Zitat:Michael Franz postete
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wäre es in diesem Zusammenhang möglich, nochmals auf das Auflösungsverhalten bei der digitalen Aufnahme einzugehen? Die ist doch nicht gleichmäßig über den ganzen Lautstärkebereich verteilt, bei niedrigen Pegeln ist sie gröber. Das heisst, ein Sinus nahe 0 db bleibt ein Sinus, ein solcher bei -60 db wird deformiert.
Ja, das ist nicht nur möglich,sondern auch jene Aussage ist zum Teil sehr richtig, zum Teil nicht. Die Rekonstruktionstheorie nach Nyquist (soweit ich mich jetzt erinnere: 1927... Geburtsjahr des CM 3 Neumanns; muss kein schlechter Jahrgang gewesen sein) und Shannon (Ende der Vierziger) ist bis heute nicht widerlegt, sondern in der Praxis klassisch
belegt worden. Das heißt, jene Verzerrungen die im hohen Frequenzbereich durch nur wenige Abtastwerte entstehen, werden durch die Rekonstruktionsfilter in der Weise beseitigt, wie das auch durch das menschliche Ohr geschieht.
Man filtert aber/also nicht ihretwegen, sondern weil für das wahrnehmbare Nutzsignal Gefahr von Seiten derjenigen Störprodukte (Alias-Produkte) besteht, die zwar selbst außerhalb der definierten oberen Grenzfrequenz liegen, aber um die Achse der oberen Grenzfrequenz ins Audiospektrum gespiegelt werden können. Dem muss man abhelfen, was mit den steilflankigen Filtern (und ihrer Doppelaufgabe: Rekonstruktion und Atialiasing) geschieht.
Der zweite Punkt, den du ansprichst, ist die tatsächlich pegelabhängige Auflösung. Bei 16 Bit verfügt man vom absolut höchsten, möglichen Pegel (full quantization) herab über 2^16, also rund 64.000 Pegelschritte (theoretisch, ja, wir wissen's), in die der Quantisierungsbereich aufgeteilt werden kann, was angesichts der 1000 Pegelschritte durchaus königlich ist, die das Magnetband beherrscht (ob mit oder ohne Rauschminderung ist hier ohne Belang), selbst wenn das Ideal jener 64.000 Stufen nie 'ausfahrbar' ist. Beschränkt man sich auf den Bereich der 8 Bit, das wäre bei -48 dBfq (dB unter full quantization), weil auf jedes Bit 6 dB entfallen, dann sieht das schon anders aus, denn an Stufen erhalten wir hier nurmehr 2^8, also 256 Stufen bis ins Quantisierungsgeräusch hinein, womit zwangsläufig ein erhöhter Klirrgrad einhergeht. Man kann das bei 16-Bit-Aufnahmen bei eigens aufgenommenen Signalen, die auf analogem Wege nachträglich entsprechend erheblich angehoben wurden, auch durchaus hören. Noch nicht bei -48 dB, weil Lautsprecher in der Regel dafür qualitativ nicht ausreichen, aber ab -56, -60 dB wird das
dann ziemlich deutlich, wenn diese Pegel in den Bereich gesunder Aussteuerung hochgeholt werden. Was bei analog gespeicherten Signalen aus dieser Ecke bei entsprechendem Umgang (also Anhebung um 60 dB) in die Ohren fällt, lässt sich leichter vorstellen. Erhebend ist das schon gar nicht...., denn was ist ein analoges Magnetophon doch gleich wieder? Ein analoges Datenreduktionsverfahren...
Digitale Aufnahmen verlangen genauso wie analoge ein intensives Eingehen auf ihre Bedingungen, die auf vielfältigem Wege mit den Bedürfnissen des menschlichen Gehöres und des Vermittlungsprinzips "Medium" übereingebracht werden müssen.
Namentlich in der Frühzeit, also Ende der 1970er und dann zu Beginn der 1980er rechnete man einfach: Analoge Aufnahme ca. 55 dB (Spitzenwertmessung); das wollen wir gut einstellen, ja besser sein. Zunächst wandelte man in den Prototypen mit 12 Bit, weil das theoretische 72 dB Geräuschspannungsabstand zu gewährleisten schien. Dass diese Theorie die Praxis nur theoretisch traf, merkte man schnell, denn die nächste Generation hatte bereits 14 Bit, weil man mit den 12 nicht einmal annähernd das Verhalten der analogen Speichereinrichtungen abdecken konnte. 84 dB waren erklecklich, in der Produktionspraxis letztlich aber auch nicht zu gebrauchen, weil Spitzen allzuleicht in die Begrenzung liefen und ein Hochziehen zu niedriger Aussteuerungen zu leicht die oben geschilderten Folgen nach sich zog. Man legte daher noch zwei Bit drauf, die dann eben das ebenfalls theoretische Zeug zu 96 dB erreicht war. 16 Bit decken analoge Aufnahmedynamiken nun hervorragend ab, gerade weil die ja auf eine Betriebsdynamik von 40, 45 dB hin konzipiert sind, die auch wirklich prima in die UKW-Modulation passt.
Bei der Produktion erfordern 16 Bit sehr viel Aufmerksamkeit, Partiturkenntnis, Einfühlungsvermögen und nicht zuletzt ein Quantum Glück, das sich gewaschen hat. Dafür aber hatte man die zunächst astronomisch teure Digitaletechnik nicht eingeführt, um im Grunde fast alle alten Probleme weiterhin präsentiert zu bekommen, denn die erhofften "Headrooms" kamen mit den 16 Bit eben genau nicht... Es war also eine Frage der Zeit, bis der Bitcode aus betriebs- bzw. produktionspraktischen Gründen verlängert wurde.
Steuert man einen 24-Bit-Wandler bis -48 dB aus, erhältman immer noch die Pegelauflösung eines 16-Bit-Wandlers: Damit war Headroom vorhanden, das leidig-lausig peinliche Wiederholen ("Wir hatten da ein Over bei T. 126 auf 1...", hüstel, Finger von der Rücksprechtaste...) aufgrund dieses handwerklichen Problemes konnte also entfallen.
Die Industrie begriff dann schnell, dass damit auch ein Geschäft zu machen war, und betrieb die Verdopplung der Samplingrate (die Software konnte gleich bleiben, man musste nur von der Hardware den doppelten Datendurchsatz verlangen....).
Also: Für vorweg überwachte Dynamiken und ordentliche Arbeit sind 16 Bit hervorragend (ich weiß, das sehen andere anders, ich sehe es so; sei es drum), für die Produktion zu wenig bis ungeeignet, weil ja die Anlagen heute gerade durch die digitale Technik einen Umfang erricht haben, der z. B. bei der Filmmischung -technisch immer sehr aufwändig gewesen- trotz hochgradiger und perfekter Automation nach wie vor oft drei Tonmeister am Mischpult erfordert. Und da verschanzt sich keiner hinter einer Partitur, die murksen alle, und ständig geht etwas daneben.
Wir müssen bezüglich der übertragenen und übertragbaren Dynamik bedenken, dass allein klassische oder quasi-klassische Musik große Dynamikumfänge verlangt, das beginnt schon bei den Räumen, die gewisse Pegel benötigen, um 'entsprechend' angeregt zu werden. Bleibt man deutlich darunter, geschieht nach Absetzen der Musik bzw. Modulation in den Räumen praktisch nicht mehr viel. Man hört also auch keine Unsauberkeiten im wahrnehmbaren Hallrest. Regt man sie heftig an, sieht das anders aus, dann stehen aber auch 60 dB Pegelraum für den abklingenden Hallschwanz zur Verfügung. Sehen wir in der Vergangenheit nach, stellen wir fest, dass erst das 19. Jhdt. gelegentlich fast krankhaft auf die Erweiterung der 'Betriebsdynamik' sah. Diese ist nur in besonders gedämmten Konzertsälen zu realisieren (sonst verschwindet halt der Flauto solo im Umgebungsgebrummel), in einen Wohnraum aber auch beim besten Willen nur bis etwa 40, 45 dB zu übertragen, da der 'Radau' dort mit 40-55 dBA einfach zu hoch ist. Hochertige Lautsprecher kommen kaum über 110 dBA, meine Ohren sagen vorher nein, der Nachbar ist inzwischen mit der Polizei an der Tür.
Außerdem fängt der übliche Klassikhörer bei Dynamikumfängen (40-50 dB) ab etwa 35 dB an, unruhig zu werden und nach der Fernbedienung zu schielen. Er kompensiert sich eine zu große Dynamik dann nach eigenem Gusto, indem er 'remote controlling' 'oben runterholt' und 'unten hochzieht'.
Das Orchester Johann Sebastian Bachs -ich weiß, so etwas hatte er noch nicht, also seine Ensembles- gewährleistete[n] naturgegeben Dynamiken von 25-50 dB -vom Solo des (also seines, nicht desjenigen Theobald Böhms!) Flauto Traverso bis zum Tutti (3 Trp. + Pauken)-, historische Orgeln des 18. Jhdts., die auf die menschliche Stimme hin konzipiert sind (z. B. Bayern, Spanien, Ostländer), erreichen Betriebsdynamiken von 25 dB. Die Werte oben haben also auch historisch eine sehr breite Basis, die im Verhalten des Gehörs zu suchen ist, da sich Nyquist und Shannon ihre Anregungen gewiss nicht bei Bach in Leipzig oder auf historischen Orgeln der Slowakei geholt haben. Von neuzetlichen Pionieren zu schweigen.
Martin Fouqué behandelte auf der TMT 1981 in München die Frage nach Codelänge und Wiedergabequalität noch mit Blick auf 14 Bit; da wird der Engpass richtig schön deutlich, der Aufsatz ist lesenswert.
Durch die Einführung der Digitaltechnik kam immens viel in Gang, weil diese eben eine lieb gewordene Decke wegzog, so dass die Tonverantwortlichen zum einen merkten, dass es draußen kalt war; zum anderen wurden sie gewahr, dass das, worüber sie diskutierten, keineswegs alles oder gar '
das' war, sondern lediglich das, was man gehört hatte. Plötzlich kam da etwas anderes in Gestalt frischen Windes daher, nach dessen Ursache man zu fragen hatte. Ohne Antworten zunächst; aber das gab sich.
Hans-Joachim