Von einem, der aufschrob, das Fürchten zu lernen. SABA TK 220-S
#1
Ja, es ist weit hergeholt...aufschrob kommt nicht wirklich von aufschrauben, aber wie beim Tonbandreparieren halte ich es hier mit: "Was nicht passt, wird passend gemacht". Man verzeihe mir.

Also ich bekam, ich sah, ich kriste (von Krise). 

Ok, hier also das Gerät, ich hatte vorher bewusst noch nie eines gesehen, nie nicht, auch auf keinem Flohmarkt, sonst hätte ich schon eines gekauft gehabt. Ob eines im Museum war, weiß ich nicht, die Fülle an Apparaten dort war unglaublich. SABA hatte ich immer als wie man heutzutage so sagt "Premiummarke" im Hinterkopf, aber die Tonbandgeräte waren nie meine Favoriten. TG 500er, bis auf das kleinste Modell alle mit der Rappelzwischenrolle, fürchterlich. Zwar guter Klang, aber im Detail zum Teil echt primitiv. Die 600er auch, schöne Geräte, aber die Zwischenrolle...wenn der Schiebeschalter beim Ausschalten nicht in der Neutralstellung ist, liegt die Rolle unter Druck an und bekommt eine Delle. Das bringt den ganzen Zwischenrollenmechanismus zum Schnarren und das Gerät läuft dann wie ein Sack Nüsse.. Schade, weil auch hier der Klang im Prinzip richtig gut ist. Schaut man sich die abgebildeten Geräte in der Bucht an, so ist bei den allermeisten der Schalter NICHT in Neutralstellung und die Geräte sind damit i.A. oder nur als Zuspielgeräte bei ohnehin lauten Saufgelagen zu gebrauchen.

Ich jedenfalls schrob den Neuankömmling sofort auf um zu sehen, was man alles reparieren müsste.

Ab jetzt wieder schraubte:

Auf den ersten Blick noch ganz brauchbar, der linke Knopf ist schon halb demontiert, da ist ein rückverspiegeltes Inlay drin, das etwas gelitten hat, bekommt man aber wieder hin. Der Knopf vom Zählwerk ist abgebrochen gewesen, fand sich aber wiederanklebbar im Innern des Kastens.
Gebaut wurde das TK von 1962 bis 1966. Für 1962 sicherlich supermodernes Design, keine 50er Jahre-Rundungen und Goldleisten mehr. Grundig war da noch nicht soweit, aber UHER schon mit dem ersten Royal. Damals ein TK 220 zu besitzen war sicherlich schon was. Aber: Bis auf die Vorstufe noch Röhrentechnik, das war UHER z.B. schon fortschrittlicher.

   

Von den Riemen hatte nur der flache überlebt, die anderen waren zu Fragmenten zerfallen. Zum Glück Standardgrößen.

Bei 9,5 oder 19 wird die Mimik mit den Zwischenrollen geschwenkt, das kann sie hier nicht mehr, weil der Arm auf der Welle festgefault ist, beim groben Bewegen dreht sich sogar die Welle mit (>Kriechöl über Nacht), genauso beim Andruckrollenarm, hammerfest. Ansonsten sind die Gummirollen anscheinend noch gut, nicht rissig oder ausgehärtet. Sowas wär gleich ein Fall für die Tonne, ich habe leider keine Drehmaschine zum Rollennachbau zur Hand. Hatte ich mal bei einem Werkpraktikum, da hab ich mir schöne Rollen nachmachen können, für ein TK 40 oder für ein TK 16, um es mit 19cm/s laufen lassen zu können. Das gibt es sogar noch, das Teil.
Aber jetzt erstmal ordentlich fürchten! Was haben die Leute da nur für ein Gekröse an Hebelchen und Winkelchen entworfen. Warum nur so kompliziert? Schrecklich! Der Kunde damals wusste wohl nichts davon. Im Prospekt steht, es wäre ein hervorragendes Gerät. Billig war das damals auch nicht.
Wahrscheinlich auch deswegen sind die Geräte heute nur noch selten zu finden, alle in die Tonne gewandert.

   
   

Das Gehäuse ist ein Plastikbunker. Ein Wunder, dass es noch heile ist, auch der Deckel. Verkratzt, aber heile.

   

Unter der Haube sieht es noch richtig gut aus!

   
   

   

Das zuerst Nichtangehen lag wieder einmal an den Sicherungen

   

Jetzt Riemen aufgelegt und los, klabasternd setzte sich das Werk in Bewegung

   

   

Aber jetzt Probelauf mit Band. Der Zugmagnet zieht noch nicht, festkeilen. 
Es kratzt, kracht und eiert, aber es kommt Musik raus, sogar recht laut.
Wiederbelebung ist also möglich, aber viele Baustellen an Bord.
Wie die beiden TK 75 wird das hier ein Restaurierobjekt für "die Tage"

   

Gruß Peter S.
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#2
Manchmal frage ich mich, ob 3 Motoren nicht preiswerter gewesen wären als diese ganze "Feinmechanik".
Vielen Dank für die Vorstellung, ich hätte mich da nicht an die Wiederbelebung gewagt.
Hut ab für soviel Kühnheit.

Gruß Jan
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#3
Ich kann mich Jan nur anschließen. Nur im Punkt mit den drei Motoren nicht: das wäre damals nicht günstiger und auch nicht leichter geworden. Das Gerät sollte ja noch irgendwie vom Fleck zu bewegen sein. Dass das eine halbe Dekade später mit der A77 (kein Spaß, aber möglich) ging, ist ein Wunder. Aber ob es mit einem Röhrengerät gegangen wäre? Beispiele gibt's womöglich... aber sicherlich nicht allzu viele, oder?

Wie auch immer: Danke, Peter!!!
Liebe Grüße
Thomas
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#4
Hallo Peter!

Nein, so ein SABA-TB haben wir nicht im Fundus.

Große Ambitionen, so eins für das Musuem zu
bekommen, sind aber z. Zt. nicht da. Erst muß
das Lager "bereinigt" werden (s. unter "Verschenke").
Dann wird sich zeigen, wie groß die Lagermöglich-
keiten sind.

Total daneben gelegen habe ich mit meinem Tipp (TK85).
Vermutlich auch weil ich diese Baureihe nicht im Sinne
hatte.

Deinen erster Teil (dem doch mehrere folgen?) über das TK220,
habe ich natürlich gelesen. Wie immer, ist Dein Schreibstil
erfrischend und dabei ausführlich und informativ. Vielen Dank!

Gruß
Wolfgang
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#5
(02.10.2022, 23:44)Darwin schrieb: Ich kann mich Jan nur anschließen. Nur im Punkt mit den drei Motoren nicht: das wäre damals nicht günstiger und auch nicht leichter geworden. Das Gerät sollte ja noch irgendwie vom Fleck zu bewegen sein. Dass das eine halbe Dekade später mit der A77 (kein Spaß, aber möglich) ging, ist ein Wunder. Aber ob es mit einem Röhrengerät gegangen wäre? Beispiele gibt's womöglich... aber sicherlich nicht allzu viele, oder?

Wie auch immer: Danke, Peter!!!

Hallo Jan, hallo Thomas,

die Frage, warum viele Hersteller erst spät oder gar nicht Tonbandgeräte mit 3 Motoren gebaut haben, habe ich mich angesichts komplizierter Mechaniken bei einmotorigen Geräten auch oft gefragt. Mir ist wenigstens ein Gerät aus dem consumer-Bereich bekannt, das einen Antrieb mit 3 Motoren und Verstärker mit Röhren besaß: das "Titan" von Nordmende (im halbprofessionellen Bereich gab es natürlich Telefunken, und natürlich Revox)

https://www.hifi-wiki.de/index.php/Nordmende_Titan

Wenn man sich den Verkaufspreis ansieht, dann lag der in der Größenordnung von z.B. den großen Grundigs.

Ich kann mir dieses Festhalten an einmotorigen Konzepten nur damit erklären, daß damals die Arbeitskraft derer, die die Mechaniken herstellen und zusammenbauen mußten, sehr billig war: man stelle sich vor, welche Arbeitsschritte nötig waren, diese Teile aus Blechen herauszustanzen, sie mit Zapfen, Nasen und Sonstigem zu versehen, dann zusammenzubauen und einzustellen.
Und dann zum Vergleich z.b ein Revox G36: 3 Motoren, Bremsen und eine elektrische oder mechanische Betätigung der Andruckrolle...

Selbst nach Einführungen der Transistortechnik (Philips hat etwa 1965 volltransistorisierte Geräte, z.B. das RK25, mein erstes Tonbandgerät, in den Markt eingeführt. Der größte damalige Hersteller von Tonbandgeräten (ich weiß allerdings nicht, wie groß der Max war) hat da noch ein paar Jahre Entwicklungsarbeit gebraucht..) haben deutsche Hersteller noch einmotorige Geräte produziert. Natürlich gab es Braun mit TG 60 und später TG 502, aber wer konnte oder wollte sich damals schon ein Gerät für 2000 DM leisten. Die Brüder Braun hatten damals auch nicht Otto Normalverbraucher als Zielgruppe.

Meine These von der billigen Arbeitskraft gründet sich auf einen Besuch in der Kurgartenstraße in Fürth im Jahre 1969. Damals konnte man nach der 10. Klasse eines Gymnasiums dieses mit der mittleren Reife verlassen. Um den Schulabgängern die Arbeit in einem Unternehmen zu zeigen hatte unsere Sozialkundelehrerin eine Führung durch das  Grundig-Stammwerk organisiert. Und da saßen Frauen mit jugoslawischen Migrationshintergrund an den Maschinen (die übrigens auch nicht mehr die allerneuesten waren) an den Stanzen und  Fließbändern, an denen die Chassis bestückt wurden. 

Später gab's noch Orangensaft für alle und wir durften an den Geräten herumspielen, u.a. am, meines Wissens ersten volltransistorisierten Tonbandgerät von Grundig, dem TK 247. Dss war damals mein Traumgerät, bis ich 30 Jahre späte eines besaß und aufgeschraubt habe....

Viele Grüße

Frank
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#6
Es gab aber auch das hier:

https://www.radiomuseum.org/r/quelle_stu...guage_id=3

3 Motoren, Röhre, relativ leicht...

Ich hab das sogar, nur fehlen leider die Tonkopfabdeckung und der Deckel, das Teil ist deswegen ganz hinten unten im vergessenen Teil des Außenlagers gelandet, Mitte der 80er schon.

Das Laufwerk taucht Anfang der 60er in 'zig verschiedenen Varianten in englischen Tonbandzeitschriften auf.

Schau an, in der Bucht ist sogar eines zu haben. Wer Kohle über hat...
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#7
Die Mechanik des Saba ist ja wirklich gruselig! Das dürfte hinsichtlich Umständlichkeit nur schwer zu überbieten sein.

Und in der Elektronik steckt die heutzutage seltene ELL80 drin!

(02.10.2022, 23:44)Darwin schrieb: ... Aber ob es mit einem Röhrengerät gegangen wäre? Beispiele gibt's womöglich... aber sicherlich nicht allzu viele, oder?

Wenn man sich auf Spulen bis 18 cm beschränkt, dann müssen die Wickelmotoren gar nicht so kräftig und schwer ausfallen. Deshalb stellt sich die Frage mit Recht, warum es das nicht häufiger gab.

Einige wenige Beispiele gab es schon.

Aus Großbritannien das Robuk RK 3.
Aus Italien das Nuova Faro NF333, in Deutschland bei Quelle als Simonetta erhältlich.
Aus Frankreich das Magnétic France Fidélité, das Gerät auf meinem Avatar.

Gruß
TSF
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#8
Es gibt sie, die Beispiele! Vielen Dank dafür! Das Quelle-Tonbandgerät wurde von Eben hergestellt und baugleich unter eigenem Namen vertrieben. Der Hinweis mit den „Gastarbeitern“ ist auch nötig - weil mittlerweile schon fast in Vergessenheit geraten. DAS waren die billigen Arbeitskräfte (mein Vater hat in der Zeit viel mit Italienern zusammengearbeitet). Es ist immer wieder interessant, was an verstreutem Wissen so zusammengetragen wird…
Liebe Grüße
Thomas
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#9
Wenn man genau hinsieht (das Foto von unten), erkennt man rechts die Schwungscheibe und links eine ebensolch große runde
Aussparung im Druckgussgehäuse. Die Wahnsinnigen hatten wohl bei der Grundsteinlegung des TK 220 vor, das Gerät wie die Vorgänger mit 2 Laufrichtungen zu versehen und es damit noch viel komplizierter zu machen. Im Laufe der weiteren Konstruktion ist das wohl ad acta gelegt worden.
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#10
Hallo,

das Quelle-Eben TB mit dem englischen Laufwerk ist nach meiner Erfahrung großer Mist, obwohl mit drei Motoren ausgerüstet. Die Anmerkungen eines Erstbesitzers im Radiomuseum.org kann ich nur unterschreiben, und mit den Jahren wird es nicht besser. Dann 1000mal lieber ein Saba TK 220! Wenn alles OK ist, läuft es ruhig, spult zügig und klingt selbst über die eingebauten Lautsprecher schon gut.

Ein weiteres interessantes Röhrengerät mit drei Motoren dürfte das Artec SR32B sein, das Matthias M hier einmal vorgestellt hat: https://tonbandforum.de/showthread.php?t...rtec+sr-32
Leider ein seltener Exot, habe ich noch nie "live" irgendwo gesehen.

Grüße,

Bernd
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#11
Hallo,

der Onkel hier hat super Sachen zum Anschauen:

https://patric-sokoll.de/index.html
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