iPod by Dieter Rams?
#1
Ich habe eine interessante WWW-Seite gefunden:

http://www.flankenlauf.com/journal/?bid=17

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jonathan Paul Ive da nicht von Dieter Rams abgeguckt hat.

Ich selbst hatte ja schon mal einen iPod(-Bild) manipuliert:
[Bild: BraunPod2.jpg]
Gruß,
Michael/SH

Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich so selten dazu (Ö v. Horvath)
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#2
Ein deutliches Jein.

Dieter Rams ist ja auch nicht vom Himmel gefallen oder hat sein Design im Alleingang erfunden. Schließlich zeichneten für einen der ersten Entwürfe bei Braun, bei denen er beteiligt war, dem Schneewittchensarg, noch Wilhelm Wagenfeld (den mancher von seiner Leuchte kennt) und Hans Gugelot verantwortlich. Wagenfeld leitete von 1928 bis 1930 am Bauhaus die Metallwerkstatt. Gugelot hat wohl eine Zeitlang mit Max Bill zusammengearbeitet, von dem ,wenn seine künstlerischen Arbeiten vielleicht nicht so bekannt sind (schließlich kann man an deutschen Gymnasien bildende Kunst in der Oberstufe abwählen, und die Welt ist bevölkert von Blinden, unter denen der Einäugige nicht König, sondern Außenseiter ist), der eine oder der andere vielleicht die "Max Bill Uhr" kennt.

Das heißt, daß jemand, dessen Vorbild die Funktionalität des Bauhauses ist, zu einem Design finden wird, das dem von Dieter Rams nicht unähnlich sein wird. Von einer simplen Kopie würde ich deshalb nicht sprechen, eher als Fortführung eines Designs, das eben auch dem Motto des Herrn Rams: "weniger, dafür besser" entspricht. Und das findet man in der gesamten Produktpalette des Herrn Jobs, nicht erst seit iPod. Nicht zuletzt mit Hilfe des Designs erhält sich Steve Jobs seine Nische, wie eben auch in grauer Vorzeit die Firma Braun...

Frank
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#3
...naja - so ganz kann ich mich Michael/SH ´s Ansichten nicht entziehen.
Ich möchte mir nicht anmassen, hier was zu unterstellen, aber für mich sieht es nach ein bischen mehr aus, als nach "dem Bauhausstil folgend
und zwangsläufig in Ähnlichkeit endend".
Also - etwas in die Vergangenheit geschielt hat man da bei "Apfel"
sicher schon, oder?

Nennt sich das nicht auf Neudeutsch "Retro-Design" ?

Gruss
Time flies like an arrow. Fruit flies like a banana. (...soll Groucho Marx gesagt haben, aber so ganz sicher ist das nicht...)
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#4
Zitat:PeZett postete

Nennt sich das nicht auf Neudeutsch "Retro-Design" ?

Gruss
Hallo PeZett,

als Retro-Design würde ich eher etwas anderes bezeichnen: bestes Beispiel wäre dafür der VW-Beetle, der eindeutig Käfer-Elemente aufnimmt. Ob der Käfer jetzt gut gezeichnet war, darüber läßt sich streiten. Es wurde jedenfalls beim Beetle erkennbar und ganz bewußt die Käfer-Zeichnung aufgenommen und entwickelt.

Das sehe ich beim iPod anders: dasi ist einfach gutes Design, und das war schon 1960 gut und ist es heute immer noch.

Ich sehe den wirklich in der Tradition des Bauhauses und deren Umgebung, wie ich das in den 60-igern kennengelernt habe: Reduzierung der Form auf das Wesentliche, und vor allem: Kitschelemente weglassen.

Wie würde, wenn man unter diesen Prämissen so ein Teil zeichnen sollte, der iPod ausehen: 4-eckiges Kästchen, Ecken entweder scharf oder abgerundet, Display, Bedienteil, entweder eckig oder rund. Kein Schnickschack. und genauso ist´s geworden. Natürlich auch mit Dieter Rams in der Ahnenkette. Aber man muß ja auch nicht jeden Tag das Rad neu erfinden.

Ein Beispiel dazu, um gleich wieder ins Fettnäpfchen zu treten:
Wenn die A77 so gezeichnet worden wäre, dann ware die untere Abdeckung entweder gleich aus Metall gefertigt worden, oder man hätte den Kunstoff unverkleidet gelassen. Die auf den Kunststoff aufgeklebte Alu-Blende ist ein Kitschelement und wäre weggelassen worden. Wenn man dann noch die auf die Knöpfe aufgeklebten Alu-Teile wegließe und statt dessen anständige Knöpfe preßte (oder spritzte), und wenn man dann noch die überflüssige Blende über den Köpfen, die zum Klappen, wegließe, dann hätte man ein schönes Gerät. Wäre es deswegen ein "Braun" oder von Dieter Rams??

Die Bedeutung von Dieter Rams für das Design von Gebrauchsgegeständen kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Aber wie ich oben schon gesagt habe: er steht natürlich selber in einer Tradition, insbesondere auch von Hans Gugelot. Dessen studio 1 aus 1957 hätte Dieter Rams auch gut zu Gesicht gestanden. Hat er ihn deswegen kopiert, als er etwa ab 1960 bei Braun angefangen hat, seinen Stil zu entwickeln?

Natürlich steht der Designer vom iPod in einer Tradition. Insofern kennt er natürlich Dieter Rams und Konsorten. Jemand der heute Musik macht, kennt ja auch seine Vorbilder. Und ein Schriftsteller hat außer seinen eigenen Werken hoffentlich auch einmal ein Buch jemandes anderen gelesen. Picasso hat auch Velasquez gekannt. Und das hat auch sein Malen beinflußt.
Schaust Du beim Autofahren nie in den Rückspiegel?

"Was Du ererbt von Deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen"

So sehe ich den iPod.

Und eben eher als postives Beispiel für das, was Design sein kann.
Schlechtes gibt´s genug, nicht zuletzt "Retro-Dings" oder irgendwelche Leute, die Zitronenpressen zeichnen, die sich besser zum Erschlagen von Schwiegermüttern als zum Auspressen von Zitronen eignen. Und im heutigen Automobil-Design (was ich lieber als Styling bezeichnen würde) geht´s mehr darum, der Marke ein Gesicht zu geben. als um gutes Design. Das führt dann zu Autos wie den Q7....

Nochmal zum Dieter Rams, ohne seine Verdienste schmälern zu wollen: ich finde, der Prophet steht nicht über der Lehre, auch, wenn es in manchen Religionen so ist...

Mir geht dieser Plagiatsvorwurf, wie er auf dieser Seite durchkommt wird, zu weit.

Wenn mich jemand versteht, habe ich mich falsch ausgedrückt.


Frank
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#5
Zitat:firstthird postete


als Retro-Design würde ich eher etwas anderes bezeichnen: bestes Beispiel wäre dafür der VW-Beetle, der eindeutig Käfer-Elemente aufnimmt. Ob der Käfer jetzt gut gezeichnet war, darüber läßt sich streiten.
...
Nur weil er Dir nicht gefällt, muss das Design ja nicht schlecht sein.

Zitat:firstthird postete
...und wenn man dann noch die überflüssige Blende über den Köpfen, die zum Klappen, wegließe, dann hätte man ein schönes Gerät. Wäre es deswegen ein "Braun" oder von Dieter Rams??
Sicher nicht - sagt ja auch niemand, dass der "Eipott" von Braun
designed worden ist.

Zitat:firstthird postete
...Hat er ihn deswegen kopiert, als er etwa ab 1960 bei Braun angefangen hat, seinen Stil zu entwickeln?
"Beeinflusst" trifft vielleicht eher zu.(Was ja auch nichts Schlimmes ist)

Zitat:firstthird postete

Schaust Du beim Autofahren nie in den Rückspiegel?
Ja -aber nicht, um genauso (bescheuert) zu fahren, wie mein
Hintermann/frau.Big Grin


Zitat:firstthird postete
Schlechtes gibt´s genug, nicht zuletzt "Retro-Dings" oder irgendwelche Leute, die Zitronenpressen zeichnen, die sich besser zum Erschlagen von Schwiegermüttern als zum Auspressen von Zitronen eignen.
Ob das "Eipott"/Braun-Design praktisch (im Sinne von ergonomisch)
ist, weis ich gar nicht und kann es auch gar nicht beurteilen. Da spielt
die Verarbeitung eines solch "flächigen" Bedienknopfes eine grosse
Rolle (und nicht nur das Äussere...)

Zitat:firstthird postete
Mir geht dieser Plagiatsvorwurf, wie er auf dieser Seite durchkommt wird, zu weit.
Naja - einen direkten Plagiatsvorwurf wollte ich dem guten S.J. und seinem
Chief-Designer auch nicht machen. Aber wenn ich mir den "Eipott" so
im direkten Vgl. zum Taschenradio ansehe...
"Man" hätte z.B. den Bedienknopf auch anders shapen können, ohne den
Pfad der Reduktion auf das Wesentliche zu verlassen. Geräteproportionen,
die Anordnung des Knopfes (etwa in d. unteren Gerätehälfte), die Grösse
des Knopfes im Verhältnis zum Gesamtgerät, die Tatsache dass das
Bedienfeld versenkt ist ... ...alles rein der Zwangsläufigkeit des
pragmatischen Zweck-Designs folgend? (???) Wohl eher nicht.

Nee - sorry - aber ein eigenständiger Entwurf ist der Eipott für mich
nicht. So sehe ich den iPod.


Zitat:firstthird postete
Wenn mich jemand versteht, habe ich mich falsch ausgedrückt.
Ich merke schon - wir verstehen uns.Wink


Gruss
Time flies like an arrow. Fruit flies like a banana. (...soll Groucho Marx gesagt haben, aber so ganz sicher ist das nicht...)
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#6
Da ich jetzt ein iPhone besitze, habe ich diesen Thread wieder ausgegraben. Bekannt ist ja mittlerweile, dass der Chef-Designer von Apple Jonathan Ive Dieter Rams als Vorbild hat. In dem Zusammenhang ist mir heute Morgen aufgefallen, dass die Taschenrechner-App dieselbe Schriftart nutzt, wie die Skalenbeschriftung meines Braun Regie 510. Die ganze Taschenrechner-App sieht sowieso wie ein Gerät von Braun aus.

Auch, wenn mir Apple als Firma nicht unbedingt sympathisch ist, gefällt mir das Design, eben weil es wie das Weiterleben von Braun aussieht.
Gruß,
Michael/SH

Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich so selten dazu (Ö v. Horvath)
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#7
Definitiv eine Ähnlichkeit. Hier mal beide im Vergleich: http://www.iphone-ticker.de/2007/07/20/t...ichkeiten/
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#8
Braun machte und Apple macht heute gutes funktionales Design. Die aktuellen Braun-Erzeugnisse haben damit nicht mehr viel am Hut ...

Jonathan Paul Ive arbeitet in der Tradition von Dieter Rams und dessen Vorgänger. Er entwickelt deren Arbeit mit hoher Kreativität weiter. Frank Stegmeier beschrieb das ja in diesem therad schon sehr treffend.

Wenn ich mich recht erinnere, las ich einmal ein Interview mit Rams, in dem dieser die Arbeiten von Ive sehr wohlwollend kommentierte. Den Vorwurf des Plagiats wollte er nicht gelten lassen. Für ihn schien es ein großes Kompliment zu sein, seine Ideen in neuen Produkten lebendig zu sehen. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, schickte ihm Ive als Dankeschön für die Inspiration ein iPod.

Apple hat von Anfang an erkannt, wie wichtig das Design im Alltag ist. Selbst die frühen Produkte unterscheiden sich im Aussehen maßgeblich von der Konkurrenz. In der Frühzeit war es übrigens ein deutscher Designer, der das Aussehen von Apple-Produkten bestimmte: der Name ist mir leider entfallen, aber es war der Designer, der den letzten Wega-Geräte eine Form gab und nach dem Verkauf an Sony auch dort das Aussehen der Produkte bestimmte. Man kann also vereinfachend sagen, das Apple maßgeblich von deutschem Design bestimmt wird.

Wenn man täglich mehr als acht Stunden vor dem Rechner sitzt, ist es eine Wohltat, wenn dieser gut gestaltet ist. Das schließt die Software mit ein.

Edit vom 11.8.2011:
Der deutsche Designer ist Hartmut Esslinger aus Süddeutschland http://www.frogdesign.com/about/history . Und hier das Interview mit Dieter Rams auf stern.de: "Der Apple fällt nicht weit vom Stamm" http://www.stern.de/lifestyle/mode/diete...19376.html
Olaf, der eher passiv seit Jahren hier mitliest und sich an den fachlichen Beiträgen über Tonbandgeräte erfreut
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#9
Ein weiterer kleiner Nachtrag zur "Kontroverse" Rams vs. Ive: In der Dokumentaton "Objectified" von Gary Hustwit über Industriedesign und deren Schöpfer (aus dem Jahr 2009) http://www.youtube.com/watch?v=ohZd8DxzhYQ gibt es auch ein Interview mit Dieter Rams und Jonathan Ive. Rams sagt hier als Überleitung zu Ive: " Heute ... haben sie wieder nur wenige Firmen, die Design, wie ich es verstehe, wirklich ernst nehmen. Und das ist - im Moment wieder - eine amerikanische Firma. Das ist Apple ..."
Olaf, der eher passiv seit Jahren hier mitliest und sich an den fachlichen Beiträgen über Tonbandgeräte erfreut
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#10
am 21.07. in der Sonntagsausgabe der "FAZ":
http://www.faz.net/aktuell/lebensstil/de...89725.html


Frank
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#11
Hatte Rams 75. Geburtstag angesichts der Lobeshymnen? Ich verbinde Braun der 60er und 70er eher mit Ramsch, billige Kunststoffteile, nach kurzer Zeit abgegriffen und ausgeleiert.
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#12
Liest man den Bericht in der FAZ, erfährt man, dass D. Rams 1932 geboren ist.... Ich verbinde Braun der 60er und 70er Jahre z.B. mit regie 510 (Receiver) und TG 1000 (Tonbandgerät), beide mit Metallgehäusen und Kunststoffknöpfen, diese aber nicht billig und/oder ausgeleiert. Das Tonbandgerät hatte eine elektronische Bandzugregelung und erreichte sehr hohe Spulgeschwindigkeiten mit absolut sauberem Wickel. Diese Technik war auch dann bei ASC verbaut. Ich habe eine ASC AS 5004 von ca. 1984/85, die voll funktionsfähig ist und die gleichen Eigenschaften mit (allerdings) neuen Bändern zeigt. Auch hier gibt es keine abgegriffenen oder ausgeleierten Kunststoffteile. Obwohl man fairerweise auch erwähnen sollte, dass alle diese Geräte nicht für eine Lebensdauer von > 30 Jahren ausgelegt wurden.

Gruß

Thomas
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#13
Verklärte Erinnerungen...versuch mal einen Fernseher mit Standfuß zu reparieren. Es geht nicht, man kann sich nirgends abstützen, man kann das Chassis nicht richtig rausziehen. Wenn meine Erinnerung nicht trügt, wurde er komplett in die Werkstatt mitgenommen.
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