Wiedereröffnung
#1
Am 30.Oktober dieses Jahres wird die Frauenkirche zu Dresden, nach 12 Jahren Wiederaufbau feierlich eröffnet. Die Welt wird über Rundfunk und Fernsehen dabei sein können, denn der Ton wird mit qalitativ hochwertigen Mikrofonen aufgenommen und mittels modernster Technik übertragen und aufgezeichnet.

Keiner weiß mehr, ob es schon vor der Zerstörung der alten Barockkirche fest installierte Mikrofone und Verstärkertechnik nebst Aufzeichnungsgeräten gegeben hat. Auf noch existierenden alten Fotos aus der Vorkriegszeit sind jedenfalls keine zu sehen.
Offensichtlich waren sie damals auch nicht notwendig, denn der Erbauer George Bähr realisierte mit diesem gigantischen Bauwek eine hervorragende Akustik.

Es existieren noch historische Aufnahmen von der Silbermann-Orgel, die natürlich mit Mikrofonen aufgenommen wurden. Wahrscheinlich verwendete man die damals hervorragenden Georg Neumann CMV 3 Typen.

Der Organist Hanns Ander-Donath, der die Aufnahmen 1944 in der Frauenkirche eingespielt hatte, hörte 1948 seine verloren geglaubten Aufnahmen im Rundfunk wieder. Er erfuhr auf Anfrage beim Sender, daß die Bänder durch Zufall auf einem verlassenen Planwagen in Berlin-Grunewald entdeckt wurden. Sie waren völlig durchnässt und Kinder hatten sie längst als Luftschlangen zum Spielen benutzt.
Die Aufnahmen wurden mit AEG-Bandmaschinen, die bereits über HF-Vormagnetisierung verfügten, gemacht. Immerhin die damals modernste Aufnahmetechnik weltweit.
Die historischen Aufnahmen wurden 1998 nochmals mit modernster Digitaltechnik restauriert. Es soll sogar eine CD davon existieren.
Zu Beginn der CD sind die Glocken der Frauenkirche im Original zu hören.
Der Organist und begeisterte Hobbybastler Hanns Ander-Donath hat diese damals auf einem selbstgebauten Decelith-Plattenschneidegerät aufgezeichnet.

Heute ist die Frauenkirche mit AK 40/KM 100 (Neumann) und MKH 60 (Sennheiser), MD421 SE (Sennheiser)und AK 30/KM 100, sowie mit Grenzflächenmikrofonen GFM 132(Neumann) ausgestattet.
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#2
Ja, Hanns Ander-Donath ist für mich -genese-notorischer Wessie- seit fast 40 Jahren Teil meines musikalischen Denkens, wenn auch in frühen Zeiten nicht schockfrei, denn die besagten Aufnahmen aus der Frauenkirche in Dresden erschienen schon in den späteren 1960ern gemeinsam mit allerdings neuzeitlichen Produktionen von VEB Deutsche Schallplatten mit Arthur Eger an der (großen) Freiberger Silbermann-Orgel beim "Schallplattenverlag zum Pelikan" -Pelca- in Zürich. Als angehender Organiste, jedoch auch schon tontechnisch infiziert, war ich vom Spiel Donaths -ich wusste nichts über sein Leben- durchaus schockiert, repräsentierte es nun gar nichts von dem, was in der damaligen Orgelszene (eben der der 1960er) als opportun gehandelt wurde. Heute sieht sich das gänzlich anders an. Donaths Spiel ist durchaus 'up to date', also heute wieder sehr modern.

Die Aufnahmen der Reichsrundfunkgesellschaft und der Plattenindustrie zwischen Jahresmitte 1943 und Jahresbeginn 1945 (da spielten auch Ramin und andere Größen der Orgelszene) nehmen ihren Ausgang im Ende Mai 1943 abgeschlossenen, letzten Umbau der ursprünglichen Silbermann-Orgel der Dresdener Frauenkirche, die allerdings eine ungleich wechselvollere Geschichte durchlebte als die klingend und technisch weitgehend erhaltene (weil zuvor im klingenden und technischen Apparat ausgebaut) Orgel der katholischen Hofkirche Drsdens, die als letztes Werk Gottfried Silbermanns gilt.

Diese sehr hochwertigen Bandaufnahmen (heute im DRA, es gibt auch 'dem Vernehmen nach' etwas bei einem renommierten sächs. Lautsprecherhersteller, wozu ich aber nicht mehr weiß) aus der Dresdener Frauenkirche dienten dem Akustikpapst Werner Lottermoser nach dem zweiten Weltkrieg für akustische Analysen, die es heute neben dem seither dramatisch angewachsenen Wissen über den Orgelbau Gottfried Silbermanns problemlos ermöglicht hätten, das Instrument der Frauenkirche auf den Pfaden Gottfried Silbermanns zu rekonstruieren, was aber von einem sehr bekannten Trompeter mit absolut eindeutigen, in meinen Augen wenig kompetenten Fanfarenstößen unterbunden wurde. Damit ist eine einmalige Chance vertan, als Probe aufs Exempel in einer -nicht mehr primär als Gemeindekirche zu nützenden- Kirche nachzuweisen, was wir heute als Gottfried Silbermann rekonstruieren können. Dies Instrument hätte nun auch zum Raum, zur Rekonstruktion desselben, seiner Aufgabe als Ort der Mahnung, Konzertsaal und schließlich Kirche gepasst. Das wurde aber so verhement unterbunden, dass selbst zum Kompromiss neigende Angehörige der Orgelkommission unter Protest von ihren Posten zurücktraten. Das schwappte um die Welt.

Der jetzige, elsässische Erbauer Daniel Kern stammt zu allem Überfluss aus der Familie des Orgelbauers Alfred Kern, der sich bis in die 1970er hinein im Elsass als überaus kompetenter Rekonstrukteur der Orgeln des älteren Bruders von Gottfried Silbermann, Andreas Silbermann und dessen Sohn, Johann Andreas bleibende Verdienste erworben hat.
Ach ja: der Sohn des oben genannten Trompeters ist Tonmeister, dessen Sensiblität mich tief beeindruckt hat... So bleibt doch alles in der Familie.

Hanns Ander-Donath war Tonaufnahmepionier, dem wir auch solche Raritäten wie eine Aufnahme des Geläutes der Frauenkriche (auf Decelith) von etwa 1943 verdanken. Ander-Donath wurde aufgrund privater Vorgänge, die die evangelische Landeskirche Sachsens nicht zu goutieren geruhte, nach dem Kriege nicht wieder in kirchliche Dienste aufgenommen, was seiner Familie und ihm (1898-1964) im zudem ja agnostischen Staat DDR teilweise schlimme Lasten aufbürdete.
Seine Decelith-Aufnahmen (also PVC-Schallfolien der Decelith, Eilenburg; die PVC-Zeit der 'Vinyls' begann nicht erst in den 1950ern!) sind in der Sächsischen Landesbibliothek erhalten, wo auch sein schriftlicher Nachlass liegt. Vor eingen Jahren gab es dort einmal eine kleine Asstellung über Donath.

Seine zweite, 26 Jahre jüngere Frau hat ein kleines Bändchen über den lange Zeit letzten Organisten der Dresdner Frauenkirche Hanns Ander-Donath verfasst, das nicht zuletzt auch ein Genrebild der DDR-Kirchenszene der 1950er Jahre abgibt:
Elvira Ander Donath, Ein Leben für die Musik. Leipzig 2002.
Gleichzeitig erschien eine CD mit bislang unbekannten Aufnahmen des DDR-Radios mit Ander-Donath. Dort findet sich auch die genannte Aufnahme des Geläutes der Frauenkirche und eine nicht wenig reizvolle Aufnahme des festlichen Präludiums op. 61 von Richard Strauss, die am für Donath offenbar recht ergiebigen 17. Mai 1944 in der Frauenkirche entstand (el-ton, Dresden el 01205).
Die RRG-Aufnahmen sind nach wie vor über Ars Vivendi/Berlin Classics Nr. 2100223 und Nr. 2100224 recht wohlfeil erhältlich.

Die Frauenkirche hätte man nicht zuletzt aus architektonischen und musikalischen Gründen in der Weise mit drei Instrumenten ausstatten sollen, wie das bereits der barocke Architekt George Bähr -akusto-architektonisch sicher beschlagener als Ludwig Güttler- vorgesehen hatte. Frank Harald Greß hat auf diese Lösungsmöglichkeit des sich abzeichnenden Orgeldilemmas in einer schönen Publikation aufmerksam gemacht:
Frank Harald Greß, Die Orgeln der Frauenkirche Dresden. Freiberg 1994.
Zwei Seitenorgeln, links und recht des Altarbereiches gelegen, wurden von Bähr in Plänen skizziert, jedoch nie realisiert. SIe wären die Instrumente gewesen, die für Konzerte im Sinne Güttlers uneingeschränkte Tauglichkeit hätten erhalten können....

So aber fiel diese Gelegenheit der Unduldsamkeit einer einzelnen Person und ihrer Definition von Fortschritt zugunsten eines neuzeitlichen, anderweitig zigfach verfügbaren Normalinstrumentes auf einer platzbedingt nur für den Organisten (und den Trompeter, hüstel) zureichenden Empore zum Opfer.
Der Orgeleinbau wird dieser Tage abgeschlossen. Wie das Ding schließlich tun wird, na, man wird es hören.

Hans-Joachim
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#3
War es aber nicht auch dieser Trompeter, der trotz vieler Gegenstimmen, dennoch die Initiative ergriff und begann Sponsoren zu suchen und Geld für den Wiederaufbau zu sammeln?

Wäre es vielleicht besser gewesen die Ruine als ewiges Mahnmal für die Greuel des Krieges unberührt zu lassen?

Sicher gibt es hierüber verschiedene Meinungen?
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#4
Zitat:capstan postete
(...)
Wäre es vielleicht besser gewesen die Ruine als ewiges Mahnmal für die Greuel des Krieges unberührt zu lassen?

Sicher gibt es hierüber verschiedene Meinungen?
Einige Zeit nach der Wende war ich in Dresden und ziemlich beeindruckt von dieser Stadt. Ich habe ein Faible für's Morbide und Verfallene, und dieser mit grünem Gras überwachsene Hügel verkohlter Steine mitten in der Stadt, in der noch Häuser standen, bei denen Bäume aus den rußgeschwärzten Mauern wuchsen, hatte eine mich sehr beeindruckende Ausstrahlung. Als ich vor diesem Hügel stand wünschte ich mir, man würde ihn so stehen lassen. Daß das nix werden würde, wurde mir klar, als ich die Semperoper besuchte, die gerade renvoviert wurde. Die Führerin war eine leidenschaftliche Dresdenerin, sie spach begeistert vom Wiederaufbau der Oper und was man in der Stadt sonst noch so alles vorhätte. Man merkte ihr an, daß sie einen Typus verkörperte, der sich den Wiederaufbau der Stadt auf die Fahnen geschrieben hatte. Es schien für diese Leute sehr wichtig zu sein, sich das fast unmögliche aufzuladen und zu verwirklichen. Dieser Erfolg ist wohl für die Dresdener sehr wichtig. Es wäre also egoistisch zu sagen:"Lasst es so verfallen wie es ist, es gefällt mir besser!"

Das haben die Leute vor Ort entschieden, und das sind auch die einzigen, die soetwas entscheiden sollen. Ein Besuch in Dresden steht auf jeden Fall nochmals auf meiner to-do-Liste.
Michael(F)
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#5
Zitat:capstan postete
War es aber nicht auch dieser Trompeter, der trotz vieler Gegenstimmen, dennoch die Initiative ergriff und begann Sponsoren zu suchen und Geld für den Wiederaufbau zu sammeln?

Wäre es vielleicht besser gewesen die Ruine als ewiges Mahnmal für die Greuel des Krieges unberührt zu lassen?

Sicher gibt es hierüber verschiedene Meinungen?
Die Folgen menschliche Tuns sind immer ambivalent, weshalb die aktuelle Situation in der und zur Frauenkirche nicht verwundern sollte, die Dicta "Sinn" oder "Unsinn" werden daher immer sehr stark nach dem Gusto des jeweils Betrachtenden verteilt werden. Gerade die Geschichte Dresdens, die in den heutigen Bewohnern sichtlich lebendiger ist als in vielen anderen Städten, zeigt das.
Die Gegenstimmen bezüglich der Kirchenrekonstruktion (es war vieles nach dem Krieg abgefahren worden, vieles aber auch noch da) kamen aus bestimmter kunsthistorischer Ecke, wo -mit für mich durchaus nachvollziehbaren Gründen- generell Vorbehalte gegen Rekonstruktionen geltend gemacht werden.
Dies jedoch spielte für 'die Dresdner' (gibt es sie?, ich glaube, ja!) keine Rolle. Sie ließen sich daher auch von 'ihrer' Frauenkirche als integralem Gebäude nicht trennen, die Pläne zum Wiederaufbau waren ja selbst schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit sehr weit gediehen, bis dann die politische Führung sicher primär unter dem Diktat vordringlicherer Aufgaben, den teilweise dramatischen Engpässen -17. Juni 1953- und erst dann der Atheismuskampagne der 1950er entschied (wir kennen derartige Umetikettierngen aus der aktuellen politischen Diskussionen....; sollte es ein Symbol sein, dass Dresden da heute wieder hineingezwungen wurde?), den Haufen Haufen sein zu lassen, ihn -wieder einmal- umzuetikettieren, numehr zum Mahnmal.

Die Frauenkirche war historisch eine Reaktion der mehrheitlich lutherischen "sächsisch-dreßdnischen" Bürgerschaft auf den Gesangbuchwechsel des Fürstenhauses, als dieses, um die "pohlnische" Königswürde erlangen zu können, zum Katholizismus konvertierte, was den Sachsen nicht schmeckte. Übrigens auch der Eheliebden Augusts nicht, bei der dies wohl nicht nur ein Fass zum Überlaufen brachte, weshalb sie nach Torgau übersiedelte, wo sie 1727 starb und im nahe gelegenen Leipzig nicht zuletzt unter Bachs musikalischem und Gottscheds literarischem Pomp in der Paulinerkirche (auch sie ist weg..., gesprengt durch die DDR-Führung) akademisch zu Grabe geleitet wurde.

Die Frauenkirche Dresdens symbolisiert also bis heute das bürgerliche Selbstbewusstsein einer Stadt, das zum Dresdner so gehört wie zum Münchener der jährlich einmal vorfallende, weißblaue Lokalrausch. Ich war daher nicht verwundert, dass es im Augenblick des Zerbröselns der alten DDR-Administration unter 'den Dresdnern' weltweit (!) zugunsten des Wiederaufbaues sofort vernehmlich zu rumoren begann, diesem Symbol wieder Leben einzuhauchen, welcherart auch immer. Das ruft natürlich Identifikationsfiguren auf den Plan.

Auch wenn ich die Dresdener Silhouette in natura nur ohne Frauenkirche kannte, meine Vorstellungen von dem, was war, allein entwickelt waren zwischen Canaletto und Vorkriegsfotos nebst -Filmen, sowie jenen erklingenden Aufzeichnungen von Verklungenem, so kann ich doch auch dem architektonischen Urteil lokaler Bekannter beipflichten, denen ohne 'die Kuppel' (das klingt aus deren Mund ein wenig anders) etwas an ihrer Stadt fehlte. Dass solch ein Ort zudem eine bewusste, ja ethisch fast aggressive Mahnung an die Unzulänglichkeit menschlich gelebter Moral in sich tragen kann -die Bombardierung Dresdens in drei Wellen war ein perfides Kriegsverbrechen (wovon Kriege indes voll zu sein pflegen, Harris hin, Irving her), das 'Läuterung' in der Erinnung an eine Vergangenheit erlaubt, die formal rekonstruiert ('re-pariert') wurde, macht die Rekonstruktion für mich bestechender als das Belassen jenes Grashügels innerhalb der Plattenbauten der Dresdener Innenstadt, die ihrerseits auf die Schneisen der Zerstörungen vom 13./14. Februar 1945 hindeuten, was der Kontrast zur Frauenkirchenarchitektur verschärfen wird.

Gegen diese, der Oberfläche ja sehr nahen, ethischen Dimensionen nimmt sich Güttlers Fehlgriff natürlich an sich unwesentlich aus. Gerade angesichts dessen fragt man sich aber, ob er denn von der Seite eines Nationalpreisträgers der DDR wirklich nötig war. Vielleicht ja gerade deswegen.

Der Aufstand innerhalb der Musikszene jedoch erschreckte mich, zeigte, dass da etwas gerade auch aus lokaler Sicht sehr schief gelaufen war. Denn die Orgelkommission, der auch Leute des Kompromissflügels angehörten, flog auseinander, die deutsche Orgelbauerschaft zwischen Klais und Jehmlich, Wegscheider und Ahrend lehnte die potenzielle Übenahme eines Auftrages zum Bau des Instrumentes ab, bevor ein solcher überhaupt ausgeprochen war, Dussmann forderte eine bereits geleistete Spende (ich glaube, das waren 1 Mio DM) zurück, mehrere Amerikaner stellten sehr schön gemachte Seiten ins Internet, auf denen sie ihr grobes Unverständnis über die gefallene Entscheidung äußerten. Spätestens das (alles) hätte einen Musiker doch veranlassen können, seinen Standpunkt vielleicht ein wenig in die Revision zu nehmen.

Nichts davon, obgleich der vom Zerfall der DDR mehr gebeutelte verdienstvolle Silbermann-Forscher (und natürlich Dresdner) Frank-Harald Greß zur Orgelfrage einen schönen Kompromissvorschlag auf der Basis des dritten Kirchenentwurfes von George Bähr ausgearbeitet hatte, der die konsequente Rekonstruktion des Silbermann-Instrumentes vorsah, jedoch auch die früher oder später kommen werdenden, von Bähr bereits vorgesehenen, aber bis 1945 nie gebauten Instrumente im Altar- und Musizierbereich für Güttlers und anderer Ensemblemusiker Zwecke installieren wollte. Es gab dennoch ein symbolisches Nein zur Rekonstruktion der Hauptorgel.

Ich beobachte, wie sich dieses Dresdener Exempel weiter entwickelt.

Hans-Joachim
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#6
Hallo,

Die Rekonstruktion von alten, nicht mehr vorhandenen Orgeln ist m.M.
nach immer eine fragwürdige Sache.
Meines Wissens nach ist es bis heute nicht gelungen, eine Silbermann-
Orgel nachzubauen, die auch klanglich wirklich dem Original entspricht.
Ebenso verhält es sich mit Versuchen, Cavaille-Coll-Orgeln nachzubauen, etc.
Viele renommierte Orgelbauer im In- und Ausland lehnen es auch deshalb
ab, solche Versuche zu unternehmen.
Die Konzerttätigkeit soll in der Frauenkirche einen großen Platz einnehmen.
Eine reine Barockorgel kann diesem Anspruch nicht gerecht werden.
Zwei zusätzliche Werke könnten dem aber nur unzureichend abhelfen.
Auch wenn sie ursprünglich vielleicht von Bähr vorgesehen waren, sie waren
aber eben nie gebaut worden, und haben heute in der Frauenkirche m. M.
nach auch keine Berechtigung.
Daher kann ich die Meinung Güttlers durchaus nachvollziehen.
Das Prospekt und die Mensuren der meisten Labialpfeifen entsprechen aber der
Bauweise Silbermanns.

Heribert
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#7
Ich darf dir, lieber Heribert doch widersprechen, oder?

Cavaillé-Colls Orgeln bereiten nun 'tendenziell' sehr geringe Schwierigkeiten, denn der Mann hat geschrieben, was die Feder hergab, zudem ist eine respektable Menge seiner Instrumente erhalten. Außerdem ging er den Orgelbau mit der Konsequenz des Ingenieurs des 19. Jahrhunderts an. Seine Instrumente im Nachbau zu reanimieren, fällt daher nicht schwer, außer dass eine solche Kopie misslänge (...), wären denn 'Instrumentenkopien' überhaupt solche (daran zwreifle ich, weil kein Raum dem anderen gleicht). Dennoch reizen mich aufgrund der musikalischen Umgebung Instrumente der Silbermänner, Wagners, der Herbsts (so erhalten), Treutmanns mehr als die Cavaillé-Colls, die allesamt jeweils auf den musikalischen Zeitgeschmack abheben, der mich mit Widor, Dubois oder Gigault doch nicht so sonderlich ankommt, sehe ich das BWV zwischen 540 und 548, 599 und 688 an. Ein Objektivierung meiner Aussage ist möglich, tut hier aber nichts zur Sache.

Das Nachverfolgen der Prinzipien der elsässischen Silbermänner Andreas und Johann Andreas (Andreas war ja nicht nur der Lehrmeister sondern auch der ältere Bruder des Gottfried) errichtet aufgrund des extrem hohen Rationalisierungsgrades der Fertigung bei Andreas und dann vor allem bei Johann Andreas auch keine unüberwindlichen Hindernisse, wie der Vergleich von z.B. Molsheim-Jesuitenkirche, Mühlhausen-Temple St. Jean, Buchsweiler-Ev. Kirche mit Marmoutier-ehem. Klosterkirche und Ebersmünster-dito. schlagend nachweist. Die Bau- und Intonationsweise Johann Andreas Silbermanns wird zusätzlich durch seine Niederlegungen im fünfbändigen (heute edierten) 'Silbermann-Archiv', durch die Sundhauser Papiere aus Härpfers Besitz und endlose (orgelbauliche) Nachweise in teilerhaltenen Orgeln bis in Details belegt. Schon Pater Albert Hohn (HD-Ziegelhausen) hat da 'belastbares Material' in extenso vorgelegt. Wir wissen, was man in Straßburg tat, und wie Gottfried unterrichtet wurde. Nicht zuletzt hat auch der Vater Gaston Kerns (von Gaston stammt das aktuelle Instrument in DD, Frauenkirche) einen beachtlichen Teil seines Orgelbauerlebens davon gelebt und sehr überzeugende Beispiele seines Einfühlungsvermögens vorgelegt und hinterlassen (vgl. oben).

Ähnliches gilt für Gottfried, von dem mehr gering verändertes Material vorhanden ist als von den Elsässern; zudem wurde mit der qualifizierten Erforschung seines Tuns schon in den 1930ern (Freiberg war beispielsweise Teil der Initialzündungen zur Orgelbewegung) begonnen, dies ging durch die DDR-Zeit weiter und betraf im Falle Dresdens gerade auch die Frauenkirchenreste, denen anders als den Hofkirchenbeständen seit dem 19. Jhdt. ungleich übler mitgespielt worden war. Wir kennen die Mensuren von den bis 1944/45 erhaltenen Silbermann-Regster der Frauenkirchen-Orgel und durch die Arbeiten Lottermosers auch deren Klang 'von der Orgelbauer letzter Hand' (1943/44), denn Werner Lottermoser beschrieb ja in der Nachkriegszeit anhand der allein verbliebenen RRG-Aufnahmen nach dem letzten Umbau über Klanganalysen naturwissenschaftlich hinreichend solide das Silbermann-Material auch akustisch. Zudem haben wir in Dresden mit Kristian Wegscheider, Hartmut Schütz und Adlaten ein orgelbaulich Silbermann-'Kompetenzzentrum', das mit Wissen und Archiv der Jehmlich-Kollegen an Leistungsfähigkeit hinter dem Elsässer Alfred Kern in nichts zurückstehen muss.

Die Frauenkirche hätte unabhängig von liturgischen Erfordernissen (die neue Frauenkirchengemeinde ist in der Gläubigenzahl keine klassische Kirchengemeinde mehr) die Möglichkeit zur Probe aufs Exempel geboten, Silbermann nachzuzeichnen: Was können wir, was wissen wir; dass das musikalische Konzept überzeugt, hören wir in Freiberg (bitte dreifach), nicht jede Orgel muss die Wiedergabe von Vierne und Dupré erzwingen. Auch von diesem, nicht minder 'einseitigen' Orgeltyp haben wir inzwischen mehr als genug Instrumente.

Die Gegenargumente von Güttler sind für mich ausgemachter Unsinn und eines kapablen Musikers eigentlich unwürdig. Wenn er Probleme hat, sich als Trompeter (!!!, denen die Transposition immer zentraler Teil der instrumentalen Beherrschung war) an einem abweichenden Stimmton oder einer abweichenden Temperatur für die -an sich weitgehend unhistorische- Kombination Trompete und Orgel zu orientieren, kommen mich Fragen zu seinem gerühmten Handwerk an. Zu einer fehlenden Pedaltaste braucht er sich ja wohl die wenigsten Gedanken zu machen.
Doch eher noch melde ich schon deshalb und namentlich in historischen Fragen erhebliche Zweifel an, wenn ich die wissenschaftlich-historischen Aufsätze Güttlers studiere: Man lese nur, was er zum Corno da Caccia zu sagen hat, was nun in einer Umgebung qualifizierter historischer Forschung eine Distanz zu erworbenen, also bestehendenen Kenntnissen offenbart, für die ich nur eine Erklärung habe: Historisches interessiert Güttler in der Musik nur insoweit, als es sich mit einer standardisierten Virtuosität beherrschen lässt.
Das aber ist zumindest (auch) für mich kein Umgang mit einer bestimmten Art Musik und denjenigen, die sie einmal schrieben: John Cage oder Dieter Acker habe ich Güttler nie spielen gehört.

So wuchsen sich die hinter Güttler und der Gegenpartei versammelten Finanzmassen zur Munition in einem klassischen Richtungsstreit um eine Orgel aus, in dem die Gegenpartei eben den Kürzeren zog, obgleich Güttlers fachliche Kompetenz in Orgelfragen mit Händen zu greifen war/ist. (Ließe er mich in derselben Weise als Gutachter bei einem seiner Trompetenerwerbe gewähren?)
Punkt, das war's dann aber mit dem Frauenkirchenorgelprojekt, nicht mehr und nicht weniger. Da halfen die oben (mutmaßlich) benannten, respektablen, internationalen und fachlichen Gegenbewegungen nichts. Die Gelegenheit zur Prüfung unserer Kenntnisse bezüglich Gottfried Silbermanns ist verspielt.

Ein Gegenargument hätte ich akzeptiert: Das des Kitsches, der gemeinhin als neuzeitliches Surrograt längst in Inhalt und Erscheinung verlorenen Gutes definiert wird. Das könnte man auf die Orgel beziehen. Dieser Vorwurf kam allerdings von Güttler nie; mit gutem Grund: Denn damit hätte man die gesamte Rekonstruktion der ja im Kriegsgefolge vollständig verlorenen Frauenkirche füglich vergessen müssen (der Steinhaufen unter Gras enthielt ja nur diejenigen Reste, die nach dem Kriege nicht abgefahren worden waren). Daran rührte Güttler als intelligenter Mann natürlich nicht, denn er hatte ja (bitte Reisekader und nicht nur das) einigen Grund, durch sein Frauenkirchenunternehmen den Blick der Dresdener Mitbürgerschaft auf die Zukunft zu lenken.

Wohl gemerkt: Ich bin kein Dresdner, sondern Osnabrücker, der seit reichlich 50 Jahren in der Stadt der Weißwürste lebt. Meine Beziehung zu Dresden ist nachwendegeprägt, ich hatte nie private Wurzeln dort. Aber ich bin Organist und Tonmeister aus Leidenschaft (gewesen, heute steht's mir eigentlich 'etwa bis -> --- <- hier'), also dem Grundsatz verhaftet: Wer Ohren hat, der höre und da höre ich etwas, vieles; aber eben nur das, was für mich 'da' ist, während andere anderes hören. Und da scheiden sich dann eben die Geister, weshalb gerade ich ein Maximum an Liberalität pflege, die sich in einer großen Offenheit anders Denkenden gegenüber äußert. Nur 'meine' Orgel in Auge und Kopf zu bewahren, reicht mir da nicht. Es soll aber Leute geben, die ihr Leben und ihre Ansichten durch ihre Trompete (oder das, was sie dafür halten), 440 Hz, Orgel oder ihren Kontrabass definieren. Da passe ich dann, verzichte aber nicht von ungefähr auf Widerspruch, wenn ich meine, so handeln zu müssen.

Deine Haltung, lieber Heribert, achte ich von Herzen, denn ich kenne dich und deine Herkunft, deine sicher aus gutem Grund geäußerten Denkarten nicht. Meine Ausagen wenden sich daher nicht gegen dich. Bei Güttler habe ich da sehr viel mehr Probleme mit der Akzeptanz.

Unsere Welt geht aber nicht unter, nur weil die Ken-Silbermann-Version der Frauenkirche nicht meinen Erwartungen entspricht; insofern: Diskutieren macht Spaß und fördert oftmals gute Ideen zutage....

Schön'n Abend noch

Hans-Joachim
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#8
Hallo Phono-Max,

< Ich darf dir, lieber Heribert doch widersprechen, oder? >

Selbstverständlich, deshalb nennt sich das ja hier "Forum".

Zu Deiner Info:
Bin Musikliebhaber, besonders eben auch Orgelmusik,
spiele ( Hobby ! ) ab und an was Klavier.

Habe mir schon viele Orgeln angehört und an (rein)geschaut.
Darunter auch manche Instrumente, welche den Klängen
und Bauweise Silbermanns, etc. entsprechen sollen.
Muß sagen, es war bisher eine einzige Enttäuschung.
Sicher, sie kamen ihrem Ideal nahe, aber eben nur nahe.

Aber wichtiger ist:
Die Kirchengemeinden, die solche Instrumente teuer gekauft
haben, waren nach einigen Monaten doch enttäuscht über
ihr Instrument: Literaturspiel war nur beschränkt möglich,
Liturgiegestaltung war ( ist ) unbefriedigend.

Eine neue Orgel muß (sollte) in erster Linie so disponiert werden,
daß sie heutigen! Anforderungen gerecht werden kann.
Die Technik und Bauweise von Orgeln, die Orgelliteratur sowie
die Liturgie sind eben nicht irgendwann stehen geblieben,
sondern entwickeln sich dankenswerterweise weiter.

Auch wenn das Klangideal einer Silbermannorgel fast erreicht wird,
die neue Orgel ist und bleibt eine (Mühleisen, Eule, Klais, Seifert etc., etc. )
- Orgel, und damit ein Kind seiner, unserer Zeit.

In unserer Pfarrgemeinde ( St. Nikolaus, Köln ) werden bald die
Ausschreibungen für eine neue Orgel and die Firmen gehen.
Die Disposition soll der Deutschen Romantik entsprechen, aber
Barockmusik soll ebenso spielbar sein.
Es wird wohl eine Orgel werden, die ihre eigene Eigenart haben wird,
natürlich auch wegen der Akustik. ( Neuromanik )


Das ist mein persönlicher Eindruck, die Motivationen und Argumente
eines L. Güttlers kenne ich nicht genau und kann dazu nichts weiter
sagen.

Heribert
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#9
Einmal zuviel auf die Taste gehauen.... bitte um Entschuldigung!

Hans-Joachim
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#10
Lieber Heribert,

Zitat:du postetest:
Selbstverständlich, deshalb nennt sich das ja hier "Forum".
Nun ja, dann bin ich ja beruhigt. Denn die anderweitigen Wellen beunruhigen mich immer von neuem.
Zitat:Zu Deiner Info:
Bin Musikliebhaber, besonders eben auch Orgelmusik,
spiele ( Hobby ! ) ab und an was Klavier.
Das sieht bei mir partiell und namentlich historisch (innerhalb eines Lebens) etwas anders aus, außerdem komme ich -wenn auch als notorisch kritischer, aber nie beckmessernder Zeitgenosse- aus einer wesentlich orgelbewegteren Zeit. Ich habe über Musik-Tonmeisterei und Musikwissenschaft jedoch nie vergessen, was ich in Marmoutier, Borgentreich, Goslar-Grauhof, Lahm/Itzgrund, Alkmaar, Ganderkesee, Ebersmüsnter, Fürstenfeld[bruck], Innsbruck, St. Maximin, Tai di Cadore oder Gagnano usw. -die Liste ist endlos- erlebte. Darüber denkt man nach, auch über die -in meinem Falle wesentlich häufiger und dramatischer erlebten- Enttäuschungen an damals (und heute!) 'neuzeitlichem Instrumentarium', und fragt nach dem Warum. Meine Erfahrungen weichen also von den deinen diametral ab, was dies Warum natürlich verschärft. Weshalb befriedigte mich die Rekonstruktion der Orgel J. A. Silbermanns in Bouxwiller/Buchsweiler mehr als viele der weiland neuen Münchener Instrumente? Warum blieb mir die Tischorgel der Residenz ebendort als ein kaum beschreibliches Erlebnis wie Schaffhausen, St. Johann oder Merseburg, Dom in lebendigster Erinnerung?
Weil die Instrumente dem Musiker gerade durch ihre zeitgenössisch bestimmten Beschränungen Grenzen setzen, ihm Mühe un Not bereiten, das zu realisieren, was er durchziehen möchte. Er muss sich also etwas überlegen, sich mit Musik und Instrument gleichermaßen (das reicht bis zum Tastaturstichmaß) befassen. Zudem ordnet man sich 'zeitgenössisch' klanglich lokalen Gepflogenheiten unter, weshalb Orgeln der beiden Brüder Andreas und Gottfried Silbermann auch so unterschiedlich, also individuell tun, wie es die nennenswerte geografische Entfernung von Ebersmünster und Freiberg vermuten lässt.

Es ist der hohe, universalistische, schlicht unrealistische Anspruch modernen Instrumentariums an sich selbst, der zeitweise in der Orgelszene (ca. 1970-1990) auch in Abrede stand, als Abusus gesehen wurde und diese Instrumente durchaus leicht langweilig macht. Mir ging die Sicht der Ahrends und Brombaughs damals sehr ein, denn ich habe immer dem Ideal gelebt, neben einer neobarocken Orgel ein italienisches Instrument bauen zu lassen, das wiederum durch einen Spanier, ein Ladegast-, Silbermann- oder Hörterich-, Fux oder Riepp-Konzept ergänzt werden konnte. Da ist dann auch Platz für eine Walcker- oder Steinmeyer- Kegellade, ja die technisch komplexen (aber heute sündteuren) pneumatischen Ladensysteme, damit neben einer universellen (?) neuzeitlichen Schleiflade (meinetwegen auch Springlade) stehen könnten, so dass eine Vielgestaltigkeit in eine Szene k
käme, die nicht nur dem Hörer, sondern auch der Eindämmung des leidigen Problemes organistischer (Musiker-)Profilneurosen entgegenkäme. Das setzte andererseits eine Modifikation der Hochschulbildung des Nachwuchses (ich vermeide den so gängigen wie dummen Terminus "Aus-Bildung" bewusst) voraus, worin ich -neben einer aktuellen Klangmode- eine der höchsten Klippen für die Durchsetzung eines solchen Gesamtkonzeptes sehe.

So hätte es mich schlicht gewundert, wenn die dir nahestehende Orgel von St. Nikolaus in Köln als Orgelneubau derzeit nicht neoromantisch-französisch angelegt worden wäre. Es ist dies gegenwärtig so 'in', gleichsam Stand der Technik und des Geschmackes, zumal man mit der Instrumentenstruktur (klanglich und technisch) bei Cavaillé-Coll der Einführung der ja über eine Generation verpönten Universalorgel gleichsam geadelt doch wieder nahekommt:
Man kann Spielhilfen einbauen bis zum Erbrechen, Koppeln pneumatisieren bis elektronifizieren (ich selbst habe über die Syncordia-Traktur einen Aufsatz geschrieben), ohne dass dagegen etwas eingewandt werden könnte.

Mir liegt es näher, an meine Grenzen erinnert zu werden, als Gegebenheiten aufgrund solcher Grenzen als unzulänglich zu empfinden. Ich überlege mir dann etwas, frage nach dem Warum der als Engpässe empfundenen Phänomene, womit ich im Falle Buchsweilers schnell bei den passenden Komponisten des Oberrheingrabens, bzw. den klassischen Nordfranzosen (die gehen nämlich auch weitgehend ohne Aufstände) lande, deren Realisation in der Pfarrkirche jenes -übrigens sehenswerten elsässischen Städtchens, das auch Goethe besuchte (auf den Spuren von des Pfarrers Töchterlein, versteht sich)- besser läuft als ein Bach, den ich dort natürlich genauso spielte. Wohl wissend, dass dies 1778 bei der Weihe nicht möglich war, da dem Pedal damals eine reichliche Quinte fehlte. Sind Grigny,Clerambault oder Nivers deshalb schlechter? Reizvoll wird es dann, wenn Registrierungsempfehlungen des Orgelbauers für ein solches Instrument vorliegen, was im Falle Buchseweilers seit gut 10 Jahren wieder der Fall ist. Man kann dann nämlich auf die Hörgewohnheiten derer zurückschließen, deren Arbeit wir kennen, die wir aber nicht mehr sprechen können. Ich rücke damit der Antwort der Frage näher, ob wir heute wirklich anders hören (denken, fühlen) als unsere lang dahingeschiedenen Vorfahren...

Da melden sich dann in mir der Psychoakustiker, der Musikhistoriker und der Musiker, nicht zuletzt auch der Tonmeister, der Klangereignisse durch die Mikrofonierungsproblematik von einer durchaus interessanten Seite 'erlebt'; leider interessieren die Verbindungen dieser Disziplinen kaum jemanden: Der Musiker will hupen, kann die Finger nicht ruhighalten, der Musikhistoriker über Satzbetrachtung am Schreibtisch (Denkerwerkstatt, schlechte Luft und so), der Tonmeister schwelgt in Filtern und Mikrofonen (vielleicht noch Abtastraten), der Psychoakustiker denkt an Statistik und Reihenuntersuchung, Hörversuch und Datenreduktion, sowie die nächste Publikation, nächstes Jahr wird ja der Lehrstuhl in Bad XYZ frei!

Finden sich aber einmal Leute, um all das Genannte und einiges mehr kollegial zusammenzuführen in ein Projekt zu gießen ("der Fall Dresden"), wittere ich Morgenluft und hoffe auf Verwirklichung. Und dann kommt einer, durchkreuzt das, ohne dass ich das nachvollziehen könnte, und hat auch noch einen Sohn, den ich als Kollegen hoch schätze...., dann wird man an seinem Leben noch irrer, als man ohnehin schon irre ist. Das reicht dann für den Hausgebrauch; man hat ja noch Familie.

Viel und hoffentlich dauerhafte Freude mit eurem neuen Instrument in St. Nikolaus, Köln!

Hans-Joachim
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#11
Hi Phono-Max,

danke für Deine lange Ausführung.
Da kann man doch deutlich Deine(n) Geschmack bzw. Vorstellungen
über Orgelbau nachvollziehen.
Bei mir ist dieser Geschmack nicht so fest.
Alle Orgeln verschiedener Richtungen, barocke, romantische oder
"neue" Orgeln, die ordentlich intoniert waren, haben mich beeindruckt,
außer den Instrumenten, die einen bestimmten Typ kopieren wollten.

Sicherlich spreche ich da von dem ersten Eindruck, den man bei einem
Konzert gewinnt. Zugegeben sind diese Eindrücke recht subjektiv, zumal
es vom Interpreten und der Literatur abhängt.

Aber da ich Orgelmusik aus allen Jahrhunderten gerne höre und schätze,
habe ich persönlich nichts gegen den Begriff " Universalorgel ", wenn
ein Instrument neueren Datums gemeint ist.
Der Organist beispielsweise einer Pfarrgemeinde kann ja nicht von einer Orgel zur Anderen wandern, um bestimmte Literatur "werkgerecht" vorzutragen.
Sicherlich muß er auf einer "Universalorgel" Kompromisse schließen,
aber da kommt die Kunst des Registrierens ins Spiel.
Ich habe manche Interpreten gehört, die das traumhaft beherrschen.
Sie haben die Klangvorstellungen der Bachs, Widors und Messiaens im Kopf
und können das glänzend umsetzen bei der Registrierung.

Beispiel Januar 2000:

Konzert mit Ben van Oosten in einer Vorort-Kirche in Köln auf einer Seifert-Orgel Baujahr 1958 (!!!),
Orgelbewegung - Stil, ohne Gehäuse außer Schwellwerk, 60 Register auf
vier Manuale + Pedal. Die Intonation ist für so eine Orgel hervorragend, die Mixturen schreien nicht ( selten !!!).

Werke von: Bach, Lemmens, Vierne und Widor.

Was der Mann aus so einer Orgel herausgeholt hat, war schlichtweg
verblüffend ! Einmal Barockorgel, dann romantisch...

Ich möchte damit sagen, auf einen Orgeltyp bin ich gar nicht fixiert.
Eine (neue) Konzertorgel sollte es dem Interpreten aber so leicht wie möglich machen.

Nachtrag zum Neubau unserer " Nikolausorgel":
Unser Organist ist ein "Deutsche Romantik" Fan,
und hätte gerne eine Orgel diesen Typs gehabt.
Der Orgel-Ausschuß, in dem ich auch mitberate, hatte dem zugestimmt
mit der Maßgabe, daß Barockmusik und vor allem liturgische Musik
( insb. Chorbegleitung ) ausführbar sein müssen.
So ist eine eigenwillige Disposition entstanden, u.a. mit kompletten Principalchor, Unda maris 8', Klarinette 8' , aber auch Cornett 5-fach...
Nur die Kosten haben manchen Wunschdenken Grenzen gesetzt !

So haben wir schon vier Orgeltouren durch Deutschland hinter uns, um herauszufinden, an welche Orgelbauer die Ausschreibung gehen soll.

Da haben mich vor allem neue Orgeln der Firma Mühleisen (Leonberg)
beeindruckt, besonders was Klang und Qualität angeht...
nicht zu vergessen die Firma Goll aus Luzern............

Heribert
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#12
Ohne mich ansonsten in die Diskussion einmischen zu wollen, möchte ich auf den Eintrag in wikipedia hinweisen, der vielleicht doch eine weitere Perspektive zur Frage "Silbermann-Rekonstruktion oder Neubau" aufzeigt:

http://de.wikipedia.org/wiki/Frauenkirche_(Dresden)

Wieso es allerdings die Neutralität eines Gremiums verletzen kann, eine ziemlich arg in Schlimme ablaufende Diskussion wieder in vernünftige Bahnen zu lenken, kann ich nicht so recht verstehen ... Also: warten wir den 30.10. ab und hoffen, dass der Moderator (siehe MDR-Website) nicht gerade den Ton anschlägt, der in seinen "volkstümlichen" Sendungen herrscht ...

F.E.
ZEITSCHICHTEN, barrierefreier Zugriff im "GFGF-Buchladen", URL https://www.gfgf.org/de/b%C3%BCcher-und-schriften.html (ca. 240 MB)
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#13
Hi Friedrich,

danke für den link.
Ich kannte die Leserbriefe für die Dresdner Nachrichten noch gar nicht.
Letzten Endes ist es Ansichtssache und eine Geschmacksfrage, wie
die neue Orgel gebaut werden sollte.
Wie die Stiftung aber entschieden hat, ob demokratisch oder mit "basta",
habe ich nicht lesen können.

Heribert
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