterben mussten.
Das Chassis, nach Abnahme des Abschirmungsbleches. Hier kann man oben rechts schon einige neue Kondensatoren erkennen, rote Wima-Klötzchen und Erofol II. Letztere tausche ich mittlerweile auch pauschal aus. Obwohl es sich um Folienwickler handelt, soll es schon vereinzelt Ausfälle gegeben haben.
Die separate Endstufe. Auch hier wurden schon einige Kondensatoren getauscht.
Nach dem Aufschreiben sämtlicher Werte der auszutauschenden Papierwickler und Elkos bestellte ich diese. Ich verwende (wie auch bei Röhrenradio-Restaurationen) bevorzugt die schwarzen, axialen Typen.
Hier die neu bestückte Endstufe:
Nach dem Wechsel der restlichen Bauteile im Chassis tauschte ich noch die nachträglich eingebaute EM72 durch eine originale EM71a (aus einem vor zwei Jahren ausgeschlachtetem Magnetophon 75) und baute das Chassis wieder ins Gehäuse ein.
Nun schaltete ich das Gerät erstmals ein. Der Motor begann zu drehen und die EM kam langsam zum leuchten.
Ein Abspielen fremdbespielter Bänder war direkt möglich, allerdings mit stark schwankender Geschwindigkeit. Umspulen ging nur sehr eingeschränkt, da der Motorriemen schon ausgeleiert war. Aufnahme funktionierte gar nicht, ein bespieltes Band wurde aber gelöscht.
Dann, während des Abspielens eines Bandes, wurde das Ding leiser und leiser. Dazu wurde die EM dunkler.
Himmel und Zwirn!
Als erstes hatte ich die beiden Gleichrichter in Verdacht. Also Chassis wieder raus, neue Siliziumgleichrichter mit Anpasswiderständen rein und ohne Endstufe angeschlossen. EM fängt wieder an zu leuchten! Moment der Erleichterung. Dann Endstufe angeschlossen, zack, EM wird wieder dunkler. Mist. Schnell ausgeschaltet und Röhren (ECC83 und 2x EL95) gezogen. Dann Endstufe wieder vom Chassis getrennt und nach Aufheizzeit wieder angeschlossen. EM wird wieder Dunkel!
Sach ma...
Also als nächstes Anodenstromkreis getrennt. Immer noch Spannungszusammenbruch. Also musste es der Heizkreis sein. Messgerät bestätigte hier einen Kurzschluss. Also Messgerät auf "Pieps-Modus" gestellt und an der Leitung gerüttelt. Dann, auf einmal, kein Kurzer mehr. Ursache: Ein leerer Masselötpunkt, der von Telefunken als Leitungshalter missbraucht wurde, hatte frech die Isolierung der Heizleitung beschädigt und munter einen Kurzschluss verursacht!
Nach Beseitigung lief alles wieder wie gewohnt.
Nachdem ich noch neue Riemen bestellt und eingebaut hatte, war auch das Problem mit der schwankenden Wiedergabegeschwindigkeit weg und Umspulen ging auch wieder schön flott.
Aufnahme war nach Reinigung der Röhrenpins und zig-maliger Betätigung des Aufnahme-Knopfes auch wieder funktionsfähig.
Fertig!
Bin überrascht, wie gut diese alte Gurke läuft. Bei 19 cm/s bis 20 kHz, als 17-Jähriger hör´ ich das noch.
Aber auch mit 9,5 cm/s (bis 15 kHz) sind beachtliche Aufnahmen zu erreichen.
Hier dazu ein Video, natürlich mit zeitgenössicher Hammondorgel-Musik aus den frühen 60ern. Mag aus heutiger Sicht wohl etwas schaurig klingen, aber egal. Passt wenigstens zum Gerät. Hoffentlich werde ich nicht von der GEMA gelyncht.
https://www.youtube.com/watch?v=9pWSW2kCyZg
Ein Problem gibt´s aber: Wie schon weiter oben erwähnt, ist das Teil ein richtig fetter Oschi und Sackschwer. Hier mal im Vergleich mit meinem KL 65 und meiner Hand:
Hoffe, ich konnte den ein oder anderen unterhalten und vielleicht sogar zum schmunzeln bringen.
Gruß
Tristan
Wer sich meine Vorstellung durchlesen möchte, hier ist der Link: https://tonbandforum.de/showthread.php?tid=30919
Vorgeschichte:
Seit Frühjahr 2021 bin ich stolzer Besitzer eines Magnetophon KL65 KX. Das Gerät hatte ich unter anderem deshalb gekauft, da ich stark vermutete, dass mein Uropa (den ich leider nie kennenlernen durfte) ein solches besessen hat. Ich hatte von meinem Großonkel viele Tonbänder bekommen, einige mit Telefunken-Spule, nie mehr als mit 13 cm Spulendurchmesser und immer mit den Geschwindigkeiten 4,75 und 9,5 cm/s aufgenommen. Dazu die älteste Aufnahme vom April 1958, daher auch vom Baujahr her übereinstimmend. Seines muss aber irgendwann (vermutlich Anfang der 70er) weggekommen sein, als es durch ein Grundig TK 2400 FM mit eingebautem UKW-Radio ersetzt wurde. Also sollte der Kauf des (vermutlich) baugleichen Gerätes eine Hommage an meinen Uropa darstellen. Natürlich neben meinem technischen Interesse an einer Röhrenschleuder aus dem Hause Telefunken.
Nach der Restauration (Kondensatorkur, Wartung der Mechanik, Reinigung der Röhrenpins etc.) spielte es über drei Jahre wieder ganz munter, leider nur auf 9,5 cm/s, da der Schwungscheibenriemen schon etwas ausgeleiert war. Nachdem vor einigen Wochen der Motorriemen gerissen war, opferte ich 26,90 Euro und bestellte in der Bucht einen neuen Riemensatz. Seitdem kann ich auch 4,75 cm/s nutzen, was ich aber aus Klanggründen nicht mache. Auf 9,5 cm/s macht die Kiste aber ordentlich Krach.
Übrigens: Das Ding war mal in einer Schule im Einsatz, erkennbar an der eingeritzten Kennzeichnung "BBS II NOM -105-" ("Betriebsbildende Schule zwei; Raum 105"). Ursprünglich war sogar ein Prüfsiegel mit dem Jahr 1999 drauf, das Teil wird also wohl ein paar Jahrzehntchen in Betrieb gewesen, oder wenigstens dafür zugelassen sein. 2021 hatte es dann ein Lehrer in die kleine Bucht für einen akzeptablen Preis eingestellt, wo ich es dann erwarb. Ich bin dem guten Mann bis heute noch dankbar, dass er es nicht weggeschmissen hat.
So weit so gut. Doch irgendwann weckte der große Bruder des KL65, das Magnetophon 85, mein Interesse. Größere Spulen, höhere Bandgeschwindigkeiten, besserer Frequenzgang, Klangregler, besserer Klang...
So war´s dann um mich geschehen. Obwohl ich Platzmangel hatte (und weiterhin habe...), musste ein Magnetophon 85 her! Aber bitte nur die alte Version, mit elfenbeinfarbener Abdeckung, die anderen sehen zu modern aus!
Auch in diesem Fall wurde ich in der kleinen Bucht fündig. Der Verkäufer meinte, Wiedergabe würde noch funktionieren. Für 45 Euro inkl. Versand wechselte es den Besitzer.
Gut verpackt trudelte das gute Stück dann einige Tage später bei mir ein.
Ein ziemlicher Brocken würde ich meinen, das Ding nimmt fast meinen halben Schreibtisch ein!
Die Oberseite präsentierte sich als gut erhalten, keine Fehlteile:
Als nächstes wurde die Mechanik begutachtet:
Der Motorriemen wurde scheinbar schon mal nachgespannt, gut an den drei Schrauben am Motor zu erkennen.
Hier das massive Holzgehäuse mit der Endstufe. Der Schaumstoffring am Motor wurde schon vom Vorbesitzer (oder wem auch immer) ersetzt, der gerne zerbröselt und die Lamellen des Lüfterrades verstopft. Das ist auch einer der Gründe, wieso einige dieser Motoren den Hitzetod sterben mussten.
Das Chassis, nach Abnahme des Abschirmungsbleches. Hier kann man oben rechts schon einige neue Kondensatoren erkennen, rote Wima-Klötzchen und Erofol II. Letztere tausche ich mittlerweile auch pauschal aus. Obwohl es sich um Folienwickler handelt, soll es schon vereinzelt Ausfälle gegeben haben.
Die separate Endstufe. Auch hier wurden schon einige Kondensatoren getauscht.
Nach dem Aufschreiben sämtlicher Werte der auszutauschenden Papierwickler und Elkos bestellte ich diese. Ich verwende (wie auch bei Röhrenradio-Restaurationen) bevorzugt die schwarzen, axialen Typen.
Hier die neu bestückte Endstufe:
Nach dem Wechsel der restlichen Bauteile im Chassis tauschte ich noch die nachträglich eingebaute EM72 durch eine originale EM71a (aus einem vor zwei Jahren ausgeschlachtetem Magnetophon 75) und baute das Chassis wieder ins Gehäuse ein.
Nun schaltete ich das Gerät erstmals ein. Der Motor begann zu drehen und die EM kam langsam zum leuchten.
Ein Abspielen fremdbespielter Bänder war direkt möglich, allerdings mit stark schwankender Geschwindigkeit. Umspulen ging nur sehr eingeschränkt, da der Motorriemen schon ausgeleiert war. Aufnahme funktionierte gar nicht, ein bespieltes Band wurde aber gelöscht.
Dann, während des Abspielens eines Bandes, wurde das Ding leiser und leiser. Dazu wurde die EM dunkler.
Himmel und Zwirn!
Als erstes hatte ich die beiden Gleichrichter in Verdacht. Also Chassis wieder raus, neue Siliziumgleichrichter mit Anpasswiderständen rein und ohne Endstufe angeschlossen. EM fängt wieder an zu leuchten! Moment der Erleichterung. Dann Endstufe angeschlossen, zack, EM wird wieder dunkler. Mist. Schnell ausgeschaltet und Röhren (ECC83 und 2x EL95) gezogen. Dann Endstufe wieder vom Chassis getrennt und nach Aufheizzeit wieder angeschlossen. EM wird wieder Dunkel!
Sach ma...
Also als nächstes Anodenstromkreis getrennt. Immer noch Spannungszusammenbruch. Also musste es der Heizkreis sein. Messgerät bestätigte hier einen Kurzschluss. Also Messgerät auf "Pieps-Modus" gestellt und an der Leitung gerüttelt. Dann, auf einmal, kein Kurzer mehr. Ursache: Ein leerer Masselötpunkt, der von Telefunken als Leitungshalter missbraucht wurde, hatte frech die Isolierung der Heizleitung beschädigt und munter einen Kurzschluss verursacht!
Nach Beseitigung lief alles wieder wie gewohnt.
Nachdem ich noch neue Riemen bestellt und eingebaut hatte, war auch das Problem mit der schwankenden Wiedergabegeschwindigkeit weg und Umspulen ging auch wieder schön flott.
Aufnahme war nach Reinigung der Röhrenpins und zig-maliger Betätigung des Aufnahme-Knopfes auch wieder funktionsfähig.
Fertig!
Bin überrascht, wie gut diese alte Gurke läuft. Bei 19 cm/s bis 20 kHz, als 17-Jähriger hör´ ich das noch.
Aber auch mit 9,5 cm/s (bis 15 kHz) sind beachtliche Aufnahmen zu erreichen.
Hier dazu ein Video, natürlich mit zeitgenössicher Hammondorgel-Musik aus den frühen 60ern. Mag aus heutiger Sicht wohl etwas schaurig klingen, aber egal. Passt wenigstens zum Gerät. Hoffentlich werde ich nicht von der GEMA gelyncht.
https://www.youtube.com/watch?v=9pWSW2kCyZg
Ein Problem gibt´s aber: Wie schon weiter oben erwähnt, ist das Teil ein richtig fetter Oschi und Sackschwer. Hier mal im Vergleich mit meinem KL 65 und meiner Hand:
Hoffe, ich konnte den ein oder anderen unterhalten und vielleicht sogar zum schmunzeln bringen.
Gruß
Tristan