05.04.2012, 04:47
So ... nun hab ich mich mal angemeldet hier, nachdem ich schon eine Weile mitgelesen habe.
ich bin durch Zufall hier reingestolpert, nachdem ich mir Ende letzten Jahres nach langer Zeit der Audiokassetten-Abstinenz in einem Vintage Hifi Laden günstig ein Harman Kardon Kassettendeck zugelegt hatte. Mein altes, ebenfalls von diesem Hersteller, hatte schon Mitte der Nullinger seinen Geist aufgegeben. Ich bin bald 38, und gehöre so ziemlich zur letzten Generation, die ihre Musik auf Kassetten überspielte.
Die 90er, das war die Zeit, kurz bevor das Internet durchstartete. Anfangs noch mit den CD Verleih Läden, in die die Kids scharenweise rein rannten, und ihren Jäger und Sammler Trieb auslebten, wie in den 80ern schon Ihre Eltern mit den VHS Kopierorgien. Wo viel kopiert wurde, wurden auch massenhaft Bänder gekauft. Die Walkmen in den 90ern habe ich als chic, klein, stylish, und schnelllebig in Erinnerung. Egal, wieviel man ausgab, irgendwie gingen die Dinger doch schnell in die Binsen. So landete ein teurer Ausflug für 400 DM (für einen Sony WM-EX1HG ) nur in frustige Regionen, und fortan blieb man bei wesentlich günstigeren Geräten.
Um die Jahrtausendwende kam dann so ziemlich der erste Festplatten MP3 Player, ein Archos mit 5 GB. Was war das für ein Gefühl, mit diesem Ding haufenweise Musik mit sich herumzuschleppen. Herrlich, einfach die Songs in rasender Gechwindigkeit zu skippen, während andere noch ewig herumspulten. Discmen hat man eher nicht so oft gesehen, weil die Teile einfach doch ein wenig zu sperrig und zudem noch Batteriefresser waren...
Vergessen wurde die Kassettensammlung, das Kassettendeck immer weniger angerührt. Es kamen und gingen diverse MP3 Player, denn der Archos ging schnell kaputt: die gelöteten Batteriekontakte lagen direkt hinter den dicken blauen Schockabsorbern, und so ging jede Rempelei direkt auf die Kontakte .. Ich weiss nicht, wie oft ich die Dinger notdürftig gelötet habe -.- ...
Um 2010/2011 hatte ich öfters meinen Ipod Touch dabei, der mir von meinem Handyprovider aufgeschwatzt wurde, und den ich für eine irre tolle Idee hielt.
Leider kann man ein Gerät mit Grabbelscreen nicht so bequem wie einen Walkman blind beim Radfahren oder Spazieren gehen bedienen. Man muss halt immer Sichtkontakt halten, und das durch seine eigenen Fettfinger hindurch. Auch bei Regen. Batterie/Akkuwechsel ? kann nur Apple machen, denn an dem Ding sind nicht mal Schrauben. Wenn man mal eben ein paar neue Songs haben will, muss man den Rechner hochfahren, Itunes, diese herrliche Musikdiktatur laden, Und dann kann man irgendwann seine Musik genießen.
Miniaturisierung ist wohl auch nicht mehr. Das Ding ist von der Breite her schon fast genauso groß wie ein alter Walkman. Aktuelle Smartphones sehen für mich schon aus wie Frühstücksbrettchen. Aber gut. Liegt ja im Trend. Uhren im Gullideckelformat und Sonnenbrillen, die so aussehen, als hätte man an ein Motorradhelmvisier einfach zwei Bügel dran geschraubt, alles schon gewohnt. Kopfhörer werden auch immer grösser, man fühlt sich in die 70er zurückversetzt.
Irgendwann wurde mir der Ipod zu blöde. Ich hatte keinen Bock mehr darauf, zum skippen eines Liedes erstmal das gerät raus holen zu müssen, zu entriegeln, und dann auf die virtuelle Sprungtaste zu tippen. Ich wünschte mir wieder fühlbare, echte Tasten. So ersetzte ein Phillips Go gear Ariaz erst mal den Ipod. Endlich wieder normale Bedienung, ein Radio ist auch an Bord, tschüss Itunes Knebelsoftware. Und ein Mikro für Sprachnotizen ist auch noch da.
Aber nun, Ende 2011 saß ich wieder vor einem Cassettendeck. Ich holte meine alten Bänder raus, legte eins ein, und ....
WTF ???
Wieso klingen die noch so gut ? 15, 20 Jahre im Regal, und ich hatte den subjektiven Eindruck, sie haben nicht viel an Klang verloren. Ausserdem war da was, ich kanns nicht beschreiben... lebendigeres als bei MP3 ... Der Klang gefiel mir besser . trotz Rauschen...
Es kam, wie es kommen musste: Ich legte mir wieder Hardware zu. In dem Bewusstsein, das ich genau zur falschen Zeit mit den Thema anfing, nämlich zu einer Zeit, in der die Audiokassette völlig zu verschwinden droht, hatte ich das Gefühl, schnell handeln zu müssen. Schliesslich sind die Dinger, die heute "Walkmen" genannt werden, nicht der Rede wert, und der Erfinder hat nur noch ein armseliges Gerät im Angebot.
Aber seis drum : Nach wenigen Monaten stehen hier jetzt drei Tapedecks (das Harman hab ich mir zurückgelegt, damit wären es dann vier.. ), sowie ein Sony WM D6C, ein paar reparaturbedürftige Aiwa Walkmen, drei der so ziemlich letzten Generation von Sony, und zwei von Panasonic. Und es werden bestimmt nicht die letzten sein. Denn im Vergleich dazu, was ein aktueller Ipod Touch kostet, gibt es die alte Audiohardware quasi zum Ramschpreis hinterher geschmissen, falls es nicht gerade die begehrtesten Teile sind, die schon immer irre teuer waren.
Bei den Audiokassetten hatte ich teilweise Glück. Nachdem ich gesehen hatte, das die Dinger rar und teuer werden, hab ich noch einen grossen Karton mit 100 Stück TDK 50er DJ ergattern können, bevor die Dinger ausverkauft waren. In einem Trödelladen hat ein Kollege mir noch einige BASF CS II für 40 ct./stck. bekommen, und die SA90 ist ja auch noch relativ gut zu kriegen.
So fertigte ich in den letzten Monaten die eine oder andere Kassette an, und fühlte mich herrlich in meinem (Band)Rausch.... Ich entschleunigte meinen Musikkonsum beim Aufnehmen der Bänder und genoß die Tatsache, das kein Plattencrash, kein Virenbefall oder grobe PC-Bedienfehler meiner Musiksammlung schaden konnte. Umständlich Rechner hoch fahren und die Mp3s auf den Player schieben ? Wozu ? Einfach ins Regal greifen, und ne Kassette mitnehmen ..
Eines Tages dachte ich mir: Das ist doch Esoterik. Du willst dir ein Stück deiner Jugend zurück holen. In Wirklichkeit ist der Klang dieser Dinger doch schrecklich, Millionen Umsteiger ins digitale Zeitalter können doch nicht irren...
Also bat ich eine junge Kollegin (Anfang 20, sie kennt Kassetten allenfalls noch als Hörspiel) aus der Tanzstunde um eine CD ihrer Lieblingsband, und machte davon eine Kassettenaufnahme. Dann drückte ich ihr den Backstein von WM-D6C in die zarten Frauenhände und ließ sie ein paar Lieder lang allein.
Nach den ersten skeptischen Blicken wurden ihre Augen immer größer und sie reichte mir den Walkman nach einigen Songs mit einem ungläubigen "Ich will auch son Ding !!!" zurück. Nach ihrer Einschätzung hörte sie die Instrumente differenzierter, und die Stimme des Sängers würde "leidenschaftlicher" klingen. Ausserdem würde sie das Bandrauschen mögen, es klinge so schön "Old School" ...
Aha... also hatte ich mir das nicht eingebildet. Gestern schenkte ich ihr einen alten Walkman. Und ich glaube, das wird auch nicht der einzige sein, den ich verschenken werde . Denn jeder verschenkte Walkman sorgt auf der Arbeit, in der Schule oder im Zug für Gesprächsstoff... ...
Ich möchte diesem Forum herzlich danken, denn durch das mitlesen habe ich neben meiner alten Liebe zu den Kassetten so einige Interessante Sachen entdeckt. Alleine schon das stöbern in den Kassettenschätzen bereitet einem Freude ...
Aber mit der Freude um die Wiederkehr der Kassette in meinem Wohnzimmer und in meiner Brusttasche mischt sich auch die Wehmut: Nachdem ich gesehen habe, das selbst die SA90 jetzt von der EU Webseite verdunstet ist (in den USA scheint es sie noch zu geben), geht die letzte Chromkassette dahin.
Sicher, manch einer von den älteren hier schüttelt den Kopf, wenn er das Junge Volk sieht, wie es von 30 min. Busfahrt alleine 25 damit verbringt, in tausenden blechern klingenden Songs auf dem Player den gesuchten zu finden.... Aber ... diese jungen Leute wissen es halt nicht besser. Man muss es ihnen zeigen und sie für die alte Technik begeistern. Ihnen vor Augen führen, was ein lebendiges Laufwerk ist, mit Zahnrädchen, Riemen, sich drehende Spulen und aufwickelnden Bänder.... und das es kein Vergleich zu nem toten Speicherchip mit Kopfhörerausgang ist....
Ist es nicht Zeit für ein "SAVE THE TAPE" ? ...
ich bin durch Zufall hier reingestolpert, nachdem ich mir Ende letzten Jahres nach langer Zeit der Audiokassetten-Abstinenz in einem Vintage Hifi Laden günstig ein Harman Kardon Kassettendeck zugelegt hatte. Mein altes, ebenfalls von diesem Hersteller, hatte schon Mitte der Nullinger seinen Geist aufgegeben. Ich bin bald 38, und gehöre so ziemlich zur letzten Generation, die ihre Musik auf Kassetten überspielte.
Die 90er, das war die Zeit, kurz bevor das Internet durchstartete. Anfangs noch mit den CD Verleih Läden, in die die Kids scharenweise rein rannten, und ihren Jäger und Sammler Trieb auslebten, wie in den 80ern schon Ihre Eltern mit den VHS Kopierorgien. Wo viel kopiert wurde, wurden auch massenhaft Bänder gekauft. Die Walkmen in den 90ern habe ich als chic, klein, stylish, und schnelllebig in Erinnerung. Egal, wieviel man ausgab, irgendwie gingen die Dinger doch schnell in die Binsen. So landete ein teurer Ausflug für 400 DM (für einen Sony WM-EX1HG ) nur in frustige Regionen, und fortan blieb man bei wesentlich günstigeren Geräten.
Um die Jahrtausendwende kam dann so ziemlich der erste Festplatten MP3 Player, ein Archos mit 5 GB. Was war das für ein Gefühl, mit diesem Ding haufenweise Musik mit sich herumzuschleppen. Herrlich, einfach die Songs in rasender Gechwindigkeit zu skippen, während andere noch ewig herumspulten. Discmen hat man eher nicht so oft gesehen, weil die Teile einfach doch ein wenig zu sperrig und zudem noch Batteriefresser waren...
Vergessen wurde die Kassettensammlung, das Kassettendeck immer weniger angerührt. Es kamen und gingen diverse MP3 Player, denn der Archos ging schnell kaputt: die gelöteten Batteriekontakte lagen direkt hinter den dicken blauen Schockabsorbern, und so ging jede Rempelei direkt auf die Kontakte .. Ich weiss nicht, wie oft ich die Dinger notdürftig gelötet habe -.- ...
Um 2010/2011 hatte ich öfters meinen Ipod Touch dabei, der mir von meinem Handyprovider aufgeschwatzt wurde, und den ich für eine irre tolle Idee hielt.
Leider kann man ein Gerät mit Grabbelscreen nicht so bequem wie einen Walkman blind beim Radfahren oder Spazieren gehen bedienen. Man muss halt immer Sichtkontakt halten, und das durch seine eigenen Fettfinger hindurch. Auch bei Regen. Batterie/Akkuwechsel ? kann nur Apple machen, denn an dem Ding sind nicht mal Schrauben. Wenn man mal eben ein paar neue Songs haben will, muss man den Rechner hochfahren, Itunes, diese herrliche Musikdiktatur laden, Und dann kann man irgendwann seine Musik genießen.
Miniaturisierung ist wohl auch nicht mehr. Das Ding ist von der Breite her schon fast genauso groß wie ein alter Walkman. Aktuelle Smartphones sehen für mich schon aus wie Frühstücksbrettchen. Aber gut. Liegt ja im Trend. Uhren im Gullideckelformat und Sonnenbrillen, die so aussehen, als hätte man an ein Motorradhelmvisier einfach zwei Bügel dran geschraubt, alles schon gewohnt. Kopfhörer werden auch immer grösser, man fühlt sich in die 70er zurückversetzt.
Irgendwann wurde mir der Ipod zu blöde. Ich hatte keinen Bock mehr darauf, zum skippen eines Liedes erstmal das gerät raus holen zu müssen, zu entriegeln, und dann auf die virtuelle Sprungtaste zu tippen. Ich wünschte mir wieder fühlbare, echte Tasten. So ersetzte ein Phillips Go gear Ariaz erst mal den Ipod. Endlich wieder normale Bedienung, ein Radio ist auch an Bord, tschüss Itunes Knebelsoftware. Und ein Mikro für Sprachnotizen ist auch noch da.
Aber nun, Ende 2011 saß ich wieder vor einem Cassettendeck. Ich holte meine alten Bänder raus, legte eins ein, und ....
WTF ???
Wieso klingen die noch so gut ? 15, 20 Jahre im Regal, und ich hatte den subjektiven Eindruck, sie haben nicht viel an Klang verloren. Ausserdem war da was, ich kanns nicht beschreiben... lebendigeres als bei MP3 ... Der Klang gefiel mir besser . trotz Rauschen...
Es kam, wie es kommen musste: Ich legte mir wieder Hardware zu. In dem Bewusstsein, das ich genau zur falschen Zeit mit den Thema anfing, nämlich zu einer Zeit, in der die Audiokassette völlig zu verschwinden droht, hatte ich das Gefühl, schnell handeln zu müssen. Schliesslich sind die Dinger, die heute "Walkmen" genannt werden, nicht der Rede wert, und der Erfinder hat nur noch ein armseliges Gerät im Angebot.
Aber seis drum : Nach wenigen Monaten stehen hier jetzt drei Tapedecks (das Harman hab ich mir zurückgelegt, damit wären es dann vier.. ), sowie ein Sony WM D6C, ein paar reparaturbedürftige Aiwa Walkmen, drei der so ziemlich letzten Generation von Sony, und zwei von Panasonic. Und es werden bestimmt nicht die letzten sein. Denn im Vergleich dazu, was ein aktueller Ipod Touch kostet, gibt es die alte Audiohardware quasi zum Ramschpreis hinterher geschmissen, falls es nicht gerade die begehrtesten Teile sind, die schon immer irre teuer waren.
Bei den Audiokassetten hatte ich teilweise Glück. Nachdem ich gesehen hatte, das die Dinger rar und teuer werden, hab ich noch einen grossen Karton mit 100 Stück TDK 50er DJ ergattern können, bevor die Dinger ausverkauft waren. In einem Trödelladen hat ein Kollege mir noch einige BASF CS II für 40 ct./stck. bekommen, und die SA90 ist ja auch noch relativ gut zu kriegen.
So fertigte ich in den letzten Monaten die eine oder andere Kassette an, und fühlte mich herrlich in meinem (Band)Rausch.... Ich entschleunigte meinen Musikkonsum beim Aufnehmen der Bänder und genoß die Tatsache, das kein Plattencrash, kein Virenbefall oder grobe PC-Bedienfehler meiner Musiksammlung schaden konnte. Umständlich Rechner hoch fahren und die Mp3s auf den Player schieben ? Wozu ? Einfach ins Regal greifen, und ne Kassette mitnehmen ..
Eines Tages dachte ich mir: Das ist doch Esoterik. Du willst dir ein Stück deiner Jugend zurück holen. In Wirklichkeit ist der Klang dieser Dinger doch schrecklich, Millionen Umsteiger ins digitale Zeitalter können doch nicht irren...
Also bat ich eine junge Kollegin (Anfang 20, sie kennt Kassetten allenfalls noch als Hörspiel) aus der Tanzstunde um eine CD ihrer Lieblingsband, und machte davon eine Kassettenaufnahme. Dann drückte ich ihr den Backstein von WM-D6C in die zarten Frauenhände und ließ sie ein paar Lieder lang allein.
Nach den ersten skeptischen Blicken wurden ihre Augen immer größer und sie reichte mir den Walkman nach einigen Songs mit einem ungläubigen "Ich will auch son Ding !!!" zurück. Nach ihrer Einschätzung hörte sie die Instrumente differenzierter, und die Stimme des Sängers würde "leidenschaftlicher" klingen. Ausserdem würde sie das Bandrauschen mögen, es klinge so schön "Old School" ...
Aha... also hatte ich mir das nicht eingebildet. Gestern schenkte ich ihr einen alten Walkman. Und ich glaube, das wird auch nicht der einzige sein, den ich verschenken werde . Denn jeder verschenkte Walkman sorgt auf der Arbeit, in der Schule oder im Zug für Gesprächsstoff... ...
Ich möchte diesem Forum herzlich danken, denn durch das mitlesen habe ich neben meiner alten Liebe zu den Kassetten so einige Interessante Sachen entdeckt. Alleine schon das stöbern in den Kassettenschätzen bereitet einem Freude ...
Aber mit der Freude um die Wiederkehr der Kassette in meinem Wohnzimmer und in meiner Brusttasche mischt sich auch die Wehmut: Nachdem ich gesehen habe, das selbst die SA90 jetzt von der EU Webseite verdunstet ist (in den USA scheint es sie noch zu geben), geht die letzte Chromkassette dahin.
Sicher, manch einer von den älteren hier schüttelt den Kopf, wenn er das Junge Volk sieht, wie es von 30 min. Busfahrt alleine 25 damit verbringt, in tausenden blechern klingenden Songs auf dem Player den gesuchten zu finden.... Aber ... diese jungen Leute wissen es halt nicht besser. Man muss es ihnen zeigen und sie für die alte Technik begeistern. Ihnen vor Augen führen, was ein lebendiges Laufwerk ist, mit Zahnrädchen, Riemen, sich drehende Spulen und aufwickelnden Bänder.... und das es kein Vergleich zu nem toten Speicherchip mit Kopfhörerausgang ist....
Ist es nicht Zeit für ein "SAVE THE TAPE" ? ...
Es grüßt, das :gear: .