Welches Band wofür?
#1
Was sind die Unterschiede, bzw. die jeweiligen Verwendungszwecke zwischen einem

"High output tape" (SM 900)
"Studio standard achive tape" (SM 911)
"High bias studio standard archive tape" (SM 468)
"Standard broadcast and archive tape" (PER 528)

?

niels
Wer bei Stereoaufnahmen kein Gegenspur-Übersprechen haben möchte, sollte Halbspur-Maschinen verwenden.
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#2
So wie ich das sehe, sind die Bezeichungen für die "SM" = Studiomastertypen Marketing bla bla.

Phonomax und MichaelB hatten mit in Threads im Forum 1 auf die historische Entwicklung der sog. Rundfunkbänder der PER Typen hingewiesen. Hierzu gab es Vorgaben des Institutes für Rundfunktechnik, wonach das PER 528 kompatibel in den Arbeitspunkten der BASF LGR50 sein musste; besonders beim Schneiden und Zusammenfügen unterschiedlicher Aufnahmen auf unterschiedlichem Bandmaterial, da sollten da z.B. keine Pegelsprünge sein. Phonomax wies auch noch darauf hin -so in meiner Erinnerung- das der PER 528 auch in den Arbeitspunkte des Vorgänger PER 525 und des noch älteren PER 555 betrieben werden konnte.

MichaelB hatte mir das mal geschrieben:

PE steht für Polyesterfolie (bei AGFA) - BASF hat eine andere Namensgebung gehabt
L steht für Luvithermfolie (bei BASF) bei älteren Bändern
R steht im allgemeinen für Rückseitenbeschichtung
LP = Longplay
DP = DoublePlay

Die Zahlen stehen meistens für die Dicke des Bandmaterials.
Beispiel: LP35 = Langspielband 35 µm dick, LPR35, das gleich nur mit Rückseitenbeschichtung. Die SM900/911 waren Neuentwicklungen und daher nicht so leicht in das alte Namensschema zu packen.

Natürlich haben die Bänder unterschiedliche Rezepturen und damit unterschiedliche Einsatzgebiete. PER525/528, LGR30/P/50, PER468/469, SM900/911 und ähnliche waren auf die besonderen Anforderungen beim Rundfunk und im Studio getrimmt. Wogegen LP35, DP26, TP18, PE31/41/56 und andere für den Heimgebrauch bestimmt waren. Letztere waren dünner, kalandert ("glattgewalzt") und damit anschmiegsamer als die dickeren Studiobänder. Die waren dagegen dicker und damit widerstandsfähiger und höher aussteuerbar, aber auch steifer. Das wurde durch höheren Bandzug kompensiert, der auch half, die Wickeleigenschaften bei Bobbybetrieb zu verbessern. Widerum ging das einher mit höherem Kopfverschleiß.

(herausextrahiert)


"archive tape" preist "nur" die Koerzitiv- = Kopierfestigkeit an.

Ob die Nachfolgetypen des SM468 (SM9xx) nun da schlechter sein sollen - bei gleicher Bandstärke - vermag ich nicht zu sagen. Da fehlt mir die Erfahrung.

Gruß

Wolfgang
Willi Studers Bastelkisten Wink
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#3
Lieber Niels,

Wolfgang schlägt mit seinem Posting in wenigen Worten die grundsätzlich zutreffende Bresche in das historische Dickicht der Entwicklung professionellen Bandmaterials in Deutschland, wo sich eben andere Sichten aus der Warte des Tonstudios (seit den späten 1960ern und frühen 1970ern mit deutlicher Tendenz zur Mehr-, ja Vielspur-Aufnahme) und des Rundfunks ergaben. Dabei ist zu bedenken, dass sich auch der hiesige öffentlich-rechtliche Rundfunk unter bestimmten Prämissen als gleichsam privates Tonstudio betätigte, also begrenzt auch dessen Blick aufs Bandmaterial übernahm. Doch war dies ein kleiner Ausschnitt seiner Tätigkeit.

War dem Rundfunk der Gedanke einer 'Abwärtskompatibilität' beim Magnetband aufgrund der riesigen, immer genützten Archive regelmäßig eine Diskussion wert, so war diese im Tonstudiobetrieb für die tägliche Arbeit von sekundärer Bedeutung, wie dies auch für den stark dezentral organisierten Rundfunk der USA gilt, der nur in den großen Networks ähnlich wie die Kollegen in Deutschland selbst produziert, vergleichbare Archive unterhält etc.. Einmal abgesehen davon, dass Deutschlands Rundfunk ja eine etwa 8 Jahre längere Magnetbandtradition (mit 'Archivgenerierung') besitzt als alle anderen Länder dieser Welt.

468 war ein Wurf der AGFA abseits der hiesigen Rundfunkschiene (1975), der akustisch nicht mehr dramatisch zu überbieten war. Sein Konkurrenzprodukt seitens der BASF war wohl 910 (1984), das aber aus bestimmten Gründen schnell durch 911 (1986) ersetzt wurde. Deren qualitative Grenzen noch nennenswert voranzubringen, ist/war ohne Bewältigung neuer, an anderen Orten auftretender Probleme eigentlich nicht mehr möglich, wurde mit 900 aber doch noch einmal versucht, mit dem die letzte -publizierte- Entwicklungsstufe des professionellen Magnetbandes vorliegt. Dazu gibt es einen Aufsatz/Vortrag von Götz Corinth und (unserem Mitforanten) Friedrich Engel auf der Tonmeistertagung 1994. Corinth musste, um die Parameter des neuen Bandes bei 38 cm/s in der gesamten Breite ausfahren zu können, neue Bandgeräteverstärker konzipieren, weil die Ansprüche gerade auch an die Verstärker mit neuem Bandmaterial durch die Nichtlinearitäten des analogen Aufzeichnungssystems elektrisch erheblich anwachsen. Man sah daran recht deutlich, dass das analoge Magnetbandverfahren ausgereizt war und keine sprunghaften Entwicklungsschritte mehr würde vollziehen können.

900 markiert wie 528 das Ende einer sinnvollen Entwicklung, wobei 528 aufgrund des Kompatibilitätsinteresses des Rundfunks auf das letzte Ausfahren zeitgenössischer Möglichkeiten verzichtet. Elektrisch ist das allerhand, akustisch gar nichts.
468 war zur rechten Zeit am rechten Ort einer der Würfe Friedrich Krones', der als einer der diversen unspektakulär agierenden Magnetbandpioniere (seine Karriere beginnt mit seiner Dissertation 1951/52) viele Spuren in der Geschichte der analogen Magentbandaufzeichnung hinterlassen hat, die ohne ihn -gerade auch international- deutlich anders aussähe. Den Kompromiss der akustoelektrischen Möglichkeiten des 468 zu übertreffen, fällt schwer und ist akustisch wohl auch nicht sonderlich sinnvoll.

Wenn du dich mit den Datenblättern der beiden technologischen 'Stützpunkte' der LH-Zeit 528 (1981; quasi untere Grenze einer Epoche) und 900 (1994/95, quasi physikalische Sinngrenze) beschäftigst, darin das 468 (von 1975) einordnest, erkennst das Qualitätsspektrum der letzten Zeit des analogen Magnetbandes mit den Gewichtungen der Konstrukteure. Dieser Vergleich ist sehr komfortabel möglich, weil das genannte Bandmaterial zuletzt von einem einzigen Hersteller geliefert wurde, die Datenblätter in Selbstverständnis und Normenverwendung direkt aufeinander beziehbar sind.

Hans-Joachim

P.s.: Natürlich über meinem Gesülze vergessen...:
Unser Forenkollege Friedrich Engel ist der -bitte weltweite- Fachmann schlechthin für diese historischen Fragen zwischen Alpha und Omega der Magnetbandentwicklung. Von ihm und -Spezialdisziplin Audioband zwischen 1935 und 1985- Rudolf Müller (ehedem AGFA München) gibt es Texte zur geschichtlichen Entwicklung, wozu Friedrich auch ein -leider- unpubliziertes Werk von fast 470 Seiten verfasste, das derzeit aber für die nun anstehende Publikation einer den Fokus etwas verändernden Bearbeitung unterliegt.
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#4
Besten Dank ihr beiden!

niels
Wer bei Stereoaufnahmen kein Gegenspur-Übersprechen haben möchte, sollte Halbspur-Maschinen verwenden.
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