BASF Typ L Extra
#1
Hallo zusammen,

heute kamen mal wieder historische Bänder für mich an, in die ich mit Freude hinein gehört habe. BASF Typ L Extra, bespielt in den frühen 50ern mit allerlei schönen Berichten, einem Filmdreh und dazwischen auch viel zeitgenössischer Musik. Absolut top erhalten! Was mich wunderte ist, dass manche der Aufnahmen in 19 cm/s vorlagen. Brauchten diese ganz frühen Typen nicht noch 38 cm/s, bzw am besten sogar 76? Die Aufnahmen sind jedenfalls top erhalten und die Bänder auch in einem echt guten Zustand.

Meine Frage jetzt: Hat jemand von euch genauere Infos zu diesem Bandtyp? So wie ich das online nachlesen, kam er ab den späten 40ern auf den Markt.

Wenn jemand Interesse an den alten Aufnahmen hat, kann ich gerne etwas digitalisieren und hier einstellen. Überschreiben werde ich sie nicht, sondern mich einfach regelmäßig am Inhalt erfreuden.

PS: Eines der Bänder war leer, das habe ich mal testweise in 38 cm/s bespielt und bekam einen echt schönen Frequenzgang heraus, wenn auch das Band nicht mehr wirklich viel Pegel angenommen hat.
Schnürsenkelband: Teac A3300SX-2T, Revox A77 MK3, Sony TC-366, Grundig TK 3200, Grundig TK 8, Simonetta TB 491
Kassette: Onkyo TA-2870, RFT SK 3000 Hifi
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Lieblings-Bandsorten / Empfehlungen in zufälliger Reihenfolge:
Standardband: Orwo 104, Orwo 106, Orwo 103, Orwo 100, BASF/Agfa PER-528
Langspielband: Orwo 113, BASF/Agfa PER-368, LPR-35, BASF PES-40, BASF LGS-35, Agfa PE-31/PE-36/PE-39
Doppelspielband: Orwo 120, BASF LGS-26, Agfa PE-41/PE-46/PE-49, Grundig GD15
Dreifachspielband: Orwo 130
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#2
Hallo Alexander,

das L-Extra Band der BASF war ein Masse-Band, d.h. die Magnetpartikel sind im Band gleichmäßig verteilt eingewalzt. Deshalb hat es eine für damalige Zeiten sehr glatte Oberfläche und einen guten Störabstand. Das Band kann auf beiden Seiten benutzt werden. Um im Abspielbetrieb keine Verwechslungen zu bekommen, ist eine Seite bedruckt worden. Dies ist ebenfalls sehr hilfreich für das Schneiden besonders mit mehreren Bandwickeln. - Man kann im Prinzip beide Seiten gleichwertig benutzen, muß sich aber gut merken, welche es war. Da ist der Aufdruck schon sehr nützlich.


Das Band ist für die damaligen Geräte mit der Geschwindigkeit 77 cm/s hergestellt worden. Wegen der großen Schichtdicke (die Banddicke ist auch die Schichtdicke) ist es für niedrigere Geschwindigkeiten eigentlich nicht geeignet. Die Geschwindigkeit 38 cm/s gab es damals zu Produktionsbeginn beim Rundfunk noch gar nicht. Die Geschwindigkeit von [font="Sans serif", sans-serif]18 cm/s hatten nur die Tonschreiber C von 1941. Da kam es auf Frequenzgang auch nicht an.[/font]

[font="Sans serif", sans-serif]Das Band solltest Du nicht für Neuaufnahmen benutzen. Dafür ist es bei niedrigen Geschwindigkeiten nicht geeignet.[/font]
Wenn Du aber ein historisches Laufwerk haben solltest, kannst Du Dich freuen, ein passendes Band von Annodunnemals zu haben, und Du kannst dann nachvollziehen, was den Altvorderen damals technisch möglich war unter ansonsten ziemlich miesen äußeren und wirtschaftlichen Bedingungen.

[font="Sans serif", sans-serif]Wenn Du mit "modernen" Geräten langsam aufnimmst, wird die Vormagnetisierung vermutlich nicht ausreichen, um den damaligen, möglichen Pegel aufnehmen zu können. Andererseits egalisiert die niedrige Vormagnetisierung den Frequenzgang etwas.[/font]

Die BASF produzierte das Magnetophonband Typ L-Extra vom Herbst 1949 bis in das Jahr 1955 hinein. *) siehe Fußnote
Ab ca. 1953/54 setzte sich bei den Rundfunkanstalten zunehmend die Geschwindigkeit 38,1 cm/s durch und dafür war das Band L-extra nicht geeignet, weil es ein Masseband war, erreicht es dann nicht die erforderlichen Höhen.

Wenn Dich die sehr lesenswerten technischen und historischen Details hierzu interessieren, dann solltest Du Dir das u.g. Buch als eBook aus dem Internet herunterladen. Das ist für das Gebotene ein Schnäppchen. Ich konnte mich seinerzeit glücklich schätzen, die als Buch gebundene 2.Auflage für 120 Euro antiquarisch kaufen zu können. Die weiteren Ausgaben habe ich natürlich auch und die Kosten fast nichts, wenn man bedenkt, was die Verfasser um eines unserer verdienten Forumsmitglieder herum an Arbeit aufgebracht haben.

*) Fußnote
Friedrich Engel et al. ZEITSCHICHTEN: Magnetbandtechnik als Kulturträger …
Vierte Ausgabe: 2020, S. 311-315

Viel Grüße 


Manfred
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#3
Ist bei dieser Herstellungs-Methode die Dichte der Magnet-Partikel deutlich kleiner als bei den später hergestellten Band-Typen ?
Falls ja, würde ich bei niedrigen Geschwindigkeiten ein größeres Modulations-Rauschen befürchten.

MfG Kai
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#4
Ich hab hier sozusagen das DDR Pedant AGFA Wolfen Typ C (ist allerdings kein Masseband, sondern AC Träger) grad als Konvolut bekommen und bin beim durchhören. Die Bänder sind alle mit 19/Halbspur bespielt und -abgesehen von Art und Weise der Aufnahmen- durchaus hörbar.
Erstaunlicher Weise sind die alten Acetatbänder weder rissig noch spröde, kleben und krümeln auch nicht. Es sind auch Langspielbänder auf Acetatträger dabei, die laufen sowohl auf de Mechlabor als auch auf der A807 ohne zu zerreißen.
Ist natürlich nichts für Nicht-Tonkopfabnutzen-Woller.
Viele Grüße,

Matthias
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#5
Hallo Manfred,

danke für die umfangreiche Antwort! Das ist ja interessant, dass man auch die bedruckte Rückseite bespielen konnte, mir war gar nicht bewusst dass es sowas mal gab bei Bändern! Da werde ich dann auf jeden Fall nochmal die Rückseiten durchhören.

Hier schonmal, was ich bisher digitalisieren konnte, es liegt dort seit damals in 19 cm/s vor:
https://merlwin.ch/typl_film.mp3
Bis auf die Dropouts ist das immernoch schön erhalten, wenn man bedenkt dass es ja viel zu langsam bespielt wurde.

Viele weitere dieser Bänder hier sind bunt gemischt in 38 und 19 cm/s bespielt, in 76 cm/s war nichts dabei. Demnächst trudelt hier ein Vollmer MTG 9 ein, das wäre ja ideal um das eine unbespielte Band testweise in 76 cm/s zu bespielen. Die anderen überspiele ich nicht, der Inhalt ist bei allen so interessant und schön anzuhören wie bei dem Beispiel.

Danke für den Buchtipp, das wäre wirklich einmal interessant! Alte Bandsorten bzw die Geschichte dahinter sind für mich super interessant, ich hatte ja auch schon mit Agfa Typ F und ähnlichem zu tun. Immer wieder schön, zu sehen wie gut die teils noch erhalten sind.


Schöne Grüße
Alexander

(26.11.2021, 18:56)MatthiasB. schrieb: Ich hab hier sozusagen das DDR Pedant AGFA Wolfen Typ C (ist allerdings kein Masseband, sondern AC Träger) grad als Konvolut bekommen und bin beim durchhören. Die Bänder sind alle mit 19/Halbspur bespielt und -abgesehen von Art und Weise der Aufnahmen- durchaus hörbar.
Erstaunlicher Weise sind die alten Acetatbänder weder rissig noch spröde, kleben und krümeln auch nicht. Es sind auch Langspielbänder auf Acetatträger dabei, die laufen sowohl auf de Mechlabor als auch auf der A807 ohne zu zerreißen.
Ist natürlich nichts für Nicht-Tonkopfabnutzen-Woller.
Hallo Matthias,

da habe ich auch ein paar CR und CH da. Diese klingen noch wunderbar mit schönen Höhen, allerdings haben sie ein sehr seltsames Wickelverhalten, sind "nach innen gewölbt". Dazu mache ich nachher auch einmal einen Thread auf.

Schöne Grüße
Alexander
Schnürsenkelband: Teac A3300SX-2T, Revox A77 MK3, Sony TC-366, Grundig TK 3200, Grundig TK 8, Simonetta TB 491
Kassette: Onkyo TA-2870, RFT SK 3000 Hifi
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Standardband: Orwo 104, Orwo 106, Orwo 103, Orwo 100, BASF/Agfa PER-528
Langspielband: Orwo 113, BASF/Agfa PER-368, LPR-35, BASF PES-40, BASF LGS-35, Agfa PE-31/PE-36/PE-39
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Dreifachspielband: Orwo 130
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#6
Auf der Rückseite ist quasi das gleiche, wie auf der Vorderseite, da das Band, da Masseband, keine Trägerschicht besitzt. Ich gehe davon aus, dass es dennoch an Höhen mangeln wird, da kurze Wellenlängen nicht so sehr in die Tiefe magnetisieren.

Zum Thema Hohlkrümmigkeit hat Friedrich im Buch auch das eine oder andere Wort verloren.

niels
Wer bei Stereoaufnahmen kein Gegenspur-Übersprechen haben möchte, sollte Halbspur-Maschinen verwenden.
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#7
Hallo Kai,

man muß sich die Situation nach dem Krieg vorstellen. Die Besatzungsmächte drängten darauf, daß wieder größere Mengen Magnettonband für den Rundfunk hergestellt wurde. Man hatte aber bis dato keine vollständige Kenntnis darüber, warum eine Charge des C-Bandes während des Krieges so gut gelungen war. Es war nicht reproduzierbar.

Die Bänder sollten bei 77 cm/s (später 76cm/s) rund 50 dB Störabstand (bei 3 % Klirrfaktor) und einen Frequenzgang bis 10 kHz ermöglichen. Die Kopierdämpfung sollte deutlich über 40 dB liegen.

Die Maschinen zur Herstellung von Schichtbändern in Ludwigshafen waren ohne Kriegseinwirkung in die Luft geflogen. Deshalb waren in Ludwigshafen keine Schichtbänder herstellbar, und mit den Massebändern konnte man mit guten Exemplaren die Forderungen auch erfüllen.

Man nahm wohl gleiche Gewichtsanteile für Magnetit und PVC und walzte intensiv. Die sich dadurch dann ergebende glatte Oberfläche glich den geringeren Ausgangspegel durch ca. 10 dB besseren Störabstand gegenüber den damals verfügbaren Schichtbändern wieder aus, deren Ausgangspegel um ca. 8 dB höher lag wegen größerer Packungsdichte, die für Massebänder wohl wegen der erforderlichen mechanischen Festigkeit nicht weiter erhöht werden konnte.

Die Verhältnisse beim Modulationsrauschen und dessen schwierige Beeinflussungsmöglichkeiten durch den Bandhersteller lassen vermuten, daß die Theorie über den Magnetismus manchmal Knochen hat. Die AM-Rauschspektren bei hohen Bandgeschwindigkeiten treten breitbandiger in größeren Abständen vom Nutzsignal auf und stören dadurch mehr, weil besser hörbar. Hier will ich vorsichtshalber schließen. Sonst verhaspel ich mich noch, und dann tritt der Zweite-Dr.-Friedrich-Krones-Satz in Kraft: „Wer es nicht erklären kann, hat es auch nicht verstanden.“   Deshalb folgt hier ein ganz wichtiger Hinweis auf:

Friedrich Engel et al. ZEITSCHICHTEN: Magnetbandtechnik als Kulturträger...
Vierte Ausgabe: 2020, S. 309

In dem Buch gibt es auch eine schöne Tabelle mit technischen Daten von den historischen Bändern bis zum PER 528 usw. s.S. 644 ff.

Mit der Umstellung auf die Geschwindigkeit 38 cm/s bei den Rundfunkanstalten waren die Massebänder nur noch Auslaufmodelle und mit dem Agfa-FR-Schicht-Band konnte man dann auf 38 cm/s in allen Punkten bessere Werte erzielen. Mit der Zeit wurde die Magnetpartikel kleiner und gleichmäßiger. Dann wurde das Modulationsrauschen vermutlich auch erst richtig störend. Man hatte vorher sozusagen andere Sorgen.

Viel Grüße
Manfred
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#8
Hallo Manfred,

danke für die Erläuterung
und den Lektüre-Verweis.

MfG Kai
Nachtrag: Ich habe die dritte Auflage (2013).
Da beginnt auf S.308 der Abschnitt "Der Neubau der Magnetophonbandfabrik in Ludwigshafen (1956)"
und auf S.309 der Abschnitt "Viertelspurtechnik als Motor der Entwicklung"
Bin ich da richtig ?
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#9
Hallo Kai,

Friedrich Engel et al., ZEITSCHICHTEN: Magnetbandtechnik als Kulturträger...
Dritte Ausgabe: 2013

Der Exkurs übers Modulationsrauschen ist auf S. 265.

Die umfangreichen Bandtabellen S.584 ff .

Viele Grüße
Manfred
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