das "Tonband" im politischen Sprachgebrauch
#1
Gerade wähnt man sich (das muß Österreich sein) wieder in einem italienischen Polit-Polizeithriller von vor 50 Jahren ("Poliziottescho"), wenn ein in einem Lokal heimlich mitgeschnittenes Gespräch mit einem kürzlich verstorbenen und schon länger vom Dienst suspendierten Spitzenbeamten des Justizministeriums über Gepflogenheiten und Gefälligkeiten im Dienste und Dunste der Politik (in Italien gibt es ja die "Democrazia Cristiana" seit den "Mani Pulite" nicht mehr) möglicherweise eine ähnliche Wirkung entfalten könnte, aber die sich hartnäckig haltende Bezeichnung "Tonband" für so eine Audioaufzeichnung amüsiert doch, weil man dann doch sogleich an eine Nagra in der Aktentasche, eine Uher unter dem Tresen, eine Revox im Hinterzimmer oder zumindest einen Walkman mit Aufnahmefunktion denken muß.

Der Enthüllungsjournalist Alfred Worm konnte bei der Aufdeckung des Korruptionsskandals beim Bau des Allgemeinen Krankenhauses in Wien wenigstens mit einer solchen Aufnahme auf Band (vermutlich Kassette oder Diktiergerät) bluffen, indem sein Gegenüber glaubte, das nun alles Gesagte mitgeschnitten worden wäre (was wegen der Hintergrundgeräusche im Kaffeehaus trotzdem unverständlich bleiben mußte), aber das ist nun doch schon mehr als 40 Jahre her.

Tonmitschnitte etwa mit dem Handy haben schon einigen Amt oder zumindest Ansehen gekostet, sei es die Beschimpfung eines Journalisten durch einen hohen föderalen Amtsträger als Borstenvieh, eine Diskussion über die Rasiergewohnheiten einer Olympia-Favoritin im Alpinsport bei einer Sitzung der Anti-Doping-Kommission, oder sei es die Enttarnung eines Pressegroßmoguls - im Format eines Plastikbrillianten aus dem Kaugummiautomaten - als Schwerenöter, und immer wird von einem "Tonband" geschrieben.

(Zugegeben: für die "Magnette" von Stuzzi, das 1957 eingeführte erste transistorierte batteriebetriebene Koffertonbandgerät der Welt, gab es ein Mikrofon zum Mitschneiden von Telefongesprächen. Die Magnette kostete ein kleines Vermögen, wird aber wohl da oder dort wertvolle Dienste geleistet haben, selbst wenn die alte österreichische goldene Regel ernst genommen wurde: "Jedes Schrifterl ist ein Gifterl"...)

Das muß Österreich sein. (Fremdenverkehrswerbung)

ganz abgebrüht und unerschüttert

Heinz
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#2
In Deutschland hat sich das "Tonband" in diesem Zusammenhang inzwischen aus den Nachrichten verabschiedet, solange es nicht um historische Fälle geht, wie den grandiosen akustischen Abschiedsbrief eines Republikflüchtlings von Osten nach Westen aus dem Jahr 1971, dessen Tonband kürzlich wieder entdeckt wurde. Es dauerte aber auch mindestens ein Jahrzehnt nach dem allgemeinen Ausmustern auch der Microcassetten-Diktiergeräte, bevor sich medienneutrale Begriffe wie Tonmitschnitt, Aufnahme oder Aufzeichnung durchgesetzt hatten.

Die schwedische Sprache kennt diesbezüglich noch eine kleine Besonderheit: Anstatt "auf Tonband/Cassette aufnehmen", egal ob Sprache oder Musik, hat sich neben dem korrekten Begriff "spela in" (wörtlich: einspielen) auch das umgangssprachliche "banda" etabliert (also quasi das Substantiv für Band zum Verb gemacht). Die Journalisten fragen bis heute, ob sie "banda" dürfen, und holen dann doch nur einen Digitalrecorder aus der Tasche. Auch Geräte im Format, das man bei uns gemeinhin als Radiorecorder bezeichnet hat, also Henkelmänner die für die Kategorie Ghettoblaster zu klein sind, werden nach wie vor "bandspelare" (wörtlich: Bandspieler) genannt, selbst wenn darin schon längst kein Bandlaufwerk mehr vorhanden ist. Die richtigen Ghettoblaster dagegen heißen "bergsprängare" (Felsensprenger).

Nur das "blandband" (Mixtape) ist inzwischen fast ausgestorben und wird nicht für irgendwelche digitalen Playlists zweitverwertet.

Viele Grüße,
Martin
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#3
Bei uns dauert alles länger....

(auch ein Anruf beim Radio-Kundendienst zeitigte keinen unmittelbaren Erfolg - es war dann in den Nachrichten immer noch hartnäckig von einer "Tonbandaufnahme" die Rede, und ich stelle mir dazu immer diese putzigen winzigen Spülchen vor, gegen die selbst eine Uher Report noch wie eine A700 wirkt; möglicherweise waren die Radio-Nachrichtenbeiträge schon vorproduziert worden, aber auch diese werden heute vom Computer-Server und nicht mehr vom Band eingespielt)

"taping" (to tape) für aufzeichnen gibt es umgangssprachlich auch im Englischen

Mein Kopfkino mag zu viele Mafia-Filme gesehen haben, wo das FBI immer ein Tonbandgerät an den Wanzen laufen hatte; in der französischen Komödie "Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh" ist ja auch die Wohnung des ahnungslosen Musikers von konkurrierenden Geheimdiensten verwanzt (mit dem Schlußsatz "Jeder hat das Recht auf ein Privatleben"), und "Vom Leben der Anderen" und dem Museum in der Normannenstraße wissen wir, was tatsächlich möglich war und ist.

Aktuell wird hierzulande von den Ertappten Zeter und Mordio geschrien, weil das "KGB-Methoden" wären, eine "b'soffene G'schicht" heimlich und natürlich illegal mitzuschneiden (man hört den zwar Zungenschlag, aber die Botschaft ist noch klar zu verstehen), wobei ich vermute, daß das Smartphone hier wohl wie nicht unüblich nach dem anscheinenden Abrufen von Nachrichten oder so auf dem Tisch gelegen ist, aber ich halte mich bei solchen herkuleischen Aufgaben, den alpinen Augiasstadel auszumisten, lieber an den alten Sponti-Spruch "legal, illegal, ..."
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#4
so, ich habe nun selbst ein bißchen herumexperimentiert, wie man(n) das früher in analogen Zeiten betrieben hätte:

Nagra SN-Serie: nur für äußerst Betuchte, vielleicht auch für professionelle Privatdetektive (wenn wir mit den "richtigen" Tonbandgeräten anfangen wollen) - die SN nützte übrigens ein Kassettentonband auf Spulen und hatte keine Rückspulfunktion (ich habe so etwas nicht, dafür aber die im folgenden beschriebenen Recorder)

so ab 1980 wurde dann die Auswahl auch für den Normalverbraucher etwas besser

Aiwa TP-S30, Sony WM-D6©: passen bestenfalls in eine Aktentasche, die man dann halt unauffällig plazieren muß - bei den Sonys kann man den Aufnahmepegel regeln, und das Kassettenband verträgt einiges an Übersteuerung

Sony WM-D3: auch nicht wirklich kompakt; alle diese Walkman-Kassettenrecorder konnten außerdem kein Autoreverse, sodaß die Aufnahmezeit auf maximal 60 min begrenzt blieb

Aiwa HS-F505: im Vergleich sehr kompakt, selbst mit dem Adapter für zwei AAA-Batterien, und kann mit Autoreverse aufnehmen (mit automatischer Aussteuerung), bräuchte allerdings ein empfindliches Mikrofon (dieser Zwerg hätte in eine Sakko- oder Jackeninnentasche gepaßt und maximal 120 min Aufnahmezeit ermöglicht)

das zufällig auf dem Tisch liegende Smartphone ist da viel unauffälliger, und ein dünnes Sommersakko sollte da auch nicht allzu stark dämpfen...
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