Hallo Zebra777,
Du musst Dich nicht nur zwischen 2 diametral gegenüberliegenden Konstruktionsphilosophien entscheiden (Akai oder Revox) sondern auch zwischen 2 verschiedenen Formaten (2-Spur und 4-Spur).
In der Schweiz dachte man konservativ, war fest in der Studiotechnik verwurzelt und gab der für den anspruchsvollen Tonbandamateur gedachten A77 einige professionelle Merkmale mit. So den modularen, servicefreundlichen Aufbau, gute Einstell- und Justagemöglichkeiten, ein Bandpfand, der in großen Bögen und nicht um scharfe Ecken lief, was die Verwendung dickerer Studiobänder problemlos machte. Das Maß der Dinge in der Studiotechnik waren 38 cm/sec und 2-Spur. Auf 19 cm/sec herunter zu gehen hielt man für genug des Kompromisses, an 4-Spur und 9,5 cm/sec mochte man so recht nicht denken.
Aber der Markt verlangte es, und Willi's Magnetophon-Baukasten gab es her, also wurde die Maschine gebaut. Nicht schlecht - aber niemand bei Revox setzte seinen Ehrgeiz daran, gerade dieses Low-End der Magnetbandtechnik zu perfektionieren und zu verbessern.
Ganz anders bei Akai, wo man nicht den engagierten Tonamateur im Visier hatte, der seine Kiste zur Aufnahme zu ein einem Kirchenkonzert schleppt sondern den HiFi-Fan, der in möglichst guter Qualität Musik von Schallplatte und Radio aufzeichnen wollte. Eine Akai gehört nicht in den Flightcase sondern neben die HiFi-Anlage, wertet jedes Wohnzimmer optisch auf und kommt vordergründig massiv daher, wie es eben Mode war in dieser Zeit. Aber die Mechanik ist manchmal geradzu brachial primitiv in der Funktion, eine Pappwand als Rückseite verbreitet Dampfradio-Flair, manchmal entpuppt sich ein scheinbar massives Metallteil (Tonkopfabdeckung 636) also Plastik im Alu-Look und nicht immer tut die Mechanik das, was sie soll. Die zarten Fühlerchen der GX 260 z. B. melden nicht immer "Band zuende", weil sie im eingedickten Silikon-Öl feststecken.
Eines sei den Akais zugestanden: Die Anfass-Qualität ist großartig, wer die satt laufenden Potis einer GX 260 bedient und dann an den Revox-Knubbels wackelt kommt zu dem, allerdings falschen, Schluss, er sei von der S- in die Golf-Klasse umgestiegen und hätte dort die falsche Tür erwischt.
Bei Akai dachte man früh an Auto-Reverse, sparte Band durch langsame Geschwindigkeiten und schmale Spuren, verwendete Dolby und war stolz darauf, schon bei 9,5 cm/sec excellente Meßwerte in den Katalog zu drucken.
Nun kann man so und so messen, und seine Angaben so oder so machen. Bei Revox wurde jedenfalls unter praxisgerechten Bedingungen gemessen und so angegeben, daß die Werte sicher und souverän erreicht wurden. Das führte dazu, daß diese Maschinen in den Prospekten gegen die fernöstliche Konkurrenz immer recht alt aussahen.
Bei Akai wurden die Kopfspalte aberwitzig klein, was dazu führte, daß der Frequenzgang höher hinauf reichte. Daß dabei das Band nicht mehr tiefgreifend durchmagnetisiert werden konnte, fiel unter das großzügig angelegte Raster der Betrachtung. Auch die vielgelobten GX-Köpfe hatten neben dem unbestrittenen Vorteil der Langlebigkeit - sie sind praktisch verschleissfrei - einen Nachteil: Der hauchdünne Glasüberzug ist zwar nur hauchdünn, eber dennoch da und er hebt das Band weg vom Kopfspalt, wo es hingehört. Auch das fördert nicht gerade die Durchmagnetisierbarkeit des Bandes. Akai arbeitete m. W. mit dem Dolby-Pegel von 180 nWb/m, Revox lag mit 257 nWb/m schon wesentlich höher und wurde kritisiert, es würde mit der guten Elektronik, die zu mehr fähig wäre, das Band nicht richtig ausnutzen. 320 nWb/m ist ein durchaus gängiger Wert. (Hinweis: Der Bandfluss, gemessen in nWb/m ist ein Maß für die Stärke der magnetisierung des Bandes.)
Kurz gefasst, die Akai-Leute bschritten schon im Tonbandgeräte-Stadium den weg, der ihnen bei Cassettengeräten großen Erfolg bringen sollte. Dort wurden die Bandgeschwindigkeit auf 4,75 reduziert, die Spuren wurden ebenfalls schmäler. Der Einsatz von elektronischen Tricks und Kniffen wurde obligatorisch.
Eine A77 Dolby war ein Exot, die Akais wurden wesentlich öfter mit Dolby verkauft. Da man dem Rauschen, dem man mit natürlichen Mitteln (hohe Pegel, breite Spuren) nicht Herr werden wollte musste man, den Teufel mit dem Belzebub austreiben.
Nicht umsonst hat Revox jahrelang die Finger von Cassettendecks gelassen, bis sie es schliesslich mit dem B710 bwz. dem B215 richtig krachen liessen. Diese bedächtige Gründlichkeit - erst machen wenn man sicher war daß man es konnte - sorgte dafür, daß diese Firma selten Technologieführer war, dafür um so beliebter bei den Anwendern.
Was es an der Revox im Hinblick auf 4-Spur zu bemängeln gibt: Die Bandführung ist sehr großzügig und locker-flockig ausgelegt, für 19 cm/sec und 2-Spur mehr als nur ausreichend, aber eben nicht für 9,5 cm/sec und 4-Spur. Mit dem Kopfhörer akribisch abgehört zeigen sich kleine Pegelschwankungen, die darauf zurückzuführen sind, daß das Band, je nach Beschaffenheit, nicht immer 100%ig in der Spur läuft, sondern mal nach oben oder untern wandert.
Wie empfindlich man darauf reagiert, muss jeder selber heraushören. Über Boxen abgehört wird dieses Problem klein bis zum Verschwinden. Bei 19 cm/sec ist davon nix mehr zu hören. Allerdings macht sich hier ein Durchhören der Gegenspur (andere Bandseite) bemerkbar. Je größer die aufgezeichnete Wellenlänge, desto größer die Energie, desto eher strahlt eine Aufzeichnung in den Tonkopf ein. Das heisst: Je tiefer die Frequenz (Bässe eher als Höhen) und je schneller die Geschwindigkeit, desto mehr macht sich bemerkbar, was man gar nicht hören will. Daß Revox-Benutzer öfter über dieses Problem klagen, Akai-Benutzer so gut wie gar nie mag daran liegen, daß, wie oben beschrieben, die aufgezeichneten Pegel bei einer Akai durchweg kleiner sind.
Ich benutze beide Typen Akai wie Revox, nebeneinander her und tendiere ganz klar zu Revox, weil ich auch zu 2-Spur und 19 tendiere. Bei 9,5 und 4-spur nehme ich die kleinen Unzulänglichkeiten zugunsten des besseren Gesamtkonzepts in Kauf. Bei 9,5 und 4-Spür versuche ich zu vermeiden, daß ein zartes Cembalo auf der Hinspur einem AC-DC-Bassgewitter auf der Gegenspur begegnet.
Mit einer Revox A77-4-Spur hast Du keine schlechte Wahl getroffen, dich mit der Tonbandtechnik auch in technischer Hinsicht vertraut zu machen. Dann kannst Du immer noch in Richtung 2-Spur ergänzen oder Dir für niedrige Geschwindigkeiten und schmale Spuren eine Maschine zulegen, bei der genau diese Betriebsart am technologisch unteren Rand der Magnetbandtechnik Entwicklungsziel war.
Nachtrag:
Stelle gerade fest, daß ich im falschen thread bin. Diese Antwort (und auch die vorausgehende Fragen) gehören eigentlich hier hin:
http://forum2.magnetofon.de/f2/showtopic...eadid=7616