Willi Studer, ein Feind der Bandführungen?
#1
Ich frage mich, was sind die Gründe für die sehr spärlichen Bandführungen in den Revox und Studer Geräten.

Während der negative Einfluß des Mangels an Bandführungen in den B77 Maschinen
in der Viertelspurausführung im Allgemeinen bekannt ist, stellen sich noch andere Fragen:

Die A700 geizt nicht an Bandführungselementen, davon gibt es 4 Stück im Kopfträger.

Die B67 hingegen hat nur EINE (!), hinter dem Playbackkopf.
Allerdings sind am Kopfträger noch zwei Bohrungen vorhanden, (am Anfang und am Ende), die für nichts anderes gedacht werden sein könnten. Es war also ursprünglich an drei Bandführungen gedacht. Warum hat man sie dann nicht verwendet?
Als Preisgründen könnte es bei der B67 sicher nicht gewesen sein.
Offensichtlich sah man entweder keine Notwendigkeit, oder es gab mögliche Nachteile durch mehr Bandführungen??
Ich verstehe das nicht.
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#2
Hallo Nikola,

der komplette Bandlaufbereich incl. Bandführungen ist nur dann richtig justiert,
wenn das Band an Ober- und Unterkante an den Bandführungselementen berührungslos frei läuft.
Der logische Schluß ist, diese Zwangs- Bandführungen wegzulassen und dafür mit Hilfe eines hochwertigen Bandlaufwerkes die Voraussetzungen für perfekten Bandlauf zu schaffen.
Die größte Bandschonung ist zu erreichen, wenn ausschließlich die aktiven Kopfspiegel an der Magnetschicht schleifen.

Professionelle Maschinen, werden bei höheren Bandgeschwindigkeiten und mit mechanisch stabileren Studiobändern bei höherem Bandzug betrieben.
Unter diesen Bedingungen sollte ein stabiler Betrieb über lange Zeiträume möglich sein.
Ein vertikales Führungselement jeweils am Bandein- und Auslauf vor und nach den Köpfen sollte bei Start und Betrieb der schnellen Findung der Ideallinie des Bandes vor den Köpfen genügen.
Wobei diese Führungen nur während Start und Stop eine Aufgabe zu erfüllen haben sollten, solange das Band einwandfrei ist.

Geräte für Heimbetrieb hingegen arbeiten mit niedrigeren Bandgeschwindigkeiten, geringeren Bandzügen und wesentlich dünneren Bändern, um Band und Köpfe zu schonen und den Preis pro Spielzeit niedrig zu halten.
Solange sich dünnere Langspielbänder im fabrikneuen Zustand befinden oder dieser durch optimale Lagerung und Betrieb über einen langen Zeitraum gehalten wird, machen auch diese keinerlei Spurhaltungsprobleme.

Zum Konstruktionszeitpunkt der genannten Maschinen konnte man die durch Lagerung oder schlechte Betriebsbedingungen hervorgerufenen chemischen und mechanischen Veränderungen der Bänder nicht vorhersehen.
Zur Zeit der gewiss umfangreichen Laborversuche traten diese durch Bandverwerfungen entstehenden Tonhöhenschwankungen und Spurhaltungsfehler noch nicht auf, sonst hätte man mit Sicherheit um Abhilfe gesucht und gesorgt.
Da jeder mechanische Einfluß von schleifenden Bandführungselementen auf die anfälligen Bandkanten auf ein Minimum beschränkt bleiben sollte, hat man auch hier nur das Beste gewollt.

Da sich besonders dünne Bänder mit der Zeit krümmen und verwerfen, führen sie besonders bei geringen Bandzügen und niedrigen Bandgeschwindigkeiten zu den bekannten Schwankungen der Tonhöhe und Pegel.
Alterungs- und Verschleißerscheinungen an Antrieb und Bandpfad unterstützen und vergrößern diese negativen Erscheinungen noch.

Die A700 war eine Maschine die beides in sich vereinte, die professionelle und private Anwender zu 100% befriedigen konnte, egal mit welchem Bandmaterial bei welchen Geschwindigkeiten auch gearbeitet wurde.

Man wünscht sich bei Bandgeräten heute oft zwischen jedem Tonkopf und jeder Rolle eine Führung die das Band unter allen Bedingungen in vertikaler Richtung stabilisiert, um problemlos mit oft vorhandenem und z.T. geschädigtem Bandmaterial noch arbeiten zu können.

Natürlich gab es auch Hersteller die diese Vorgehensweise an ihren Maschinen in die Praxis umsetzten.
Studer gehörte wohl nicht dazu.

Gruß, Bernd
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#3
Zitat:capstan postete
..der komplette Bandlaufbereich incl. Bandführungen ist nur dann richtig justiert,
wenn das Band an Ober- und Unterkante an den Bandführungselementen berührungslos frei läuft.
Muss man eigentlich Ergänzen, es gibt Konzepte die das Band bewusst und gezielt an eine Führungskante drücken.
Toleranzen in der Bandbreite oder auch der Führungselemente werden damit unterdrückt.

Kopfträger AEG/Telefunken:

[Bild: BandfuehrungAEGTFK.jpg]

Gruß Ulrich
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#4
Bliebe noch zu schreiben, daß bei AEG/TFK dies Bandführungen (bei den 1/4-Zoll-Geräten) aus Sinterrubin bestehen. Sie "sind leicht konisch angeschliffen, so daß auf das Band eine nach unten gerichtete kleine Kraft ausgeübt wird und die Führung an der unteren Kante erfolgt"

Ich denke, daß unser Altbundeskanzler schon recht hatte: entscheidend ist, was hinten (oder unten?) rauskommt...

Studer hat seine Köpfe spätestens seit C37 viel näher zusammengerückt als TFK (Ausnahme M10), und deshalb denke ich, der Wlli hat deswegen nicht so viele Bandführung gebraucht. Außerdem stelle ich mir die Einstellarbeiten bei weniger Bandführungen einfacher vor. Man lese nur den Aufwand, den TKF den M15/M15A Kopfträgern angedeien ließ....

Viele Grüße
Frank
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#5
Soweit ich mich erinnere, galt es, "Zwangsführungen" (an beiden Kanten des Bandes an der gleichen Stelle) auch (!) schon deswegen zu vermeiden, weil sich die dort ebenso zwangsläufig auftretenden Unruhigkeiten im Bandablauf in stärkerem Modulationsrauschen (Frequenz- und Amplitudenmodulations-Komponenten) äußern konnten.

Bernd definiert das Optimum oben ja sehr richtig: "... wenn das Band an Ober- und Unterkante an den Bandführungselementen berührungslos frei läuft"!

F.E.
ZEITSCHICHTEN, barrierefreier Zugriff im "GFGF-Buchladen", URL https://www.gfgf.org/de/b%C3%BCcher-und-schriften.html (ca. 240 MB)
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#6
So Eingehend habe ich mich mit dem Modulationsrauschen noch nicht beschäftigt.
Aber es ist doch wohl so, das jede Art von Reibung, egal ob an der Bandkante, der Schicht- und Rückseite des Bandes, negativen Einfluss auf das Modulationsrauschen hat.
So gesehen macht es natürlich Sinn diese Berührungspunkte durch Reduzierung der Bandführungen möglichst klein zu halten.
Da man, wie so oft, nicht alles haben kann muss man Kompromisse eingehen (auch Abhängig von Band, Bandgeschwindigkeit und Spurbreite), ganz ohne Bandführung (mit Führung an einer! Bandkante) geht es halt nicht.
Wie die Kompromisse aussehen und in welche Richtung sie gehen ist unterschiedlich.

Zitat:Frank Stegmeier postete

Ich denke, daß unser Altbundeskanzler schon recht hatte: entscheidend ist, was hinten (oder unten?) rauskommt...
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, das sind die vielen Wege die nach Rom führen.
Ein weitere Vorteil ist, man macht sich Jahrzehente später noch Gedanken über “warum so und nicht anders“.

PS: Zum Thema angepasste Kompromisse, auch bei der Grundig TS1000 hat der Halbspurkopfträger eine Bandführung weniger als der Viertelspurkopfträger.

[Bild: 2xKopftraegerTS1000.jpg]

Später Nachtrag: Es ist nicht deutlich zu erkennen, aber die mittlere Bandführung zwischen Aufnahme und Wiedergabekopf des Viertelspurkopfträgers der TS1000 sitz bewusst etwas “tiefer” so das das Band gezielt gegen jeweils eine! Bandkante gedrückt wird.

Gruß Ulrich
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#7
Hallo Ulrich,

die von Grundig hier praktizierte Methode ist nicht zuletzt auch den unvermeidbaren Toleranzen bei der Bandherstellung geschuldet.
Ein 1/4" Band sollte laut Norm 6,3mm (6,3mm+0/-0,06) breit sein.
Eine Bandführung mit einer lichten Weite von 6,40mm sollte dem Band genügend Lauffreiheit bieten und dennoch eine gute Führung gewährleisten.

Da die Toleranzen der Bandhersteller in praxi naturgemäß hier doch etwas mehr abweichen, lässt man das Band nur jeweils an einer Kante anlaufen, um die Führung zu gewährleisten, ohne diese Kante dabei zu beschädigen oder das Band einzuklemmen.
Ein überbreites Band erhält somit neben einer guten Führung die Möglichkeit unbeschädigt ausweichen zu können.
Anhand des Aufwandes in diesem Beispiel zeigen sich wieder die Schwächen der Viertelspurtechnik.

Auch Telefunken lässt das Band nicht ohne Grund nur an der Unterkante an einer Führung gleiten.

Bei vielen Heimgeräten ist die Bandführungsbreite allerdings so reichlich bemessen, das Bandverwerfungen dennoch zu stark in Erscheinung treten können.

Jede Reibstelle hemmt den Bandlauf, so das sich das Band im Mikrometerbereich dehnt und dann wieder losbricht, was zu den bekannten Modulationserscheinungen führt.
Wer entsprechend Messmöglichkeiten besitzt, sollte das im Versuch einmal ausprobieren, dann versteht man auch den Willi.

Gruß, Bernd
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