Wiedergabeverstärker: Rauschen
#1
EDIT 22.01.2023: Einige dringend notwendige Korrekturen als Ergebnis nachträglicher Erkenntnisse und Hinweise, speziell von Kai in #2.

Dieser Beitrag ist ausdrücklich zur kritischen Diskussion und Ergänzung gedacht. Ich habe da wenig Erfahrungen, mache hier zum ersten Mal Rausch-Simu und im aktuellen BE-Angebot lande ich auch nur Zufallstreffer. Bin also für jeden Hinweis dankbar. Jetzt zum Thema.

Neben den Entzerrungen hat ein TB-WV noch die Aufgabe, rauscharm zu sein. Wie rauscharm eigentlich?

Ein mit Nennfluss 320nWb/m ausgesteuertes Band hat einen Rauschabstand von ca. 65dB. Eine bewährte Faustformel besagt, dass ein nachfolgender Verstärker 10dB mehr Rauschabstand haben muss, damit sich das Ergebnis in der Summe nur um 1dB verschlechtert.  80dB Rauschabstand würden also genügen, um keine hörbare Verschlechterung zu bewirken. Das klingt durchaus machbar und in der Tat hat man es ja seit dem Aufkommen rauscharmer Siliziumtransistoren in den 70ern gut im Griff.

Nun liegt mir aber ein verschärfter Fall vor. Quelle ist ein W-Kopf W2H9 von Goldpfeil. Der ist sehr niederimpedant (75mH) und liefert nur 0,45mV bei 1kHz und Nennfluss. Das spielt in der Liga von MC-Tonabnehmern und liegt bis zu 20dB unter den üblichen Pegeln. Ich brauche also 20dB weniger Verstärkerrauschen für denselben Rauschabstand. Das ist dann doch schon eine "Herausforderung".

Im original-WV speist der TK zuerst einen Übertrager und das ist angebracht. So einen zu bekommen kann man aber vergessen. Selber bauen? Keine Erfahrung, viele Fallstricke lauern. Ein Übertrager hat ja auch Nachteile. Wir wollen es mal ohne probieren. Schließlich hat sich die Halbleiterei auch weiterentwickelt.

Wenn man sich bei MC-Verstärkern umsieht, kann man bis ins Unendliche getriebenen Aufwand finden. Ich wollte aber die Kirche im Dorf lassen und möchte mit einem möglichst rauscharmen OpAmp ausgekommen, der noch bezahlbar und erhältlich ist, möglichst ohne diskrete Vorstufe.

Bei der Auswahl eines optimalen OpAmps für NF-Verstärker sind drei Parameter bestimmend:
- Spannungsrauschen
- Stromrauschen
- 1/f-Rauschen
Außerdem geht in die Rauschbilanz noch entscheidend das thermische Widerstandsrauschen des Quell-Widerstandes ein.
Je niederohmiger die Quelle, umso geringer der Beitrag durch das Stromrauschen. Eine grobe Orientierung besagt:
Rs ≤ 400: Spannungsrauschen ist dominant
Rs ≥ 10...50kHz: Stromrauschen ist dominant
Dazwischen dominiert das Widerstandsrauschen der Quelle.

Die Impedanz unserer Quelle wird durch deren Induktivität von 75mH dominiert, sie steigt also proportional zur Frequenz. Deren Betrag ist bei 1kHz 471Ω. Damit sitzen wir zwischen allen Stühlen und eine genauere Untersuchung ist notwendig.
Und da wir es auch mit Frequenzen << 1kHz zu tun haben, ist geringes 1/f-Rauschen immer ein Thema.

Folgende OpAmps sind mir bei einer ersten Suche über den Weg gelaufen:

                                                  LT1028 LT1007 AD795(FET) AD743(BiFET)
en @ 1kHz typ.            nV/√Hz 0.85   2.5    11         3.2
en @ 10Hz typ.            nV/√Hz 1.0    2.8    20         5.5
en p-p @ 0.1...10Hz typ.  nV     35     60     1000       380
in @ 1kHz typ.            pA/√Hz 1.0    0.4    0.0006     0.007
in @ 10Hz typ.            pA/√Hz 4.7    1.5    0.013      ?
IB typ.                   nA     ±25    ±10    0.001      0.03
Preis ca.                 €      10..15 4..7   11?        22€?/6$?
Spice Modell vorh.               j      j      j          (j)

Lt. Papierform ist der beste bzgl. Spannungsrauschen der LT1028, bzgl. Stromrauschen der LT1007. Der AD743 aus der FET-Liga wäre auch interessant, da quasi ohne Stromrauschen.

Spätestens wg. der induktiven und damit frequenzabhängigen Quelle ist mir jegliche manuelle Berechnung entschieden zu arg. Soll doch LTSpice rechnen, das kann das viel besser.

Eine Rausch-Simu ist ein zweischneidiges Schwert. Das thermische Rauschen passiver Komponenten einerseits wird von LTSpice offenbar ordentlich berechnet (durchaus wichtig für die Quellimpedanzen). Die Qualität der Simulation des Rauschens aktiver Komponenten hängt andererseits natürlich von der diesbezüglichen Qualität des Modells ab. Man darf damit rechnen, dass dies völlig außen vor bleibt. Da aber LTSpice und der LT1028 und LT1037 aus demselben Hause stammen und diese in der Lib sind, besteht Hoffnung.

Nun los frei nach MUP (Methode des unbekümmerten Probierens). Als erstes lassen wir den rein passiven TK rauschen, konkret dessen ohmschen Widerstand von 15Ω.
(Zu beachten ist, dass bei Lg mindestens ein Serien- oder Parallelwiderstandswert eingetragen sein muss, sonst rechnet LTSpice offenbar keine Impedanz aus. Ich habe Rp=1G eingetragen.)
   

Ergebnis: ca. 70nV RMS. für V-Noise und I-Noise. I-Noise verstehe ich nicht, da I=0 sein sollte. Meines Wissens addiert man beide quadratisch, das ergäbe 99nV??? Ich rechne mal mit 70nV, so groß ist der Unterschied nicht.
0,45mV / 70nV = 6429 ergibt 76dB Rauschabstand.

Das ist das nicht unterschreitbare Minimum. Für weniger Rauschen müsste ich den TK mit Stickstoff kühlen oder hinter dem Sonnenschirm des James-Webb-Teleskops platzieren. Das Ganze ist nicht gerade üppig! Der Gedanke an einen Eingangsübertrager kommt in Erinnerung.

Gut, schauen wir dennoch, was am Ende herauskommt.

So, jetzt wird´s spannend, der OpAmp kommt ins Spiel. Einfach als frequenzlinearer 40dB-Verstärker.
Da auch der invertierende Eingang rein rauscht, wird er möglichst niederohmig abgeschlossen.

1.) LT1028

   
V-Noise = 204µV, I-Noise = 2µV, quadratisch addiert: 204µV. 45mV / 204µV = 220,6 = 47dB. Das ist grottenschlecht, glatte Note 6.

Lassen wir ihn doch mal 60dB verstärken:
   
V-Noise = 2,12mV, I-Noise = 2µV, quadratisch addiert: 2,12mV. 450mV / 2,12mV = 212,3 = 46dB. Das war nix.

2.) LT1037

   
V-Noise = 45,2µV, I-Noise = 0,45µV, quadratisch addiert: 45,2µV. 45mV / 45,2µV = 995 = 60dB. Nicht wirklich toll, 4.

Aber warum ist der 1028 so viel schlechter als der 1037? Die Parameter sind doch besser als beim 1037. Auf den zweiten Blick sieht man: Der 1028 ist auch besser - bis 1kHz. Und da liegen auch die Parameter. Verdorben wird es durch den absolut ungewöhnlichen Anstieg ab 2kHz. Wo kommt der her? Das zeigt so kein anderer OpAmp! Da zeigt sich das beim 1028 stärkere Stromrauschen, das in der Induktivität in der mit der Frequenz steigenden Impedanz Rauschspannung generiert.

3.) AD795

   
Der einzige Vertreter aus der FET-Klasse, also quasi ohne Stromrauschen.
V-Noise = 98,7µV, I-Noise = 1,3µV, quadratisch addiert: 98,7µV. 45mV / 98,7µV = 455 = 53dB. Unzureichend, 5.
Außerdem: Wo kommt das I-Noise her?

4.) AD743
Da habe ich nicht gleich ein Modell zur Hand. Es gibt ein Spice-Modell vom Hersteller, weiß aber noch nicht, ob das passt und wie man es in die Lib bekommt. Nach den Parametern schnell geschätzt, könnte das Spannungsrauschen um den Faktor 4 = 12dB geringer sein. Das ergäbe den Bestwert von 65dB. Auch nicht prickelnd, Note 3. Die Arbeit werde ich mir sparen.

Note 1 bekommt ein Verstärker ab 85dB Rauschabstand zu 4,5mV Eingangsspannung. Da I-Noise in allen Fällen vernachlässigbar war, Das entspräche einem V-Noise um etwa 25dB(!) unter dem des LT1007, also 2,5µV. Oder en @ 1kHz typ. = 0,14nV/√Hz. Klingt sehr sportlich!

Gibt es moderne OpAmps die da ranreichen?? Ich denke, selbst mit Spitzen-Vorstufe bekommt man das nicht geschenkt. Ich habe schon mal beim Rumstöbern Schaltungen mit Super-JFETs am Eingang gesehen. Aber diese JFETs sind wohl alle nicht mehr erhältlich oder sündhaft teuer.

So, das lasse ich hier erst mal so stehen und warte auf heiße Tipps!

Gute Nacht - Frank.
In Rust We Trust!
T e s l a  B 1 1 6 (A.D.),  R E V O X  B 7 7
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Wiedergabeverstärker: Rauschen - von DropOut - 18.01.2023, 00:29
RE: Wiedergabeverstärker: Rauschen - von JUM - 19.01.2023, 18:52
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