Fernschreiber und Magnetband – Denksportaufgabe?
#1
Liebe Forenfreunde,

vielleicht findet sich in dieser fachkundigen Runde ein Experte für Fernschreibtechnik - ich weiß, die ist noch länger tot als FAX und Konsorten.

Vor 15 Jahren bin ich auf ein seltsames Patent von Eduard Schüller gestoßen, nämlich DE 881056 - im Anhang an erster Stelle wiedergegeben. Ich habe das in den ZEITSCHICHTEN unter "Kuriosa und Sackgassen" beschrieben (Anhang Seite 13) und dabei das mir fremde Gebiet Fernschreibertechnik angesprochen. Nun stoße ich beim Herumsuchen im Archiv auf einen Text von W. Ryll, der den (mir mangels Anschauungsobjekts kaum verständlichen) Stand der Fernschreibertechnik von etwa 1943 schildert.

Das eigentlich Interessante ist, dass Schüller die ganze analoge Tonaufzeichnung auf Magnetband auf den Kopf stellt und sogar seinen Ringkopf konträr zu seiner wichtigsten Erfindung einsetzt.

"Gehe ich recht in der Annahme", dass Eduard Schüller mit seinem Patent den oft benutzten Papier-Lochstreifen durch ein Magnetband ersetzen wollte? Vieles passt zusammen, aber ganz klar ist mir die Sache nicht. Und dass sich die Patentierung von 1941 bis 1953 hingezogen hat, scheint u.a. auf Schwierigkeiten beim Formulieren der Patentschrift hinzudeuten (von den diesbezüglich Problemen zwischen 1945 und ca. 1948 zu schweigen).

Denksportaufgabe der Kategorie mittelschwer?


Angehängte Dateien
.pdf   DE881056_Schüller_Ryll.pdf (Größe: 1.34 MB / Downloads: 33)
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#2
Hallo Friedrich,
Wir haben Grade Unterrichtsausfall weshalb ich Mal schnell schreibe...
Ich werde meinen Opa nachher Mal anrufen, er könnte dazu was wissen, er ist Jahrgang 1926 und meldete sich 1943 zur Luftwaffe, um genau zu sein ließ er sich zum Funker ausbilden, einmal da er nicht an die Front als Soldat wollte und weil er sich dachte das er das nach dem Krieg noch brauchen kann.
Genau so ist es Auch gekommen, er hat nach dem Krieg bei uns im Familienbetrieb (damals kleines E-Werk, heutzutage nur noch Kraftwerk) Fernmeldetechnik installiert. unter anderem haben wir sogar noch einen Kinzle 600 Fernschreiber.
Er studierte auch später Elektrotechnik. Eventuell kennt er dieses Patent also.
Ich melde mich die Tage dann wenn ich genaueres weiß, falls ich am WE bei ihm bin werden wir uns das mal anschauen.

Viele Grüße
Joni
Meine Maschinen sind:
A77 MKIII Dolby, Revox A77 MKII, Revox A36, Telefunken M203 Studio, Telefunken KL65, 2x Uher Report 4000-L,1 1/2 Uher RdL , Grundig TK 248 HIFI, Philips ???, Grundig TK 754, Akai 265D, Telefunken M2000 
Meine aktuell neuste und beste Maschine: Studer A80  Big Grin Cool
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#3
Danke fürs Zeigen des Patentes. Daraus geht doch eindeutig hervor, dass der Lochstreifen durch Magnetband ersetzt werden soll. Dem damaligen Telegraphenalphabet folgend hat er einen Schreibkopf mit 5 Bit Wortbreite patentiert. Das wurde natürlich niemals Standard weil zu proprietär gedacht.
Gerhard
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#4
Im klassischen Fernschreiben wurde jedes zu übertragende Zeichen in einen 5-Bit-Code (Baudot-Murray-Code) übersetzt und asynchron in einem Start-Stopbit-Verfahren übertragen.
Die ursprüngliche Übertragungsrate in Europa lag bei 50 Baud.
Dies entspricht 6,67 Zeichen pro Sekunde bzw. 400 Zeichen pro Minute.
Insofern war das durchaus ein vom CCIT genormter Standard und mehr als proprietär.
Zum Vergleich: Geübte Sekretärinnen erreichen in einem begrenzten Zeitrahmen 200-400 fehlerfreie Anschläge pro Minute.

Es gab einige interessante Versuche mittels magnetischer Induktion die Tastgeschwindigkeit in Übertragungskanälen zu erhöhen.
Die Grenze einer Erhöhung der Tastgeschwindigkeit lag in den 1940er Jahren in der Empfängerseitigen Erkennbarkeit der Impulse.
Den Gipfel der militärischen Nutzung magnetischer Tastverfahren bildete das von den Deutschen entwickelte Kurierverfahren zur ultrakurzen Übermittlung von Nachrichten an deutsche U-Boote.
Hier wurde über eine mechanische Rolle, auf welcher Eisenstifte entsprechend der Kodierung verschiebbar eingesetzt werden konnten, mittels schneller Rotation in einem Lesekopf die Kurznachricht magnetisch induziert und innerhalb kürzester Zeit gesendet.
Empfängerseitig wurden mittels lichtempfindlichen Papierstreifens die Impulse sichtbar gemacht und konnten übersetzt werden...

Traurig ist, daß viele der großen Technologiesprünge in Kriegszeiten entwickelt werden.

Gruß Jan
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#5
Hallo Jan, mit proprietär meine ich nur auf eine einzige Anwendung - hier Fernschreiber - bezogen. Diese waren noch bis in die 1970er Jahre nur mit Lochstreifen in Betrieb. Andere Anwendungen für einen 5 Bit Code kenne ich nicht. Und der im Patent aufgeführte Tonkopf war weder für serielle 1 bit streams geeignet, noch für 8 bit Wortbreite.
Grüße Gerhard
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#6
Hallo Friedrich,

mein erster Gedanke war: Das Patent wurde für ein "Zielpublikum" gestaltet, das modernem Kram wie der magnetischen Schallaufzeichnung auf einem durchlaufenden Band, die man damals ja durchaus hinreichend beherrschte, um Wechselstromtelegraphie oder "Frequenzumtastung" aufzuzeichnen, nicht getraut hätte.
Ein Band, das aussieht wie der vertraute Lochstreifen, und ein Gerät, das genauso rattert, waren da vielleicht leichter vermittelbar.

Was mich aber viel mehr wundert: Der Wiedergabevorgang wird an keiner Stelle erwähnt...? Vielleicht gäbe es da eine Erklärung für die verkehrtrumme Aufzeichnung, sowas wie Störabstand vielleicht?

Nur eine Idee...

Michael
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#7
Hallo Michael,

das Ding mit dem Wiedergabevogang ist mir auch aufgestoßen. Ich denke, die Beschreibung fehlt absichtlich in der Patentschrift, da das Prinzip bekannt und daher nicht patentierbar ist.

Einmal vom Anfang an durchgespielt: vorausgesetzt ist das über die gesamte Breite und Länge mit einem einheitlichen Signal (genügend kleiner Wellenlänge) bespielte "Fernschreiberband". Bei der Aufzeichnung des zu übertragenden Textes bzw. Codes "stanzen" die - jeweils aktivierten - Ringwandler aufzeichnungsfreie "Löcher" in die Bandfläche.

Bei Wiedergabe löst jedes dieser "Löcher" einen positiven und negativen Induktionsstoß aus, der von einer Auswerteelektronik zweckmäßig umgesetzt wird. Normalerweise läuft das Band zwar kontinuierlich durch, aber ich meine sicher zu sein, dass auch bei schrittweiser Bewegung Induktionsstöße entstehen müssten.

Und das Ganze habe ich - siehe Magnettonmannis verdienstvolle Erinnerung! - an Eduard Schüllers Geburtstag losgelassen. Ich hoffe, er hätte dieses Thema als angemessene Gratulation aufgefasst.


F.E.
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#8
Servus Friedrich,

ich habe auf dem Problem noch ein bißchen rumgedacht und eigentlich nur weitere Fragen gefunden...

Wie Du schreibst, kann Anfang und Ende einer "ausgestanzten" Magnetisierung an einem Plus-Minus-Spannungsstoß erkannt werden. Wenn man jetzt aber das Band ruckweise transportiert, erzeugt man beim Anfahren und Abbremsen ebenfalls Spannungsstöße, oder? Eine Flußänderung über die Zeit ist es ja genauso. Dann müßte man diesen Impulssalat analog wieder auseinandersortieren, ohne einen Nutzen davon gehabt zu haben...

Ich denke, das Ziel war eher der kontinuierliche Transport, bei dem man ja problemlos auf die Start- und Stopbits synchronisieren konnte.

Und für mich die spannendste Frage ist: Was war in den dunklen Flaschen, die auf dem einen Bild vor den fröhlichen Herren auf dem Kantinentisch stehen? Wink

Michael
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#9
... das führt jetzt in Gebiete, die wohl am besten mittels anwendungsnaher Experimente zu klären wären - Versuch macht kluch. Der kontinuierliche Transport scheint jedenfalls besser zu realisieren.

Apropos: um welche dunklen Flaschen und um welche Kantine gehts hier?

F.E.
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#10
Servus Friedrich,

grundsätzliche habe ich ja gar nichts gegen sinnfreie Frickeleien auch in abgelegenen Gebieten, aber einen T100 zum Testen möchte ich dann noch nicht im Wohnzimmer haben. In "Kuriosa" ist das Thema auch für die Zukunft gut aufgehoben.

Das Foto wurde zusammen mit anderen von Peter im Nachbarthread gepostet:
https://tonbandforum.de/showthread.php?tid=27032

Michael
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#11
Gelöscht, weil es hier wohl in der Hauptsache um Flaschen und alkoholische Getränke geht.
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#12
(19.01.2023, 12:02)OttoK schrieb: Beim Lochstreifen ist es völlig egal, wie langsam und gleichmäßig getippt wird - in Tastendruck wird in 5 Löcher auf dem Lochstreifen übersetzt. Nur zu schnell tippen darf und kann man an einem Fernschreiber nicht. Der Witz an dem hier beschrieben Verfahren scheint mir zu sein, dass zumindest beim Aufzeichnen das Band stillstehen kann. Ein Tastendruck wird dann eben in 5 Zonen (magnetisiert oder gelöscht) übersetzt. Man darf also auch hier beliebig langsam und unregelmäßig tippen.


Das würde bedeuten, man braucht dazu einen 5-Spur-Kopf. Oder alternativ eine Kopftrommel für Querspur-/Schrägspuraufzeichnung.
Grüße,
Wayne

Weil immer wieder nachgefragt wird: Link zur Bändertauglichkeitsliste (Erfassung von Haltbarkeit und Altersstabilität von Tonbändern). Einträge dazu bitte im zugehörigen Thread posten.
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#13
(19.01.2023, 12:32)The_Wayne schrieb: Das würde bedeuten, man braucht dazu einen 5-Spur-Kopf.
Gelöscht, weil es hier wohl in der Hauptsache um Flaschen und alkoholische Getränke geht.
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#14
Um zwischendurch kurz auf bewusstes Bild zurüczukommen: es zeigt vlnr Siegfried Müller, Eduard Schüller, Verstärer-Spezialist Heinrich Fanselow und Hans Westpfahl. Das Bild dürfte ca. 1934/1935 entstanden sein, zur Zeit, als das endgültige "Layout" (also das Drei-Motoren-Gerät) noch nicht abzusehen war. Schüller und Mitarbeiter arbeiteten oft bis in die Abend- und Nachtstunden an den Versuchsgeräten.

Trotz großen Aufwands und Hinzuziehung fähiger (!) Experten konnte die Beschaffenheit der Getränke nicht einmal ansatzweise geklärt werden. Vorschläge sind willkommen.

F.E.
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#15
(19.01.2023, 15:21)Friedrich Engel schrieb: Trotz großen Aufwands und Hinzuziehung fähiger (!) Experten konnte die Beschaffenheit der Getränke nicht einmal ansatzweise geklärt werden. Vorschläge sind willkommen.

Könnte die Abbildung auf dem Etikett ein Cognacglas/Cognacschwenker sein?

   


Viele Grüße

Joachim
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#16
in der Tat, auch die Form der Flasche schaut jetzt eher nach was Edlerem als einem Vorstadtbrauereibier aus.

@OttoK: Warum so (Obacht blödes Wortspiel!) bierernst? Schade um den inhaltsreichen Text.
Kann man nicht, wie eben genau die abgebildeten Herren, auf hohem technischen Niveau arbeiten und trotzdem auch den heiteren Seiten des Lebens zugeneigt bleiben (so hätte man es zu dieser Zeit wohl formuliert)?

Michael
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#17
Wenn ich die Sitten und Gebräuche "hier im Forum" richtig einschätze, ist dieses Thema gerade dabei, final ins OT abzurutschen - also gerade der richtige Zeitpunkt, mich für diverse substantielle Beiträge und Anregungen zu bedanken. Ich werde sie in den nächsten Tagen in einer Art Materialsammlung für spätere - - - Generationen bzw. Ausgaben der ZEITSCHICHTEN zusammenfassen.

Wobei es nicht an mir ist, dieses Thema für erledigt zu erklären.

F.E.
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#18
Ich möchte da auch mal meine Meinung kundtun:

Weinbrand- oder Cognac-Flaschen mit Bügelverschluss habe ich noch nicht gesehen. Bierflaschen mit einem Bierglas auf dem Etikett dann schon eher. Die Flasche scheint aber noch nicht geöffnet zu sein.

Zum eigentlichen Thema, so wie ich das Patent verstanden habe:
Ziel war es eigentlich, die Bandbreite der Fernsprechleitung besser auszunutzen.
Die Aufzeichnung auf Band musste analog zum Lochstreifen zwangsweise schrittweise erfolgen; eben mit 5 Bit gleichzeitig.
Die Wiedergabe erfolgt natürlich, wie beim Lochstreifen, kontinuierlich. Bis da hin noch kein wesentlicher Unterschied, da das Lesen von Magnetband vermutlich auch zu dieser Zeit nicht wesentlich schneller war, als das Lesen vom Lochstreifen.
Der Vorteil liegt eindeutig auf der Empfangsseite, da ein Magnetband wesentlich schneller beschrieben werden kann, als ein Lochstreifen gestanzt. Und genau das hätte die Übertragungsrate deutlich erhöht. Es hätte keinen Vorteil gehabt, wenn nur Sender oder Empfänger ein Magnetband benutzt hätte.
Patentierbar war vermutlich die die Aufzeichnung von Signalen auf einem stehenden Magnetband.

Gruß,
Karl
Meine bevorzugten Zitate:
"Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher" (Albert Einstein)
"Planung ist das Ersetzen des Zufalls durch den Irrtum" (Mehrere mögliche Quellen, unbekannt)
"Wenn man sein Gewicht halten will, dann muss man auch 'mal essen können, wann man keinen Hunger hat" (unbekannt)
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#19
(20.01.2023, 20:41)Karl 59 schrieb: Ich möchte da auch mal meine Meinung kundtun:

Weinbrand- oder Cognac-Flaschen mit Bügelverschluss habe ich noch nicht gesehen. Bierflaschen mit einem Bierglas auf dem Etikett dann schon eher. Die Flasche scheint aber noch nicht geöffnet zu sein.

Auch auf die Gefahr hin, daß wegen dieser Nebendiskussion wieder jemand beleidigt ist:
Das ist kein Bierglas und es gibt (heute) auch Likör in diesen Flaschen: https://www.worldwidespirits.de/spirituo...elflasche?

Welche Getränke es damals in welchen Flaschen gab, ist mir jedoch nicht bekannt.

Die Frage nach dem Getränk ist für mich auch ein Interesse an dem Menschen, der mehr war als nur ein "Erfinder".
Mich würde deshalb das Foto als PNG interessieren, damit bei der Vergrößerung nicht nur JPEG-Artefakte zu sehen sind.
Das Thema "Patentbesprechung" hat aber selbstverständlich "Vorfahrt".


Viele Grüße

Joachim
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#20
Zum Bild der vier Magnetophon-Bauer: es liegt als Original nur als Papierbild (Kontaktkopie?) im Format 6 x 9 cm vor, Peter hat es schon einmal mit 600 dpi digitalisiert, da wird nicht mehr herauszuholen sein. - Wie mittlerweile klar sein dürfte, ist die "location" nicht etwa die Kantine, sondern einer der Räume des besagten AEG-Teams im AEG-Kabelwerk Oberspree.

F.E.
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