Belgischer Bolide
#1
Moin, moin,

vor einigen Wochen hat mich eine Überraschung ereilt, die sich heute fortsetzte: Mein neuer Receiver ist angekommen.

[Bild: Carad2001_14.JPG]

Über die Produkte des Herrn Dipl. Ing. Gabriel Louis Carpentier habe ich mich ja schon ansatzweise ausgelassen (Posting 13): Er baute seit etwa 1925 Transformatoren, Relais, Schalter, Spulen und weitere elektronische Bauelemente der Marke Catran (CArpentier TRANsformateurs), dann seit den späten Dreißiger Jahren unter dem Namen Carad (CArpentier RADio) Radiogeräte, setzte nach einem Wiederaufbau die Fertigung ab 1946 fort, baute auch Fernsehgeräte und eigenwillige Bandmaschinen, außerdem verhältnismäßig früh auch hochwertige Komponenten-Anlagen, bei denen man an HiFi hätte denken können, lange bevor dieser Begriff zumindest in Deutschland bekannt, geschweige denn normiert war. Zweifellos war Carad einer der ersten HiFi-Pioniere in Europa überhaupt!
Carad baute Bandgeräte für das belgische Radio. In Kuurne entstanden Verstärker und Tuner für Thorens, deren Plattenspieler-Vertrieb Carad für Benelux übernommen hatte.
Hohe Ambition und weitgehende Handarbeit waren Charakteristika der Carad. Eingenwillige Lösungen wie der geniale Verstellmechanismus für die Aufnahme unterschiedlicher Spulengrößen oder der praktische Bajonett Verschluß, mit denen die Chassis der Carad-Geräte in ihren Zargen gehalten wurden, hoben den Hersteller deutlich von seinen Konkurrenten ab. Allerdings machte die Individualität der Carad ihre Produktion wohl auch teurer als die der Konkurrenz; jedenfalls geriet Carad in wirtschaftliche Schwierigkeiten, soll 1971 an die britische Thorn-Gruppe verkauft worden sein, und wurde im Jahre 1975 - Herr Carpentier war inzwischen gut siebzig Jahre alt - geschlossen. Thorn erhielt nur die Marke und das Vertriebsnetz, stellte die Produktion in Belgien jedoch ein.

Zweifellos war die Übernahme von Carad durch Thorn ein Einschnitt für die Firma, was sich auch durch die gegenüber ihren Vorgängern veränderte Gestaltung und Konzeption der neuen Geräte äußerte.

In den Jahren 1973 und 1974 war der Thorens 1250 erhältlich.

[Bild: Thorens1250k.jpg]
(Dank an Jacques! für das Bild)

Mein neuer Carad 2001 besitzt Kondensatoren von 1971, das älteste Schaltbild, das ich gefunden habe, datiert auf 1970.

[Bild: Carad2001_01bk.JPG]

Wer erkennt Ähnlichkeiten?

Er sieht ein wenig so aus, als habe man einem Kirksaeter RTX Professional ein wenig Loewe QR-320 hinzu gemischt. Viele Interessante Design-Elemente sind jedoch etwas willkürlich zusammengestellt. Herausgekommen ist ein Bolide von 13,9kg Kampfgewicht mit 2x 60 Watt (an 4 Ohm) in fast modernen Ausmaßen (45 x 15 x 31/34 cm).

[Bild: Carad2001_03ak.JPG]

Die neue Gehäuse-Konzeption – sie erinnert etwas an den Uher CV-140 oder die Nordmende 7500, verzichtet auf die Bajonett-Schraube und bietet dafür einschiebbare Ober- und Unter-Deckel – deutet an, daß der 2001, so wie die R73 aus gleichem Hause, einer neuen Generation Carad angehört. Es wurde gespart: Während zum Beispiel die zweikanaligen Potis für die Lautstärke-Regelung natürlich einen zweiteiligen Knopf benötigen, ist der Einsatz zweiteiliger Drehknöpfe für die einteilige Achse des Umschalters der Kanalwahl wohl nur mit den Erfordernissen des Mengen-Einkaufs zu erklären. Aber wen stört's?

Die Inneren Werte machen denn auch deutlich, daß sich an dem Selbstverständnis des Hauses nicht viel geändert haben kann: Hochwertige Verarbeitung und umfangreiche Ausstattung prägen das Bild!

[Bild: Carad2001_08ak.JPG]

So bietet der UKW-Receiver neben den Eingängen für Mikrofon, Aux, Bandgerät und zwei Plattenspieler, noch für einen für Tape Head. Alle Anschlüsse liegen sowohl in DIN, wie auch im Cinch-Format vor. Der Plattenspieler-Eingang ist zwischen Magnet und Kristall umschaltbar. Hinterbandkontrolle ist möglich. Der Carad verfügt über Anschluß-Klemmen für zwei Paar Lautsprecher-Boxen; linker und rechter Kanal sind getrennt abgesichert. Neben zwei Klinkenstecker für Kopfhörer hat das Gerät noch Ein- und Ausgang zum „Dubbing“ auf der Front und einen zusätzlichen 54 Volt Stromanschluß am Heck.

[Bild: Carad2001_12.JPG]

Die Klangregelung besteht aus kanalgetrennten Reglern für Lautstärke, Bässe und Höhen, dazu aus schaltbarem Loudness-Programm, Höhen- und Tiefen-Filter.

[Bild: Carad2001_13.JPG]

Der UKW-Tuner mit Görler-Empfänger bekommt sein Futter über Antennen-Anschlüsse von 300 oder 75 Ohm und wird über eine beleuchtete, analoge Abstimm-Skala justiert. Tunig-, Ratio-Mitten-Instrument und ein leuchtender Stereo-Indikator sind ebenso vorhanden, wie Muting und AFC.

[Bild: Carad2001_16.JPG]

Der Verstärker kann seine Leistung entweder auf die Kopfhörer, auf die Lautsprechergruppen einzeln oder gemeinsam abgeben, außerdem läßt sich das Gerät auf den linken oder rechten Kanal, auf Stereo oder umgekehrtes Stereo, oder auf Mono stellen.

[Bild: Carad2001_15.JPG]

Ein Ausstattungspaket also, das an einem Kirksaeter oder an den Großen der Japanischen Konkurrenz gemessen werden kann. Nur produzierten Letztere sicherlich preiswerter, bestückten kaum mehr von Hand und hatten begonnen, alle Bauteile auf nur einer Platine unter zu bringen, während der Carad nicht nur mit vielen handgelöteten Einzelplatinen arbeitet, sondern dazu Bauelemente auf beiden Seiten des Chassis angeordnet hat!

So finden sich die fünf Transistoren (2N 3055 und BD130) auch unter herausziehbaren Drahtgittern auf beiden Seiten des Receiver!

[Bild: Carad2001_09ak.JPG]

Technische Daten (lt. Thorens Prospekt)
Verstärker-.Teil
Sinus-Leistung: 2x 60 Watt an 4 Ohm / 2x 35 Watt an 8 Ohm
Übertragungsbereich: 5 - 55.000 Hz (- 3 dB)
Frequenzumfang: 5 - 100.000 Hz (- 0,5 dB)
Klirrfaktor: 0,5 %
Eingangs-Empfindlihckeit / Impedanz: Phono I(MM): 4 mV / 56 kOhm, Phono II (MM): 9 mV / 130 kOhm, Phono II (keramik): 135 mV / 70 kOhm (1 kHz), Micro: 1,1 mV / 56 kOhm, Tape Head: 1,2 mV / 56 kOhm (1 kHz), Aux: 300 mV / 280 kOhm, Tape: 400 mV / 140 kOhm
Signal-Rauschabstand: Phono: 63 dB, Tape Head: 62 dB, Aux: 75 dB
Dämpfungsfaktor: 80 bei 8 Ohm
Impedanz: >= 4 Ohm
Klangregelung: +/- 12,5 dB bei 100 Hz und +/- 13 dB bei 10 kHz
Filter: - 18 dB / Okt. bei 3 kHz und -12 dB / okt. bei 100 Hz
Loudness: + 11 dB bei 50 Hz und + 5 dB bei 10 kHz (bei - 30 dB)
Tuner-Teil
Empfindlichkeit: 1 µV bei 26 dB Signal-Rauschabstand (Gesamtbegrenzung bei 2 µV)
Singal-Rauschabstand <= 70 dB
Klirrfaktor: <= 0,3 %
Selektivität: >= 66 dB (300 Hz)
Dämpfung AM: >= 50 dB
Übersprechen: 40 dB / 1 kHz
Pilotton-Dämpfung: >= 30 dB / 19 kHz, >= 50 dB / 38 kHz
Frequenzband: 87,5 - 108 MHz
FM-Bandbreite: 160 kHz

Abmessungen: 450 x 140 x 305 mm
Gewicht: 14 kg

Das unausgewogene Design wird sicherlich keine Begeisterungsstürme auslösen. Das kann das eines Marantz aber auch nicht! Zweimal Sechzig Watt sind unter denen, für die ein Receiver ein „Monster“ sein muß natürlich ein Ausschluß-Kriterium. Macht weiter so, Unwissende, dann bleibt von den besonderen Sachen mehr für mich. Denn etwas Besonderes ist dieser Carad auf jeden Fall. Und selten zudem. Darf bleiben.

Tschüß, Matthias


P.S.: Dieser Text samt Bilder ist ausschließlich für die interne Verwendung durch Besucher des "Bandmaschinenforum" gedacht. Die durch Klammern herausgehobenen oder kursiv gesetzten Zitate unterliegen gegebenenfalls Urheberrechten Dritter. Eine, auch auszugsweise, private oder gewerbliche Nachverwertung ohne schriftliche Genehmigung ist ausdrücklich untersagt.
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#2
Hallo,

unausgewogenes Design trifft man ja häufig an - soooo "daneben" empfinde
ich persönl. den Carad nicht. Einfach mal was anderes.
Die Ausstattung halte ich für, im positiven Sinne, aussergewöhnlich.
Der Carad dürfte bei mir auch bleiben. Wink (...wenn Du mal einen 2ten
in die Finger bekommst und nicht weisst, wohin damit....)

Gruss

Peter
Time flies like an arrow. Fruit flies like a banana. (...soll Groucho Marx gesagt haben, aber so ganz sicher ist das nicht...)
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#3
Zitat:PeZett postete
unausgewogenes Design trifft man ja häufig an - soooo "daneben" empfinde
ich persönl. den Carad nicht. Einfach mal was anderes.
Das Design finde ich für ein hochwertiges Gerät unpassend. Die Frontplatte sieht nach Teleton oder vergleichbaren Low-Cost-Geräten aus.
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#4
So schlimm finde ich die Formgestaltung gar nicht. Die schon erwähnten Marantze von damals sahen viel gräßlicher aus.
Wäre eine Innenansicht noch machbar? :o)

MfG

DB
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#5
@DB

...
Zitat:So schlimm finde ich die Formgestaltung gar nicht.
Ganz meine Meinung...

@timo

Ich persönl. sehe Design immer auch etwas unter dem Gesichtspunkt
zeitgenössischer Produkte. Billiges Design gibt es da für mich nicht - ent-
weder "es passt" oder eben nicht. (Zumal die 4 Profilkanten der Carad-
Front im fertigungstechn. Sinne sicher alles andere als preiswert
waren). Zugegeben: die Drehknöpfe sind (für meinen Geschmack)
etwas zu gross geraten und die profilierten Seitenteile wollen nicht
so recht zur Front passen. Das ist es aber auch schon. Dass Carad
für die Funktionstasten schwarzen Kunststoff gewählt hat, ist
zur damaligen Zeit keine Seltenheit gewesen (siehe HK 330B, Leak 3400
oder Sherwood S7210... ....einige Hitachi´s sind mir auch bekannt)
Richtig "verunglücktes" Design sieht für mich etwas anders aus:
zum Beispiel in Gestalt eines Sonab R4000 oder Sonab R2000,
eines L&G R 3600 oder eines Handic 3030 (also, wer die Dinger
"geshaped" hat, .... )

Letztlich aber wohl alles Geschmacksache.

Gruss

Peter
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#6
Moin, moin,

auch Design kann man qualifiziern, einerseits nach funktionalen, andererseits nach vereinbarten ästhetischen Gesichtspunkten. Dabei geht es weniger um's "gefällt" oder "gefällt nicht"; eine solche Bewertung steht jedem Betrachter persönlich zu (auch wenn das Berufs-Ästheten natürlich anders sehen).

Der von Peter genannte Sonab R4000 entspricht den ästhetischen Regeln übrigens mehr, als dieser Carad. Es scheint nur, Peter mag den Sonab nicht. Das ist seine persönliche Entscheidung und damit in Ordnung.

Die Frontplatte des Carad besteht aus drei Bereichen, die in sich stimming konzipiert sind, die auch nach einem nachvollziehbaren Muster zusammengestellt wurden, nur ergeben sich aus der Addition der einzelnen Elemente weitere Anforderungen der Ästhetik, die der Carad insbesondere im Gleichgewicht und im Größenverhältnis zueinander nicht mehr erfüllt.
Zur Funktionalität würde man am Carad zumindest bemängeln können, daß die Netztaste und der Lautstärke-Regler nicht durch Lage oder zumindest Größe abgesetzt sind.

Wie gesagt geht es hier um gestalterische Grundregeln. Zu deren Erfüllung hatten Firmen wie Wega (Panton, Esslinger) oder Braun (Rams, Hartwein) Spezialisten hinzu gezogen. Viele andere Unternehmen jedoch richteten das Design eher an den Erfordernissen der Produktion, als an denen des späteren Besitzers aus. Das ist offensichtlich hier der Fall, wo die Zusammenfassung gleichartiger Bearbeitungsformen der Frontplatte für die Gestaltung maßgeblich gewesen zu sein schien.

Die Verwendung von Material sollte man übrigens nicht mit "billig" assoziieren: Der Einsatz von Kunststoff wurde in bestimmten Zeiten eher als "modern" bewertet; glatte Frontplatten, wie sie in amerikano-japanischem Design vorherrschten, galten hingegen aus gestalterischer Sicht als "einfallslos".
Zum Carad ist zu sagen, daß der an keiner Stelle "billig" anmutet. Ein Kleinst-Hersteller wie Carpentier wird eher den Fehler gemacht haben, sich an erfolgreichen Vorbildern wie Marantz zu orientieren, die nach dem Motto "Protz paßt in die kleinste Hütte" die stilistische Entgleisung als Designelement vom Autobau auf das HiFi-Möbel übertragen hatten. Wo das in Europa verbreitete "Softline"-Design das Ideal der Einpassung in das Wohn-Umfeld vertrat, geht es bei den Amerikanern eher ums Auffallen: "Hier bin ich!" Und genau dadurch waren sie ja auch erfolgreich...

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#7
Hallo,

...meine Wenigkeit (als bekennender Freizeit-Ästhet Wink) empfinde
den zitierten Sonab jedenfalls als "daneben".
Mitleser mögen sich gerne hier Ihr eigenes Bild machen.

http://wegavision.pytalhost.com/sonab72/sonab73-13.jpg

Und auch der 2000er (der mit den senkrecht und waagerecht angeodneten
Schiebe-Potis) will mir so rein gar nicht...

Aber s´ist, wie Matthias schon richtig schreibt, meine persönl. Empfindung.
(Und OT obendrein auch noch...)

Gruss
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#8
Moin, moin,

kürzlich konnte ich einem Angebot für einen Nachfolger des oben gezeigten Carad 2001 nicht widerstehen.

[Bild: 555_00k.jpg]

Bei dem AM/FM Stereo Receiver Carad 555 dürfte es sich um ein Modell handeln, das aus der Periode stammte, als die Marke Carad, unter Führung von Thorn, bereits ihre Eigenständigkeit verloren hatte.

[Bild: 555_01k.jpg]

Die Bezeichnung von Bauteilen deuten darauf hin, dieses Modell dürfte um 1976 entstanden sein, also nach Auslaufen der eigenen Produktion und auch nach den bei ferguson unter der Makre Carad gefertigten Geräten.
Neben diesem zierte der Name „Carad“ die Front eher einfacher OEM-Geräte.

[Bild: 555_03k.jpg]

Äußerlich erinnert der Carad 555 noch an den großartigen Carad 2001, während bereits das Markenemblem und auch der innere Aufbau im Zeichen der neuen Zeit stehen. Das gab mir Hoffnung zur Vermutung, beim Entstehen dieses Steuergerätes habe es noch echte Carad-Werker gegeben, die den 555 zumindest konzipiert haben, während die Produktion wohl schon in Asien erfolgt sein dürfte.

[Bild: 555_I02k.jpg]

Der Carad 555 ist mit einem analogen 2-Band Radioempfänger für UKW und Mittelwelle ausgerüstet. Der Drehkondensator und die Potis stammen von Alps.

[Bild: 555_I12k.jpg]

Die drei Vielbeiner auf der Tuner-Platine sind von NEC (UPC30C), Sanyo (Stereo-Decoder A3350) und Hitachi (Demodulator HA1137).

[Bild: 555_I09k.jpg]

Der Frequenzbereich des UKW-Tuners genügte internationalen Ansprüchen: Daß heißt, das UKW-Band beginnt bei unter 88 und reicht bis über 108MHz.

[Bild: 555_14k.jpg]

Ein Stereo-Indikator zeigt den Empfang von UKW-Stereo-Sendungen an, zwei beleuchtete Drehspulinstrumente die Feldstärke und die Ratiomitte.

[Bild: 555_I01k.jpg]

Zudem gibt es eine Mono-Umschaltung zur Steigerung der Empfindlichkeit des Tuners sowie ein FM Muting für die Unterdrückung des Zwischenfrequenzrauschens bei seiner Abstimmung.

[Bild: 555_12k.jpg]

Das Tuner-Teil verfügt über Antenneneingänge für 75 Ohm und 300 Ohm, zudem über eine abklappbare Ferrit-Antenne. Die Leitungen werden mit Hilfe von Schraubklemmen befestigt.

[Bild: 555_06k.jpg]

Der Vorverstärker bietet Anschlußmöglichkeiten für einen Plattenspieler (MM), zwei Aufnahmegeräte und zwei Hochpegelquellen. Es sind Cinch-Buchsen vorhanden, zusätzlich für TB2 eine parallel geschaltete DIN-Buchse. Da der Tuner bereits eingebaut ist, erlaubt das Vorhandensein von allein zwei Aux-Anschlüssen den Betrieb zum Beispiel eines CD-Players und eines weiteren Hochpegel-Gerätes, so eines externen Phono-Vorverstärkers oder eines Mischpultes am Carad.

[Bild: 555_11k.jpg]

Den beiden Aufnahmegeräten kann per Druckknöpfe eine Monitorschleife zugeordnet werden, Dabei ist das Überspielen von Tape A auf Tape B möglich.

[Bild: 555_13k.jpg]

Die Klangregelung besteht, neben Lautstärke und Balance, noch aus Höhen- und Tiefenreglern, sowie aus einem Loudness-Programm für die gehörrichtige Lautstärke-Korrektur und einem Höhenfilter für die Rauschunterdrückung, was vor allem für den Plattenspieler-Eingang gedacht war und die sogenannten Nadelgeräusche, das Knistern und Knacken, unterdrücken helfen sollte.

[Bild: 555_10k.jpg]

Die Endstufe kann wahlweise stumm geschaltet werden, wenn zum Beispiel ein Kopfhörer angeschlossen ist, oder eine von zweien, oder beide Lautsprechergruppen gleichzeitig, betreiben werden

[Bild: 555_07k.jpg]

Sie wird von zwei Paaren Toshiba 2SB558 / 2SD428 befeuert. Die Leistung (des Wintec 555) wird in einem Forum mit "30 Watt pro Kanal" kolportiert, wobei ich weder die zugrunde liegende Impedanz noch Norm (DIN, IHF, RMS etc.) kenne und auch nicht weiß, ob Sinus- oder Musikleistung gemeint ist. Ich unterstelle allerdings 2x 30 Watt Sinus.

[Bild: 555_I04k.jpg]

[Bild: 555_I05k.jpg]

Ein zeitgemäß großes, mit zwei 6800µF Siebelkos ausgestattetes Netzteil sorgt für hinreichend Spannung

[Bild: 555_I06k.jpg]

Insgesamt ist der Aufbau recht übersichtlich, jedes logische Modul auf deutlich voneinander getrennten Platinen aufgebaut, die zum Teil gleichsam von vorn und hinten zugänglich sind.

[Bild: 555_I07k.jpg]

[Bild: 555_I08k.jpg]

[Bild: 555_I10k.jpg]

[Bild: 555_I11k.jpg]

[Bild: 555_I13k.jpg]

[Bild: 555_I14k.jpg]

Das Design des Carad ist weiterhin etwas skurril gestaltet: An die beiden links oben an der Frontplatte befindlichen Drehspulinstrumente schließt eine sehr flache analoge Skala an, die sich über die restliche Breite der Frontplatte zieht und an das Vorgängermodell erinnert, aber auch beispielsweise an Clarion-Tuner der frühen Achtziger Jahre.

[Bild: 555_04k.jpg]

Unter dem Instrumenten-Teil befinden sich, von links nach rechts, die runden Drucktasten für das Ein- und Ausschalten, in einer Gruppe angeordnet, für Höhenfilter, Loudness, Mono und FM-Muting, und, als Paar angeordnet, für Monitor A und Monitor B. In einer dritten Ebene liegen schließlich die Kopfhörer-Buchse und, daran anschließend, der Ausgangswahlschalter, die Klangregelung, Balance, Lautstärke, dann die Quellwahl und schließlich der Drehknopf für das Tuning. Die Drehknöpfe unterscheiden sich in der Größe, überraschenderweise ist aber insbesondere der wichtige Lautstärkesteller kaum von den anderen Knöpfen abgesetzt.

[Bild: 555_I20k.jpg]

Die Verarbeitung des Receiver ist gut: Das Gerät ist auf einem soliden Metall-Chassis aufgebaut, auf das die einzelnen Platinen verschraubt sind. Ebenfalls daran geschraubt sind Front- und Rückwand, beide wiederum aus Metall. An den Stehwänden sind sämtliche Anschlüsse direkt verschraubt. Von unten ist ein Metallboden mit einer Vielzahl von Schrauben befestigt, an Chassis und den beiden Stehwänden wiederum der Deckel mit insgesamt acht Schrauben.
Interne Abschirmungen gibt es nicht, dafür liegen die einzelnen Funktionselemente recht weit auseinander. Nicht so schön gelöst ist das Element für den Anschluß der Lautsprechergruppen, das direkt hinter dem Netzteil liegt und dessen Kabel-Zuleitung durch den gleichen Kanal mitsamt den Strom Zu- und Ableitungen für die rückwärtigen Netzanschlüsse und den Trafo geführt sind.

[Bild: 555_I21k.jpg]

Offensichtlich ist der Carad in Asien hergestellt. Zumindest sind keine Bauteile erkennbar, die auf eine europäische Beteiligung hinweisen. Selbst der bis dato übliche CarTran-Trafo ist hier nicht mehr zu finden. Auch wird die Umschaltung der Netzspannung nicht mehr durch das Umstecken eines Steckers gelöst. Der Carad verträgt 220 und 240 Volt ohne Umschaltung.

Abgesehen von dem eigenwilligen Design ist an dem 555 wenig typisch Carad. Es ist halt ein solide aufgemachtes Steuergerät konventioneller Art, dessen hervorstechendstes Merkmal der zweite Hochpegel-Eingang ist.

Die Besonderheit des Carad 555 resultiert aus seiner zweifellos Seltenheit. Keine Ahnung, wie viele Meter Radius der Zirkel haben wird, in dem sich kein zweiter 555 befände, würde man denn in der Umgebung fragen. Auch eine Art, mit den Nachbarschaft in Kontakt zu kommen.

[Bild: 555_02k.jpg]

Leider kann ich so überhaupt nichts zu den technsichen Daten des Steuergerätes sagen. Die Abmessungen betragen 405 x 130 x 310 mm. Einige Bauteil-Bezeichnungen an der Ferrit-Antenne und dem Alps-Dreko deuten für mich darauf hin, mein Gerät wird kaum vor 1976 gebaut worden sein. Oder sie bedeuten ganz was anderes. An der Schlußfolgerung ändert sich dabei aber wenig.

[Bild: 555_05k.jpg]

Doch vielleicht wissen andere mehr? Jaques, hilfe!

Tatsächlich habe ich zu diesem Carad im universumsweiten Netz sowas von überhaupt nichts gefunden, daß man den Eindruck bekommen könnte, den Carad hätte es nicht gegeben. Auch in Fono Forum, The Grammophone oder Funkschau findet sich nicht einmal eine Meldung über seine Präsentation auf einer Messe. Doch immerhin gibt es Fotos. Also gibt es ihn. Doch halt ziemlich selten!

Tschüß, Matthias

EDIT:
Inzwischen ist im genannten, universumsweiten Netz, doch etwas aufgetaucht, das mir die Abstammung des Carad glaubhaft macht. Der Wintec 555 der japanischen Firma Monarch Ltd.
Schaut ins Posting 028 ff

Das Gerät scheint soweit identisch, lediglich das Marken-Emblem des Wintec ist nicht aufgeklebt, sondern graviert. Zudem hat der Wintec 555 kleinere Geschwister und die Reihe auch weitere Geräte, zum Beispiel Tapedecks. So mag ich glauben, Wintec bzw. Monarch sei möglicherweise mehr als nur eine weitere Marke, für die der Hersteller den 555 gebaut hat, vielleicht eben selbst der Produzent.
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#9
Hallo Matthias,

...warum hat das erhabene Carad-Schild auf der Front so eine
Signalwirkung auf mich? Warum ist auf der Rückseite so rein gar
nichts auf die Herkunft weisendes aufgedruckt? (Oder sehe ich
da über der SN Fragmente einer ehemal. Typenbeschriftung?)
Wieso kommt mir das Erscheinungsbild des Gerätes so bekannt vor?
(Nikko, Strato... ...wo soll ich den Receiver nur hinpacken?)
Auf jeden Fall teile ich Deine Vermutung auf asiatische (japanische) Herkunft.

Was bleibt, sind noch mehr Fragen...

Und vielleicht eine noch: wäre es denkbar, daß es dieses Modell
eigentlich gar nicht gibt? (Du verstehst, was ich meine und hast vielleicht
schon selbst in die Richtung gedacht...)

Gruß

Peter
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#10
Zitat:PeZett postete
...Und vielleicht eine noch: wäre es denkbar, daß es dieses Modell
eigentlich gar nicht gibt? (Du verstehst, was ich meine und hast vielleicht
schon selbst in die Richtung gedacht...)...
Hallo Peter,

soweit gedacht habe ich tatsächlich noch nicht!

Wenn Du hier kuckst: http://www.hifi-archiv.info/Carad/ und Dir die Seiten mit den "C"-Modellen anschaust, dann ahnst Du, was es unter der Marke Carad gegeben hat!
Insofern möchte ich nicht glauben, ein Carad-Fan hätte sich das Typenschild selber geschnitzt und aufgeklebt.
Seber "geschnitzt" und "aufgeklebt" worden sein dürfte das Typenschild natürlich. Von den Thorn-Leuten (bei Carad?) Und ich will nicht ausschließen, darunter käme, würde man es denn abkratzen, eine ganz andere Bezeichnung vom Vorschein.

Aber das ist nicht unüblich. Ich hatte mal eine Voigtländer VSL-1, bei der das Markenzeichen auf einer aufgeklebte Metallfolie gedruckt war und an deren Kappe unter dem "Made in Germany" (von Zeiss-Ikon) in offensichtlich anderem Schrift-Fond "by Rollei" graviert war. 1974 hatte Franke & Heidecke neben dem ehemaligen Voigtländer-Werk auch einige fertige Zeiss-Ikon SL-706 (Icarex) erworben, die nun unter anderem Namen als "Ifbaflex" und "Voigtländer" verkauft werden mußten. Also hatte man Marken- und Typenbezeichnung ausgefräst und überklebt und die Gravur ergänzt. Sind heute seltene Sammlerstücke. Und ich Trottel hab's weg gegeben!

Ich glaube also daran, daß dieser Carad 555 tatsächlich ein Thorn-Produkt ist. Die Herkunft seines eigenwilligen Äußeren - die Frontplatte -, das ich mit keinem japanischen Receiver assoziiere, vermute ich letztlich bei Carad - was davon auch immer noch übrig gewesens war.

Aber vielleicht zieht hier ja ein Carad-Kenner lesend vorbei und kann uns aufklären!

Tschüß, Matthias
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#11
Hallo Matthias,

ich bin sicher, daß Du die Geräteliste auf der Radiomuseum-Seite
schon längst gelesen hast. Dort gibt es ja einen PA555 (Verstä.),
der aus den 60ern stammt. Ob die dort hinterlegten Herstellerinfos
autentisch sind vermag ich nicht zu beurteilen, für Interessierte verlinke ich sie
trotzdem einmal:
http://www.radiomuseum.org/dsp_herstelle...ny_id=6842

Du (Matthias) wirst sie ohnehin kennen...

Demnach wäre bei Carad 1975 Schluß gewesen, wie Du ja auch schon im
Ausgangspost zum 2001er geschrieben hast. Was Thorne dann mit dem
Label angestellt hat? (Vermutlich weiterverscherbelt oder einschlafen lassen)

Wenn die Front des 555 tatsächlich noch unter Mithilfe von Carad-
"Restbständen" entstanden ist, will mir der aufgepappte
Herstellerschriftzug nicht in den Kopf. Bei einer exklusiv für dieses
Gerät designten Front ist ein solches "Papperl" unnötig aufwändig -
direkter Siebdruck des Logos wäre naheliegender. Es sei denn, das
erhabene Schild soll Stilelement gewesen sein - aber das wäre dann
irgendwie ein Griff ins Klo gewesen, stört´s doch die ansonsten
klaren Linien der Front gewaltig.
Egal - persönlich gefärbte Vermutungen, die uns hier nicht weiter bringen.

Was das Innenleben angeht, kommt mir der Aufbau aus kleinen Hitachi,
Sanyo oder Toshiba-Geräten bekannt vor (letzteres nicht unbedingt wegen
der Endtransistoren, sondern von der Art der einzelnen Baugruppen).
Aber auch hier schöpfe ich kein echtes Wissen sodern nur aus meinem
"Erinnerungsbrei" der von mir in den letzten Jahren geöffneten
Geräte.

edit: ...den techn. Daten dürfen wir jedenfalls unterstellen, in der Ausgangs-
leistung des Endstufenteils meilenweit (nach unten) vom zuerst genannten
2001 entfernt zu liegen.Wink

Gruß

Peter
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#12
Hallo Peter,

folge einfach mal meinem Link zu Wegavision und schaue Dir die Modelle an, deren Typenbezeichnung mit "C" beginnt. Das sind die Geräte, die von Thorn als Carad verkauft wurden. Später gab es dann noch Allerwelts-TV-Geräte, Waschmaschinen etc.
Nicht zu vergessen, Thorn war bis zur Fusion mit der EMI (1979) Großbritanniens größter TV- und Radiohersteller. Nicht zufällig gleichen die späten Carad ("C") den Ferguson der gleichen Ära.

Ich glaube übrigens nicht, das dieser 555 - außer als Reminiszenz - etwas mit der Version aus den Sechzigern zu tun hat, denn das war ein Verstärker! und konzeptionell einwandfrei ein Carad.
Auch dürfte bei diesem Receiver kein "übrig gebliebenes" Teil aus eigener Fertigung verbaut worden sein. Es paßt rein garnichts zu den Vorläufern. Nur die Konzeption mit der in drei Bedienebenen aufgeteilten Front erinnert an den Vorläufer.

Meine These: Dieser Carad wurde nach Vorgaben aus Kuurne (oder schon aus London?) komplett bei einem OEM-Hersteller gefertigt. Vielleicht war er sogar nicht nur als "Carad" gedacht, sondern sollte auch als Thoren auf den Markt kommen, oder als Ferguson, Ultra oder unter einem anderen Thorn-Label. Deshalb hat man mögicherweise das auswechselbare Typenschild eingesetzt: Aus Japan kommen die fertigen AM/FM Stereo Receiver Modell 555 und in Belgien (oder England) wird dann das Markenemblem drauf gepappt.
Jetzt müsste man jemanden kennen, der etwas zum OEM-Liefervertrag zwischen Carad und Thorens sagen könnte. Vielleicht lief der ja 1975 noch und die Schweizer warteten auf Nachschub aus Kuurne.

Ob die Ausgangsleistungen tatsächlich meilenweit auseinander liegen, ist eine andere Frage. Der TPAS 74, auch 2001 genannt, ist in der Schaltung mit 2x 35 Watt angegeben. In der anderen höher.
Übrigens. fällt auf: R73, TPAS74... Ob die Ziffer wohl für den Jahrgang steht? [EDIT: eher nicht, zumindest in der Nomenklatur nicht durchgängig]

Demnächst krieg Lutz weiteres Carad-Futter für Wegavision. Unter anderem dürfen sich auch Besitzer des 2001 freuen Wink

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#13
Hallo Matthias,

Zitat:...Ich glaube übrigens nicht, das dieser 555 - außer als Reminiszenz - etwas mit der Version aus den Sechzigern zu tun hat...
so habe ich das auch nicht gemeint - war nur ein Hinweis auf ein (grundsätzl.)
anderes Modell mit gleicher Bezeichnung.

Deine These der OEM-Fertig. vertrete ich auch... ...und wenn der "555" auch für
andere Labels aus dem Hause Thorn gedacht war, macht auch das
aufgepappte Carad-Schild wieder mehr Sinn. Dann müsste es aber unter den
genannten Labels ein Gerät gegeben haben, das die gleiche Front hatte.
Da stellt sich mir die Frage, wo es alte Produktinfos über Ferguson "& Co."
gibt.

Danke übrigens für den Hinweis auf Wegavision ("Carad-Futter").

Gruß

Peter
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#14
Moin, moin,

ich habe mich mal wieder nicht zurückhalten können. Beschwert Euch bei Peter und Hanns-D.!

Die Geschichte von Carad lüftet sich ein wenig. Oder nicht? Umso mehr man erfährt, desto mehr Fragen stellen sich. Zumindest habt Ihr hier, für die nächsten fünf Minuten Gültigkeit, die umfangreichste Informationssammlung zum Thema Carad, im Umkreis von 250 Metern herum um eine Kuh in Hamburg (Neuwerk).

Carad, das war die Marke des um 1905 geborenen Dipl.-Ing. Gabriel Louis Carpentier, Sproß einer in der Flachs-Industrie tätigen Familie. Carpentier gründete um 1925 die Etablissement G.L. Carpentier N.V. (Etabl. G.L. Carpentier S.A.) in Kuurne (Cuerne / Courtral), West Flandern, in Belgien und begann die Produktion von elektromechanischen Bauelementen für die belgische Radioindustrie. Bereits um 1939 fing er mit dem A525AF die Herstellung von eigenen Radiogeräten an.
Das Werk in Kuurne wurde im Mai 1940 zerstört, später wieder aufgebaut, so daß ab 1946 wieder eigene Radiogeräte hergestellt werden konnten. Schalter, Relais und Dreh-Kondensatoren erschienen unter dem Markenamen GLC (Gabriel Louis Carpentier), Spulen und Transformatoren als CarTran (Carpentier Transfomateurs), sowie Radiogeräte mit dem Namen CaRad (Carpentier Radio). Ab 1954 baute Carpentier dann auch Fernseh-Empfänger der Marke Carad, deren Entwicklung schon 1948 begonnen worden war. Immer wieder tauchen schon zur Röhrenzeit zum Beispiel Bauelemente von Cartran, und auch ganze Carad-Chassis, in Geräten anderer Hersteller auf (z.B. bei Klangfunk, Socora, GRS).

Die Produktpalette in der Audio-Sparte von Carad bestand aus Radiogeräten und Radiotruhen hohen Anspruchs. Bereits in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre, eine Quelle nennt sogar konkret 1950, erschien ein erstes Tonbandgerät EMR32PA. Es zeigt bereits typische Eigenschaften späterer Carad-Geräte, so den Koffer mit dem über dem Tapedeck angeordneten Cartran-Netzteil. Das Tapedeck des EMR32PA war jedoch noch keine eigene Konstruktion, soll auf das Sound Mirror BK416 der Brush Development Company aus Ohio / USA zurück gehen.

Ende 1954 kam schließlich mit dem Professional R62PA die erste eigene Bandmaschiene von Carad heraus. Unverwechselbares Zeichen eines originalen Carad ist die verstellbare Achslage der Wickelteller (schaut mal im hier: https://tonbandforum.de/showthread.php?t...5#pid58825); die lassen sich auseinander schieben, so daß die Maschinen auch große Spulen aufnehmen können. Eine zweite Version sei 1958 auf Wunsch des belgischen Radios, mit Relais-gesteuerten Bremsen und Bandzählwerk, modifiziert worden. Das Gerät war samt Koffer gemäß der Preisliste von 1958 für 17.850 belgische France zu haben gewesen. In jenem Jahr gab es bereits drei Mischpulte, Mikrofone, eine Fernbedienung und ein Fußschalter im Zubehörprogramm. Eine dritte Version der R62PA mit magischem Auge (EM84), anstatt magischem Band, und zwei Geschwindigkeiten (9,5/19 oder 19/38 cm/s) gab es von 1961-63. Quellen sprechen sogar von einer Transistor-Version R66, die im Jahre 1966 erhältlich gewesen sein soll.

Die Bandmaschinen genügten Kleinstudio-Ansprüchen, waren sehr solide konstruiert und verarbeitet. Auf ähnlichem Niveau waren auch die Verstärker und Radioempfänger von Carad einzuordnen. Sie gehörten, schon lange vor der Veröffentlichung einer DIN-Norm in Deutschland und der damit einhergehenden Verbreitung der Idee von High Fidelity in einem breitem Publikum, zu den hochwertigsten Audio-Komponenten, die es in Europa zu kaufen gab.
Carad baute AM- und FM-Tuner, Vollverstärker, Vorverstärker und Endstufen, in mono und bald auch in stereo. Selbst Lautsprecherboxen mit Kelly-Bändchen-Hochtöner (Decca) und Goodmans-Tieftöner sollen im Programm gewesen sein.

Ich neige dazu, Änderungen im Programm und im Management einer Firma miteinander in Verbindung zu bringen. Etwa ab 1966 erschienen erste Transistor-Geräte der Marke Carad. Es heißt, in den Sechziger Jahren beerbte Jacques Gabriel Carpentier, der Sohn des Firmengründers, seinen Vater in der Unternehmensleitung.
Ob damit in Zusammenhang, oder nicht: Der ehemalige Carad-Entwicklungs-Ingenieur Baert trennte sich im Streit und gründete in Kortrijk die Firma Artec Electronics (Audio, Radio, Television and Electronic Constructions), in der eine Reihe von Röhren- und Transistorverstärker und -Tuner, aber auch Bandmaschinen und Beschallungsanlagen entstanden. Angeblich hat Artec teilweise bei Carad Chassis zugekauft, und Vorprodukte, zum Beispiel Module von Görler, zusammen mit Carad beschafft um somit auf günstigere Einkaufspreise zu kommen.
Die Marke Artec gibt es übrigens heute noch. Die Eigentümerin Baert P.V.B.A., Entwickler und Hersteller von Lernsystemen, digitalen und Multimedia-Sprachlaboren, wurde 1989 von der belgischen Televic-Group übernommen.

Zweifellos ist Carad einer der frühen europäischen HiFi-Hersteller gewesen. Im Vergleich zur Konkurrenz vielleicht einer der Marken mit dem höchstwertigsten Geräten überhaupt. Dabei scheint, neben dem Tapedeck, die Basis des Programms der Verstärker mit 12 Watt (RMS) Ausgangsleistung, EL84-Ausstattung und speziellem Cartran Ausgangsübertrager gewesen zu sein. Entsprechend wird die Leistung des Mono-Verstärkers PAS29 mit 12 Watt, der Stereo-Endstufe AAS26 mit 2x 12 Watt, und selbst die der Röhren-Endstufen in den Bandgeräten mit 12 Watt angegeben.
Charakteristikum der Carad war dabei immer die recht hohe Fertigungstiefe, die die Zulieferung durch die hauseigene Bauelemente-Produktion möglich machte.
Charakteristikum der Carad-Geräte war die umfangreiche Handarbeit in der Produktion, die sich auch durch die weitgehend freie Verkabelung im Innern der Röhren-Geräte darstellt.
Charakteristikum der Carad ist auch die durchgehende Chassis-Konstruktion, die bis Ende der Sechziger Jahre beibehalten wurde. Eine Vierteldrehung an zwei Schlitzschrauben-Köpfen am Heck der Geräte und ein Carad-Bandgerät läßt sich aus seinem Koffer entnehmen; je eine Vierteldrehung an zwei Schlitzschrauben-Köpfen am Heck der Geräte und der U-förmige Gehäusedeckel läßt sich vom Chassis des Tuners oder Verstärkers abziehen.

Neben der eigenen Marke baute Carpentier seine HiFi-Geräte auch für die schweizer Thorens: Beispielsweise der 1250, 2000 und 2001 sind Belgier. Auch wird kolportiert, der Thorens FM4, baugleich ist ein Sennheiser EFM303, sei von Carad geliefert. Dafür habe ich jedoch keine Belege.
Bereits in den Sechziger Jahren hatte Carpentier jedenfalls die Distribution für Thorens-Plattenspieler für Benelux übernommen. In den eigenen Radiotruhen fanden sich, neben Dual- und Garrard-, vor allem Thorens-Plattenspieler.
Die "Radiogramm" genannte Anlage ProArte (1962) dürfte eine der höchstwertigsten "Musiktruhen" überhaupt am Markt gewesen sein. Sie bestand aus Vorstufe, Endstufe, Tuner, Bandmaschine und einem TD124, und erfreute sogar den Schah von Persien (Iran)
Möglich wurde die große Palette an Radiotruhen in unterschiedlichsten Bauformen durch die konsequente Chassis-Konstruktion der immer gleich großen Carad-Komponenten, die ohne Umbau in beliebiger Weise in Gehäuse oder Truhen eingebaut werden konnten.

Äußerliches Merkmal der ersten Generation von Carad HiFi-Geräten scheint der güldene Hammerschlag-Lack und die braunen, bauchigen Kunststoff-Regler. In der zweiten Serie der Röhrengeräte wurden die Gehäuse silbern und die Form der Drehknöpfe schlanker.
Mit den Transistor-Komponenten straffte Carpentier die Gestaltung der Frontplatten und Schaltelemente, ohne das generelle Design zu verändern. Die Fronten waren nun silbern und schwarz. Die Gehäusekonzeption und -Dimensionen blieben immer gleich. Die "originalen" Carad sind daher einwandfrei identifizierbar.

Auf die R62 war die R53 (1963) gefolgt, in der Transistor-Zeit dann die R59 (ab 1968), die noch immer die gleichen Konstruktionsmerkmale besaß, aus heutiger Sicht jedoch moderner daher kommt, in der Gestaltung ein wenig an britische Brenell Mk.VI erinnert, denn auch die R59 besteht offensichtlich aus getrenntem Deck und Unit, so daß ein Einbau in einer Truhe ganz einfach auch ohne Verstärker-Elektronik möglich war.

Für das Ende der Sechziger weiß eine Quelle von einer R68 zu berichten, einer Abart der R59, die als Sprachlabormaschine für Siemens und Telefunken gebaut worden sein soll. Unbestreitbar gibt es zu Beginn der Siebziger Jahre eine Siemens R70 und eine R78 (http://forum2.magnetofon.de/f2/showtopic...adid=10546), die mit Cartran-Relais ausgestattet war.
Bereits Ende der Sechziger Jahre hatte es Carad-Lautsprecherboxen mit Peerless- oder Decca Ribbon-Hochtönern, sowie Peerless- oder Wharfedale 15"-Tieftönern gegeben.

Ende der Sechziger Jahre dürfte Carpentier bereits arge wirtschaftliche Probleme gehabt haben; angeblich zeigte sich das schon an der einfacheren Ausführung der Schaltungen der Carad-Transistorgeräte gegenüber den Vorläufern mit Röhren. Quellen berichten von Zahlungsschwierigkeiten, die schließlich dazu geführt hatten, daß der britische Thorn-Konzern, bereits größter Rundfunk- und TV-Hersteller Großbritanniens, Carad übernehmen konnte. Die FUNKSCHAU berichtete jedenfalls in der Ausgabe 11 von 1972, "In Belgien wurde die Fernsehgerätefabrik Carpentier S.A. mit einer Jahreskapazität von 10.000 Stück übernommen."
Das soll bereits im Jahre 1970 oder 71 gewesen sein und wird anhand des dreizackigen Thorn-Logos vor der Markenbezeichnung auf den Prospekten deutlich. Die Marke "Thorn Carad" wurde übrigens ausschließlich in Belgien benutzt (Funkschau 19/73)
Tatsache ist wohl, bereits 1974 war die wirtschaftliche Lage so schlecht, daß Thorn die Schließung von Carad beschoss. Im Bildarchiv der katholischen Universität Leuven findet sich ein Foto, das eine Werksbesetzung durch Demonstranten zeigt, die sicherlich nicht für besseres Kantinenessen protestiert hatten. Kurz darauf wurde Carad jedenfalls geschlossen.

Thorn, das war der Konzern des Österreichers Jules Thorn (geb. 1899, gest. 12.12.80). Der war 1928 nach England ausgewandert und war als studierter Betriebswirt einer der wenigen Unternehmer, der sich nicht aus der Konstrukteurs-Sicht heraus für die Lampen- und Radio-Industrie interessierte, sondern der ausschließlich aus ökonomischer Sichtweise arbeitete. So begann er auch nicht mit der Herstellung von Produkten, sondern mit Service für elektrisches Licht, sowie dem Import und der Vermietung von Radiogeräten, vergrößerte sein Unterenhmen schon 1932 durch Beteiligungen in der Metallindustrie. 1933 steig er mit Lotus Radio und Atlas Works (Lampen) in die eigene Fertigung ein, kaufte 1936 Ferguson Radio, Anfang der Fünfziger Jahre die Elektronik-Konstruktionsbüros Ecko-Ensign Design und Tricity Cookers. 1961 folgten Philco, Pilot, Ultra Radio & Television, His Masters Voice und Marconiphone, wodurch Thorn, 1964 zum Ritter geschlagen, zum größten Radio- und TV-Geräte-Hersteller im Königreich aufstieg, was er durch die Fusion mit der Leasing-Firma Robinson Radio Rentals ausbauen konnte. Zum Dekadenwechsel war Thorn der Welt größte TV-Geräte-Vermieter mit über 7,5 Millionen Leasing-Verträgen allein in Großbritannien. Parallel dazu baute Sir Jules sein Unternehem auch in anderen Sparten aus: 1967 erfolgten weitere Zukäufe in der Metallindustrie, dazu kamen KMT Holdings (1968), Parkinson Cowan (1971), Clarkson International Tools (1974) und Cleveland Twist Drill (1976).
Ein großer Coup gelang erst, nachdem Jules Thorn, dessen dominantes Auftreten das Geschäft bis dato verhindert gehabt haben sollte, 1979 in den Ruhestand gegangen war. Thorn kaufte für 165 Millionen Pfund die EMI.
Zwar verkaufte Thorn-EMI einige Betriebsfelder der defizitäten Tochter, doch verblieben zu viele miteinander konkurrierende Geschäftsfelder, zudem weitere Zukäufe (British Aerospace, INMOS, Mullard Equipment etc.) das Budget belasteten. Dies führte zu einer Neustrukturierung des Konzern ab 1985, und schließlich in den Neunziger Jahren zur Konzentration auf zwei zentrale Geschäftsfelder: TV-Leasing und Musik, die letztlich in zwei getrennten Unternehmen organisiert wurden. Im Verlauf der Reorganisation hat auch die Marke Carad die Thorn-EMI verlassen.

Der Erwerb des 400-Mitarbeiter-Unternehmens Carpentier war so unwichtig, daß er in der Thorn-Firmengeschichte nicht einmal erwähnt wird. Man kann vermuten, daß Carpentier für Thorn ein Kontakt zu den Sendeanstalten bedeutete, Carad darüberhinaus vor allem im wachsenden Farbfernsehsegment ein interessanter, weil eingeführter Name war. Immerhin besaß Carpentier ein funktionierendes Vertriebsnetz in ganz Benelux und hatte seine Bandgeräte immer schon an Sendestationen verkauft; über Siemens und Telefunken reichten die Verbindungen möglicherweise bis in die Bundesrepublik.
Auf Empfehlung der Wirtschaftsberater Boston Consulting Group arbeiteten die Tochtergesellschaften im Thorn-Konzern Anfang der Siebziger Jahre weitgehend selbstständig, wurden lediglich durch eine zentrale Management-Einheit koordiniert. Für den Rundfunk- und Fernsehbereich war das die British Radio Corporation, unter der die Rundfunk- und Fernseh-Beteiligungen zusammengefaßt waren. Ihre führende Marke war Ferguson, die jedoch auf dem Kontinent wenig bekannt gewesen ist. Auch ein Grund dafür, später zumindest den Namen Carad für die Kunden in Belgien, den Niederlanden und in Luxemburg zu erhalten.
Anfang der Siebziger Jahre sorgte die BRC wohl dafür, daß Carpentier nicht das Geld ausging. Dies jedoch auf Kosten anderer BRC-Töchter, was schließlich den Ausschlag für die Schließung von Carad Mitte der Siebziger Jahre gegeben haben wird.

Doch hat es vor dem Ende der Produktion in Kuurne noch eine Generation gegeben, die wohl die letzten Zuckungen des Traditionsunternehmens darstellt.
Diese Carad zeigen ein grundsätzlich anderes, konventionelleres Äußeres, als ihre Vorgänger, sind mit gedruckten Schaltungen, und zumindest zum Teil noch mit Cartran-Netzteilen ausgestattet.
Es scheint, im Jahr 1970 wurde diese neue Serie eingeführt. Zumindest zeigen Schaltungspläne solcher Modelle "1970" als älteste mir bekannte Datierung. Ein weiterer Schaltplan des gleichen Modells datiert 1974.

Ein Highlight war die als R73 (ab 1972) bekannte Bandmaschine, die ich bereits kurz vorgestellt hatte (https://tonbandforum.de/showthread.php?t...7#pid40427). Ein weiteres Highlight war der als "Carad 2001" bekannte Receiver TPAS74, den es anscheinend (zumindest) in den genannten Modellvarianten von 1970 und 74, und den es auch als Thorens 1250 gegeben hatte.
Zudem hatte Carad auch wieder Einzelkomponenten verfügbar, die den späteren Trend zur "Slimline" vorweg nahmen. Es gab die 40mm hohen Flachmänner als Carad, als Thorens, und es gab zumindest Varianten unter dem Label MBLE des (wohl schon zum Philips-Konzern gehörenden) Beleuchtungs-Herstellers Manufacture Belge de Lampes Electriques.
So findet sich der angeblich auf dem Philips AP2150 basierende und mit Görler-Modulen bestückte Tuner T67 (Thorens 2001) als BBO864 und der mit BD130 angetriebene Verstärker PAS64 (Thorens 2000) als MBLE BBO863 wieder. MBLE war vor allem für die unter dem Namen Polykit bekannten Bausätze bekannt! Insofern ist auch der Receiver BBO862 interessant, hinter dem man ebenfalls eine Carad-Konstruktion zumindest vermuten könnte. Übrigens wird kolportiert, auch MBLE gehörte zu der Einkaufsgemeinschaft, die zum Beispiel bei Körting Görler-Bauteile bezog. Andersherum finden sich schon vorher MBLE-Bauelemente in Carad-Geräten.
Vermuten tue ich übrigens auch die Verwandschaft der Slimline-Komponenten mit dem Receiver 2001. Ob wohl der PAS64 und der Verstärkerteil des TPAS74 miteinander mehr als nur verwandt sind? Immerhin stecken in beiden die gleichen Transistoren.

Sicherlich nicht mehr aus belgischer Produktion stammen die HiFi-Komponenten mit dem Prefix "C" und einer einheitlichen Nummerierung in der Typenbezeichnung.
Ein Vergleich der Aufmachung der Thorn-Prospekte dieser Reihe C mit einem für die R73 deutet jedoch darauf hin, diese Anlagen waren keineswegs erst in den späten Siebziger Jahren aktuell. Man könnte nicht zuletzt aufgrund ihres Design vermuten, es könne sich um Ferguson-Komponenten handeln. Das trifft auch auf den Model 9000 genannten 8-Spur-Casseiver zu, den ich ebenfalls nicht exakt datieren kann, den radiomuseum.org, das allerdings in seinen Datierungen von Carad-Geräten gern mal daneben liegt, um 1974 einordnet.
Tatsächlich hat es 8-Spur Recorder "Made in England" gegeben! Aus dem Buch "Just for the record" über die Firma BSR kann man entnehmen, das zumindest BSR und Glenburn Engineering ca. ab 1972 eigene 8-Spur-Geräte bauten! Denkbar also, daß diese besonders kompakten Laufwerke auch in Carad-Geräten von Thorn landeten. Zwar war BSR keine Thorn-Tochter, doch bestanden definitiv Geschäftsbeziehungen, was an der Bestückung von Ferguson-Anlagen mit den Plattenwechslern des weltgrößten Plattenspieler-Herstellers ersichtlich wird. Überhaupt hat es immer wieder OEM-Produktionen eines britischen Herstellers für einen anderen gegeben, so zum Beispiel von Ferguson für Goodmans.

Und so ist es wohl kein Zufall, daß der Carad Plattenspieler C433 so aussieht, als hätte man einem BSR McDonald BDS80 das Typenschild abgekratzt und stattdessen eines von Carad aufgeklebt.
Und auch die Receiver der C-Serie, C403, C410 und C415, erinnern mich an Ferguson. Tauscht man das "C" vor der Nummerierung dieser Receiver gegen eine "3", so erhält man wie zufällig Serienbezeichnungen von Ferguson Steuergeräten aus dem Jahrgang 1972. Ein Schelm, der Böses dabei denkt... Der kuckt sich einfach die Bilder an (Wegavision).
Apropos Bilder: Lustig finde ich übrigens die angezogenen Transportsicherungen des Plattenspieler-Chassis auf dem Prospektbild der Kompaktanlage C451.

Im HiFi-Yearbook von 1976 ist der Name BRC verschwunden, taucht stattdessen Thorn Consumer Electronics als Eigentümer der diversen Marken des Konzerns auf. Es hat sich was verändert.
Mitte der Siebziger Jahre erschien mit dem AM-FM Stereo-Receiver 555 ein Carad, der offensichtlich aus asiatischer Fertigung stammt. Teile-Bezeichnungen des Alps-Drehkondensators und der Ferrit-Antenne weisen auf ein Baujahr nicht vor 1976 hin, wenn ich die Ziffern denn richtig interpretiere. Da war zumindest das Carad-Werk bereits geschlossen. Keines der Bauteile entstammt bekannten Carad-Geräten. Nur die in drei waagerechte Bedienebenen unterteilte Front und die Bauweise der einzeln mit dem Chassis verschraubten Platinen erinnert in ihrer Gestaltung etwas an den Carad 2001. Zumindest als baugleich habe in inzwischen Wintec 555 gefunden, der anderswo auf 1977 datiert wird.
In der zweiten Hälfte der Siebziger Jahre erschienen auch unter der Markenbezeichnung Ferguson plötzlich HiFi-Komponenten japanischer Herkunft (z.B. 3930 FTC http://new-hifi-classic.de/forum/index.php?topic=2118.0), die andernorts mit Sanyo (New HiFi-Classics) oder Technics (Audiokarma) in Verbindung gebracht werden.
Wann die Radioproduktion bei Ferguson endete ist mir nicht bekannt. Einige Quellen wissen aber von Carad-Komponenten aus koreanischer Produktion zu berichten. Welche?

Zweifellos gab es Carad-Fernsehgeräte aus der Ferguson-Fabrikation. Die Thorn Consumer Electronics hatte durch Ferguson in England Fernsehgeräte hergestellt, die dann wohl auch als Carad auf den Markt gekommen sein werden. Zunächst selbstständig, dann zunehmend mit Unterstützung von Thomson, die die Consumer Electronik-Sparte von Thorn in den Achtzigern schließlich übernahm und in ihre Abteilung Grande Public einverleibte, in der auch schon Saba, Nordmende oder Telefunken steckten (Dual konnte fliehen!) und die inzwischen nach China (TTE) fusioniert ist. Die britische TV-Geräteproduktion von Thomson endete 1992.

Die Marke "Carad" wechselte 1997 in das Eigentum der belgischen Einzelhandels-Gruppe Eldi Electro. Deren Gründer André Vermeeren war bis 1972 Manager der Handelskette "Friac Electro-Discount" gewesen, die sich vornehmlich mit "Weißer Ware" beschäftigt hatte. Carad Kühlschränke dürfte so erklärbar werden, denn auch Eldi verkauft, neben AV-Produkten, Haushaltselektronik.

Produkte (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)
Bandgeräte:
EMR32PA (1950)
R62PA Mk.I (1955-57), Mk.II (58-60), Mk.III (61-63)
R53PA (1963)
[R66PA (1966, Transistor-Variante der R62 ?)]
R59PA (ab 1968)
R73 (ab 1972)
C261 (Ferguson)

Plattenspieler
C433 (BSR)

Vorverstärker
PPC27, 27N, 27NB
MPPS65 (1970)

Endstufen
AAS26 und 26B
AAS140 (1970)

Mono-Verstärker
PAS29 und 29B

Vollverstärker
PAS64
AA59
MPAS30
MPAS60
PA555

Tuner
FM-T31
AM-TC32 und 32B
T51 und 51B
T61
T67

Receiver
TPAS74 / Carad 2001
C403, C410 und C415 (Ferguson)
Carad 555

Mischpult
MI19 - 2-Kanal
MI20 - 4-Kanal
EMI18 electronique - 4-kanal

Kompaktanlagen (Thorn)
C451 (Receiver + Plattenspieler)
Model 9000 (Receiver + 8-Spur-Tape)

Radiogeräte
A525AF
A526AF
A527F
A627AF
A737 (ca. 1955)
Sonate (1965)

was auch immer:
TPAS25
TPAS45

Die B-Typen (Suffix) sind alle im Prospekt von 1965 zu finden (Wegavision). Ob auch vorher/nachher wäre zu prüfen.

Quellen
http://www.hifi-archiv.info/Carad/
http://home.scarlet.be/~on1aht/amp/Carad...64_T67.htm
http://www.radiomuseum.org/dsp_herstelle...ny_id=6842
http://www.radiomuseum.org/dsp_herstelle...ny_id=4370
http://www.radiocollection.be/uk/carad_uk.html
http://limo.libis.be/primo_library/libwe...erPDS=true
http://nl.wikipedia.org/wiki/Carad
http://www.gloeidraad.nl/radioforum/inde...d&id=40784
http://www.worldlingo.com/ma/enwiki/nl/Carad
http://www.radiocollection.be/uk/MBLE1_uk.html
https://www.fundinguniverse.com/company-...story.html
http://www.eldi.be/eldi_/page.asp?f=bedrijfsinfo.htm
http://home.scarlet.be/~on1aht/amp/Artec/Artec.htm
http://www.televic.com/en/history#2010-2000
http://www.edumatic.be/documents/informa...ml?lang=en
Funkschau Nr. 11 vom 1.06.1972 und Nr. 19 vom 14.09.1973

All meine Informationen stammen nur zum geringen Teil aus erster oder zweiter Hand. Primär- oder Sekundärquellen sind leider hierzulande kaum aufzutreiben und es scheint, die Berichterstattung zu Carad hat in Belgien noch nicht den Weg in die Online-Archive gefunden.
Daher vor allem Dank an Jacques, dessen Spuren ich (unfreiwillig aber nicht unwillig) im Internet gefolgt bin und der an verschiedenen Stellen Brotsamen, in Form von Schaltbildern und Prospekten, für mich zu verteilen scheint.
Ich will nicht behaupten meine Vorstellung sei korrekt. Immerhin scheint sie korrekter als die diversen Informationen, von denen ich bis vor ein paar Minuten überzeugt war, daß sie korrekt sind, und die ich dementsprechend selber im Netz verteilt habe. Erschreckend nur, wie weniger von Euch mich bislang korrigiert haben! Nun darf ich also editierend durch die virtuelle Welt ziehen und mich über Foren ärgern, in denen man nicht mehr editieren kann. Ein Hoch auf das Bandmaschinenforum (und das Saba-Forum), wo das noch geht.

Übrigens habe ich einen ehemaligen Mitarbeiter von Carpentier aufgetrieben, zumindest seine virtuellen Spuren gefunden. Vielleicht gibt es ja bald Neuigkeiten aus erster Hand. Wenn er denn antwortet.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#15
...ein kurzer Ausflug "in die Welt" brachte mich hierhin:

http://www.vintage-technology.info/pages...ectric.htm

Dort ist in der "History" zu lesen, daß 1974 unter dem Ultra-Label wohl
auch Schluß gewesen sein soll. Womit Ultra als Anbieter eines 555-"Brüderchens" wohl ausfällt.

Die Fülle der dort angegebenen Links müsste man in Ruhe abgrasen...

http://www.vintage-technology.info/pages.../links.htm

Das ist Lektüre für Stunden! Vielleicht ist das "Graben" nach Ferguson-Geräten
zielführender - immerhin hat dieses Label länger gelebt (bzw. lebt noch immer)

Gruß

Peter

EDIT: @Matthias,

"erschreckend, wie wenige mich korrigiert haben" schreibst Du. Nun ja, Du
packst ja nicht gerade wenig Information in diese Vorstellungen (was
ja durchaus vorbildlich ist). Zumindest ich "geistiger Dünnbrettbohrer" muß
dann aber bereits Geschriebenes nochmal sorgfältig durchkauen, bis
mir Abweichungen zum Neuen auffallen. Hab' also bitte Nachsicht mit
meinem kleinen Intellekt.

****
Time flies like an arrow. Fruit flies like a banana. (...soll Groucho Marx gesagt haben, aber so ganz sicher ist das nicht...)
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#16
Zitat:PeZett postete
...ein kurzer Ausflug "in die Welt" brachte mich hierhin:

http://www.vintage-technology.info/pages...ectric.htm

Dort ist in der "History" zu lesen, daß 1974 unter dem Ultra-Label wohl
auch Schluß gewesen sein soll....
...Das ist Lektüre für Stunden! Vielleicht ist das "Graben" nach Ferguson-Geräten
zielführender ...
Hallo Peter,

so ist das mit Infos im Internet. In der Markenreferenz im HiFi-Yearbook 1976 ist "Ultra" noch aufgeführt. Noch immer im Eigentum von Thorn.

Ferguson lebt heute noch, allerdings wieder selbstständig, da es ja inzwischen Thorn "erwischt" hatte.
Jetzt wäre das "Unergründliche" gefragt, denn zum Thema "Ferguson" finde ich erschreckend wenige Bilder im Netz.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#17
Zitat:Matthias M postete
...
so ist das mit Infos im Internet. In der Markenreferenz im HiFi-Yearbook 1976 ist "Ultra" noch aufgeführt. Noch immer im Eigentum von Thorn.
...
Jawohl - deshalb schrieb ich ja auch "Schluß gewesen sein soll..." Wink
(d.h. ohne verbriefte Wahrheitsgarantie).
Aber wir wollen die Informationsqualität des WWW mal nicht schlechter
reden als sie es verdient. Immerhin: auch Bücher und mündliche
Überlieferungen von sogenannten Zeitzeugen können irren.


Gruß

Peter
Time flies like an arrow. Fruit flies like a banana. (...soll Groucho Marx gesagt haben, aber so ganz sicher ist das nicht...)
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#18
Moin, moin,

Ihr ahnt es schon, ich hab' was „Neues“.

Ende der Achtziger Jahre pimpte man HiFi- zu Highend-Komponenten, indem man rechts und links an ihr Gehäuse Edelholz-Wangen schraubte, und ihnen klangvolle Namen verlieh: Esprit, Fine Arts, In Concert ....
Ein belgischer Hersteller versuchte das schon Anfang der Siebziger Jahre, irrte jedoch, als er das Holz, anstatt seitlich, oben auf das Gehäuse schraubte, und anstatt den klangvollen Namen drauf zu schreiben, den Namen hin und wieder einfach ganz vergaß.

[Bild: PAS64_03k.jpg]

Anfang der Siebziger Jahre wurden die Frontplatten von HiFi-Geräten voller. Nicht mit Knöpfen und Reglern, sondern mit Beschriftungen, mit denen die Hersteller mit immer mehr Worten beschrieben, was für eine Komponente man vor sich habe und aus welchen Bauteilen sie aufgebaut sei: „Monolithic“, „IC“, „FET“, „All Silicon“ …
Ein belgischer Hersteller irrte, als er den Trend unter den Kleinserienherstellern der Achtziger Jahre zur Askese vorweg nahm, weitgehend auf Beschriftungen verzichtete, und als einzigen Hinweis auf ihren Zweck auf der Frontplatte der Komponenten vermerkte: Voll mit Silikon.

[Bild: PAS64_01k.jpg]

Ende der Siebziger Jahre kamen im HiFi-Land sogenannte Slimline-Komponenten auf den Markt, flache HiFi-Bausteine, die HiFi „modern“ aussehen lassen sollten.
Ein belgischer Hersteller versuchte das schon Anfang der Siebziger Jahre, irrte jedoch anscheinend mit der Annahme, der Kunde würde verstehen, man könne auch aus flachen Gehäusen eine ernstzunehmende Musikreproduktion herausholen.
Dementsprechend selten ist mein neuer Verstärker geblieben.

Ein außen matt-schwarz lackiertes Blech, abgekantet zum U-Profil, und insgesamt in „U“-Form gebogen, bildet die Hülle meines Verstärkers. Der mittlere Steg des „U“ übernimmt die Funktion der Frontplatte.
Innerhalb des Blechprofils liegt wiederum ein metallenes „U“ eingebettet, das das tragende Außenskelett des Verstärkers bildet. Fast, jedoch nicht ganz hinten, ist dieses „U“ mit Hilfe einer Querstrebe verbunden und abgestützt. Dazu kommt eine weitere Querstrebe von links nach rechts, nach einem Drittel der Gehäusetiefe. Das ist für die Stabilisierung der Konstruktion wichtig, denn eine Boden- oder eine Deckplatte hat das Gehäuse nicht wirklich, ist gewissermaßen „selbstragend“ konzipiert, und dient wiederum als Träger für all das, was so in einen Verstärker hinein gehört.
Der Boden ist aus gelochter Hartfaser und über die angeschraubten Füße mit dem Blech-Skelett verbunden. Der massive Deckel ist mit vier mickerigen Schrauben auf dem Verstärker fixiert.
Wer jetzt noch glaubt, diese Konstruktion könne aus Asien stammen, der hat noch keine asiatischen Geräte der frühen Siebziger Jahre gesehen.

[Bild: PAS64_12k.jpg]

Weder eine Hersteller- noch eine Typenbezeichnung ziert das Gehäuse. Weder innen noch außen. Auch kein „Made in ...“
Eigentlich hatte ich einen eigenen Thread eröffnen und wieder einmal Dalli-Klick spielen wollen. Aber das macht natürlich wenig Spaß, wenn erstens keine Bandmaschine vorkommt und zweitens kein Mitspieler eine Chance hat, das Rätsel zu lösen. Denn seit ehrlich: Wer von Euch hat diesen Flachmann denn schon einmal gesehen?

[Bild: PAS64_02k.jpg]

***

Anmerkung des Thread-Erstellers: jetzt bitte nicht nur den Finger heben, jetzt bitte nicht nur „hier“ schreien, sondern auch „hier“ posten! Und dabei auch gleich mehr Infos rausrücken.

***

Mir wurde mein Neuer als „MBLE-Verstärker“ angeboten. MBLE?

Am 18.03.1911 gründeten vierzig Personen in Vilvoorde, nahe Brüssel, die Gesellschaft Lampes Brabant. Zwei Jahre später zog die Firma nach Anderlecht um und gab sich schließlich 1915, mit Manufacture Belge de Lampes Electriques, einen neuen Namen.
Die Situation der Elektronik-Industrie in Belgien war eigen. Einerseits war elektrischer Strom zu Beginn der Zwanziger Jahre außergewöhnlich billig, wurde er doch in der Stahl- und Kohleindustrie, um deren Eigenbedarf zu decken, in so großen Mengen produziert, daß die Überschüsse, die ja nicht gespeichert werden, an nahezu jeden abgegeben werden konnte. Andererseits wurde die belgische Elektro-Industrie von kleinen, unterkapitalisierten Firmen dominiert, die auf Patente aus dem Ausland angewiesen waren, und von den belgischen Banken nicht gefördert wurden. Die Großen der Branche, AT&T, Bell, Thomson-Houston, Siemens, Philips, ITT oder General Electric drängten auf den belgischen Markt und begannen die einheimischen Firmen aufzukaufen.
Es scheint, bereits in dieser Zeit beteiligten sich Philips und ACEC (Ateliers de Constructions Electriques de Charleroi) an der MBLE. Die belgische Wiki nennt es Partnerschaft („samenwerkingsverband“) und datiert sie auf 1925. Philips hingegen meint sich bereits 1924 an der MBLE beteiligt, einzelne Unternehmensteile sogar übernommen zu haben.

Im Jahre 1924 markierte der Beginn der Fertigung von Vakuum-Röhren (Marke ADZAM und MAZDA) den Einstieg in die Herstellung elektronischer Bauelemente von MBLE. Nach Kriegsende, konkret 1948, begann man mit der Fertigung elektrischer Geräte.
Schon 1949 hatte das Unternehmen 430 Beschäftigte und die Herstellung von elektrischen Lampen verlor immer mehr an Bedeutung. 1951 wurde der Firmenname daher in Manufacture Belge de Lampes and de Matriel Electriques geändert; die Marke „MBLE“ blieb.
Die 1954 begonnene Produktion von Halbleitern wurde schnell zum wichtigsten Geschäftszweig des Unternehmens, das bereits im Prospekt der EXPO'58 als größter Bauelemente-Hersteller Belgiens bezeichnet wurde. Bis 1965 stieg die Belegschaft auf 5200 Beschäftigte (vgl.: Braun, Frankfurt, in 1967: 5700) an. Man war ebenso in der Raumfahrtindustrie tätig, wie an der Ausstattung von Atomkraftwerken beteiligt.

In der zweiten Hälfte der Sechziger Jahre bekam das Unternehmen Probleme, mußte einzelne Fabriken schließen oder an Philips verkaufen. Letztlich wurde Philips zum einzigen Aktionär der MBLE, die schließlich 1981 komplett in Philips integriert wurde und zu Beginn der Neunziger Jahren nur noch 35 Beschäftigte zählte.
Das änderte sich dann jedoch noch einmal, denn Philips übertrug die N.V. Philips Industrial Activities in Wavre an MBLE, um mit dieser, als belgisches Unternehmen und unter dem Namen N.V. Philips Industrial and Telecommunications Systems (PITS), an staatlichen Aufträgen teilhaben zu können. Eine Formalie.

Das Rundfunk-Programm der MBLE teilte sich in zwei Sparten: Die Komplettgeräte und die unter der Marke Polykit angebotenen Bausätze.
Die Bausätze gehen wohl auf ein Ende der Fünfziger Jahre eingeführten elektronischen Baukasten zurück, der sich großer Beliebtheit in vielen Elektronik Schulen und -Lehrgängen erfreut haben soll: In eine Tafel lassen sich Plastik-Elemente einstecken. In diesen Elementen sind einzelne elektronische Bauelemente oder einfache Schaltungen integriert, die nun zu komplexeren Schaltungen zusammen gesteckt und deren Funktion einfach ausprobiert werden kann. Egger hatte das Lectron (1965) wohl nur als erster patentiert.
Später folgten einfache Bausätze, aber auch ganze HiFi-Geräte zum selber bauen: Radio RIM aus Belgien. Nur größer.

Daneben gab es schon in den Sechziger Jahren Verstärker und Tuner, die aus dem Philips-Programm entsprungen zu sein scheinen (http://www.radiomuseum.org/r/mble_full_s...r_4_4.html oder http://www.radiomuseum.org/r/mble_stereo...er_bb.html).
Doch mein Verstärker ist zwar mit Philips-Bauteilen bestückt, sieht sonst aber so gar nicht nach Philips aus!
Wer jedoch genau bei der Beschriftung der mit der Rückwand verschraubten Anschlussbuchsen hinschaut, bei dem erweckt sie Assoziationen. Bei mir jedenfalls.

[Bild: PAS64_13k.jpg]

Mitdenkende Bandmaschinenforummitleser werden spätestens jetzt auf die Idee kommen sich zu fragen, warum ich einen MBLE hinter zwei Carad-Receivern vorstelle. Genau: Weil ich den MBLE-Receiver, den ich oben schon erwähnte, noch nicht gefunden habe.
Gefunden habe ich einen Verstärker, den radiomuseum.org als BBO863 bezeichnet und den ich für einen Carad PAS64 halte. Aber das haben sich aufmerksame Bandmaschinenforummitleser schon gedacht, hatte ich doch in Posting 013 zur Geschichte von Carad bereits die MBLE erwähnt.

Ende der Sechziger Jahre wurde in Kuurne eine neue Serie eingeführt, in der Carad mit gewohnten Konstruktionsprinzipien gebrochen hatte: Die Geräte wuchsen auf eine „übliche“ Breite von bald 40cm (Abmessungen: 395 x 60 x 340 mm / 15.6 x 2.4 x 13.4 inch), wurden dafür erheblich flacher, als zeitgenössische Konkurrenten. Mit der alten Gehäuseform verschwand auch das Konstruktionsprinzip mit per Bajonett-Verschluss verbundenen Chassis und Gehäuse-Oberschale.

Wirtschaftlichen Zwängen folgend, wurden die Neuen nicht nur unter der für hochwertige HiFi-Produkte bekannten Eigenmarke angeboten, sondern auch als Thorens und eben als MBLE verkauft.
Thorens, das war die Marke für Plattenspieler für private Haushalte des schwarzwälder Feinmechanik-Unternehmens EMT (Elektromesstechnik Wilhelm Franz KG), und schon in Zeiten, als der ursprünglich schweizer Plattenspieler-Spezialist noch selbstständig gewesen war, Partner von Carad, die die Distribution der Thorens in Belgien und Benelux ausgeübt hatte.
Und MBLE war schon von Beginn an Bauelemente-Lieferant Carpentiers gewesen, wie meine älteren Carad nach einem Blick auf ihre Innereien bestätigen.

Mit zweimal 15 Watt gibt Radiomuseum.org die Sinusleistung des Verstärkers an. Den Hinweis, „sold in Kit-form“ mag ich kaum glauben. Jedenfalls scheint mein Verstärker von kundigen Händen vollendet.
1970“ steht als Gestehungsjahr zu lesen. Mein flacher Verstärker trägt einen Sieb-Elko vom Mai 1970 in seinem Innern, doch sehe ich auch auf Bild eines Thorens Type 2000 einen äquivalenten Elko von 1968. Ehrlich glaube ich nicht daran, daß Carad das damals recht teure Bauelement zwei Jahre lang hatte liegen lassen, bis es zum Einsatz kam.

[Bild: PAS64_09k.jpg]

Ein Charakteristikum des PAS64 ist zweifellos seine flache Bauweise. Sechs Zentimeter Bauhöhe hatte Grundig mit den Mini-Komponenten auf der Funkausstellung 1979 das erste mal eingeführt, Telefunkens „Slimline“-Serie von 1979 war noch 76mm hoch.
Als Kücke 1980 mit seinen 6cm hohen Referenz-Komponenten auf den Markt gekommen war, hatten dafür extra flache Ringkern-Trafos entwickelt werden müssen, was sogar in einem Testbericht Erwähnung fand. Ob man bei Carpentier auch so ein Aufhebens um das hier verwendete flache Netzteil gemacht haben wird?

[Bild: PAS64_19k.jpg]

Das hintere Drittel des Gehäuses des Carad wird vom Trafo, einem 1500µF-Elko und von dem abgeschirmten Phono-Vorverstärker eingenommen.

[Bild: PAS64_11k.jpg]

Das mittlere Drittel zeigt vier schwarze, thermisch voneinander getrennte Kühlkörper, die mit Hilfe von Kunststoff-Aufhängungen an einer Querwand befestigt sind,. Unter jedem Kühlkörper hängt ein Transistor. Bei meinem MBLE sind es BDY20, im Thorens kompatible BD130.
Im vorderen Drittel liegen, gegensinnig bestückt, zwei identisch beschaltete Platinen, flankiert von zwei 500µF-Elkos.

[Bild: PAS64_14k.jpg]

Doppel-Mono-Aufbau? Wenn man von der Stromversorgung absieht, dann ist dem tatsächlich so! Denn auf der Front finden sich je zwei Höhen- und Tiefgenregler und, anstatt eines Balance-Stellers, zwei mechanisch miteinander verbundene Lautstärkeregler.

[Bild: PAS64_04k.jpg]

Dreht man den einen, dreht der andere identisch mit. Will man das nicht, kann man die Verkoppelung aufheben und den Pegel der beiden Stereo-Kanäle getrennt regeln.

[Bild: PAS64_06k.jpg]

Trotz seiner flachen Bauweise und der nicht wirklich ausladenden Breite wirkt der Carad nicht eben voll gefüllt. Und tatsächlich ist das Gerät auch nicht wirklich luxuriös ausgestattet: DIN-Anschlüsse für Tonband und Tuner, dazu ein Paar Chinch-Buchsen für den Plattenspieler.

[Bild: PAS64_21k.jpg]

Keine Monitor-Buchse, kein Kopfhörer-Ausgang, lediglich noch ein Mono-Umschalter und ein Funktionslämpchen zieren das Lastenheft. Knapp.

[Bild: PAS64_24k.jpg]

Für einen Hersteller der eigene 3-Kopf-Bandmaschinen mit professionellem Anspruch gebaut hatte zu knapp? Im Gegensatz zum MPAS60 hat mein Flachmann jedenfalls nicht einmal eine Monitor-Schleife. Doch Thorens hatte vielleicht nur einen Plattenspieler-Verstärker gebraucht.
Eine Stromversorung für den Plattenspieler ist noch vorhanden. Damals nicht unüblich. Drei Sicherungen, einmal die Hauptsicherung (0,63 A für 220V) und ein Paar Sicherungen für die Endstufen-Kanäle (2x 1,25A). DIN-Ausgänge für die Boxen (8 Ohm). Das war's dann wirklich.

[Bild: PAS64_18k.jpg]

Die Thorens-Variante des PAS64 unterscheidet sich zumindest von meinem MBLE in Kleinigkeiten. So verfügt der MBLE von 1970 über einen Wahlschalter für die Spannungsversorgung, während der Thorens aus den späten Sechzigern auf 220V festgelegt scheint. Wo der Thorens eine Kaltgerätebuchse für den Netzanschluß bietet, wird mein MBLE mit einem fest installierten Kabel versorgt. Aber das können natürlich auch Generationsabweichungen einer evolutionären Reihe sein.
Der Thorens zeigt zwei Paar bipolare BD130 NPN-Transistoren und dazu einen Sieb-Elko von 1400µF, während der MBLE mit einem 1500µF Elko und zwei Paar BDY20-Transisoren ausgestattet ist.
Beide Transistor-Typen werden übrigens als Ersatztypen des 2N3055 geführt, der sich als Ausstattung des 2x 35 Watt Verstärkerteils im Schaltplan des „2001“ genannten Receivers TPAS74 findet … den EMT, wie wir wissen, als Thorens 1250 verkauft hatte.

[Bild: MBLE_Thorens_k.jpg]

Immerhin trägt der Thorens eine Gravur „Thorens“ und „Type 2000“ an der Front und ein „Made in Belgium“ am Heck, dazu einen Aufkleber mit der Typenbezeichnung „PAS64“. Der MBLE weist nicht auf seine Abstammung hin - doch ein Polykit? - beschränkt sich halt auf den Hinweis, er sei voller Silikon (so meine Übersetzung aus dem Plattdeutschen. Ist es doch, oder?)

[Bild: PAS64_07k.jpg]


Quellen:
http://www.radiocollection.be/uk/MBLE1_uk.html
http://www.radiomuseum.org/r/mble_bbo_863_bbo86.html
Security in Signalling & digital signatures (Wiskunde voor de Industrie, Student Report 93-05)
The Belgian economy in the 20th century – Andre Mommen
80 years of research at the Philips Natuurkundig Laboratorium (1914-1994) – Marc J. De Vries
http://www.henriborloo.be/pagina9.html
http://home.scarlet.be/~on1aht/amp/Carad...64_T67.htm

[Bild: PAS64_05k.jpg]

Vielleicht wisst Ihr mehr zu diesem Verstärker, hat vielleicht sogar noch jemand den passenden Tuner herumstehen?

Ich bin gespannt!

Tschüß, Matthias

P.S.: Dieser Text samt Bilder ist ausschließlich für die interne Verwendung durch Besucher des "Bandmaschinenforum" gedacht. Die durch Klammern heraugehobenen oder kursiv gesetzten Zitate unterliegen gegebenenfalls Urheberrechten Dritter. Eine, auch auszugsweise, private oder gewerbliche Nachverwertung ohne schriftliche Genehmigung ist ausdrücklich untersagt.
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#19
Hallo Matthias,
danke für die wunderbare Vorstellung. Substanziell kann ich leider nichts dazu beitragen, da ich von diesem Gerät noch nie was gehört, geschweige denn gesehen habe, es dürfte doch relativ selten sein. Ich finde es recht schick und es war im Design seiner Zeit wohl etwas zu weit voraus und marketingtechnisch hat man sich offensichtlich wenig angetan, das Ding unter die Leute zu bringen.
Bei Betrachtung der Innereien sieht es wohl so aus, dass der Verstärker nur mit einer positiven (?) Betriebsspannung auskommen muß. Die beiden 500µF Elkos an den Seiten sind dann wohl die Ausgangskondensatoren. Class A eben, wenn ich das richtig verstehe.

Full silicone, dem Hochglanzmagazin-geschädigten Konsumenten unsere Tage drängen sich da natürlich ganz andere Assoziationen auf Smile (http://forum2.magnetofon.de/f2/showtopic...m=9#122584)
Viele Grüße
Lukas
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#20
Full silicone, dem Hochglanzmagazin-geschädigten Konsumenten unsere Tage drängen sich da natürlich ganz andere Assoziationen auf Smile

http://forum2.magnetofon.de/f2/showtopic...m=lastpage
Viele Grüße
Lukas
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#21
Super, ich schaffs schon wieder nicht auf ein bestimmtes Posting zu verlinken.

Knirsch
Viele Grüße
Lukas
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#22
@Lukas

...wobei uns allen hier natürlich klar ist, dass "silicon" und "silicone"
zwei unterschiedliche Stoffe sind... Wink (Insofern drängt sich mir
da keine Assoziation auf).

Der "werbewirksame Hinweis" auf der Front macht eigentlich
(meiner Ansicht nach) nur Sinn, wenn die Ursprünge des Verstärkers
in den 60er Jahren (des 20.ten Jhrds.) liegen.
Wesentlich später hätte man mit einem solchen Hinweis doch eigentl.
niemanden mehr hinter dem Ofen hergelockt, oder?

Gruß

Peter
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#23
Zitat:lukas postete
...marketingtechnisch hat man sich offensichtlich wenig angetan, das Ding unter die Leute zu bringen. ...
Hallo Lukas,

da scheint es wohl natürliche Grenzen zwischen dem deutschen Markt und dem der nicht durch Gewässer getrennten Nachbarn in Sachen HiFi gegeben zu haben.
Ich erinnere nicht einmal Carads Thorens oder auch nur deren Prospekte hierzulande in der Freien Wildbahn gesehen zu haben.
Selbst Firmen wie ITT hatten in Nachbarländern andere HiFi-Serien (z.B. von Scan-Dyna) im Angebot, als hierzulande.


Zitat:PeZett postete
Der "werbewirksame Hinweis" auf der Front macht eigentlich (meiner Ansicht nach) nur Sinn, wenn die Ursprünge des Verstärkers in den 60er Jahren (des 20.ten Jhrds.) liegen.
Wesentlich später hätte man mit einem solchen Hinweis doch eigentl. niemanden mehr hinter dem Ofen hergelockt, oder?
Hallo Peter,

das kann man so oder so sehen. Begriffe wie "Full" oder "All Silicon" werden natürlich nur die Röhren-gewöhnte Kundfschaft angesprochen haben. Also steht es auf diesem Verstärker aus den späten Sechzigern. Das heute drauf zu schreiben hätte etwa eine Bedeutung wie "mit Netzanschluß".
Heute füllen die Hersteller die Frontplatten halt mit anderen Attributen: "Bass Boost" oder "MP3"

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#24
Hallo Matthias,

dass mit "Full...." die Abgrenzung zur Vorgängertechnologie gezogen werden
sollte, ist schon klar. Wobei (und das war mein Gedanke) ich die Trennung
bei diesem Gerät zeitlich etwas schärfer ziehen würde. Hier wurde m.E.
nämlich auf den Generationenwechsel zwischen Germanium- und Silizium-
(= Silicon)Transistoren hingewiesen. Und der fand m.W. so in etwa
in der zweiten Dekadenhälfte der 60er statt. In den 70ern war man damit
weitestgehend durch, wenn ich das recht sehe. Darum "sehe" ich den
Verst. auch eher als ein Kind der 60er.

edit: ...die folg. Frage ist eigentl. schon beantwortet, also weg damit.
(Man muss nur genau lesen u. die Links ansehen.)

Gruss

P.
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#25
@Matthias,

deinen Einwand...
Zitat:Den Hinweis, „sold in Kit-form“ mag ich kaum glauben. Jedenfalls scheint mein Verstärker von kundigen Händen vollendet.
würde ich nicht unbedingt untermauern. "Kit-Form" ist doch ein
dehnbarer Begriff. Das hängt doch nur davon ab, wie vollständig das
Kit aus dem Karton kommt.

Schaut man sich die Polykit-(MBLE-) Kits früherer Jahre mal genau an,
fällt jedenfalls auf, dass durch liegende Anordnung von Trafos und Röhren
bereits einer gewissen Flachbauweise der Weg geebnet wurde.
Zumindest das spräche für MBLE als Urheber.

Und gänzlich fehlende Typenschilder und Herstellerhinweise runden doch das
Bild des "Kit-Gerätes" ab, wie ich finde.

Gruss
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#26
Zitat:PeZett postete
@Matthias,

deinen Einwand...würde ich nicht unbedingt untermauern. "Kit-Form" ist doch ein dehnbarer Begriff. Das hängt doch nur davon ab, wie vollständig das Kit aus dem Karton kommt.

...Zumindest das spräche für MBLE als Urheber.

Und gänzlich fehlende Typenschilder und Herstellerhinweise runden doch das Bild des "Kit-Gerätes" ab, wie ich finde....
Hallo Peter,

als Urheber des Verstärkers sehe ich Carad.
Selbst die Thorens-Variante ist rückwärtig mit "PAS64" bezeichnet! Ich mag nicht glauben, daß Carad in den späten Sechzigern eine MBLE-Konstruktion and Thorens weiter verkauft und zusätzlich zu der von Thorens eine eigene Typenbezeichnung drauf klebt.

http://home.scarlet.be/~on1aht/amp/Carad...64_T67.htm

Allerdings gebe ich Dir Recht, die Abwesenheit jeglicher Hersteller- oder Typenbezeichnung auf meinem Verstärker würde zu einer Selbstbau-Lösung passen.

Leider habe ich überhaupt keine Info gefunden, was MBLE eigentlich an eigener Entwicklungsleistung im Rundfunk-Bereich gebracht hat, was beispielsweise von den älteren Geräten aus fremder Feder (Philips?) stammt.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#27
Hallo Matthias,


sicher ist diese Namensgleichheit zufällig: http://www.probertencyclopaedia.com/cgi-...r&offset=0

Oder doch nicht? Immerhin: ein ferngesteuertes Konstrukt belgischer
Herkunft (mit jeder Menge Elektronik an Bord).***

Back to theme: ...ist es eigentl. gesichert, dass Carad diese
Geräte an Thorens lieferte oder bedienten sich nur beide einer gemeinsamen
Quelle? Mir will näml. nicht in den Kopf, dass es ein renommierter Hersteller
zulässt (oder unterstützt), dass seine Entwürfe (mit denen er "nebenbei" gutes
Geld verdienen möchte) über einen "Kit-Seller" verhökert werden.
Dann schon eher umgekehrt: der Kit-Seller hat einen interessanten Entwurf,
der vom renommierten Hersteller aufgegriffen und vermarktet wird. Das Kit
verschwindet daraufhin aus dem Portfolio des Kit-Sellers (und hinterlässt
demzufolge kaum Spuren für die Nachwelt).
Immerhin: von vielen MBLE-Geräten findet man Spuren/Bilder/Artikel - sie
alle stammen aber aus der Ära der "Doppelschalen-Gehäuse", teilw. bzw.
vollständ. mit Röhren bestückt. Vom abgebildeten Gerät findet sich
hingegen so gut wie nichts.
Ist aber auch nur ein Hirngespinst und muss nichts heissen...

Gruss

P.


***edit:...kein Zufall - etliche Quellen deuten darauf hin, dass sich MBLE
auch auf anderen Feldern tummelte. http://users.skynet.be/cph01/Home_EP/ep.html
Felder übrigens, auf denen zu der damaligen Zeit noch nicht viel
"fremd eingekauft" wurde. Sollte doch alles geheim bleiben, zumal das
"Outsourcing" noch nicht "erfunden" war. Nun - was sagt mir das?
Genau soviel, dass man bei MBLE durchaus Hochwertiges zu entwickeln
verstand. Und wer unbemannte, ferngelenkte Dronen konstruiert, braucht
wohl einen Rundfunkempfänger nicht fremd zukaufen, oder?
Time flies like an arrow. Fruit flies like a banana. (...soll Groucho Marx gesagt haben, aber so ganz sicher ist das nicht...)
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#28
Hallo Peter,

letztlich kann ich nur spekulieren. Tatsache ist, MBLE hat selber geforscht. Das dürfte ein Grund dafür gewesen sein, daß Philips schon in den Zwanziger Jahren bei MBLE eingestiegen ist. In der verlinkten Philips-Quelle ist nämlich zu lesen, schon 1924 hätte Philips ein Labor der MBLE übernommen.

In welchem Umfang die zukünftige Zusammenarbeit von MBLE und Philips sich entwickelte, ist mir nicht bekannt. Quellen weisen sogar dezidiert darauf hin, daß dies nicht bekannt sei. Wahrscheinlich findet man dazu eher etwas in weiteren Philips-Veröffentlichungen.

Bekannt ist, daß MBLE nach dem Kriege genauso in der Wehr-, wie in der Raumfahrt-Technologie tätig gewesen ist. Auch wird MBLE zumindest als Zulieferer für die belgische Atomindustrie benannt.
Auf der anderen Seite war MBLE ein vergleichsweise überschaubarer Laden, in besten Zeiten etwa so groß wie Braun vor der Übernahme durch Gilette, also kleiner als Nordmende oder Grundig. Und die waren Spezialisten. Insofern kann ich durchaus vorstellen, daß MBLE die Entwicklungen für seine Rundfunk-Sparte nicht ganz allein gemacht haben wird, weil man die Schwerpunkte woanders hatte.

Wenn ich mir die MBLE-Röhrengeräte anschaue, dann erinnert mich das eine oder andere an Philips. Aber da ich die Geräte nicht live und von innen kenne, mag ich dieses Spekulation kaum eine "These" nennen.

Tatsache ist, aus der Carpentier-Recherche sind mir Aussagen bekannt, Carad hätte gemeinsam mit MBLE und Artec eine Art Einkaufsgemeinschaft für Radio-Module von Görler gebildet.
Tatsache ist auch, Carad hatte vor der Übernahme durch Thorn selbstständig entwickelt und zumindest das Heck-Design erinnert mich an andere Carad ... was ich noch vorführen werden.

Schließlich passen Tuner und Verstärker zu keinem anderen MBLE-Gerät. Selbst der zeitgenössische Receiver hat (auf Bildern) deutlich andere Gestaltungsmerkmale.

Zudem: Die Elkos meines Verstärkers stammen von 1970, die der Thorens-Varianten von 1968. Das wiederspricht Deiner These, Thorens wäre zweitabnehmer gewesen. Zudem ist auf dem verlinkten Bild der Thorens an deren Heck eine typische Carad-Typenbezeichnung zu lesen. Und auch der Dir ja bestens bekannte Carad 2001, mit dem ich den Thread eröffnet hatte, ist am Ende als 1250 zu Thorens gelangt. Nicht der MBLE-Receiver, den radiomuseum.org aufführt.

Am Ende sind das aber alles Thesen, gestützt auf Aussagen Dritter, deren Glaubwürdigkeit ich tatsächlich NICHT beurteilen kann.
Ums deutlich zu sagen: Weder auf meinem Verstärker, noch auf dem bei radiomuseum.org als MBLE abgebildeten Gerät steht auch nur MBLE oder Polykit zu lesen.

Tschüß, Matthias
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#29
Zitat:PeZett postete
Hallo Matthias,

...warum hat das erhabene Carad-Schild auf der Front so eine
Signalwirkung auf mich? Warum ist auf der Rückseite so rein gar
nichts auf die Herkunft weisendes aufgedruckt? ...
Moin, moin,

wie der Zufall so spielt hat sich die Herkunft des Carad 555 am letzten Samstag ein wenig aufgehellt.

Wieder einmal war ich mit einem Forenmitglied auf Besichtigungstour durch meine bevorzugten Jagdgründe. Der eine oder andere kennt das ja schon. In der mittleren großen Halle blinkte mir von einem Hochregal aus etwas Bekanntes entgegen.

Ein Carad? Nein es war ein Wintec 222!
Also habe ich zuhause am Computer in die Tasten Wintec 555 eingegeben und siehe da, im Archiv eines polnischen Online-Auktionshauses und in einer amerikanischen Kleinanzeige habe ich dann Bilder gefunden, bei denen das Marken-Emblem nicht auf das abgebildete Gerät aufgeklebt scheint.

Also ist der Carad ein Wintec? Ein Japaner von 1977?
Da es in der Reihe weitere Receiver-Modelle und auch Tapedecks zu geben schien, unterstelle ich, ja!

[Bild: Wintec222Tape.jpg]
(Bild geklaut bei einem polnischen Händler)

Wer weitere Infos hat, der möge sich melden.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#30
Hallo Matthias,

Deine Beharrlichkeit hat also mal wieder eine weitere Spur aufgetan - prima.

Zitat:...Ein Carad? Nein es war ein Wintec 222!
Auch wenn das Bild des poln. Händlers einen 222er zeigt
(...Drucktastensatz rechts und ein Instrument fehlt gegenüber dem Carad 555),
so scheint doch die Herkunft des Carad 555 zweifeslfrei geklärt, denn es gab anscheinend in diesem
Design eine ganze Reihe Wintec-Geräte: 222, 333, 555 und grössere
(Nachfolge-)Modelle R-1120, R-1160 usw.
Den 222er hast Du ja oben schon gezeigt, den 555er (mit identischer
Front zum Carad) gibt es hier:
http://nl.kapaza.be/west-vlaanderen/rece...401315.htm

...und den R-1120 (der ebenfalls dieser Designlinie folgt) habe ich
hier aufgestöbert:
http://gallery.audioreview.com/showphoto...0&size=big

Zum Hersteller (bzw. der Marke Wintec) fand ich u.a folg. Eintrag:
http://www.audiocircuit.com/Home-Audio/Wintec
...der die Handelsmarke mit Monarch in Verb. bringt. Da ich an anderer
Stelle Wintec-Monarch Plattenspieler erwähnt fand, scheint an dieser
Verknüpfung etwas dran zu sein.

Und auch in diesem Threadverlauf, den ich mir erlaube zu verlinken,
fallen Hinweise auf Monarch:

http://www.audiokarma.org/forums/archive...51618.html

Demnach also doch eher Japan als Taiwan...
...in jedem Falle aber scheint der Carad 555 nicht von ungefähr mit
diesem etwas lieblos "aufgepappten" Logo versehen.

Gruß

Peter
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#31
Zitat:PeZett postete
...Zum Hersteller (bzw. der Marke Wintec) fand ich u.a folg. Eintrag ... der die Handelsmarke mit Monarch in Verb. bringt. Da ich an anderer
Stelle Wintec-Monarch Plattenspieler erwähnt fand, scheint an dieser
Verknüpfung etwas dran zu sein....
Hallo Peter,

so ist das mit des Desinformationsmaschine Internet. Ich bin sicher, halb Deutschland glaubt inzwischen, Neu Schwanstein sei nach einen Vorbild von Walt Disney gebaut... Wink

Daher hier erstmal meine Kurz-Recherche:
"1964 in Bremen gegründet, ist MONACOR INTERNATIONAL zu einer weltweit agierenden Unternehmensgruppe gewachsen.", so scheibt Monacor auf seiner Homepage.
Der Gründungsname von Monacor dürfte Inter-Mercador gewesen sein. Erst vor wenigen Jahren, um 2000, hat die Umfirmierung auf den bislang als Handelsmarke verwendeten Begriff "Monacor" endgültig stattgefunden.

Die Marke "Monarch" wurde am 21.02.1955 durch Inter-Mercador für "Rundfunk- und Fernsehgeräte" angemeldet, am 30.6.55 veröffentlicht und am 16.12.55 endgültig unter der Nummer 685669 im Register eingetragen, teilt das Deutsche Patent- und Markenamt mit (http://register.dpma.de/DPMAregister/mar.../685669/DE). Die internationale Registrierung hat am 26.02.1959 unter der Nummer IR217710 stattgefunden. Zudem gab es eine Registrierung vom 7.10 1986 in den USA für Inter-Mercador, Bremen (http://www.trademarkia.com/monarch-73624575.html). Die deutsche Registrierung wurde 1989 verlängert.
In Deutschland ist der Markenschutz übrigens am 28.02.2005 abgelaufen, die Akte beim Patentamt inzwischen vernichtet.

Da das Handelsunternehmen Inter-Mercador wohl kaum über eigene Produktions-Standorte verfügt hatte, stattdessen seine Produkte von OEMs bauen läßt, glaube ich nicht, daß ein Wintec in Wirklichkeit ein "Monarch" sein könnte.

Wer war denn nun "Wintec"?
Offensichtlich war die Marke nie geschützt, so daß man heute auf eine sehr unterschiedliche Verwendung des Namens stäßt. Es gibt "Wintec" in Taiwan, in Japan, in China, Australien, Süd Afrika...
Auf Audiokarma kann man lesen, auf einem Wintec 888 sei ein Aufkleber "Made in China" aufgetaucht. Von anderen Geräten wird behauptet, sie seien mit "Made in Japan" gekennzeichnet.

Wer weiter sucht, der stößt gern auf einen Audiokarma-Artikel, der Daten über Wintec nennt (http://www.audiokarma.org/forums/showthread.php?t=89406). Dort wird 1979 als Gründungsdatum genannt.
Das ist wohl falsch und bezieht sich wahrscheinlich auf die Sumitomo Electric Wintec America, Inc., Tochterfirma der Sumitomo Electric Industries Ltd., die in den Siebziger Jahren mit 3M kooperierte. Videokassetten und -Recorder von 3M sollten in den späten Siebzigern von Sumitomo (teilweise unter Sony-Lizenz) hergestellt worden sein.

Ein Artikel in Billboard vom 29.7.78 legt eine Spur: "Wintec of America was originated in 1976, part of Wintec Fareast in Japan formed 15 years ago. (...) The company, ... markets extensively in Europe ...". Außerdem weiss das Blatt zu berichten, der Japanische Betrieb auf einer Million Quadrat-Fuß sei zu 80% automatisiert, beschäftige 1500 Menschen und erziele einen Umsatz von 200 Mio US-$.

Wer steht dahinter? Die Wintec Manufacturing in Japan (http://wintecjapan.com/, http://www.wintec-corp.com/wintec/main/p0001000.php) soll es seit 1977 geben haben und würde von der Sparte her passen; nur scheint die Firma zu jung. Allerdings neigen Asiatische Firmen dazu, die eigene Geschichte nicht zu thematisieren und Vorgänger-Strukturen nicht zu benennen.
Aber das ist nicht einmal eine These.

Wisst Ihr mehr?

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#32
Hallo Matthias,

die Textstelle, der ich die Erwähnung von Wintec im Zusammenhang
mit Monarch entnahm, stammt von hier:
http://www.hifi-forum.de/viewthread-26-9593.html

Vielleicht auch misinterpretiert von mir (...der Dreher könnte ja auch
"Monarch" geheissen haben, was aber für ein fernöstl. Gerät
ungewöhnl. ist... ***) - zumindest nehme ich an, dass ein Mensch, der
ein bestimmtes Gerät leibhaftig vor Augen hat, in der Lage ist, einen
Aufdruck oder ein Typenschild nahezu fehlerfrei wiederzugeben. Wink

Ich nehme auch eher an, dass Monarch (über deren Bremer Wurzeln
ich auch schon las...) vielleicht diese Geräte eine Zeit lang vertrieb.

Die Suche nach "Wintec" im Netz führt übrigens tatsächlich zu allem
Möglichen - Speicherbausteine, Funkgeräte, GPS-Navigationssysteme
und was weis ich noch alles... ...mit dem alten Audio-Zeugs scheinen
diese Hersteller (oder Label) nichts gemeinsam zu haben ausser dem Namen.

Hier noch eine Übersicht mit Jahreszahlen:
http://www.usedprice.com/items/audio/win...x.html?c=2

Zitat:....Auf Audiokarma kann man lesen, auf einem Wintec 888 sei ein Aufkleber "Made in China" aufgetaucht. Von anderen Geräten wird behauptet, sie seien mit "Made in Japan" gekennzeichnet.
Dann schon eher Japan - auf irgendeinem Foto im Netz (war es ein
6005er Verstärker?) fand ich auf der Rückseite gross und deutlich
den Aufdruck "Made in Japan". Dummerweise habe ich mir den Link
nicht gespeichert und finde die Seite nicht mehr auf die Schnelle.

Gruß

Peter


***edit: ...ungewöhnlich - aber nicht auszuschliessen, wie man
hier sieht: http://www.indianaradios.com/Monarch%208...0Radio.htm
Ist allerdings OT und hat hier eigentl. nichts zu suchen.

Immerhin bin ich aber auf eine Monarch Limited in Tokyo gestossen, die
sich auch mit Audio beschäftigt haben soll. Das Ganze ist aber vage.
Oder wie vertrauenswürdig ist diese Information hier?
http://www.trademarkia.com/wintec-73089098.html

***
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#33
Hallo Peter,

Billboard schreibt eindeutig, Wintec verfüge in Japan über ein großes Gelände und 1500 Beschäftigte. Ich gehe davon aus, die saßen nicht alle in der Verwaltung. Ich gehe außerdem davon aus, ein 1500-Mann Betrieb stellt selber her. Was auch immer.

Insofern hast Du mit "Made in Japan" natürlich recht. Das aber schließt "Made in China" nicht aus, wie ein 48.000-Mann Betrieb aus Fürth belegt: Im Jahre 1978 fertigten die Fürther Grundig-Mannen den CNF300 selber, während der Konzern gleichzeitig den CNF350 in Asien zukaufte.
Aber das ist relativ Wurst.

Wenn "Monarch" bereits in den Fünfziger Jahren als Marke international registriert gewesen war, dann konnte sie im Bereich der Unterhaltungselektronik nur von den Bremer Eigentümern eingesetzt werden.
Egal, ob die These der HiFi-Forianer, der genannte Plattenspieler sei in Wirklichkeit ein CEC o.ä., stimmt, sollte das Gerät also gleichzeitig die Marken "Monarch" und "Wintec" tragen, dann ist es eigentlich nur denkbar, daß Wintec in dieser Zeit im Vertrieb von Inter-Mercador gestanden hatte. So wie kurze Zeit später ja auch eine "Uher-Intermarket-Handelsgesellschaft" auf der Rückseite von "Magnum"-Geräten firmierte: Intermarket hatte die Lizenz für "Uher" von Assmann bekommen.

Um das Chaos zu lichten, könnte man die Firma Wintec fragen. Denn corporationwiki nennt für die Wintec of America, zumindest nennt Billboard den Firmennamen so, eine Adresse in
City of Industry, Californien 91789. Und dort sitzt heute auch die "Los Angeles Branch" der Wintec Indutries (http://www.wintecind.com/index.html)

Wie viele Wintec wird es in den Kaff geben?

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#34
Hallo Matthias,

traut man der Angabe auf "trademarkia" (sh. Link), dann gehörte
Wintec zu einem Unternehmen namens Monarch Limited, die, den
Angaben gemäß, in den 70er und 80er Jahren in Tokyo das Label
Wintec hielt. Demnach hätte es - parallel zu den "Bremern" - ein
zweites Unternehmen namens Monarch gegeben (eben mit dem Zusatz "Ltd.").
Ob die Tokyoter auch tatsächlich ihren Namen weltweit als
Produktmarke eingesetzt haben, darf ja durchaus in Frage gestellt
werden (...zumal die Angabe im HF - sh. #31, erster Link - nicht
präzise sein muß, was die Bezeichnung des erwähnten Drehers
angeht...). Dass man sich zu der Zeit "fernosts" allerdings ganz gerne
mal einen Staub darum scherte, ob in der westlichen (restlichen) Welt
jemand eine Marke oder sonst etwas registrieren und schützen lies, ist
indes nicht ungewöhnlich.
Ich vermute deshalb ganz stark, dass Wintec tatsächlich mit Monarch
in Verb. gebracht werden kann - aber eben nicht mit den Bremern,
sondern mit einer Monarch Limited.

Zitat:...Um das Chaos zu lichten, könnte man die Firma Wintec fragen. Denn corporationwiki nennt für die Wintec of America, zumindest nennt Billboard den Firmennamen so, eine Adresse in
City of Industry...
Man könnte sie kontakten, ja - fraglich aber, ob die Kalifornier noch
irgend etwas mit der hier diskutierten Wintec zu tun haben.
Produktschwerpunkt bei denen sind ja PC-Baugruppen und
Speicherbausteine und da (laut trademarkia) die Marke Wintec
unter dem dort erwähnten Registraturvermerk seit 1984 erloschen
ist, kann sich danach eigentlich wieder jeder Wintec nennen, dem
der Sinn danach steht. Bis zur nächsten Eintragung halt oder eben
solange es nicht mit einem bereits unter gleichem Namen registrierten
Produktionszweig oder Branche zu tun hat.
Dies wird m.E. deutlich durch die Tatsache, dass es unter
anderem in Deutschland eine Wintec Autoglas (Wintec als
eingetragenes
Markenzeichen !) sowie Wintec Kunststoffsättel
(Reitsport) gibt. Ferner gab/gibt es definitiv Funkgeräte mit der
Aufschrift "Wintec" - aber auch das hat m.E. weder was mit den
RAM-Bausteinen der Kalifornier (die sicher auch "irgendwo" in der
Welt gefertigt werden), noch mit dem Hersteller des alten Audio-Zeugs
zu tun. Und ein Software-Unternehmen namens Wintec gibt es m.W.
auch (...ich stieß jedenf. irgendwo darauf), deweiteren eine
Fahrradmarke "Wintec" und und und...

Was lernen wir daraus? Namen sind manchmal eben auch nur
Schall und Rauch Wink und die Suche danach im WWW führt zu
Vielem und manchmal auch ins Nichts.

Auf jeden Fall scheint die Quelle des Carad 555 definitiv geklärt.
Für die Suche nach der Geschichte von Wintec Audio könnte man
ja viell. mal weitersuchen. Immerhin scheinen mir deren Geräte
nicht uninteressant zu sein (...wenn man denn an japan. Klassikern
überhaupt interessiert ist) - aber das ist eine andere Geschichte.

Gruß

P.
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#35
Zitat:PeZett postete
...Demnach hätte es - parallel zu den "Bremern" - ein
zweites Unternehmen namens Monarch gegeben...
Lustig.

Wintec ist also eine Marke, die am 2.6.76 unter der USPTO-Nummer 73089098 (Register-Nr. 1.065.695) für die Monarch Ltd. in Meguro-ku, Tokyo, registriert und am 31.1.76 erstmals benutzt wurde.
Zweck der Gesellschaft ist der Handel mit "Stereo Receivers, Radio Receivers, Tuners, Tape Cassette Recorders and Playback Units and Parts Thereof". Das amtliche Dokument ist hier veröffentlicht: http://tdr.uspto.gov/search.action?sn=73089098.

Natürlich hat eine internationale Marken-Registrierung in Bremen kein japanisches Unternehmen davon abgehalten, sich "Monarch" zu nennen; davon gibt es tatsächlich mehrere in Japan. Doch konnte solch ein Unternehmen unter dieser Marke keinen internationalen Handel betreiben, sich auch nicht in den USA - dem wichtigsten Markt für HiFi - oder in Europa registrieren lassen.
Vielleicht ist das der Grund, warum man die Marke "Wintec" erfand?

Billboard schreibt, Wintec-Geräte wurden in den USA erstmals im Jahre 1976 auf des CES vorgestellt, Wintec of America 1976 in den USA gegründet. Aha, das Jahr der Marken-Registrierung!
Der Autor schreibt außerdem, die japanische Muttergeselslchaft sei 15 Jahre älter. Also 1961. Das müsste sich dann bestenfalls auf die Gründung der Monarch Ltd. beziehen. Das wäre zwei Jahre nach der internationalen Marken-Registrierung für "Monarch" durch Inter-Mercador gewesen.

Übrigens fällt auf, bereits am 7.6.1979 fand in den USA eine USPTO-Registrierung für die Marke Wintec unter der Nummer 73218738 für die Brancorp Factors Inc., New York, statt. Wiederum in der internationalen Klasse 9 mit einer Beschreibung für "Stereo Receivers, Radio Receivers, Tuners, Tape Cassette Recorders and Playback Units and Parts Thereof". Die Marke war erstmals am 10.4.1979 im internationelen Handel eingesetzt. Geräte der Marke Wintec soll es aber bis in die Achtziger Jahre hinein gegeben haben! Das wäre nur dann denkbar, wenn die bisherige Wintec erloschen wäre. Oder die Markenrechte wurden weiter gegeben.
Brancorp Factos war übrigens ein Finanzdienstleister für Banking- und Factoring-Services. Wintec war deren einzig rergistrierte Marke mit einem anderen Schwerpunkt. Normalerweise ungewöhnlich.

Der corporation-wiki-Verweis führt übrigens in Leere. Der dort benannte Sitz für "Wintec of America" resultiert aus dem Eintrag für die Computer-Wintec. Auch wenn die nicht als Wintec of America firmiert. So sind Wiki's halt.

Was bleibt - da hast Du völlig Recht - die Herkunft des Carad 555 scheint geklärt.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#36
..."Einen" hab' ich noch zum Thema Wintec (dann ist aber wirklich
Schluß!)

Einer Online-Auktion entnahm ich diese Fotos, nicht um die Auktion
zu kommentieren oder zur Diskussion zu stellen sondern um
auf das Typenschild hinzuweisen.

Die Front zeigt den Tuner im uns nun mittlerweile bekannten
Design:

[Bild: WintecTuner.jpg]

Und das Heck liefert den Herkunftsbeweis:

[Bild: Wintec.jpg]

(Die Rechte an den Fotos liegen beim Anbieter der Geräte)

Gruß

P.
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#37
Moin, moin,

eine Neuigkeit zu Carad bekam ich eben aus Belgien, von unserem Forenmitglied Jacques.

Es geht um die flachen MBLE / Thorens (Posting 017), von denen ich schon vermutet hatte, sie würden ursprünglich von Carad stammen.

Danke Jacques!


"... dieser Entwurf ist nichts anders, als der Verstärker AA59 aus dem Bandgerät R59, der in ein flaches Gehäuse gesteckt wurde.
Carad war Importeur der Marke Thorens für Benelux gewesen und wollte einen Verstärker (und Tuner) mit den selben Abmessungen anbieten zu können, die der Plattenspieler Thorens TD150 hatte.

Schaut mal in das Innere des Verstärkers AA59 und in eine R59 Maschine; er ist fast gleich!

Nachdem Thorn Carad übernommen hatte, waren noch manche der mechanischen Bauteile vorhanden.
Daraus zusammengebaute Verstärker und Tuner wurden unter dem Namen "Thorens" verkäuft. Später gelang es, eben diese Bauteile an MBLE/Polykit zu liefern (das war der Anfang vom Ende) ..."


Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#38
"Einer Online-Auktion entnahm ich diese Fotos..."

Anticopy GmbH googeln, vorsicht...sie scannen sogar für Freeuser.
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#39
Moin, moin,

mich hat ein weiterer Card erreicht, den ich hier kurz vorstellen will. Diesmal ist es ein "originaler", klassischer Carad garantiert aus Belgien ... jedenfalls fast ...

Bei dem Carad professional stereo-amplifier all-silicon type AAS140 handelt sich um eine Stereo-Endstufe. Aus Ihrer Bezeichnung schließe ich, der Carad ist ein 2x 70 Watt-Verstärker. E.G. Louis schreibt in seinem Artikel für "Popular Mechanics", es handele sich um "root-mean-square", also um RMS-Leistung. Die Beschriftung informiert, die Endstufe ist für den Anschluß von Lautsprechern mit 8 Ohm Impedanz vorgesehen.

   

Radiomuseum.org nennt für den Carad eine Bauzeit von 1968-72. Der Neupreis habe 12.900 Belgische Franc getragen. Die Schaltung ist Bestandteil der GFGF-Schaltplan Sammlung. Im deutschen und im englischen HiFi-Jahrbuch ist er nicht verzeichnet.

   

Die Besonderheit an dieser Endstufe: Ihre Herkunft läßt sich eindeutig feststellen! Die Schaltung basiert auf einem originalen RCA-Design (Data Bulletin ATC-408), wie es der Hersteller zur Vermarktung seiner Transistoren veröffentlicht hatte.
Die Schaltung war Grundlage eines Class AB-Verstärker, den E.G. Louis unter dem Titel "The Brute-70 power amplifier" in der Zeitschrift Popular Electronics (Seite 41-46, 86 und 92), im Februar 1967, veröffentlicht hatte. Zudem wurde die Schaltung im Jahre 1967 von der Firma DEMCO (Daniel E. Meyer Company) aus San Antonio, Texas, die im Folgejahr zur "South-West Technical Products Corporation" umfirmierte, als Bausatz verkauft.

   

Charakteristika, wie der Catran-Trafo aus eigener Produktion, sind natürlich Spezialitäten der Carad-Version. Trotzdem gehe ich davon aus, die Angaben Louis' in der Popular Eelctronics (http://www.swtpc.com/mholley/PopularElec...eb1967.htm) sind übertragbar.

- Power output: 70 Watts RMS per channel
- Class AB
- Power Gain: 68 dB
- Hum and Noise: down more than 60 dB from 1 W
- Total Harmonic Distorsion: less than 0,25% at 1kHz and 70W output; less than 0,8% at 20 to 25k Hz from 0 to 70 watts
- Frequency Response: 5 Hz to 25 kHz +/- 1 dB, down 3 dB at 50 kHz
- Input Impedance: 100.000 Ohms
- Output Impedance: 8 Ohms
- Sensivity: 0,8 V input for 70 Watts output
- other Features: short- and open-circuit-proof; direct coupled series-connected output stage; no output or driver transformers; all-silicon solid state circuit

   

Louis beschreibt den Verstärker als direkt-gekoppelte, Transformer-lose und quasi-komplementäre Schaltung mit einer eingebauten 35 dB negativen Gegenkopplung. Die Konstruktion soll bis 71°C Temperatur-fest sein.
Er sei ein Rolls Royce unter den Verstärkern: Nicht billig, aber seinen Preis, von 50 US-Cent pro Watt, wert.

Die Stromversorgung erfolgt mit Hilfe eines Cartran TA 20/130 50D3032 Trafo und zwei großen SIC SAFCO-Elkos. Eine Steckbrücke erlaubt das Umstellen der Spannung zwischen 110, 130, 145, 220 und 240 Volt. Das Gerät ist mit einer 3A Sicherung geschützt. Dazu ist jede Endstufe nochmal mit 3A abgesichert. In meiner Carad habe ich jeweils flinke 3,15A/250V Glas-Sicherungen gefunden.

   

Wie bei den klassischen Carad-Geräten aus Kuurne üblich, ist das Gehäuse zweiteilig. Das eigentliche Chassis besteht aus einem einteiligen Blech, das U-förmig zur Front- und den Seitenteilen gebogen worden ist. Nach oben und unten ist die Kante umgebörtelt. Ein L-förmig gebogenes und nach oben ebenfalls umgebörteltes Blech ist als Bodenblech und hintere Abschlußwand angeschraubt.
In die Seitenwände sind Winkelbleche eingesetzt. Das abgewinkelte Stück liegt wenige Millimeter unter der abgebörtelten Kante des Basisblechs. In den entstehenden Schlitz wird ein weiteres, U-förmig gebogenes Blech eingeschoben, das die tatsächlichen Gehäuse-Außenseiten hinten, oben und unten, bildet.

   

Die Verriegelung der zwei Teile miteinander erfolgt mit Hilfe zweier Bajonett-Bolzen, die durch die eingeschobene Rückwand in die Rückwand des Chassis reichen und durch eine Vierteldrehung verriegelt werden können. Auch das ist typisch Carad.

Der Aufbau der Endstufe scheint mir, nach der Stromversorgung, in Doppel-Mono-Bauweise ausgeführt. Zwei große Elkos sind vor dem Trafo, im linken Gehäuse-Drittel eingesetzt. Die vordere Hälfte der, in der Breite, weiteren zwei Drittel, werden durch die ineinander verschachtelten Kühlkörper für die Endstufen-Transistoren belegt. Jeder der zweimal zwei Transistoren RCA 4041 hat seinen eigenen Kühlkörper, der aus zwei miteinander verschraubten, U-förmigen und etwa vier Millimeter starken Blechen besteht.
Die Kühlkörper bilden gleichsam eine Abschirmung. Aus heutiger Sicht eher unverständlich ist die fehlende Isolierung der blanken Transistor-Zuführungen, die durch Bohrungen in den metallenen Kühlköpern reichen.

   

Hinter der Endstufen-Abteilung liegt eine einzelne Platine, auf der sich die beiden Treiber-Schaltungen befinden. Die Platine liegt auf sechs an das Gehäuse genieteten Halteblechen, die an die Platine gelötet sind.
Für die beiden wichtigen RCA-Transistoren Paare 40409/40410 des Treibers hat Carad die von RCA empfohlenen großen Kühlkörper spendiert. Daneben sind, pro Seite, je ein 40406, 40407 und 40408 eingesetzt.

   

Rückseitig bietet die Endstufe eine DIN-Buchse als Eingang und eine 3,5 mm Klinken-Buchse als Erdungs-Anschluß.
Die Lautsprecher-Ausgänge sind durch stabile Schraub-Klemmen mit zusätzlicher Banana-Buchse ausgeführt, so dass auch moderne Kabel-Querschnitte verwendet werden können.
Die Zuleitung, von den Transistoren zu den Ausgängen, erfolgt zum Teil unter der Platine, so dass die Kabel nur über einen Teil der Strecke in der Nähe der Stromversorgung geführt zu werden brauchen. Vor der Plus-Schraubklemme liegt, nach dem Treiber, die oben schon erwähnte flinke 3A-Sicherung und eine Spule IOMH 50D020 mit parallel geschaltetem Widerstand. Die schwarze und die rote Klemme verbinden ein 22 Ohm Lastwiderstand und ein 0,1 µF / 400 V Kondensator. Die schwarzen Klemmen sind mit den beiden Sieb-Elkos und dem Trafo verbunden.

   

Abmessungen: 390 x 120 x 200 mm / 15.4 x 4.7 x 7.9 inch

Wer noch mehr über diesen Carad sagen kann, der melde sich gern.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#40
Matthias M,'index.php?page=Thread&postID=136758#post136758 schrieb:Wenn "Monarch" bereits in den Fünfziger Jahren als Marke international registriert gewesen war, dann konnte sie im Bereich der Unterhaltungselektronik nur von den Bremer Eigentümern eingesetzt werden.

Da würde ich keine zehn Pfennig drauf verwetten, denn beim Markenschutz kocht so ziemlich jedes Land sein eigenes Süppchen. In Deutschland ist es ja auch so, daß eine Markenregistrierung verfällt, wenn sie fünf aufeinander folgende Jahre lang nicht in "geschäftlichem Verkehr" genutzt wurde. Ich halte es somit durchaus für denkbar, daß 1976 in Japan kein Markenschutz für 'Monarch' mehr bestand (weil die Firma aus Bremen ihre Geräte dort nicht vertrieben hat). Und um die Geräte international anbieten zu können, wurde dann eben der Vertriebsname 'Wintec' verwendet.

Es gibt ja bei der Marke "Orion" noch so ein Phänomen. Neben dem hierzulande bekannten Fernseher-Hersteller aus Ungarn existiert ein gleichnamiger aus Japan. Eine Verbindung zwischen beiden gibt es offenbar nicht.
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