Frequenzgangdarstellung für Jedermann
#1
Hallo,

ich brauchte für das Biasen eine Darstellung des Frequenzgangs des Ergebnisses. Das muss nicht exakt, aber aussagekräftig und auch bei tiefen Frequenzen ausreichend aufgelöst sein.

Und vor Allem muss es schnell gehen.

Für die folgend dargestellte Lösung braucht man nur
  • einen Audioeditor mit geeigneter Wellenformdarstellung
  • ein Pixelgenaues Grafikprogramm mit dem man transparent einfügen kann (z.B. Windows Paint "Auswählen/Transparente Auswahl")
  • die Möglichkeit Bildschirm-Screenshots zu erstellen
  • und zur erstmaligen Vorbereitung einmalig etwas Geduld
Das Testsignal

Ein linear gesweeptes Sinussignal hat die Eigenschaft, dass in der Mitte des Signals zuverlässig die Frequenz vorliegt, die mittig zwischen der Anfangs- und der Endfrequenz liegt. Das heißt, dass die Zeitachse des Signals zugleich relativ exakt als Frequenzachse verstanden werden kann.

Das Testsignal kann ich hier leider nicht als Attachment anfügen (aber vielleicht kann das ja ein Admin, oder es in den Downloadbereich stelllen). Der Aufbau ist ziemlich einfach:
  • 1 sec Pause vorab (eigentlich überflüssig)
  • 1 sec Pause danach (wegen der zeitlichen Verzögerung des Hinterbandsignals)
  • 10 Abschnitte zu je 3 Sekunden mit linear gesweeptem Sinussignal: 20-40, 40-80, 80-160, 160-320, 320-640, 640-1280, 1280-2560, 2560-5120, 5120-10240, 10240-20480 [alles natürlich in Hz]
 

Die Aufnahme

Versteht sich von selbst: Raus aus Audiointerface/Soundkarte durch die laufende Bandmaschine und deren Hinterbandsignal rein in das Audiointerface/Soundkarte.

Wichtig ist dabei, dass die Aufnahme genau mit dem Beginn des Testsignales beginnt und genau mit dem Ende des Testsignales endet, also z.B. Auto-PunchIn/-PunchOut.

Jetzt die entstandene Datei im Audioeditor öffnen und Pegel normalisieren. Das sieht dann (je nach Audioeditor) zum Beispiel so aus:


   


Wichtig ist außerdem, dass immer die gleiche grafische Auflösung genutzt wird. Also zum Beispiel immer das Anwendungsfenster des Audioeditors maximieren und immer die gesamte Wellenform darstellen (ohne Zoom).


Die einmalige Erstellung einer Schablone

Dieser Schritt ist nur einmal notwendig, erfordert aber ein bischen Geduld:

Jetzt einen Screenshot vom (maximierten) Anwendungsfenster des Audioeditors machen.

In der Wellenformdarstellung sieht man keine Frequenzangaben und Vieles andere vom Anwendungsfenster des Audioeditors ist auch überflüssig. Um eine aussagekräftige Grafik (die man dann auch abspeichern/archivieren könnte) zu bekommen wird eine Schablone benötigt, die exakt auf den Screenshot vom Audioeditor passt und alles davon abdeckt, außer dem Bereich der Wellenformdarstellung.

Also wird der Screenshot per Hand übermalt und mit Orientierungslinien für die dB-Angaben und die Eckfrequenzen der 10 Abschnitte des Testsignal versehen.

Bei mir sieht das z.B. so aus:


   


Da Grafikkomprimierung Artefakte erzeugen kann, wir aber hier pixelgenaue Darstellung benötigen, geht das nicht als Jpeg o.ä. - z.B. die gute alte Bitmap ist aber hervorragend für diesen Zweck geeignet.

Die Schablone muss natürlich sicher gespeichert werden und darf auch später nicht überschrieben werden, da sie immer wieder genutzt werden soll.

In der Praxis

Total simpel:
  • Aufnahme machen
  • Aufnahme im Audieditor (immer bei der gleichen grafischen Auflösung!) öffnen und normalisieren
  • Screenshot vom Audioeditor machen
  • Screenshot in Grafikprogramm öffnen
  • Schablone in Grafikprogramm öffnen und komplett in die Zwischenablage kopieren (Strg+A & Strg+C)
  • Inhalt der Zwischenablage transparent auf den Screenshot des Audioeditors kopieren
Das Ergebnis sieht bei mir unter Verwendung der beiden oben gezeigten Grafiken dann so aus:

   

Zur Diskussion

Was man hier sieht sind natürlich Spitzenpegel und nicht RMS Werte. Es wird auch messtechnischen Ansprüchen nicht genügen.

Wegen der linearen Sweeps in den einzelnen Abschnitten muss man die Frequenzangaben zwischen den gezeigten Eckfrequenzen übrigens linear verstehen: genau in der Mitte zwischen zwei Vertikalen liegt genau die Frequenz mittig zwischen den Eckfrequenzen. Es ist allso auch keine wirklich logarithmische Darstellung.

Aber um überhaupt ersteinmal eine Idee vom aktuellen Frequenzgang zu bekommen und ggf. nachjustieren zu können sollte es doch eigentlich reichen, oder?

Das aufgenommene Signal kann man sich übrigens auch schön in einer X/Y-Oszi- oder Phasenkorrelation-Darstellung anschauen. Zumindest bei meiner Maschine kann ich da schön sehen, wie der Phasenbezug ab ca. 3,5kHz (also ab etwa dem letzten Viertel der Wellenform) aus dem Ruder läuft. Aber exakter kann man den Azimuth bei meiner Maschine nicht einstellen.

Grüße,
Finn
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#2
Hallo,

zwei Punkte wären noch nachzutragen:

Zum Testsignal
  • Das Testsignal kann man sich natürlich ganz nach eigenem Bedarf auch anders zusammenbauen.
  • Ich hatte aus Gewohnheit (in der Musik denkt man eher in Oktaven) Abschnitte mit je Verdopplung der Frequenz gewählt.
  • Standardmäßig wären wohl eher Dekaden (z.B. 10-100, 100-1000, 1000-10000, dann käme aber 10000-100000, reichlich über 20kHz). Und weil bei Dekaden die Frequenz in der Mitte je Abschnitt wohl zu weit weg von der Anfangsfrequenz läge, nehme ich mal an, dass man besser mit der Quadratwurzel von 10 arbeiten könnte (z.B. 10-32, 32-100, 100-320, 320-1000, 1000-3200, 3200-10000, 10000-32000).
  • Damit die Frequenzachse zumindest etwas ähnliches wie eine logarithmische Darstellung ergibt, ist es nur wichtig, für den jeweils nächsten Abschnitt als Anfangsfrequenz die Endfrequenz des vorherigen Abschnitts zu nehmen und die Endfrequenz immer um den mehr oder weniger gleichen Faktor (Multiplikator) größer als die Anfangsfrequenz zu wählen. Also z.B. immer Endfrequenz = 2*Anfangsfrequenz oder immer Endfrequenz=ca.3,2*Anfangsfrequenz.
  • Je kleiner man den Faktor wählt, desto mehr Abschnitte ergeben sich für den Bereich 20Hz-20kHz. Und je mehr Abschnitte man nimmt, desto mehr wird sich die Frequenzachse einer tatsächlich logarithmischen Darstellung annähern. Allerdings wird dadurch auch die Geduldsprobe bei der einmaligen Erstellung der Schablone etwas aufwändiger.
Zur horizontalen Platzierung der Frequenz-Orientierungslinien:
  • Wo genau die Wellenform in der aufgenommenen Audiodatei beginnt und endet ist abhängig von der zeitlichen Verzögerung zwischen ausgespieltem Signal und aufgenommenem Signal.
  • Das ist abhängig vom jeweils verwendeten Setup und kann bedingt sein durch z.B.: Puffergrößen der Audiotreiber, Zeitverzögerung des Hinterbandsignales (abhängig von Bandgeschwindigkeit), Eigenheiten bzw. Konfiguration der verwendeten Audiosoftware (z.B. automatischer Latenzausgleich ja/nein, Spurverzögerung ungleich 0, ...).
  • Nutzt man das also für einen rein elektronischen Signalweg (ohne den Weg über das Hinterbandsignal) so wird das Signal weiter links in der aufgenommenen Audiodatei beginnen. Dann wären die Vertikalen in der Schablone etwas zu weit rechts.
  • Es soll aber ohnehin "nur" eine Orientierungshilfe sein, um Un-/Gleichheit zwischen den Kanälen oder grundsätzliche Eigenheiten des Frequenzganges zu erkennen. Insofern kann man auch mit einer Schablone schon ganz gut auskommen, ohne es weiter zu verkomplizieren.
  • Anderenfalls könnte man sich z.B. zwei Schablonen machen (eine ohne Hinterbandverzögerung und eine mit Hinterbandverzögerung).

Naja, ist nix zum Angeben. Aber bei mir funktioniert's. Habe damit bereits eine überraschende Eigensinnigkeit meines eigentlich eher anspruchsvollen Audiointerfaces bei der Verkabelung von balanced Out zu unbalanced In aufgespürt, Kabel umgelötet und darf jetzt schon wieder die Testaufnahmen wegwerfen und mich nochmal daran machen.  Dodgy

Grüße,
Finn
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#3
Nachtrag, der Vollständigkeit halber:

Die oben beschriebene Darstellung zeigt den absoluten Pegelverlauf im Verlauf der Zeit. Es ist keine echte Frequenzanalyse. Falls also extrem hohe Verzerrungen sich zum Pegel dazu addieren, so sähe man diese dennoch quasi als Pegel der verursachenden Frequenz. Bei den gängigen Verzerrungsanteilen macht das aber wenig aus, vor allem wenn man sich nur einen Eindruck vom Frequenzgang verschaffen will und daher keine messtechnische Genauigkeit benötigt wird.

Grüße, Finn
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