Klassik- und Opern-Laserdiscs
#1
Ich oute mich hier als einer der handverlesenen Enthusiasten, die die Laserdisc wegen der zahlreichen Klassik- und Opernmitschnitte schätzen, speziell die späteren Hybrid-Versionen mit analogem Videobild und digitalem Ton. Dieser ist nämlich vom allerfeinsten, in der Dynamik unkomprimiert und so wirklich originalgetreu.

Ich verwende einen Pioneer DVL-919E mit PAL- und NTSC-Wiedergabe und "Legato-Link" für die D/A-Wandlung des Tones in Kombination mit einem Pioneer DVR-940HX DVD-Recorder, um mir die Laserdiscs zu DVDs zu "digitalisieren" - die Laserdisc hatte keinen Kopierschutz wie Macrovision. Die D/A-A/D-Wandlung des Tones merkt man kaum, wenn überhaupt.

Sony-, EMI-, Teldec- und Pioneer-PAL-Laserdiscs lassen sich heute noch einwandfrei abspielen, mit kaum Bildfehlern, während sich die goldenen Polygram-PAL-Versionen (Deutsche Grammophon, Decca, Philips Classics) selbst zerfressen - das Bild schwärmt von Bildfehlern und Zeitbasisfehlern, und nicht wenige sind völlig unbrauchbar geworden. Bei NTSC-Versionen tritt dieser "Laser-Rot" nicht auf.

PAL-Versionen bieten theoretisch eine etwas bessere Bildqualität, allerdings mit real 440 Zeilen, NTSC ist da mit 425 Zeilen kaum schlechter. Von PAL auf NTSC konvertierte Versionen liefern ein mehr als leidliches Bild, NTSC auf PAL ist Mist.

Nicht zuletzt zeigt die Laserdisc die Bedeutung von Wien und Österreich als musikalische Großmacht, sei es durch die Komponisten, sei es durch die Interpret(inn)en und die Ensembles.
Da die Laserdisc ihre Blütezeit so um 1990 - 1993 erreichte, sind natürlich Produktionen für das und aus dem Mozart-Jahr 1991 besonders prominent vertreten. Bei Beethoven (Wahl-Wiener!) beweisen die Konzerte der Revolutionen von 1989 (Berlin: 12. November und 25. Dezember; Prag: 14. Dezember) dessen politisch-humanistische Botschaft. Schubert und Haydn wurden nicht ganz so oft auf Laserdisc gebannt, Brahms (Wahl-Wiener!), Bruckner und Mahler dagegen umso häufiger.

Die Neujahrskonzerte erschienen von 1989 bis 1993 in voller Länge auf Laserdisc, dazu im Nachhinein jenes von 1987 mit Karajan, der ja die Verwertung seiner Film- und Videoproduktionen nicht mehr erleben konnte. Neben Wien waren auch Salzburg mit den Festspielen und sogar Graz mit der Styriarte (Harnoncourt) wichtige Veranstaltungsorte.

Zusammen mit den Fernsehproduktionen wurden auch Musik- und Konzertfilme in diesem Format angeboten, etwa von Unitel oder von Amberson, der Produktionsfirma von Leonard Bernstein.

Nach 1993 erschien dann nicht mehr viel, und vor allem nicht im PAL-Format - Beethovens Tripelkonzert mit Perlman, Ma und Barenboim und den Berliner Philharmonikern war zwar eine SFB-Fernsehproduktion im PAL-Format, erschien aber nur in Japan als NTSC-Laserdisc.

Schon 1983 wurde noch rein analog eine "Bildplatte" mit Mozarts Konzerten für zwei und drei Klaviere veröffentlicht, mit Christoph Eschenbach, Justus Frantz und - ja, Helmut Schmidt als Solisten mit dem Tonhalleorchester Zürich. Leider läßt sich hier der analoge Ton nicht mehr sauber abspielen.

Noch früher, wohl Mitte der 1970er Jahre, nahm Bernstein mit den Wiener Philharmonikern Mahlers Erste im Wiener Konzerthaus live als Konzertfilm auf. Wenn die Kamera über den Balkon schwenkt, sieht man dort den Bundespräsidenten Rudolph Kirchschläger und den Bundeskanzler Bruno Kreisky als Zuhörer.

Diese Zeiten sind lange vorbei...
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#2
Jüngst sind mir japanische Pioneer-Laserdiscs aus den frühen 1980er Jahren ins Haus geflattert, mit dort veranstalteten Konzerten unter dem Dirigat des aus Österreich stammenden Dirigenten Otmar Suitner, der vor allem die Staatskapelle Berlin (Ost) dirigierte, aber auch das Symphonie-Orchester des japanischen Rundfunks NHK.

Diese Laserdiscs haben noch einen analog gespeicherten Ton. Dieser ermöglichte damals wohl die sauberste Wiedergabe, weit besser als die unaufhaltsam verstaubende Schallplatte. Die Scheiben selbst lassen sich immer noch fast ohne Bildstörungen und ganz ohne Tonstörungen abspielen, was nicht selbstverständlich ist.

Und ein Nachtrag zu oben: es gibt leider auch verrottete NTSC-Laserdiscs - Eugene Ormandys Konzert-Laserdisc mit seinem Philadelphia Orchestra und Mussorgkys Bildern einer Ausstellung, Holsts Planeten und Debussys La Mer ist so leider unrettbar verloren.
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#3
Ist vermutlich dasselbe wie bei manchen CDs, wo mit der Zeit die Reflexionsschicht kaputt geht. Die sind ja dann auch nicht mehr zu retten, Ursache sind wahrscheinlich aggressive Bestandteile in der Luft am Aufbewahrungsort.

Grus Holger
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#4
Im Preßwerk in Großbritannien, wo u. a. die Polygram-Laserdiscs hergestellt wurden, wurde schleißig gearbeitet, sodaß der verwendete Klebstoff die Aluminiumschicht zwischen den zusammengeklebten Kunststoffscheiben zerfrißt. Dort wurden neben den PAL-Versionen für Europa aber auch NTSC-Scheiben produziert.

Es hängt aber auch von der einzelnen Laserdisc (Veröffentlichung) ab, weil nicht bei allen gleich gestümpert wurde. Was mich nur überrascht hat, ist der hervorragende Erhaltungszustand der noch voll analogen Pioneer-Laserdiscs aus Japan - nach mehr als 40 Jahren, denn der Analog-Ton hat keine Fehlerkorrektur!

Man hätte halt von den frisch gepreßten Laserdiscs gleich eine Archivkopie auf S-VHS-Videokassetten machen müssen, entsprechend gut betucht...
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#5
Ein Nachtrag zur Tonqualität: besonders hoch ausgesteuert wurde der analoge Ton nicht, sondern nur bis maximal -10 dB FS des Bereichs des DVD-Recorders, also mit etwa 2/3 freiem "Headroom".
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#6
drei weitere Beispiele:

1. Beethovens Neunte mit den Wiener Philharmonikern unter Leonard Bernstein in der Wiener Staatsoper, etwa 1979: die PAL-Version ist unbrauchbar zerfressen, die NTSC-Version tadellos, aber der analog aufgenommene Ton zeigt durch den Pfeifton des Fernsehens (15625 Hz) deutliche Gleichlaufschwankungen

2. die Eroica mit dem NHK Symphonieorchester unter Otmar Suitner wurde zweimal aufgenommen und auf Laserdisc gepreßt: 1982 von Pioneer noch rein analog und 1988 von Toshiba-EMI mit digitalem Ton. Der analoge Ton klingt frischer; die Videoqualität ist gleich gut.

3. die Missa Solemnis mit dem Sinfonieorchester des Bayrischen Rundfunks unter Sir Colin Davis hat einen viel zu leisen Ton.


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