Ursachenforschung bei Gleichlaufproblemen
#1
Hallo,

gerade habe ich ein Deck auf dem Tisch, das unter Gleichlaufproblemen leidet. Es handelt sich um ein Sony TC-KE600S, single capstan, 3-Motoren-Laufwerk (TCM-200V).

Antriebsriemen, Modusriemen und Andruckrolle mußten ersetzt werden. Die Ersatz-Andruckrolle habe ich von fixyouraudio.com bezogen. Der Bandpfad wurde sodann mit Aceton (Tonwelle) und Isopropylalkohol (Rest) gereinigt und mit einer Spiegelcassette überprüft. Die Kopfhöhe mußte ich nicht verstellen.

Dann habe ich nach Serviceanleitung die Wiedergabepegel und -geschwindigkeit eingestellt mit entsprechenden Cassetten von Hanspeter Roth und Alex Nikitin, und das Drehmoment der beiden Bandwickel mit einer Torquemeter-Cassette gemessen. Der rechte Bandwickel zieht mit ~30 g⋅cm, der linke leistet ~1 g⋅cm Widerstand (also praktisch keinen). Beides ist in der Spezifikation (30–60 g⋅cm, 1–5 g⋅cm).

Bevor ich den Azimut einstelle, wollte ich den Gleichlauf überprüfen. Dazu habe ich auch eine Cassette von Hanspeter Roth, deren Signal ich mit dem Programm WFGUI analysierte.

WFGUI bewertet nun den Gleichlauf mit etwa ±0,12% WRMS (schwankt stark) bzw. ±0,26% Peak. Das ist extrem schlecht, denn laut Serviceanleitung sollte der Gleichlauf ±0,045% WRMS bzw. ±0,12% Peak betragen.

Nun ist die Frage: wie finde ich heraus, woran das liegt?

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Mir kam jedenfalls die Idee, daß man periodische Störungen des Gleichlaufs, wie sie von diversen rotierenden Komponenten verursacht werden könnten, ja im Spektrum des demodulierten Signals sehen müßte. Also habe ich von WFGUI das demodulierte Signal speichern lassen, in Audacity (ging am schnellsten) importiert und eine Spektralanalyse durchgeführt. Das Spektrum habe ich exportiert und mit Python geplottet, wobei ich die ersten paar "Obertöne" der charakteristischen Frequenzen von Bandwickeln, Andruckrolle, Tonwelle und Motor eingetragen habe:

   

Das sieht erstmal plausibel aus, finde ich. Der zweitgrößte Beitrag scheint von der Andruckrolle zu kommen.

Der stärkste Peak ist jedoch zwischen 4 und 5 Hz, und dazu ist mir noch nichts eingefallen. Könnte das vielleicht eine Schwebung zwischen Tonwellen- und Andruckrollenfrequenz sein?

Und wenn die naheliegende Folgerung hieraus ist, daß die Andruckrolle nichts taugt: hätte jemand einen Vorschlag, wo man eine bessere herbekommen könnte?

Viele Grüße
Moritz
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#2
Mhm......bisher war ich der Meinung, daß man gerade von fixyouraudio.com mit die besten Andruckrollen bekommt.
Gruß
Manfred

Neu........ Uher Royal de Luxe. 2 & 4 Spur; 320nWb@0dB; 1,1V/2,2kOhm@0dB am Ausgang.
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#3
Wenn die Andruckrolle das beste ist was es noch gibt ist eben auch der Gleichlauf der beste der heute noch möglich ist. Insofern wäre ich auch mal mit einem Ergebnis zufrieden. Da Erstausüsterqualität nicht mehr zu bekommen ist sind nüchtern betrachtet wahrscheinlich etwas ältere Laufwerke mit mehr Masseeinsatz etwas in Vorteil. Ich denke allerdings das auch die genannten Werte kaum hörbar sind. Die Frage wäre ja auch noch ob das Tapedeck jemals diese guten WErte erreicht hat. Papier der Herstellerangaben ist geduldig. Solange ich nicht wirklich bei Klavierspiel o.ä. etwas wahrnehmen kann ist für mich ein Tapedeck in Ordnung.

VG
Martin
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#4
Hallo,

(09.12.2021, 07:38)mampfi schrieb: Mhm......bisher war ich der Meinung, daß man gerade von fixyouraudio.com mit die besten Andruckrollen bekommt.
das hatte ich bisher auch gedacht. Aber nun bin ich etwas verunsichert. Vielleicht ist es voreilig, auf die Andruckrolle zu schließen.

Jedenfalls fiel mir mittlerweile noch ein, daß ich eine wichtige Komponente vergessen habe, nämlich den Riemen. Der rotiert etwa 4-mal pro Sekunde durch und paßt damit genau zu dem stärksten Peak:

   

Also sollte ich zunächst mal nach einem besseren Riemen schauen. Der jetzt drin ist, war angeblich ein Originalersatzteil.

Für Kritik an meiner diagnostischen Vorgehensweise wäre ich dankbar. Ich bin selbst überrascht, wie gut die überschlagenen Frequenzbereiche mit den gemessenen Peaks übereinstimmen, und daher auch geneigt, der Analyse zu glauben; aber gut möglich, daß ich etwas übersehen oder falsch verstanden habe.

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Hätte außerdem jemand Vorschläge, woher man noch Riemen und Andruckrollen beziehen könnte, und bestenfalls Erfahrungswerte zur Qualität?

Für Andruckrollen kenne ich: FixYourAudio; Hi-Fi Retro Parts
Für Riemen sind mir bekannt: William Thakker; Hi-Fi Retro Parts; Malvern Hills Audio

Es gibt außerdem auf der FixYourAudio-Website noch ein Tutorial, das nahelegt, die Riemen von Hand glattzuschleifen. Das könnte einen Versuch wert sein. Für eine ähnliche Aufbereitung einer Andruckrolle bräuchte man wahrscheinlich eine Drehbank, und selbst dann wüßte ich noch nicht, wie man die Rolle bearbeiten wollte, ohne die Bombierung zu beeinträchtigen.

Viele Grüße
Moritz
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#5
Hallo Moritz,
hast du den Pulley auf der Motorwelle und die Riemenlauffläche auf der Schwungmasse piekfein gereinigt ?

Ich hatte vor einiger Zeit ein ähnliches Problem 
bei einem Sony Recorder, der ähnliche periodische Schwankungen zeigte.

Nach der Erneuerung des Capstanriemens brachte erst diese Reinigung den erhofften Erfolg. Auf der Schwungmasse war Abrieb/winzige Pixel vom alten Riemen (kaum sichtbar) angebacken und letztlich verantwortlich für die Schwankungen.

Herzliche Grüße vom Niederrhein

Frank
Hau wech, den Schiet - aber sech mir, wohin


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#6
(09.12.2021, 11:07)Joseph von Arimathäa schrieb: Es gibt außerdem auf der FixYourAudio-Website noch ein Tutorial, das nahelegt, die Riemen von Hand glattzuschleifen.

Die Dicke spielt die Rolle nicht die Glätte. Meiner Meinung nach jedenfalls. Wenn ein Riemen nicht über den gesamten Umfang 100% gleich dick ist verursacht das Geschwindigkeitsschwankungen. Beim Plattenspieler genauso wie am Capstan eines Bandaufzeichnungsgerätes. Geschliffen wurden die früher also wegen der gleichmäßigen Dicke und nicht wegen der Glätte. Sowas gibt es halt nicht mehr. Von daher ist es generell im Grunde nicht möglich die alten Werte noch zu erreichen. GottseiDank lagen die ohnehin soweit jenseits von Eden das man es normalerweise nicht hört.

Da ist halt ein Direct Drive im Vorteil. Dem hat man früher aber nachgesagt das es mehr rumpelt an der Achse als ein Riemen. Dafür ist die Geschwindigkeit exakter bzw. eben nicht von der Riemenqualität abhängig. Es gibt halt nix Gutes wo nicht auch was Schlechtes dabei ist!

VG
Martin
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#7
Hallo Frank,

danke für die Vorschläge. Das ist lange her, daß ich die Laufflächen gereinigt habe; das Deck stand nun schon länger unfertig hier rum. Ich werde das nochmal probieren.

Die Lauffläche der Schwungmasse sollte man mit Aceton sauberbekommen. Das Pulley ist leider aus Plastik, und mit Aceton auf Plastik habe ich teils unschöne Erfahrungen gemacht... aber ich werds nochmal mit Isopropanol versuchen.

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Ich möchte nochmal betonen, daß zwar das Instandsetzen meines Decks für mich die wichtigste Nebensache in diesem Thread ist, es mir aber hauptsächlich um die Methodik geht. Das Internet ist voll von widersprüchlichen Ratschlägen, Erfahrungsberichten, Behauptungen; wenn man nicht über jahrelange Erfahrung verfügt, ist vieles davon schwer einzuordnen. Darum mein Bedürfnis nach Messung statt Meinung.

Natürlich kann man mit den Ohren bewerten, ob der Gleichlauf gut genug ist. Das war auch, was mich überhaupt zu näherer Beschäftigung mit dem Thema trieb (wenngleich zunächst bei einem anderen Deck): ich empfand die Gleichlaufschwankungen als störend. Heutzutage ist es aber für jedermann leicht möglich, den Gleichlauf zu messen: man braucht nur eine der sehr preiswerten Meßcassetten von Hanspeter Roth, einen PC mit WFGUI und ein Audiointerface.

@Martin: zwar weiß ich nicht, ob die Dicke oder die Glätte des Riemens wichtiger ist; aber der Autor des Tutorials schreibt ja auch, daß er damit eine meßbare Verbesserung des Gleichlaufs erzielen konnte. Das ist m. E. Grund genug, die Methode ernstzunehmen. Aber es stimmt natürlich, daß ein Riemen ungleichmäßiger Dicke trotzdem ein größeres Problem sein kann, das so nicht zu beheben ist. Darum die Frage nach Empfehlungen für andere Riemenlieferanten.

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Den Ansatz mit der Spektralanalyse fand ich interessant, weil man damit – wenn mein Gedankengang richtig ist – die Auswirkung einzelner Bauteile auf die Performance auseinanderhalten kann. Nach dieser Theorie sollten Verunreinigungen auf dem Motor-Pulley in den 40–50 Hz-Peak eingehen, Verunreinigungen auf der Lauffläche der Schwungmasse in den 6–7 Hz-Peak samt Obertönen. Ich kann also die beiden Teile reinigen, eine neue Messung machen und bestenfalls gleich sehen, was es gebracht hat.

(Bei diesem Deck ist das schnelle Erproben leider etwas lästig, weil immer das Frontpanel abgenommen werden muß, bevor man das Laufwerk herausbekommt. Das Frontpanel zusammen mit den vorderen Gerätefüßen ist zudem ein einziges Plastik-Gußteil. Sparemann und Söhne Rolleyes Wirklich schade, daß es nie ein TC-KE700S gab, das bei fast gleichem Aussehen anständig konstruiert ist, analog zu den anderen Komponenten aus der Serie.)

Viele Grüße
Moritz
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#8
Hallo Moritz,
ich kann leider nicht konstruktiv beitragen, finde Deine Vorgehensweise und Darstellungen jedoch vorbildlich und auch für andere hilfreich. Und bin ebenso gespannt auf Beiträge zu Diagnose und Ersatzteilquellen.
Schöne Grüße
Frank
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#9
Das bessere Ersatzteilquellen das Ergebnis einer Fachsimpelei in einem Thread sein könnte halte ich für möglich aber unwahrscheinlich. Das es am Markt keine Erstausrüsterqualität mehr gibt ist ein Fakt mit dem man sich abfinden muss. Es könnte natürlich immer mal das eine oder andere Teil besser funktionieren. Das weiß man halt immer erst wenn man es gekauft und eingebaut hat. Es ist bei den alten Geräten also mehr Try and Error in Verbindung mit einer persönlichen Entscheidung ab wann man zufrieden damit ist.

VG
Martin
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#10
Kauf doch nen Riemen bei Thakker.eu
Gruß
Lorenz
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