Stalingrad, Das Tonband / der Tondraht als "Zeitzeuge"
#1
Liebe Freunde der sich drehenden Spulen,

diese Spulen müssen nicht zwangsläufig TonBANDspulen sein, es gibt auch DRAHTspulen, auf denen elektro-magnetische Aufnahmen aller Art gemacht werden können. Viele Tonbandfreunde werden dieses sicher kennen. Ich möchte das an dieser Stelle nicht weiter ausführen. Interessierte können dieses auf meiner (von Semih) betreuten Homepage www.Rolandz.de.vu nachlesen.
Was die meisten von Euch auch kennen werden, wenn sie zum Beispiel ältere bespielte Bänder gekauft haben, daß sie beim Abhören sehr persönliche Dinge erfahren und einen regelrechten "Zeitsprung" erlebt haben. Dieses ist genau der Punkt, auf den ich hinaus wollte:
Das Tonband / der Tondraht als "Zeitzeuge"

Ganz plötzlich und unerwartet bin ich vorgestern beim Abhören einer minifon-Aufnahme in eine Welt gestossen worden, die mich tief bewegt hat und dieses immer noch tut: Zu hören war anhand von original Aufnahmen die Beschreibung der letzten Monate deutscher Soldaten im "Kessel" von Stalingrad 1942/43. Dieses so authentisch zu hören hat mich zutiefst bewegt!
Originalaufnahmen des Weihnachtsfestes ´42 ...ein Weihnachtsbaum aus "Gestrüpp und Staniol..." Die Worte des Militärgeistlichen, die dann nicht mehr zu verstehen sind. Von hier an konnte ich nicht weiter hören. Ich bin 1959 geboren und habe meinen Großvater nie kennen gelernt. Er "fiel" in Russland.

Bild 1
[Bild: rz1_020707.jpg]


Bild 2


[Bild: rz2_020707.jpg]



Die originale Tonbandkassette der Dokumentation über Stalingrad


Zur Archivierng und Sicherung wollte ich diese unwiederbringliche Aufnahme auf einen digitalen Datenträger überspielen. Minidisc erschien mir am zweckmäßigsten.

Die bestmögliche Überspielung einmaliger Aufnahmen geschieht am besten nicht durch die originalen Minimaschinchen, sondern durch hochwertige Bandmaschinen.
Dazu muß die Kassette geöffnet werden.

Ich habe diese Kassette dann geöffnet (Nie wieder!), das Band auf eine Tonband 3-Zackspule aufgespult und mit einer Braun TG 1000 auf MiniDisc überspielt.

Bild 3

[Bild: rz3_020707.jpg]


Welch ein Aufwand: Eine in Einzelteile zerlegte minifon Attaché Kassette

Bild 4
[Bild: rz4_020707.jpg]


Standesgemäß ist hier das attaché Band auf eine B&O ;-) Spule umgewickelt.

Das minifon "Attaché" arbeitet erstmalig mit einem TonBAND (6,3 mm breit 4,74 cm/s, Aufnahme Kapazität 2x30 min, Halbspur).
Meine Frau, die des Maschinenschreibens mächtiger ist als ich, hat sich die Mühe gemacht, das ganze Band abzutippen. Das Band ist nun also digitalisiert, abgeschrieben und wieder in seiner originalen Kassette (nie wieder!)


Bilder kommen noch (wenn Michael Zeit hat)
Gruß
Roland
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#2
Solche Aufnahmen Müste Eigentlich Zur Sicherheit auf der Festplatte.
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#3
Kaum zu glauben.
Wie wohl die Tonqualität ist...war 42 schon die Vormagnetisierung entdeckt ?
Und das Kassettengehäuse..soll das echt von 42 sein ?

Lieber Roland, könntest Du das Dokument vielleicht als mp3 online stellen, damit
wir auch was davon haben ?
Würde mich interessieren !

Lieber Gruß,

Werner
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#4
Hallo in die Runde

Ist mir aufgefallen:

Die Aufschrift sieht nach Kugelschreiber aus, ggf. rote Tinte ???

Könnte es sein, dass es sich hierbei "nur" um eine Kopie von einem anderen Tonträger (Schallplatte) handelt ? Die Schriftform passt sicher in die Zeit oder kurz danach, aber ich hätte da eher Altdeutsch erwartet. Mein Opa war bei der Wehrmacht und der hat überwiegend Altdeutsch geschrieben. Obgleich die Druckschrift einen altdeutschen Einfluss vermuten lässt.

Frage: Gab es 42/43 schon Kunststoffe die als Bandträger dienen konnten ??? Bin mir da nicht so sicher.

VG
Michael
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#5
Ja, ihr habt natürlich recht!
Die minifon Kassette stammt aus den frühen 60ern. Es handelt sich um eine Dokumentation. Zeitzeugenberichte und O-Ton sind durch Moderation zu dieser Dokumentation verbunden.
Beklemmend sind die darauf festgehaltenen O-Ton Aufnahmen! Michael hatte auch die Idee, diese Aufnahmen für Interessierte zugänglichzumachen. Wir arbeiten daran!
Gruß Roland
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#6
Die Vormagnetisierung war 1942 schon erfunden. Hier wurde diesem Ereignis gedacht, Hans-Joachim hat auch den passenden Wiki-Eintrag zum Jahrestag verfasst:

http://forum2.magnetofon.de/f2/showtopic...eadid=2238

Nähere Infos zum Minifon gibt es in einem anderen thread:

http://forum2.magnetofon.de/f2/showtopic...eadid=6643

Ich verweise nochmals auf die HP von Roland, wo er auf die Geschichte der Tonaufzeichnung auf Draht eingeht. Vielleicht beantwortet das einige Fragen:

www.Rolandz.de.vu

Wir arbeiten gerade an einer Möglichkeit, die Aufnahme als Download anzubieten. Derzeit existiert neben der MD-Aufzeichnung eine 28MB große Wave-Datei auf Festplatte, die als Kopie von MD angefertigt wurde.
Michael(F)
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#7
Zitat:Michael Franz postete
Die Vormagnetisierung war 42 schon erfunden. Hier wurde diesem Ereignis gedacht, Hans-Joachim hat auch den passenden Wiki-Eintrag zum Jahrestag verfasst:
OT: Kennt jemand das genaue Geburtsdatum von Walter Weber (zwecks Ergänzung hier)?
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#8
Michael, es wäre vielleicht eine gute Idee, beim Deutschen Rundfunkarchiv nachzufragen, woher diese Dokumentation stammt. Oder ist eine An/Absage (falls Rundfunksendung) vorhanden?

Man müsste dem Ursprung der Aufzeichnungen nachgehen. Als Aufnahmegerät kommt zeitbedingt der Tonschreiber d (Rundfunkbezeichnung R 23a) in Frage, der durchaus ordentliche Sprachaufnahmen liefern konnte (77 cm/s, fo ca. 5 kHz, batteriebetrieben, brauchbarer Gleichlauf). Dann müssten aber die Bänder aus dem Kessel Stalingrad herausgeflogen worden sein, denn Landtransporte gab es ja nicht mehr, als die 6. Armee umzingelt war.

Übrigens: der älteste Bruder meine Mutter (beide verstorben) wurde als einer der letzten Verletzten aus Stalingrad ausgeflogen.

F.E.
ZEITSCHICHTEN, barrierefreier Zugriff im "GFGF-Buchladen", URL https://www.gfgf.org/de/b%C3%BCcher-und-schriften.html (ca. 240 MB)
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#9
timo, hier einige Lebensdaten von Walter Weber:

geboren 26. März 1907 in Gelsenkirchen
1925 -1927 (?) Sechsemestrige Ausbildung an der Ingenieur-Akademie Oldenburg
1. Mai 1928 - 31. Dezember 1930 Zentrallaboratorium Siemens & Halske A.G. (Berlin), zusammen mit Hans Joachim von Braunmühl
seit 1931 Laboratorium der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft
2. November 1938: Promotion; Dissertation "Das Schallspektrum von Knallfunken und Knallpistolen mit einem Beitrag über Anwendungsmöglichkeiten in der elektroakustischen Meßtechnik"
1940-04-18 Wiederentdeckung der HF-Vormagnetisierung
1941-06-10 Vorführung des HF-Magnetophons im Ufa-Palast am Zoo, Berlin
1944-07-18 Walter Weber stirbt in Kosten/Wartheland
ZEITSCHICHTEN, barrierefreier Zugriff im "GFGF-Buchladen", URL https://www.gfgf.org/de/b%C3%BCcher-und-schriften.html (ca. 240 MB)
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#10
Den Vorschlag von Friedrich reiche ich an Roland weiter, der die Aufnahme besitzt und ausgegraben hat.

Ich gehe davon aus, daß die Dokumentation einen offiziellen Hintergrund hat. Entweder war das eine Rundfunksendung (hat sie eine "typische" Länge?) oder es war Unterrichtsmaterial. Demnzufolge müssten die O-Töne noch irgendwo gelagert sein? Vielleicht sogar die ganze Sendung.
Michael(F)
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#11
Hallo,

der Umschnitt der Minifon Kassette liegt jetzt zum Download bereit:
https://tonbandforum.de/bildupload/minif...a-099.flac

Den Codec gibts hier: http://flac.sourceforge.net/ - Das File läßt sich aber verlustlos wieder in eine WAV-Datei zurückverwandeln.

Ich bin Montag nachmittag zufällig im Deutschen Rundfunkarchiv in Wiesbaden (es geht Herrn Gieseking, bzw. den Umständen der Aufnahme wieder mal an den geschichtlichen Kragen Wink ) und kann gerne einmal nachfragen. Das File ist vorhanden, gut wären noch ein paar Daten woher die Aufnahme stammt, welcher Sender, wo veröffenticht, Medium, etc. Eben alles, was darüber bekannt ist.

Gruß
Michael
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#12
Eine gute Dokumentation!

Ich habe sie mal der Einfachheit halber als *.mp3 (3,6 MB) unter
http://www.tondokumente.net.ms/

eingestellt (zum Hören anklicken, zum Downloaden rechte Maustaste: Ziel speicher unter...).
In der Dokumentation wird erwähnt, daß von den Gefangenen 6000 wieder nach Hause kamen (mehr überlebten von den 90.000 die Gefangenschaft ja nicht).
Die letzten Gefangenen kehrten 1956 zurück.
Diese Doku ist also nach 1956 entstanden.

Viele Grüße aus Athen
Hajo
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