Seltene Medien der magnetischen Tonaufzeichnung
#1
Diesen thread eröffne ich auf Geralds vorschlag in diesem thread hier:

http://forum2.magnetofon.de/f2/showtopic...eadid=2293

Das Magnetband in seinen diversen Breiten und Dicken ist uns bekannt. Wir kennen auch die Compactcassette, die MD, die Videocasssetten der verschiedenen Formate Video 2000, Beta ud VHS. Einige wenige kennen auch Elcasets und 8-Tracks. Diese zählen aber schon zu den eher seltenen Tonträgern.

Dabei gab es sehr viele Medien und Konfektionen, oft von einem Hersteller für sein Gerät zugeschnitten, in der Hoffnung, damit Standards setzten zu können. Vieles ist zurecht vergessen, manchem trauerte man hinterher, weil nicht die beste Technik zum Standard wurde sondern das beste Marketing. Und vielem steht man, wenn man es findet, ratlos gegenüber.

In diesem thread geht es um seltene und unbekannte, ausgestorbene Tonträgertypen und -konfektionen und die dazugehörige Gerätetechnik. Es soll egal sein ob Audio, Video, Datenspeicher, Spiel, ob für die Musikaufzeichnung oder die Verwendung in Diktiergeräten und Anrufbeantworten. Einziges Bindeglied soll der Magnetismus sein, auf dem die Tonaufzeichnung beruht.

Vielleicht ist Donzerge so nett, und stellt die Bilder der VCR-Cassetten nochmal ein. Vielleicht gibt es ein paar Infos zu System und Technik? Photos der Geräte?
Michael(F)
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#2
[Bild: magnettonplattekljpg.jpg]
[Bild: universa80kl.jpg]

Dann werde ich auch gleich mal eins beisteuern: Magnettonplatte für "Assmann"-Plattendiktiergeräte. Links daneben eine "normale" Langspielplatte. Auch wenn diese Magnetton-Platten so aussehen, sie sind nicht aus Schokolade. Sie enthalten auch, wie eine normale Schallplatte eine Rille (auf jeder Seite eine). Diese Rille dient aber nicht direkt der Tonaufzeichnung, sondern eher der Führung des Magnetkopfes. Spieldauer pro Seite ca. 10 mit bei 16 UpM. Einige Geräte lassen sich auch umschalten auf 8 UpM, das ergibt dann 20 min pro Seite. Manchmal werden diese Diktiergeräte bei ebay irrtümlicherweise als "Futuristischer Plattenspieler" angeboten.

Im zweiten Bild ist so ein Gerät gezeigt, "Assmann-Universa 80" Aufnahme- und Wiedergabegerät.

Man könnte vor Wut in die Platte beißen, wenn die Aufnahme nichts geworden ist, nur, wie gesagt, schade daß sie nicht aus Schokolade ist.
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#3
Das VCR System ist wohl das erste Cassettensystem das nur auf dem Europäischen Markt verfügbar war. Es kam anfang der 70er Jahre von Philips und Grundig auf den Markt. DER VCR Recorder ist der Philips N1500, der z.B. an niedersächsischem Schulen stark verbreitet war. Das Besondere war, das die beiden Spulen übereinander in der Cassette angeordnet waren, was ihr eine charakteristische quadratische Form verleiht.
Wirklich viele Geräte gab es nicht, da nur von Grundig -Bezeichnung BK XXXX- und Philips -Bezeichnung N XXXX- hergestellt. Es handelte sich um 1/2" Band mit einer recht krummen Bandgeschwindigkeit von um die 16cm/s. Die maximale Spielzeit pro Cassette betrug eine Stunde. Der Witz dabei ist, dasz das Format weiter entwickelt wurde zum VCR-Longplay -von Philips mit 2h Spielzeit- und SVR -von Grundig mit 4h Spielzeit-. Diese Recorder verwendeten zwar die gleichen Cassetten, waren jedoch nicht zum Ur VCR Kompatibel. Mit der Vorstellung von V2000 wurde das System nicht weiter untestützt.
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#4
Nun, ich hätte in diesem Zusammenhang die Grundig-Spezial-MC (DC-International), die im Wesentlichen ein Produkt war, das die Verärgerung Max Grundigs markiert, als er 1963 mit der mehr oder minder fertigen MC konfrontiert wurde. Man (Philips und Grundig) hatte nämlich seit etwa 1961 an einem gemeinsamen "Einloch-Cassetten-System" gearbeitet. Währenddessen jedoch war Philips intern abgesprungen, ohne bei unserem Fürther Signal zu geben, versteht sich. Unter der Leitung von Lou F. Ottens, der reichlich 10 Jahre später auch noch einmal bei der CD-Entwicklung erhebliche Bedeutung erlangte, entstand im Werk Hasselt, Belgien das "Pocket Recorder System": Unsere MC.

In den frühen 50ern war Loewe-Opta mit einem Cassetten-System auf dem Markt, das sich aber ebensowenig duchsetzte, wie dasjenige der RCA Ende der 50er Jahre in den USA, an dem aber Grundig wieder erhebliches Interesse anmeldete und sich wohl auch an der Entwicklung beteiligte. Die Zeit war aber noch nicht reif.

Grundsätzlich wäre auch noch die Magnetplatte zu nennen, die bei Fernmelde-, Funk- und Diktatdiensten lange Zeit nicht gerade unbedeutend war. Ein mich untersuchender Röntgenarzt sprach noch in den frühen 1990ern seine Ad-hoc-Diagnosen auf ein Assmann-Magnetplatten-Laufwerk...
Die Ortsansagen des Bahn-BASA-Telefonnetzes (angeblich das erste, nämlich schon aus den Dreißigerjahren stammende Selbstwählfernsprechnetz in Deutschland) kamen 'dem Vernehmen nach' von der Magnetplatte.
(Man wählte sich von Ortsnetz zu Ortnetz via Ortskennzahl voran: "Hier Frankfurt, hier Frankfurt, hier Frankfurt", weiter, nächsten Ortskenner gewählt: Hier Kassel, hier Kassel, hier Kassel", nächsten Ortskenner gewählt: "Hier Minden, hier Minden, hier Minden", Wahl der Anschlusses. Jene 'Ansagen' kamen von der Magnetplatte.)
Der Seewetterbericht, der bei Norddeich-Radio immer aktuell abgefragt werden konnte (kann?), soll früher ebenfalls von der Magnetplatte, einer Platte mit Magnetbeschichtung und Tonarm mit magnetischem Abtastsystem gekommen sein.
Das Deutsche Museum München hatte bis zur Umgestaltung der einschlägigen Seefahrt-/Wasserbauabteilung ein Gerät in der Schausammlung stehen.

Zum VCR-System, das ein besonderes Kind von Philips, Eindhoven und Grundig, Fürth war (wieder einmal!, man bedenke das technisch wegweisende Potenzial von Philips zwischen 1960 und 1985!), habe ich einiges an Material.

Übrigens hatte sich auch Revox der VCR-Norm angeschlossen: Unser Willi dachte wohl durchaus daran, auch in dieser Richtung etwas zu unternehmen .... Als dann aber JVC mit dem allemal zweit- wenn nicht drittbesten Verfahren (nach Video 2000 und Beta) auf den Markt drückte, beließ er es es wohl doch und klugerweise bei der Interessensbekundung.

Hans-Joachim
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#5
Hans-Joachim,

kannst du auch etwas über die anvisierte Zielgruppe bei der Entwicklung der CC sagen? 4,75 cm/s ist ja nun nicht die Welt und wenn man den Entwicklungszeitraum bedenkt frage ich mich ob nicht nur ein Diktiergerät daraus werden sollte.
Hatte man eigentlich -ausser der EL Cassette von Sony- auch ein Kassettensystem für den -ich finde dieses Wort so doof, aber verwende es jetzt trotzdem- audiophilen Markt entwickelt und warum hat sich letztendelich die Philips CC durchgesetzt?

... und warum schreibst du nicht mal ein Buch? Du weist doch immer so viel...

Zitat:PhonoMax postete
, man bedenke das technisch wegweisende Potenzial von Philips zwischen 1960 und 1985!
Ja, da ist was dran. eigentlich traut man das Philips garnicht zu. Es gibt Firmen die bessere Produkte hatten. Aber die Entwicklungsabteilung von Philips hat schon ausserordentliches geleistet. Man bedenke auch den Einstig in die Videotechnik mit Eigenentwicklungen in den 60er Jahren. Dieser Philips Alpha Umschlinger stand ja vor etwa 10 Jahren noch im deutschen Museum.
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#6
Der erste VCR Rekorder kam bereits 1969 auf den Markt. Der erste Grundig für die breite Masse war 1971 der VR 2000 Color, abgelöst 1974 vom BK 2000. Beide waren Toploader deren Schaltuhren Fallblattanzeigen (Klappzahlen) hatten.

Noch was zum System: 180° Schrägspurverfahren mit 2 Videoköpfen. die Bandgeschwindigkeit ist exakt 14,29 cm/s, die Cassetten haben die Maße 127 x 146 x 41 mm.

Gruß
Michael K.

[Bild: bk2000.jpg]
Gruß
Michael

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#7
stimmt, die Tapes wollte ich nochmal posten .....

[Bild: svc1.jpg]
Gruß
Michael

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#8
Hallo Michael,
schöne Bilder hast du da. Weist du auch was die Dinger gekostet haben und hast du auch ein Bild des Ersten Gerätes?
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#9
auch nicht zu vergessen das glücklose TED Bildplattensystem aus den 70er Jahren.

Hier hat die "Platte" einen Durchmesser von 21cm, ist 0,1mm dünn und flexibel. Sie ist aus einer unzerbrechlichen PVC Folie gefertigt und hat eine Informationsdichte von 280 Rillen pro Millimeter.
Abgetastet wurde mit einem steckbaren Keramiksystem mit Abtastdiamant.

Telefunken verkaufte den TP1005 bildplattenspieler ab 1976.

[Bild: ted.jpg]

Zur gleichen Zeit hatte Telefunken mit dem VR40 auch einen VCR Videorecorder im Programm

[Bild: vr40.jpg]


Gruß
Michael K.
Gruß
Michael

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#10
Zitat:Matze postete
Hallo Michael,
schöne Bilder hast du da. Weist du auch was die Dinger gekostet haben und hast du auch ein Bild des Ersten Gerätes?
muß ich leider beides verneinen
Gruß
Michael

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#11
Zitat:Matze postete
kannst du auch etwas über die anvisierte Zielgruppe bei der Entwicklung der CC sagen? 4,75 cm/s ist ja nun nicht die Welt und wenn man den Entwicklungszeitraum bedenkt frage ich mich ob nicht nur ein Diktiergerät daraus werden sollte.
J. Schoenmakers, auf den das Cassettenkonzept zurückgeht, hatte natürlich nicht annähernd diese Breite des Cassettenkonzeptes im Auge, die später zwischen Walkman und HiFi erreicht wurde. Er hätte sonst sicher klassische Fehlgriffe wie die Frage der Band- und Tonkopfführung seiner "Pocket Recorders" vermieden. Dennoch wurde aus dem Konzept etwas.
Die Zeit war danach.

Zitat:Hatte man eigentlich -ausser der EL Cassette von Sony- auch ein Kassettensystem für den -ich finde dieses Wort so doof, aber verwende es jetzt trotzdem- audiophilen Markt entwickelt und warum hat sich letztendelich die Philips CC durchgesetzt?
Ja, es gab sowas. Und zwar für den professionellen Markt. Schon damals tendierte der Rundfunkmarkt signifikant zum Dudelfunk, weshalb zügiger Zugriff auf einen Speicherbestand nötig war. Man konzipierte daher von IRTs Gnaden ein Cassettensystem mit komplexer Verwaltung und letztlich der gewohnten Wiedergabequalität. Na, und wer lieferte das? Unsere Regendorfer natürlich. Die Digitaltechnik aber überholte das Prinzip, obgleich es Anlagen gab.

Zitat:.. und warum schreibst du nicht mal ein Buch? Du weist doch immer so viel...
Man hat sich halt bemüht,unter die Oberfläche zu gucken. Heute sehe ich zwei Dinge:
- Gebracht hat es mir beruflich weniger als nichts,
- bei konsequenten Ansprüchen an mich selbst habe ich mich mit viel zu wenigen Dingen befasst ...

Zitat:... eigentlich traut man das Philips garnicht zu. Es gibt Firmen die bessere Produkte hatten. Aber die Entwicklungsabteilung von Philips hat schon ausserordentliches geleistet. Man bedenke auch den Einstig in die Videotechnik mit Eigenentwicklungen in den 60er Jahren. Dieser Philips Alpha Umschlinger stand ja vor etwa 10 Jahren noch im deutschen Museum.
Ich meine, dass zwei derartig weltweite Bomben (MC und CD) eigentlich für 20 Jahre genug sind. Nachdem man dann auch noch jeweils erkannte, dass man das Schiff jener Produkte nicht allein durch die Fährnisse weltweiter Verbreitung führen konnte, dann zeigt das, dass zumindest irgendwo in diesem Unternehmen Leute am Ruder saßen, die nicht nur die eigenen Aktienkurse im Kopf hatten, sondern etwas mehr: Weisheit.

Wenn man nachsucht, wird man sicher noch mehr finden, womit Philips sich Plätze im Buch der Technikgeschichte verdient haben wird. Dasselbe gilt auch für Unternehmen wie die AEG oder Siemens, deren universelle Fähigkeiten immer dann zu diffundieren schienen/scheinen, wenn man sich ans reine Vermarkten machte. Das Spielen der Ingenieure, ja, das menschliche Spielen überhaupt ist ebensowichtig wie das geradlinig fundierte Forschen, wenn Wege klar werden, und schließlich der Verkauf, der sich aber seinerseits bitte auf seine Terrains konzentriere und nicht in Forschung und Entwicklung (nebst Spiel) hineinfunke, denn da hat Marketing nichts zu suchen, außer ggflls. Vorschläge bezüglich irgendwelcher MArktbedürfnisse zu machen.

Allein wenn man die Geschichte der CD revue passieren lässt, wird ebendies überaus deutlich. Leider kommt man an die Dissertation Klaus Langs (nicht Berlin-SFB, sondern Köln) schlecht heran, die die Hintergründe der CD-Entstehung beschreibt. Ich habe sie daher nur gelesen, besitze sie nicht, obgleich ich nicht weniger als vier Versuche unternahm, an sie zu heranzukommen....

So, und ehe es noch off-topiger wird: "Fine delle transmissione"...

Hans-Joachim
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#12
Zitat:Donzerge postete
Zitat:Matze postete
Hallo Michael,
schöne Bilder hast du da. Weist du auch was die Dinger gekostet haben und hast du auch ein Bild des Ersten Gerätes?
muß ich leider beides verneinen
Ha, Herr Lehrer, ich weiß was: Die Teile wie Philips und der (baugleiche) Telefunken VCR waren zu meiner Lehrzeit im Programm des Rundfunkhandels: zwischen 3000.- und 3300.- DM mußte man seinerzeit hinblättern. Das erklärt die wohl geringe Verbreitung. An Schulen und andern unterrichtenden Institutionen waren VCR´s aber einigermaßen verbreitet.
Frank


Wer aus dem Rahmen fällt, muß vorher nicht unbedingt im Bilde gewesen sein.
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#13
´Magnetische Aufzeichnung muß nicht unbedingt auf Folien wie Bändern oder Platten stattfinden. Es gab auch für den Heimgebrauch Drahttongeräte. Ich habe einmal ein Gerät gesehen, das solche Drähte verwendete. Es war eine frühe Kompaktanlage, die Rundfunkteil mit Verstärker, Plattenspieler und eben das Drahttonteil enthielt. Leider ist diese Musiktruhe auf der Müllkippe gelandet, was ich schon oft bedauert habe. Die Bedienungsanleitung habe ich allerdings gelesen, lustig fand ich den Hinweis, dass ein gerissener Draht mit einem sog. Weberknoten geflickt werden könne.

Irgendwo im Internet habe ich mal gelesen, dass Krupp sich nach dem WK2 noch mit der Weiterentwicklung des Stahlbandaufzeichnungsverfahren beschäftigt haben soll, dieses aber wegen der Überlegenheit des Magnetbandes aufgegeben hat. Stahlbandgeräte wurden vor dem Kriege von z. B. Lorenz entwickelt, konnten sich aber nicht auf breiter Basis durchsetzen. Und dann kamen ja die großen Vorteile durch die HF- Vormagnetisierung, die das MagnetBAND qualitativ so weit nach vorne brachten, dass andere Verfahren nicht mithalten konnten.

Ein weiteres, interessantes Gerät wurde ebenfalls von Schaub- Lorenz etwa in den 60er Jahren angeboten: ein fest in ein Radio eingebautes breites Magnetband. auf dieses Band wurden parallel nebeneinander Einzelspuren aufgezeichnet. Der Nachteil war, das dies Bänder nicht austauschbar waren und so das Schallarchiv klein bleiben mußte.
Frank


Wer aus dem Rahmen fällt, muß vorher nicht unbedingt im Bilde gewesen sein.
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#14
Tondraht spielte in den USA noch eine lange Zeit eine nicht geringe Rolle, weil in diesem Zusammenhang auch Hf-Vormagnetisierung zur Anwendung kam. Einer der Pioniere dieser Technik schlechthin war der Deutsche (jüdischer Religionszugehörigkeit) Semi Joseph Begun (1905-1995), der unmittelbar nach seinem hier abgeschlossenen Ingenieursstudium noch bei Schuchardt und Lorenz aktiv wurde, 1935 aber erkennen musste, dass er besser das Weite suchen sollte.
Er fand dies in den USA, wo er beispielsweise bei Brush, Cleveland/Ohio ("Soundmirror"; der -wirklich tolle- Produktname stammt von Begun) und später als eigenständiger Unternehmer seine Rolle in der Konstruktion von Magnettongeräten fand. Er war nach dem Kriege mehrfach in Deutschland, wurde von Heinz Thiele (und Friedrich Engel) interviewt, besuchte mit Thiele die Stahlbandmaschinen, die in der Schweiz erhalten blieben (Basel und Winterthur) und hinterließ Lebenserinnerungen, die Mark Clark im Jahre 2000 redigierte und mit den Umschriften obiger Interviews auch publizierte. In Begun und Thiele hatten sich zwei Deutsche von durchaus preußischem Schrot und Korn getroffen, was in den genannten Gesprächen nicht ohne Spannungen bleibt, die beide, wohl während des Laufes der deutschen Schallplatte (33/45) an unterschiedlichen politischen Vorstellungen zu lokalisierenden, Charaktere interessant beschreiben.

Das Stahlband konkurrierte anfänglich (1932 ff) durchaus ernst mit dem noch entstehenden Magnetbandverfahren, weil es für das Magnetband letztlich bis 1936 dauerte, bis ein wirklich marktfähiges Gerät zur Verfügung stand. Gegen das Stahlband sprach die schwierige (Band-)Montage (mit dem Schweißbrenner...), das immens hohe Gewicht der Geräte, der gefährlich UMgang mit dem Band, und der extrem hohe Preis des sehr speziellen Informationsträgers, den man -auch in den USA- aus Schweden importierte.

Vom Schwedischen Rundfunk gibt es außerordentlich hochwertige Sendungsmitschnitte auf Stahlband, die irgendwann in den 1970ern auf einer der wiederbelebten Stille-Lorenz-Maschinen wiedergegeben und auf herkömmliches Magnetband kopiert wurden. Die Qualität ist so gut, dass ich beim Anhören massive Zweifel daran bekam, ob es sich wirklich um Stahlbandaufnahmen handeln konnte, die nämlich -ohne Hf-Vormagnetisierung- einen bestimmten Klirrfaktor nicht unterschreiten. Und der ist/wäre erklecklich.
Der seinerzeitige Kopiervorgang jedoch ist noch heute im Stockholmer Funkhaus bekannt, dürfte also wohl tatsächlich ab jener wiederbelebten Stille-Lorenz-Maschine stattgefunden haben. Es geht die Kunde dass der Schwedische Rundfunk mindestens zwei, vermutlich aber drei Stahlbandmaschinen besessen hätte.

Andererseits -darauf wies mich neulich Friedrich hin- ist es ja nicht gesagt, dass die Schweden, die ja auch zu den frühen Kunden der Magnetbandsparte der AEG gehörten (Hf-K4 mit komplett schwedischer Beschriftung von AEG, Stockholm [!] in Holland, Aufsprechverstärker V7b und Peripherie, aber ohne Bandmaschine in Stockholm erhalten), nicht die Segnungen Webers sofort auf ihre Stahlbandmaschinen anwendeten, was prinzipiell möglich ist.
Man bedenke dabei aber den Hf-Leistungsbedarf für Stahlbänder und die Probleme, die die AEG diesbezüglich mit der Permeabilität von Ton- und vor allem Löschköpfen hatte, was dann ja zur "Frequenzteilerschaltung" führte, gemäß deren Prinzipien man mit 40 kHz löschte und mit 80 kHz vormagnetisierte. Das hielt -glaube ich- bis zur M5 an!

Hier haben uns wohl Braunmühl und Weber einen geschickten Klops in die Suppe gelegt, denn sie formulierten -wie mir neulich unser Forenkollege Friedrich schrieb- ihr Patentansuchen für die Hf-Vormagnetisierung so geschickt, dass die Patentbehörde annehmen musste/konnte/durfte, Hf-Biasing sei nur mit Magnetband möglich. Das ist natürlich Quatsch.

Eigenartig ist, wie sehr sich trotz allem diese ganze Magnetbandszene um Berlin herum entwickelt hat und von dort weltweit abkinderte, wozu nicht zuletzt nach dem Krieg die Freigabe deutscher Patente in außerdeutschen Gebieten beigetragen haben dürfte. Manchmal muss eine Unternehmerschaft zum Dienst an der Menschheit auch mit etwas Druck veranlasst werden, wobei ein Krieg als Initialzündung nicht gerade bevorzugte Wahl sein darf. Etwas Vernunft wäre vorzuziehen. Doch wann agiert ein Mensch vernünftig?

Hans-Joachim
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#15
Also, um die Sache noch etwas genauer darzustellen: in DE 743 411, "Verfahren zur magnetischen Schallaufzeichnung", angemeldet 28. Juli 1940 durch von Braunmühl und Weber, ausgegeben 24. Dezember 1943 (auf den Tag genau zehn Jahre vorher hatte Schüller sein Ringkopf-Patent angemeldet) ist von einem "gepulverten Magnetogrammträger" die Rede, wobei ich mich bei "gepulvert" immer an die über einem Babyhintern kreisende Puderdose erinnert fühle. Aber "gepulvert" war seinerzeit ein Fachausdruck!

Es sprechen einige Indizien dafür, dass dem deutschen Patentamt (bei dem es, notabene, so ab Mitte 1943 ziemlich "großzügig" zugegangen zu sein scheint) auch die japanischen Arbeiten mit HF-Stahlbandaufzeichnung von 1938 ff. bekannt gewesen sind. Und wie um der Sache noch einen schrägen "touch" zu geben: als das Stahldraht-"Textophon" ca. 1942/1943 wesentlicht verbessert wurde, fürchtete man im Zirkel AEG / IG Farben, von Braunmühl und Weber könnten auch hier die segensreiche Wirkung der HF-VM anwenden.

Machen wir uns mal nichts vor: Weber war so etwa der Vierte bis Fünfte - und nicht der Letzte -, der die HF-VM gefunden hat, aber der Erste und Erfolgreichste, diesen glücklichen Fund auch in die Praxis umzusetzen. Die teils kuriosen Vorgänge um DE 743 411 haben mit diesen Verdiensten nichts zu tun!

Friedrich
ZEITSCHICHTEN, barrierefreier Zugriff im "GFGF-Buchladen", URL https://www.gfgf.org/de/b%C3%BCcher-und-schriften.html (ca. 240 MB)
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#16
Zur Stahldrahtaufzeichnung:

Das ist schon ganz erstaunlich, welch gute Qualität damit möglich war. Ich habe mal vor etwa 10-15 Jahren so eine Aufzeichnung gehört. Klang besser als Knister-Zisch, was man nicht selten in Dokumentarfilmen zu hören bekommt. Vermutlich war es eine Eigenaufzeichnung, also keine Kopie. Damals stand mir noch nicht der Sinn nach antiken Aufzeichnungstechniken. Jetzt kann ich mich ärgern. Hätte ich mir mal die Adresse aufgeschrieben...
Der hatte noch etwas mehr in der Sammlung.

Andreas, DL2JAS
Was bedeutet DL2JAS? Amateurfunk, www.dl2jas.com
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#17
Zum Thema VCR habe ich in einem DDR-Buch (siehe Quellenangabe folgendes gefunden:

[Bild: vcr001.jpg]

[Bild: vcr002.jpg]

[Bild: vcr003.jpg]

[Bild: vcr004.jpg]

[Bild: vcr005.jpg]

[Bild: vcr006.jpg]

VCR; VCR-Standard, Europa-Standart 1: von der niederländischen Firma Philips entwickeltes Videokassettenrecordersystem mit ½“ breitem Videoband. Bei VCR wird die Schrägspuraufzeichnung nach dem Zweikopfverfahren angewendet. Die Videokassette (Kurzbezeichnung VC) ist eine Tandemkassette. Durch den Einfädelmechanismus wird das Band aus der Kassette gezogen und c-förmig (C-Umschlingung) um die Kopftrommel gezogen. Für den Ton gibt es beim VCR-Standard-System zwei Tonspuren, die an den Bandkanten liegen. Bei VCR wird ohne Überlappungsbereich gearbeitet. Erst nach Ende einer Videospur wird mit der Aufzeichnung der nächsten begonnen, so das keine Signalüberlappung auf den Videospuren entsteht. Wiedergabeseitig werden die Kopfsignale ohne aufwendige Elektronik mit sog. „mechanischer Kopfumschaltung“ durch Serienschaltung der Videoköpfe zusammengefügt. Dabei entsteht am Übergang von einem zum anderen Videokopf eine geringe rissartige Störzone. Diese liegt ca. vier bis zwölf Zeilen vor dem Vertikalsynchronimpuls, also vor dem unteren Bildrand.

Zum VCR-Standart gibt es zwei weiterentwickelte Systemvarianten: VCR-LP und SVR.

VCR-LP, Videokassettenrecordersystem mit langer Spieldauer, das als Systemvariante eine Weiterentwicklung des VCR-Standards ist (1977). Die Videokassette (LVC) und die Bandführung sind mit der Standardversion identisch, nicht aber das Aufzeichnungsverfahren, so das die beiden Varianten zueinander nicht kompatibel und bespielte Bänder nicht austauschbar sind. Aus dem Spurbild geht hervor, daß die Videospuren ohne Trennspur direkt nebeneinander liegen. Zur Unterdrückung des Übersprechens wird Azimut-Aufzeichnung (plus / minus 15 Grad) und ein spurweise wechselnder Zeilenversatz angewendet. Der Zeilenversatz (einmal 1,5- dann 3,5 Zeilen) ist so gewählt, daß sich nur Zeilen mit gleicher Farbschaltphase gegenüber liegen. Der Zeilenversatz wird konstruktiv durch einen von 180 Grad abweichenden Kopfwinkelversatz (179- 25- 45 Grad) erreicht, wobei die Kopfumschlingung etwas kleiner als der Winkelversatz der Videoköpfe ist. Das bedeutet aber auch, daß genau wie beim VCR-Standard keine Spurüberlappung vorhanden ist.


Quelle: Peter Leue / Jürgen Starke / Rolf Weber „Lexikon – Unterhaltungselektronik“ TRANSPRESS – VEB Verlag für Verkehrswesen – Berlin 1987


editier, weil ich nicht wußte, wie man mehrere Bilder auf einmal einfügen kann. Falls irgendwo ein Wecker klingelt, der getragen werden will, (oder heist das U(h)rheber, dann wissen die richtigen Leute ja, was zu tun ist.
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#18
...mir ist da letztens was ganz fürchterliches untergekommen: sonymatic!

Man kann es auch als Bilderrätsel interpretieren. Offene Wickel, Schwarzweiß (oder hellgrau/dunkelgrau) und auch so etwas ähnliches wie Ton.

Klick: http://www.totalrewind.org/portable.htm

Grüße Axel
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#19
Hier gerade bei ebay wieder etwas:

http://cgi.ebay.de/ws/eBayISAPI.dll?View...13920&rd=1

Muss wohl so ein "8Track"-Gerät sein, wo die Kassetten länglich und weit größer als die CC waren. Versehentlich hatte mein Vater mir mal eine solche Cassette mitgebracht aus dem Urlaub...sonst wüsste ich gar nicht, dass es die gibt Wink
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#20
Zitat:Crazy99 postete
Hier gerade bei ebay wieder etwas:

http://cgi.ebay.de/ws/eBayISAPI.dll?View...13920&rd=1

Muss wohl so ein "8Track"-Gerät sein, wo die Kassetten länglich und weit größer als die CC waren. Versehentlich hatte mein Vater mir mal eine solche Cassette mitgebracht aus dem Urlaub...sonst wüsste ich gar nicht, dass es die gibt Wink
guckst Du hier ....

http://forum2.magnetofon.de/f2/showtopic...eadid=2167
Gruß
Michael

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#21
Jo, danke.

Hast mich gerade davon überzeugt, dass ich sowas nicht brauche Wink

Etwas Musikkultur - insbesondere klanglich - erwarte ich schon Wink

edit: Eine einzige Ausnahme ist das Grammophon links Wink

Gruß Norbert
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#22
Zitat:PhonoMax postete


Die Ortsansagen des Bahn-BASA-Telefonnetzes (angeblich das erste, nämlich schon aus den Dreißigerjahren stammende Selbstwählfernsprechnetz in Deutschland) .. Jene 'Ansagen' kamen von der Magnetplatte.)
Der Seewetterbericht, der bei Norddeich-Radio immer aktuell abgefragt werden konnte (kann?), soll früher ebenfalls von der Magnetplatte, einer Platte mit Magnetbeschichtung und Tonarm mit magnetischem Abtastsystem gekommen sein.

Hans-Joachim
Hallo Hans-Joachim,
das erste Selbstwählsystem in Deutschland wurde 1908 in Hildesheim (Nähe Braunschweig) von der damaligen Kaiserlich Deutschen Post errichtet.

Das BASA Netz war -wie alle Sondernetze- unabhängig vom öffentlichen Telefonnetz, konnte zu diesem aber Netzübergänge haben. Zu Ur-Zeiten der Telegraphie nutzen die Länderbahnen recht früh den Telegraphen und boten dieses auch Dritten gegen Gebühr an. Dies geschah noch zu Zeiten, als die Reste der Thurn- und Taxische Post in Frankfurt residierte (Zentralamt) und sich in jedem Fürstentum eigene Unternehmungen befanden.

Die Zeitansagen der Post kamen ebenfalls von Magnetplatten.

Norddeichradio ist abgeschaltet, einige Exponate können in Hamburg bei der http://www.museumsstiftung.de wie auch eine Ausstellung über Seekabel angesehen werden. Ich vermute der Seewetterdienst wurde zum DWD oder zur DW überführt.

Gruß

Wolfgang




http://www.museumsstiftung.de/stiftung/d...sp?id=2394
Nr. 37/Berlin, 22. Oktober 2002
„Meine Herren, diesen Tag müssen wir uns merken"
Die deutsche Telefonie wird 125 Jahre alt

Am 26. Oktober 1877 ließ Generalpostmeister Heinrich von Stephan erstmals in Deutschland eine telefonische Sprechverbindung herstellen. Fasziniert von der Erfindung des amerikanischen Taubstummenlehrers Alexander Graham Bell, mit der Gespräche über eine weite Entfernung möglich waren, hatte Stephan zwei Bellsche Telefone aus London erhalten und das Generalpostamt in der Leipziger Straße mit dem Generaltelegrafenamt in der Französischen Straße verbinden lassen. Zum Erstaunen der Anwesenden kamen die in das Telefon gesprochenen Worte gut hörbar an. Heinrich von Stephan kommentierte mit leuchtenden Augen: “Meine Herren, diesen Tag müssen wir uns merken“.
Willi Studers Bastelkisten Wink
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#23
Lieber Wolfgang,

als Sohn eines Insidern der Lokomtivtechnik (Dampf und Diesel) nicht unbekannten Eisenbahners war ich bis 1966 privat ausschließlich über Basa erreichbar und hatte schon damals -ohne Ortskenner- innerhalb Münchens eine neunstellige Telefonnummer. Basa und seine Untiefen sind mir also gleichsam mit der Muttermilch infiltriert worden, weshalb mir noch heute die damaligen Verknüpfungsprozeduren ins und aus dem öffentlichen Netz geläufig sind.

Es ging mir bei meinem obigen Hinweis nicht um die Einführung von Wählscheibentechnik und Drehhebewählern (Verzicht auf den 'Operator') im Ortsverkehr, sondern um die Tatsache eines flächendeckenden Telefonnetzes beim Selbstwahlfernverkehr. Da ist nichts jenseits Hildesheim 1908, sehr wohl aber in den 1930ern mit anderen Netzen neben Basa, die jedoch nicht derartige Flächenausdehnug erreichten wie dasjenige der Reichsbahn.
1923 ging es bei der Reichspost operatorfrei von Weilheim nach Raisting (etc.), also in die unmittelbare Umgebung. Ende der Gefühle: Handvermittlung.

Der letzte Operator quittierte in Deutschland (West) seinen Dienst Anfang der 1960er Jahre irgendwo bei Hamburg. Zu dieser Zeit war aber das Bahnselbstwählanschlussverfahren Basa seinerseits technisch bereits einigermaßen überholt und verbastelt... ("Geheimnummern und Bypässe"; zum Teil geradezu verwegene Dinge erlebte ich 1972 im Tonmeisterpraktikum bei den Akustikern der Bahn...)

Andererseits: Noch 1985 telefonierte ich von New York (Columbia University) nach Deutschland ausschließlich über den 'operator'. Auch sowas ist fast symbolisch, zumal zu dieser Zeit internationaler Selbstwählfernsprechverkehr schon unter "Klassenfeinden" herrschte, ab 1986 gar in knapp 100 Ortsnetze der DDR, was dann ja auch kurzerhand zur 'Meinungsforschung' jenseits des 'eisernen Vorhanges' genützt wurde und den Erichs nicht so recht gefiel.

Hans-Joachim
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