19.09.2010, 21:37
Es gibt ja Leute, die davon überzeugt sind, dass das Nakamichi Dragon, das beste Cassettendeck aller Zeiten sei (von der Minderheit, die zu wissen glaubt, dass es in Wahrheit das Nakamichi CR7 ist, wollen wir hier mal schweigen). Wer das behauptet setzt sich jedenfalls sofort der Häme und des Vorwurfes der Ignoranz der, ich sage mal „Revox und ASC“ Fraktion aus. Anhänger von Sony und TEAC oder anderer Marken schweigen dann meist konsterniert und glauben zu wissen, dass beide Streitparteien verblendet von der entsprechenden Markenhörigkeit, das wahre beste Cassettendeck aller Zeiten, nämlich das Eigene, noch nicht entdeckt haben.
Um sich bei derlei Streitigkeiten Klarheit zu verschaffen, hilft nur, sich selbst ein Bild der Realität zu machen und sich also das Objekt der Begierde selbst zu besorgen. Eigentlich wollte ich das Dragon nie wirklich, ich habe es nie aus eigener Anschauung kennengelernt und von den mir bekannten Prospektbildern hat es weder hinsichtlich des Designs noch der Haptik einen so positiven Eindruck hervorgerufen, der den hohen Preis der Gebrauchtgeräte mit unsicherer Funktion und sicher katastrophalen Ersatzteilversorgung rechtfertigen könnte. Andererseits ist es mit dem technischen Schmankerl der automatischen Azimutnachführung schon ein interessantes Stück Technik
Wenn man das Angebot auf ebay beobachtet, kommt man relativ rasch zu einer realistischen Preisvorstellung. (Angeblich) gute Gebrauchte gehen für ca. 800,- € über den Tisch, und dann gibt es noch ein paar Träumer, die ihre „Mint“-Geräte für 2000,- € und mehr anbieten. Ich habe aber noch nicht erlebt, dass so ein Gerät auch tatsächlich verkauft worden wäre. Da mir 800,- dann für ein gebrauchtes Cassettendeck doch zu viel sind, hielt ich Ausschau nach einem optisch guten aber defekten Gerät. Nach einigem Warten wurde auch eins angeboten, die Power- und Ejecttasten waren nicht allzu sehr abgegriffen und der Verkäufer erklärte, das Gerät nach ca 5 Jahren Standzeit eingeschaltet zu haben, dass aber keinerlei Funktion vorhanden war. Na ja, klarer Fall von kaputten Netzteilkondensatoren, mit etwas Glück ist nur die Sicherung hinüber, das kann man wohl riskieren, außerdem fiel dem Verkäufer auf Nachfrage noch ein, dass sich vor der Stilllegung des Geräts auch die Autoreversfunktion fallweise unmotiviert aktivierte, ok, also ist auch das Zwischenrad hinüber aber das war wohl ohnehin zu erwarten bei einem fast 30 Jahre alten Gerät, kein Grund vor einem Gebot zurückzuschrecken. Für gut 400,-€ war das Deck dann meins, was mich dann doch etwas überraschte, ich habe nicht geglaubt, dass es so nahe an mein Höchstgebot kommen würde, schließlich stand der Preis ewig bei 150 €. Realistisch betrachtet ist der Preis natürlich lächerlich hoch für ein kaputtes Cassettendeck aber was solls, Angebot und Nachfrage bestimmen hier den Preis und ob der gerechtfertigt ist, das wollen wir hier schließlich zu klären versuchen.
Das Gerät traf wie beschrieben und gut verpackt ein, es war natürlich etwas staubig hatte aber keinen größeren Kratzer oder sonstige Beschädigungen.
Der kritische Punkt schlechthin bei diesem Kassettendeck, sind die Köpfe, ist der Wiedergabekopf hinüber, so gibt es keinen Ersatz, kein anderes Deck der Welt hat einen Reverse-Wiedergabekopf, bei dem der jeweils rechte (innere) Kanal noch mit zwei separaten Kopfpaketen ausgelesen wird. Das ist notwendig, damit die automatische Azimutregelung funktionieren kann: Die Phasenlage dieser beiden Signale wird verglichen und mithilfe eines Stellmotors der Kopf solange nachgestellt, bis die Phasendifferenz minimal ist. Auf diesem Gimmick beruht eigentlich der ganze Hype, der um das Dragon immer noch gemacht wird. Ist der Wiedergabekopf hinüber, dann ist das ganze Tape Schrott, Ersatz zu bekommen ist praktisch unmöglich. Übrigens soll diese Art der Azimutregelung nicht auf Nakamichi zurückgehen, sondern in ihren Grundzügen von Marantz entworfen worden sein. Es gab meines Wissens allerdings nur ein Deck mit diesem Ausstattungsmerkmal, das SD930 http://knisi2001.web.fc2.com/sd-930.html. Angebliche Problem mit der Azimutnachführung führten zum Verkauf des Patents an Nakamichi, genaueres weiß ich aber leider darüber nicht. Jedenfalls hatte das Marantz ein Piezzoelement für die Kopfbewegung und konnte damit wesentlich schneller reagieren, als das langsame System des Dragons mit Gleichstrommotor und Stahlbandzug. Damit konnte das Marantz zumindest theoretisch auch die kurzen Azimutschwankungen, die durch Kassettenfehler bedingt sind ausgleichen, dazu ist die langsame Regelung des Nakamichis jedenfalls nicht in der Lage.
Blick auf die Köpfe:
Obwohl ich das Kopfbild aus vielen Abbildungen eigentlich kenne, war ich dann doch überrascht, wie klein die Köpfe in der Realität dann tatsächlich sind. Die Köpfe sehen jedenfalls nicht ganz mies aus, auch die Andruckrollen machen noch einen durchaus brauchbaren Eindruck, ein bisschen putzen sollte reichen um einwandfreie Funktion zu ermöglichen.
Auch bei Lupenbetrachtung sind keine Einschliffspuren zu erkennen, wobei der Fingernageltest hier scheitert, da die Köpfe Bandkantenfräsungen haben, man kann also schlecht abschätzen wie herunter die Köpfe wirklich sind.
Einschalten ergab das erwartete Bild, Spontanheilung war noch keine eingetreten und es tat sich also gar nichts. Ein Blick ins Innere zeigte drei kaputte Feinsicherungen, als ich sie ersetzte war für ca 0.5 sec Funktion da, bevor die Sicherungen unter Abgabe von Leuchtzeichen wieder verglühten. Der weitere Blick ins Innere verursachte etwas Ratlosigkeit: Wie soll man da an die Bauteile rankommen?
Na gut, der Zustand des Decks scheint zumindest nicht hoffnungslos zu sein und ich kann mich mal dran machen das Problem der durchbrennenden Sicherungen zu beheben. Da ich vermutete, dass zumindest einer der Kondensatoren, der für die Spannungsstabilisierung zuständig ist, defekt sein könnte, habe ich gleich mal alle in Frage kommenden ausgetauscht. Das klingt jetzt recht einfach, aber beim Blick ins Innere des Decks hat mich, wie ich zugeben muss, kurz der Mut verlassen.
Zwei der Platinen, die alle mit der Lötseite nach außen montiert sind, lassen sich aufklappen:
Dabei ist das quasi die Schokoseite, die Netzteilelkos sind auf der anderen Klappplatine untergebracht, jedoch hängen da so viele Kabelverbindungen dran, dass man sie nur ein paar Zentimeter hochheben kann. Und der Blick unter diese zeigt folgendes Bild
Also wenn ihr mich fragt, dann wundert es mich nicht, dass Nakamichi in Konkurs gegangen ist, wie soll man so einen Kabelverhau produktionstechnisch in den Griff bekommen, selbst für damals noch relativ billige japanische Arbeitskräfte muss so ein Dragon eine ganze Menge Arbeit bedeutet haben und dass jedes Stück dann auch problemlos funktionierte, kann ich mir kaum vorstellen.
Hinter den Kabeln, die man zum Teil wenigstens abklemmen kann, liegen die Kondensatoren, die zu wechseln waren. Nachdem alle in Frage kommenden Kondensatoren getauscht waren, war das Problem der abbrennenden Sicherungen zwar behoben aber das Laufwerk machte schon im Ruhezustand recht beunruhigende Geräusche: Die Azimutnachstellung war ständig aktiv und der Motor überdrehte dauernd das kleine Plastikgetriebe wodurch ein recht lautes unschönes Rattern die Folge war, also gleich wieder ausgeschaltet, nach einiger Zeit der Ratlosigkeit und dem Eintreffen des Servicemanuals wollte ich mich der Wurzel des Problems von der Azimutmotorseite her nähern und versuchte die Spannungen an den Treibertransistoren der Motorsteuerung zu messen, was prompt zu einem Kurzschluss und dem Abrauchen besagten Transistors führte. Man sollte Amateure eben nicht an delikate Probleme lassen, vor allem wenn sie bescheuert sind (die Amateure). Der Defekt lag natürlich überhaupt nicht irgendwo in der Motorsteuerung sondern, wer hätte das gedacht, in der Spannungsstabilisierung, statt der geforderten 12 V lagen durchgehend 17 V an den entsprechenden Pins. Bis ich die Übeltäter ausfindig gemacht habe, hats aber eine ganze Weile gedauert – 2 Transistoren vom Typ 2SC945 waren defekt, die sich ja auch in anderen Geräten nicht als besonders standfest erweisen. Ich hab sie durch irgendwelche anderen Allerweltstypen ersetzt, funktionierte auf Anhieb perfekt.
Elektrisch war jetzt wieder alles einigermaßen in Ordnung, Ton kam dennoch keiner heraus, weil das Idlerrad so hart und der kleine Bandteller so glatt war, dass sich einfach keine Friktion einstellen wollte und die Bandabschaltung ist so flott, dass sich da erst mal gar nichts rührte.
Der Idler ist so verbaut, dass man das komplette Laufwerk zerlegen muss, um ihn austauschen zu können. Eine etwas intelligentere Konstruktion hätte mir schwitzende Hände beim Tausch erspart. Um an den Idler zu gelangen, müssen die beiden Metallplatten im Bild soweit auseinander gezogen werden, dass die Achse der Zwischenradhalterung aus ihrem Lager gezogen werden kann.
Na gut, ist ja nicht das erste mal, dass ich ein Zwischenrad irgendwo austauschen muss. Also gleich mal die Frontplatte runter.
Aber beim Nakamichi ist es nicht so leicht überhaupt ans Laufwerk zu gelangen. Der Laufwerksblock ist ziemlich breit und um an die Verschraubungen zu kommen muss man nicht nur die Frontplatte lösen. Zusätzlich muss auch noch die Tastatureinheit mit den VU-Metern entfernt werden, das geht zwar, ist aber durch die Anbindung über viele Kabel recht mühsam.
Wie man sieht, besteht der Rahmen für Tastatur und VU-Meter aus Plastik, auch sind alle Tasten aus Plastik und die Regler für Levelabgleich und Vormagnetisierung ebenfalls. Alleine die Drehknöpfe für Eingangsempfindlichkeit und Ausgang sind aus Metall. Von der Haptik her stellt der Dragon wohl eine gewisse Enttäuschung dar, insbesondere wenn man den exorbitanten Neupreis von ca. 4000,- DM in Betracht zieht. Verglichen mit dem Neupreis von 39.000,- öS (über 2800,- €) hier in Österreich aber immer noch geradezu ein Schnäppchen.
Endlich den Laufwerksblock befreit. Sehr gut zu sehen ist hier der blaue Stahlbandzug, der rechts hinten zum Stellmotor führt und vorne über eine recht versteckte Mechanik, an der ich besser nicht herumgedoktort habe, für die Azimutnachführung zuständig ist.
Wenn man den Block auf den Bauch legt, ergibt sich freier Blick auf die recht komplexe Motorsteuerung. Es handelt sich um ein „5-Motoren-Laufwerk“ wobei es eigentlich natürlich nur ein 3 Motorenlaufwerk ist: 2 Capstains, die direkt angetrieben sind und ein Wickelmotor stehen dem Azimutmotor und dem Steuerungsmotor für die Laufwerksfunktionen gegenüber. Das besondere an diesem Laufwerk ist die Autoreversefunktion, die bedingt, dass die beiden Capstains je nach Drehrichtung unterschiedlicher Geschwindigkeiten einnehmen müssen.
Nach Wegbau der Steurungsplatine kann die Rückwand abgebaut werden, an der sich innen die Erregerwicklungen für die Capstainmotoren befinden.
Bei der Gelegenheit kann man gleich die alte Schmiere in den Lagern ersetzen
Schwungmasse
Capstains
Obwohl noch nicht wirklich verharzt, kann neues Fett hier nicht schaden, ebenso wie man die Sinterlager der Capsatins gleich neu ölen und die Achsen wieder auf Hochglanz bringen kann. Auf dem Bild ist auch ganz gut zu erkennen, dass beide Capstains unterschiedliche Durchmesser haben. Noch besser sieht man das im folgenden Bild
Tachogeneratoren
Damit man endlich an das Zwischenrad kommt, muss man die Tachogeneratorspulen abbauen, erst dann kann man durch Lösen der Verschraubung die beiden zentralen Metallplatten, die das Zwischenrad beherbergen auseinanderzwängen.
Der Übeltäter:
Erst jetzt kann man den neuen Gummireifen aufziehen und das ganze wieder zusammenbauen, was eigentlich recht problemlos geht.
Was überbleibt nach getaner Arbeit ist ein Haufen Müll:
Neben den Elkos und einigen Folienkondensatoren des Wiedergabezweiges habe ich auch einen IC zum Abrauchen gebracht, wieder mal durch ungeschicktes Hantieren mit der Messspitze.
Endlich läuft das Werkl also wieder und nach einigen Abgleicharbeiten, bei denen das Manual nicht immer wirklich hilfreich ist, besonders was die Azimutsteuerung betrifft, macht man sich freudig ans Ausprobieren. Alte Kassetten, die man auf Grund ihrer mangelnden Höhenkraft nicht mehr hören möchte, werden gleich hervorgekramt und man beobachtet gespannt, wie der Dragon damit fertig wird. Gleich eins vorweg: nicht alle alten Kassetten erlangen ihre ursprüngliche Strahlkraft wieder aber immerhin einige und es ist natürlich ein Spaß dem Deck beim Suchen nach dem richtigen Azimutwinkel zuzusehen. Als Indikator für die Position des Azimuts befindet sich im Stellmotorgehäuse ein Zeiger, der bei der 0°-Stellung mit einer Markierung fluchtet.
Spielt man eine etwas unperfekte Kassette und die Regelung spricht an (das ist nicht immer der Fall, das Signal auf dem Band muss über -30 dB ausgesteuert sein und mind. 3 kHz haben), fängt der Zeiger an sich unter Entwicklung surrender Geräusche eine neue Position zu suchen. Da der Kopf oft nicht ganz treffsicher ist wird noch ein bisschen nachgeregelt, nach spätestens 10 sec ist aber Schluss mit der Wackelei.
Einer der Kritikpunkte nicht nur des Dragons sondern vieler Nakamichi Decks ist die schlechte Ablesbarkeit von Einstellungen oder Bedienelementen. Dem ist nur zuzustimmen. Besonders bei abgedunkeltem Umgebungslicht ist es ein ausgesprochenes Ratespiel, das Dragon zu bedienen.
Wenn man aufnehmen will, zappelt die Aussteuerungsanzeige zwar lustig auf und ab aber leider kann man nur raten was angezeigt wird, da die Skalierung klein und kontrastschwach angebracht ist, dafür ist nicht zu sehen, ob Dolby eingeschaltet oder welche Entzerrung eingestellt ist. Diese ist nämlich unabhängig von der gewählten Bandsorte schaltbar, die nur die Vormagnetisierungsstärke vorgibt. Immerhin wird die Bandsorte durch Leuchtzeichen angezeigt. Dafür leuchtet die Autofader Anzeige völlig unnotwendigerweise ständig, selbst im Wiedergabebetrieb.
Und was im Foto gar nicht so richtig rauskommt in der Realität aber recht störend ist, ist die fehlende Kassettenfachdurchleuchtung. Verschärft noch durch die Tatsache, dass das Zählwerk über keinerlei Echtzeitfähigkeiten verfügt.
Dafür wird die Kassette von vorne beleuchtet, allerdings so schwach, dass unter normalen Umständen und bei schwarzen oder dunkelgrauen Kassettengehäusen genau nichts zu sehen ist.
Ursache für die schlechte Sichtbarkeit ist auch die sehr tiefe Lage der Kassette im Gehäuse, vermutlich wurde deshalb auch auf eine Durchleuchtung verzichtet, da der Bandwickel nur bei direktem Blick von vorne auch bei Hinterleuchtung zu sehen wäre.
Wie auch immer, diesem Manko kann zumindest z. T. abgeholfen werden, wozu hab ich in meiner Kramlade noch ein Kassettenfachlicht eines Sony TC-K611 herumliegen. Ich weiß gar nicht warum ich mir das aufgehoben habe. Die Reflektorfolie, die kaum reflektiert, wurde abgezogen und auf der Rückseite das auszuschneidende Fenster angezeichnet.
Mangels Fräse oder sonstigem geeigneten Werkzeug habe ich mit Feile und Messer aus dem 0.5er Alublech das Fenster rausgeschnitten
Na ja, nicht ganz so sauber, wie ich mir das vorgestellt habe aber im Finsteren eh nicht zu sehen, das Ergebnis
Na, also, man sieht wo der Wickel steht, wenn auch nur direkt von vorne, von schräg oben ist natürlich gleich nichts mehr zu sehen.
So weit zum Strukturellen, die Frage, die jetzt alle beschäftigt, ob das Dragon das beste Deck der Welt ist, wie praktisch alle ebay Verkäufer behaupten (fragt sich warum sie es sich dann nicht behalten),wird vorerst aufgeschoben. Nach Durchführung einiger Messungen werden wir uns dem Thema eingehender widmen, für heute reichts mir jetzt einfach.
Um sich bei derlei Streitigkeiten Klarheit zu verschaffen, hilft nur, sich selbst ein Bild der Realität zu machen und sich also das Objekt der Begierde selbst zu besorgen. Eigentlich wollte ich das Dragon nie wirklich, ich habe es nie aus eigener Anschauung kennengelernt und von den mir bekannten Prospektbildern hat es weder hinsichtlich des Designs noch der Haptik einen so positiven Eindruck hervorgerufen, der den hohen Preis der Gebrauchtgeräte mit unsicherer Funktion und sicher katastrophalen Ersatzteilversorgung rechtfertigen könnte. Andererseits ist es mit dem technischen Schmankerl der automatischen Azimutnachführung schon ein interessantes Stück Technik
Wenn man das Angebot auf ebay beobachtet, kommt man relativ rasch zu einer realistischen Preisvorstellung. (Angeblich) gute Gebrauchte gehen für ca. 800,- € über den Tisch, und dann gibt es noch ein paar Träumer, die ihre „Mint“-Geräte für 2000,- € und mehr anbieten. Ich habe aber noch nicht erlebt, dass so ein Gerät auch tatsächlich verkauft worden wäre. Da mir 800,- dann für ein gebrauchtes Cassettendeck doch zu viel sind, hielt ich Ausschau nach einem optisch guten aber defekten Gerät. Nach einigem Warten wurde auch eins angeboten, die Power- und Ejecttasten waren nicht allzu sehr abgegriffen und der Verkäufer erklärte, das Gerät nach ca 5 Jahren Standzeit eingeschaltet zu haben, dass aber keinerlei Funktion vorhanden war. Na ja, klarer Fall von kaputten Netzteilkondensatoren, mit etwas Glück ist nur die Sicherung hinüber, das kann man wohl riskieren, außerdem fiel dem Verkäufer auf Nachfrage noch ein, dass sich vor der Stilllegung des Geräts auch die Autoreversfunktion fallweise unmotiviert aktivierte, ok, also ist auch das Zwischenrad hinüber aber das war wohl ohnehin zu erwarten bei einem fast 30 Jahre alten Gerät, kein Grund vor einem Gebot zurückzuschrecken. Für gut 400,-€ war das Deck dann meins, was mich dann doch etwas überraschte, ich habe nicht geglaubt, dass es so nahe an mein Höchstgebot kommen würde, schließlich stand der Preis ewig bei 150 €. Realistisch betrachtet ist der Preis natürlich lächerlich hoch für ein kaputtes Cassettendeck aber was solls, Angebot und Nachfrage bestimmen hier den Preis und ob der gerechtfertigt ist, das wollen wir hier schließlich zu klären versuchen.
Das Gerät traf wie beschrieben und gut verpackt ein, es war natürlich etwas staubig hatte aber keinen größeren Kratzer oder sonstige Beschädigungen.
Der kritische Punkt schlechthin bei diesem Kassettendeck, sind die Köpfe, ist der Wiedergabekopf hinüber, so gibt es keinen Ersatz, kein anderes Deck der Welt hat einen Reverse-Wiedergabekopf, bei dem der jeweils rechte (innere) Kanal noch mit zwei separaten Kopfpaketen ausgelesen wird. Das ist notwendig, damit die automatische Azimutregelung funktionieren kann: Die Phasenlage dieser beiden Signale wird verglichen und mithilfe eines Stellmotors der Kopf solange nachgestellt, bis die Phasendifferenz minimal ist. Auf diesem Gimmick beruht eigentlich der ganze Hype, der um das Dragon immer noch gemacht wird. Ist der Wiedergabekopf hinüber, dann ist das ganze Tape Schrott, Ersatz zu bekommen ist praktisch unmöglich. Übrigens soll diese Art der Azimutregelung nicht auf Nakamichi zurückgehen, sondern in ihren Grundzügen von Marantz entworfen worden sein. Es gab meines Wissens allerdings nur ein Deck mit diesem Ausstattungsmerkmal, das SD930 http://knisi2001.web.fc2.com/sd-930.html. Angebliche Problem mit der Azimutnachführung führten zum Verkauf des Patents an Nakamichi, genaueres weiß ich aber leider darüber nicht. Jedenfalls hatte das Marantz ein Piezzoelement für die Kopfbewegung und konnte damit wesentlich schneller reagieren, als das langsame System des Dragons mit Gleichstrommotor und Stahlbandzug. Damit konnte das Marantz zumindest theoretisch auch die kurzen Azimutschwankungen, die durch Kassettenfehler bedingt sind ausgleichen, dazu ist die langsame Regelung des Nakamichis jedenfalls nicht in der Lage.
Blick auf die Köpfe:
Obwohl ich das Kopfbild aus vielen Abbildungen eigentlich kenne, war ich dann doch überrascht, wie klein die Köpfe in der Realität dann tatsächlich sind. Die Köpfe sehen jedenfalls nicht ganz mies aus, auch die Andruckrollen machen noch einen durchaus brauchbaren Eindruck, ein bisschen putzen sollte reichen um einwandfreie Funktion zu ermöglichen.
Auch bei Lupenbetrachtung sind keine Einschliffspuren zu erkennen, wobei der Fingernageltest hier scheitert, da die Köpfe Bandkantenfräsungen haben, man kann also schlecht abschätzen wie herunter die Köpfe wirklich sind.
Einschalten ergab das erwartete Bild, Spontanheilung war noch keine eingetreten und es tat sich also gar nichts. Ein Blick ins Innere zeigte drei kaputte Feinsicherungen, als ich sie ersetzte war für ca 0.5 sec Funktion da, bevor die Sicherungen unter Abgabe von Leuchtzeichen wieder verglühten. Der weitere Blick ins Innere verursachte etwas Ratlosigkeit: Wie soll man da an die Bauteile rankommen?
Na gut, der Zustand des Decks scheint zumindest nicht hoffnungslos zu sein und ich kann mich mal dran machen das Problem der durchbrennenden Sicherungen zu beheben. Da ich vermutete, dass zumindest einer der Kondensatoren, der für die Spannungsstabilisierung zuständig ist, defekt sein könnte, habe ich gleich mal alle in Frage kommenden ausgetauscht. Das klingt jetzt recht einfach, aber beim Blick ins Innere des Decks hat mich, wie ich zugeben muss, kurz der Mut verlassen.
Zwei der Platinen, die alle mit der Lötseite nach außen montiert sind, lassen sich aufklappen:
Dabei ist das quasi die Schokoseite, die Netzteilelkos sind auf der anderen Klappplatine untergebracht, jedoch hängen da so viele Kabelverbindungen dran, dass man sie nur ein paar Zentimeter hochheben kann. Und der Blick unter diese zeigt folgendes Bild
Also wenn ihr mich fragt, dann wundert es mich nicht, dass Nakamichi in Konkurs gegangen ist, wie soll man so einen Kabelverhau produktionstechnisch in den Griff bekommen, selbst für damals noch relativ billige japanische Arbeitskräfte muss so ein Dragon eine ganze Menge Arbeit bedeutet haben und dass jedes Stück dann auch problemlos funktionierte, kann ich mir kaum vorstellen.
Hinter den Kabeln, die man zum Teil wenigstens abklemmen kann, liegen die Kondensatoren, die zu wechseln waren. Nachdem alle in Frage kommenden Kondensatoren getauscht waren, war das Problem der abbrennenden Sicherungen zwar behoben aber das Laufwerk machte schon im Ruhezustand recht beunruhigende Geräusche: Die Azimutnachstellung war ständig aktiv und der Motor überdrehte dauernd das kleine Plastikgetriebe wodurch ein recht lautes unschönes Rattern die Folge war, also gleich wieder ausgeschaltet, nach einiger Zeit der Ratlosigkeit und dem Eintreffen des Servicemanuals wollte ich mich der Wurzel des Problems von der Azimutmotorseite her nähern und versuchte die Spannungen an den Treibertransistoren der Motorsteuerung zu messen, was prompt zu einem Kurzschluss und dem Abrauchen besagten Transistors führte. Man sollte Amateure eben nicht an delikate Probleme lassen, vor allem wenn sie bescheuert sind (die Amateure). Der Defekt lag natürlich überhaupt nicht irgendwo in der Motorsteuerung sondern, wer hätte das gedacht, in der Spannungsstabilisierung, statt der geforderten 12 V lagen durchgehend 17 V an den entsprechenden Pins. Bis ich die Übeltäter ausfindig gemacht habe, hats aber eine ganze Weile gedauert – 2 Transistoren vom Typ 2SC945 waren defekt, die sich ja auch in anderen Geräten nicht als besonders standfest erweisen. Ich hab sie durch irgendwelche anderen Allerweltstypen ersetzt, funktionierte auf Anhieb perfekt.
Elektrisch war jetzt wieder alles einigermaßen in Ordnung, Ton kam dennoch keiner heraus, weil das Idlerrad so hart und der kleine Bandteller so glatt war, dass sich einfach keine Friktion einstellen wollte und die Bandabschaltung ist so flott, dass sich da erst mal gar nichts rührte.
Der Idler ist so verbaut, dass man das komplette Laufwerk zerlegen muss, um ihn austauschen zu können. Eine etwas intelligentere Konstruktion hätte mir schwitzende Hände beim Tausch erspart. Um an den Idler zu gelangen, müssen die beiden Metallplatten im Bild soweit auseinander gezogen werden, dass die Achse der Zwischenradhalterung aus ihrem Lager gezogen werden kann.
Na gut, ist ja nicht das erste mal, dass ich ein Zwischenrad irgendwo austauschen muss. Also gleich mal die Frontplatte runter.
Aber beim Nakamichi ist es nicht so leicht überhaupt ans Laufwerk zu gelangen. Der Laufwerksblock ist ziemlich breit und um an die Verschraubungen zu kommen muss man nicht nur die Frontplatte lösen. Zusätzlich muss auch noch die Tastatureinheit mit den VU-Metern entfernt werden, das geht zwar, ist aber durch die Anbindung über viele Kabel recht mühsam.
Wie man sieht, besteht der Rahmen für Tastatur und VU-Meter aus Plastik, auch sind alle Tasten aus Plastik und die Regler für Levelabgleich und Vormagnetisierung ebenfalls. Alleine die Drehknöpfe für Eingangsempfindlichkeit und Ausgang sind aus Metall. Von der Haptik her stellt der Dragon wohl eine gewisse Enttäuschung dar, insbesondere wenn man den exorbitanten Neupreis von ca. 4000,- DM in Betracht zieht. Verglichen mit dem Neupreis von 39.000,- öS (über 2800,- €) hier in Österreich aber immer noch geradezu ein Schnäppchen.
Endlich den Laufwerksblock befreit. Sehr gut zu sehen ist hier der blaue Stahlbandzug, der rechts hinten zum Stellmotor führt und vorne über eine recht versteckte Mechanik, an der ich besser nicht herumgedoktort habe, für die Azimutnachführung zuständig ist.
Wenn man den Block auf den Bauch legt, ergibt sich freier Blick auf die recht komplexe Motorsteuerung. Es handelt sich um ein „5-Motoren-Laufwerk“ wobei es eigentlich natürlich nur ein 3 Motorenlaufwerk ist: 2 Capstains, die direkt angetrieben sind und ein Wickelmotor stehen dem Azimutmotor und dem Steuerungsmotor für die Laufwerksfunktionen gegenüber. Das besondere an diesem Laufwerk ist die Autoreversefunktion, die bedingt, dass die beiden Capstains je nach Drehrichtung unterschiedlicher Geschwindigkeiten einnehmen müssen.
Nach Wegbau der Steurungsplatine kann die Rückwand abgebaut werden, an der sich innen die Erregerwicklungen für die Capstainmotoren befinden.
Bei der Gelegenheit kann man gleich die alte Schmiere in den Lagern ersetzen
Schwungmasse
Capstains
Obwohl noch nicht wirklich verharzt, kann neues Fett hier nicht schaden, ebenso wie man die Sinterlager der Capsatins gleich neu ölen und die Achsen wieder auf Hochglanz bringen kann. Auf dem Bild ist auch ganz gut zu erkennen, dass beide Capstains unterschiedliche Durchmesser haben. Noch besser sieht man das im folgenden Bild
Tachogeneratoren
Damit man endlich an das Zwischenrad kommt, muss man die Tachogeneratorspulen abbauen, erst dann kann man durch Lösen der Verschraubung die beiden zentralen Metallplatten, die das Zwischenrad beherbergen auseinanderzwängen.
Der Übeltäter:
Erst jetzt kann man den neuen Gummireifen aufziehen und das ganze wieder zusammenbauen, was eigentlich recht problemlos geht.
Was überbleibt nach getaner Arbeit ist ein Haufen Müll:
Neben den Elkos und einigen Folienkondensatoren des Wiedergabezweiges habe ich auch einen IC zum Abrauchen gebracht, wieder mal durch ungeschicktes Hantieren mit der Messspitze.
Endlich läuft das Werkl also wieder und nach einigen Abgleicharbeiten, bei denen das Manual nicht immer wirklich hilfreich ist, besonders was die Azimutsteuerung betrifft, macht man sich freudig ans Ausprobieren. Alte Kassetten, die man auf Grund ihrer mangelnden Höhenkraft nicht mehr hören möchte, werden gleich hervorgekramt und man beobachtet gespannt, wie der Dragon damit fertig wird. Gleich eins vorweg: nicht alle alten Kassetten erlangen ihre ursprüngliche Strahlkraft wieder aber immerhin einige und es ist natürlich ein Spaß dem Deck beim Suchen nach dem richtigen Azimutwinkel zuzusehen. Als Indikator für die Position des Azimuts befindet sich im Stellmotorgehäuse ein Zeiger, der bei der 0°-Stellung mit einer Markierung fluchtet.
Spielt man eine etwas unperfekte Kassette und die Regelung spricht an (das ist nicht immer der Fall, das Signal auf dem Band muss über -30 dB ausgesteuert sein und mind. 3 kHz haben), fängt der Zeiger an sich unter Entwicklung surrender Geräusche eine neue Position zu suchen. Da der Kopf oft nicht ganz treffsicher ist wird noch ein bisschen nachgeregelt, nach spätestens 10 sec ist aber Schluss mit der Wackelei.
Einer der Kritikpunkte nicht nur des Dragons sondern vieler Nakamichi Decks ist die schlechte Ablesbarkeit von Einstellungen oder Bedienelementen. Dem ist nur zuzustimmen. Besonders bei abgedunkeltem Umgebungslicht ist es ein ausgesprochenes Ratespiel, das Dragon zu bedienen.
Wenn man aufnehmen will, zappelt die Aussteuerungsanzeige zwar lustig auf und ab aber leider kann man nur raten was angezeigt wird, da die Skalierung klein und kontrastschwach angebracht ist, dafür ist nicht zu sehen, ob Dolby eingeschaltet oder welche Entzerrung eingestellt ist. Diese ist nämlich unabhängig von der gewählten Bandsorte schaltbar, die nur die Vormagnetisierungsstärke vorgibt. Immerhin wird die Bandsorte durch Leuchtzeichen angezeigt. Dafür leuchtet die Autofader Anzeige völlig unnotwendigerweise ständig, selbst im Wiedergabebetrieb.
Und was im Foto gar nicht so richtig rauskommt in der Realität aber recht störend ist, ist die fehlende Kassettenfachdurchleuchtung. Verschärft noch durch die Tatsache, dass das Zählwerk über keinerlei Echtzeitfähigkeiten verfügt.
Dafür wird die Kassette von vorne beleuchtet, allerdings so schwach, dass unter normalen Umständen und bei schwarzen oder dunkelgrauen Kassettengehäusen genau nichts zu sehen ist.
Ursache für die schlechte Sichtbarkeit ist auch die sehr tiefe Lage der Kassette im Gehäuse, vermutlich wurde deshalb auch auf eine Durchleuchtung verzichtet, da der Bandwickel nur bei direktem Blick von vorne auch bei Hinterleuchtung zu sehen wäre.
Wie auch immer, diesem Manko kann zumindest z. T. abgeholfen werden, wozu hab ich in meiner Kramlade noch ein Kassettenfachlicht eines Sony TC-K611 herumliegen. Ich weiß gar nicht warum ich mir das aufgehoben habe. Die Reflektorfolie, die kaum reflektiert, wurde abgezogen und auf der Rückseite das auszuschneidende Fenster angezeichnet.
Mangels Fräse oder sonstigem geeigneten Werkzeug habe ich mit Feile und Messer aus dem 0.5er Alublech das Fenster rausgeschnitten
Na ja, nicht ganz so sauber, wie ich mir das vorgestellt habe aber im Finsteren eh nicht zu sehen, das Ergebnis
Na, also, man sieht wo der Wickel steht, wenn auch nur direkt von vorne, von schräg oben ist natürlich gleich nichts mehr zu sehen.
So weit zum Strukturellen, die Frage, die jetzt alle beschäftigt, ob das Dragon das beste Deck der Welt ist, wie praktisch alle ebay Verkäufer behaupten (fragt sich warum sie es sich dann nicht behalten),wird vorerst aufgeschoben. Nach Durchführung einiger Messungen werden wir uns dem Thema eingehender widmen, für heute reichts mir jetzt einfach.