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- highlander - 05.04.2004 Als einen ganz besonderen Leckerbissen sind wohl die Tonbandgeräte sowjetischer Produktion anzusehen. Zwar gebaut wie Panzer genügen die Geräte annähernd westlichen Standards oder überbieten diese sogar. Und dennoch wurden die Maschinen m.W. nicht exportiert. Ab den 80er Jahren begann man sich in der UDSSR vor allem um Nachbauten der A77 und B77 zu kümmern. Mit der Olimp-004 kam dann noch die A700 dazu. Weitere Sondermodelle und Kleinstserien runden das höchst interessante Angebot der Russen ab. Die letzte Bandmaschine wurde 1999 (!) produziert. Auf meine Anfrage bei Revox erhielt ich zur Antwort, dass man über diese Geräte nichts wisse... Ich glaube, man nennt sowas Raubkopie ;-) Die russische Olimp sieht von weitem so gar nicht osteuropäisch aus. Denkt man an die Unitras oder Teslas, kann man kaum glauben, was man hier sieht. Gut, die einen werden sagen, hier hat wohl ein Japaner was für die Russen gebastelt oder die Russen produzierten in Lizenz oder das Teil sieht halt nur von weitem gut aus, alles andere ist Murks. Im Internet wurde so einige male über die Olimp diskutiert, ein Russe brachte Revox mit ins Spiel. Nacktaufnahmen von Semihs A700 bestätigten, dass wir es hier mir einer Kopie der A700 zu tun haben. Ich habe keine Ahnung, was die Menschen bewogen hat, ein solches Gerät zu bauen: Revox-Technik der frühen 70er Jahre für eine Maschine im Russland der 90er, sprich: zur Digitalzeit. Diese Maschinen, es hat ja mindestens diese 004 und die Nachfolgerin, die 005, gegeben, müssen auch in Russland sehr teuer gewesen sein, gab es tatsächlich einen Markt? Exportiert wurde die Kiste sicher nicht, denn sie ist kyrillisch beschriftet, eine westliche Variante solcher Geräte ist mir bislang nicht begegnet. Das Innenleben des Gerätes hat mich glatt vom Hocker gehauen. Ich habe schon viele massive Alu-Chassi gesehen, aber was man hier verbaut hat, ist einzigartig: ein 2 cm Alu-Block, der praktisch den gesamten Innenraum ausfüllt! Nur wenige Bohrungen, einfach ein dicker Metallblock, wow! Gut, Philips hat letztlich bewiesen, dass gerade dieser für deutsche Firmen typische Drang hin zu Solidität (als Alibi für mangelnde Progressivität?) einfach übertriebener Blödsinn ist: ein halbwegs verwindungssteifes Kunststoffchasis kommt seiner Aufgabe im Heimanwendungsbereich auch gut nach, man muss es halt nicht am Polarkreis eingraben oder in den Tropen einem Bräunungsversuch aussetzen. Aber vielleicht war es den Russen einfach zu aufwendig, an dem Alu-Block herumzufräsen... Der Tonmotor ist ausserordentlich laufruhig (quartzsynchronisierter AC-Motor) und bei den Köpfen handelt es sich um Permalloy, wobei in Vorgängergeräten auch schon mal Glasferritköpfe aus russischer Produktion verbaut wurden. Das Gerät ist brutal schwer und hat keinerlei Griffe oder Mulden. Das gesamte Gehäuse ist aus Metall - vom Feinsten! Die Stromversorgung ist mit 220V/50Hz unproblematisch und die Anschlüsse sind ausschliesslich als DIN ausgelegt. Das weitere Design orientiert sich etwas am japanischen Standard. Darum ist das Gerät auch relativ leicht zu bedienen trotz russischer Beschriftung, eine Anleitung benötigt man eigentlich nicht. Aber zurück zur Maschine. Frontplatte und alle Seitenteile sind aus Metall, wenngleich teilweise sehr dünn. Unter den Frontplatten befinden sich weitere Platten, etwas luftiger und aus Kunststoff. Eine Platte ist stark gebogen, sie wird unter Spannung eingebaut. Erst dachte ich, hier hätte jemand mal geschraubt, aber die Platte ist ab Werk bewusst so gebogen! Sie drückt eine darunterliegende Platte in ihre Führungen, damit auch alle Tasten Kontakt bekommen. Obwohl man mit Schrauben nicht sparsam war (übrigens lauter Schlitz- und Sechskantschrauben) - hier fehlt eine ... Gott sei Dank, mein Weltbild wankte bereits :-) Zum Können der Maschine: 1/4-Spur mit 9,5 und 19 cm/s, Real-Time-Counter, Hinterbandkontrolle, Spulen bis 27 cm, Mischpult mit einem Masterregler. Kopfhöhreranschluss mit regelbarer Laustärke (interessanterweise nicht in Würfelformat, sondern Halbkreis-DIN), alle Anschlüsse als DIN-Buchsen ausgelegt, 220 Volt/50 Hz machen das Gerät unproblematisch für den deutschen Betreiber. Ein bemerkenswertes Feature ist der Memory-Stop. Durchfährt diese Maschine die Nullposition des Zählwerks, so beginnt der Bremsvorgang, d.h. die Maschine schiesst immer über das Ziel hinaus. Andere drosseln vorher die Geschwindigkeit und nähern sich langsam der Nullposition, die Olimp geht einen komplett anderen Weg: sie rangiert so lange vor und zurück, bis die Nullposition exakt erreicht ist. Na ja, jeder wird verstehen, dass ich bestimmt eine geschlagene Stunde lang nur mit dieser Funktion gespielt habe :-) Der Gebrauchstest: die Tasten sind minderwertig und sollten gegen ordentliche ausgetauscht werden. Fast alle klemmen oder verriegeln nicht mehr richtig. Die Bedienung ist ansonsten hervorragend, alles ist an seinem Platz, die VUs sind ausgesprochen interessant, wenngleich die LEDs grösser hätten ausfallen können. Die Beschriftung im VU-Block wirkt irgendwie 3-Dimensional gebogen, scheint rauf und runter zu gehen - beeindruckend. Am Klang ist nichts auszusetzen, die Maschine klingt annähernd Vor- wie Nachband, vielleicht mit geringen Abstrichen in der Höhenbrillianz. Die Umspulgeschwindigkeit könnte höher sein, aber von welchem Gerät wünscht man sich das nicht?!? Die 3-Zacks sind eher nicht so gut, erinnern auch an Revox. Fazit: Schmucker Panzer, absolut hipp, vollauf brauchbar und keineswegs Ostblockschrott - das möchte ich hier betonen -, sehr schwer, LED-Ketten mit bestimmt 100 LEDs pro Reihe als Aussteuerungshilfen und Real-Time-Counter lassen das Gerät ausgesprochen modern erscheinen, denn nicht viele Consumer-Maschinen hatten soetwas - da fallen mir die 880 von Sony, die 909 von Pioneer, die Akai 747 und 77 oder die Tesla 160 ein. Das Gerät ist eine echte Alternative und dürfte jeden Sammler begeistern. Leider sind die Olimps auch sehr, sehr selten... |