Oldie-Klang im Radio besser als eigene LP
#1
Höre öfter WDR4 ("Wir spielen die 60er, die 70er und die 80er...").
Mir fällt dabei sehr oft auf, dass die dort gespielten Stücke (viel) besser klingen, als meine eigenen Schallplatten aus der Zeit.
Mit welchen Methoden haben die WDRler den Klang wohl bearbeitet?
VG Jürgen
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#2
Smile 
...wie in der Therapiesitzung  Shy

...mein Name ist Ralf, und ich höre auch WDR4  Rolleyes

Guten Morgen an alle !
Dieser Freak steht auf "Silberlinge".... Wink
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#3
Die kommen doch von CD bzw jetzt natürlich vom Server und sind digital geremastert. Dafür wurden die einzelnen Spuren neu abgemischt und mit besseren Methoden in Stereo weiter verarbeitet. Früher ging das nur analog, seit den 80ern ist das Alles digital und dadurch weniger verlustbehaftet. Außerdem gibt es seit dem Möglichkeiten Rauschen zu entfernen und dadurch das digitale Medien keine Limitierungen haben, wie bei analog ist da auch mehr möglich.

Vor Allem die Schallplatte ist ein sehr begrenztes Medium. Sie haben eine schlechte Kanaltrennung (20 dB oder so), es ist damit also gar nicht möglich ein solches Stereo Panorama wie bei digital zu erzeugen, weil vom linken Kanal viel mehr nach rechts „überschwappt“ und andersrum ebenfalls, dann sinkt die Relativgeschwindigkeit zum Ende der Platte, weil ja der Kreis in dem sich die Nadel bewegt immer kleiner wird und sie dadurch weniger Weg zurück legt, als außen. Langsamer heißt auch gleich schlechter und mit weniger Auflösung. Der Frequenzgang sinkt und erreicht zum Ende nur noch bis 12 kHz. Brilliante Töne sind deshalb Gift und müssen vor den Mastern eliminiert werden, sonst zischt oder verzerrt. Der Dynamikumfang ist stark begrenzt (Noise Floor, Rauschen usw.), je länger eine Plattenseite ist, umso leiser muss ausgesteuert werden, ein lautes Signal macht die Rille größer. Möchte man die maximale Lautstärke einer Plattenseite ausnutzen passt halt nur wenig drauf. Ist die Amplitude kleiner, passt mehr drauf, aber das Verhältnis zwischen Störgeräuschen/Rauschen und Musik wird schlechter. Bei so Samplern wie von K-TEL oder Arcade hat man das extrem ausgenutzt, da wurden Bässe rausgedreht um die Rille dünner zu machen und mehr auf die Platte zu kriegen. Wenn man die Bässe dann an der Anlage abhebt wird der Noise Floor und das Rauschen noch mit verstärkt und es klingt einfach beschissen. Singles sind ja kleiner, als LPs und dadurch ist man quasi direkt beim Inneren der Rille, wodurch sie von Anfang an schon schlechter klingt, als eine LP aussen. Die höhere Geschwindigkeit wirkt nur bedingt dagegen. Außerdem ist das Loch nie exakt mittig, wodurch der beste Gleichlauf eines Plattenspielers nicht gegen das Eiern einer Platte hilft und wenn die dann noch einen Schlag hat, ist nicht mal der Noise Floor gleichmäßig, sondern verändert sich laufend.

In den 80ern wurde viel mit Stereoeffekten gespielt, die über Phasen funktionieren (Echo, Reverb, Hall, Harmonizer usw..), die sind Gift für Schallplatten. Würde man das so pressen, wie es auf CD erschienen ist, würde entweder die Nadel aus der Rille springen, oder es würde ganz fürchterlich klingen. Ich habe Platten aus den späten 80ern, wo viel mit solchen Effekten gearbeitet wurde, da war es auch modern die Stimme überbrilliant klingen zu lassen, wodurch Viele behaupten Digital Mastering und die CD hätten den Klang zerstört, das lag aber einfach nur am Mixing und am Mastering. Digital ist grundsätzlich immer besser, weil es keinen eigenen Klang hat (außer komprimierte Formate wie DAB+ oder mp3 unterhalb einer gewissen Bitrate).

Man muss also das Signal, was auf eine Platte kommt von vorn herein anders mischen, als auf digitalen Medien. Cassetten und vor Allem Tonband sind übrigens viel weniger verlustbehaftet, als die Schallplatte. Mit Tonband und Cassette kann man schon einen Klang erreichen, der nur geringfügig hörbar schlechter ist, als digitale Medien und man muss dafür auch nicht gesondert Mastern. Trotzdem wird eine Kopie von analog zu analog in jeder Generation schlechter. Das Masterband wurde früher mehrmals kopiert um dann an Presswerke und Cassettenwerke weiter gereicht zu werden. Aus logistischen Gründen war das aber sicher nicht immer die zweite Generation, weil sie ja wahrscheinlich an hunderte Werke in der ganzen Welt gereicht werden mussten, wodurch schon alleine das Masterband bereits mehrmals kopiert wurde. Daraus wurden dann die Mutterplatten zum Pressen erstellt. Das Band wurde aber mit einer anderen Maschine abgespielt, als die mit der aufgenommen wurde. Es kann also sein, dass diese Maschine dann in der Geschwindigkeit abwich oder der Kopf nicht exakt justiert war usw… Die Qualität vorbespielter Cassetten ist auch nicht so dolle gewesen, weil sie in X Facher Geschwindigkeit kopiert wurden.

Dann kommt noch dazu, dass man sich meist nicht die Mühe gemacht hat, bei Samplern mehrere Masters zu fertigen. Bei so ner Super 20 von Ariola oder High Life von Polystar oder Disco Rocket von K-tel wurde für Cassetten auch das (extrem Beschnittene) Master der Schallplatte verwendet, wodurch die mögliche und bessere Qualität der Cassette und am Anfang manchmal sogar der CD nicht erreicht wurde.

Dann kommt noch dazu, dass es sowas wie Sounddesign (also wie die Ästhetik des Klanges der Musik ist) erst mit zunehmender Technik eine größere Rolle spielte. Davor gabs halt Rock, Pop und Schlager. Als dann so Subarten wie Disco Kamen war es plötzlich extrem wichtig, mit Effekten zu spielen und die Technik zu nutzen um irgendwelche Tricks und Kniffe in den Sound einzubauen. Gerade Oldies aus den 60ern sind oft sehr dünn abgemischt, haben wenig Bass und Singles sind bis um 1970 sowieso immer Mono, weil die meisten Plattenspieler bis dahin eben Mono waren und Stereoplatten mit Mono Nadeln kaputt gehen, weil die Rillen eine andere Form haben und die Mono Nadeln auf Mono Platten optimiert sind. Mit Digitaltechnik sind von vielen Songs Stereoversionen entstanden, die es in den 60ern gar nicht gab. Durch Kompressoren kann man da auch noch extrem viel aufpolieren, wenn so eine alte Aufnahme etwas kraftlos klingt.

Außerdem haben Radiosender ein sogenanntes Optimod. Da werden noch nachträglich Effekte auf die Musik gelegt, bevor das Signal über den Sender geht. Das kann dann subjektiv besser klingen. Vor Allem weil da gerne noch mal Bässe und Höhen hinzugefügt werden und eine Basisverbreiterung (Surround mäßiger Stereoeffekt). Kommt aber auf den Sender an. WDR4 habe ich relativ neutral in Erinnerung. Kann aber auch sein, dass sich das inzwischen geändert hat. Es gibt Sender die bollern richtig, andere sind so krass komprimiert, dass sie nur noch nerven.

LG Tobi
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#4
Hallo Jürgen,
worüber hörst Du Radio und womit spielst Du die Platten ab? Nur bei identischer Kette ab analoger Einspeisung und ordentlichem gewartetem Dreher und guten Platten kann man sich eventuellen Qualitätsunterschieden zuwenden.
Gerhard
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#5
Sehr guter Beitrag, danke Tobi Smile

Gruß Mani
Besonders gerne repariere ich meine Philips, Braun, Akai und TEAC Geräte Big Grin
Keine Hilfe bei fehlender Rückmeldung
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#6
Äh, also, ich sag´ mal so: ich höre nur selten genau zu bei WDR 4, meist läuft das nebenbei.
Wenn ich mich an eine der letzten intensiv gehörten Sendungen erinnere, gehört über die gute Anlage im Dachstudio, lief da Cat Stevens.
Da kenne ich meine Platten in- und auswendig.
Ich war entsetzt über die Klangqualität. Im Wesentlichen war das völlig "totkomprimiert".
Da fielen dann Sauberkeit oder Tonspektrum nicht mehr ins Gewicht.

Abseits dieses Extrem-Beispiels:
Da oben höre ich selten zu, wenn, finde ich den Radioklang eigentlich ziemlich gut (alter analoger Pioneer-Tuner).
Aber besser als meine Schallplatten eher nie nicht.
Schöne Grüße

Rainer

Unterwegs als „Tonmeister h.c.“ unter www.tapemusic.eu[url=www.tapemusic.eu][/url]
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#7
Hallo zusammen,
vielleicht etwa OT,
ich habe eine Schallplatte mit dem Bolero von Ravel, die von Innen nach Außen abgespielt werden muß. (Sie heißt deshalb auch ORELOB )
Das ist deshalb gemacht worden weil der Bolero leise anfängt und immer lauter wird. Damit umgeht man die "Schwäche" der Schallplatte mit den inneren Rillen.
Der Aufsetzpunkt der Startrille liegt kurz vor der Endabschaltung.
Sieht zwar seltsam aus wenn sich der Tonarm anders bewegt, funktioniert aber ohne Probleme.

Gruß
Friedhelm
der ab Januar 2009 zur A77Hs , 3x 4400 Report Monitor und TK46 sowie Tk47 noch eine M15a in sein Pflegeprogramm aufgenommen hat. Nicht zu vergessen 2 Uher CR1600, 1 Uher CR1600TC und die 2 Thorens TD 124 II :-)
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#8
Hi Friedhelm,

einen Zwischenfrage zur besonderen Bolero Schallplatte "oreloB". Läßt sich soetwas auch mit einem Tangentialtonarm z.B. wie bei einem ReVox B790 abspielen?

Grüße

Thomas
Mein Motto "Zitat" »Opa Deldok«: »Früher war alles schlechter. !!!!

Noa and Mira Awad
NOA Keren Or  

reVox B251 Revision und Modifikationsliste!

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#9
Hallo, noch ein WDR4-Hörer hier!

Der Trick den die Radiosender eigentlich alle fahren sind sogenannte Optimods. Das sind Soundprozessoren, die allerlei am Signal verbiegen, damit es "angenehmer" klingen soll, unter anderem EQ, Dynamikkompression, Stereoverbreiterung etc. Manche Lieder profitieren da tatsächlich von, bei anderen Titeln klingt es danach deutlich schlechter.

Die Schallplatte als technisch wohl schlechtestes Medium (Hintergrundrumpeln, geringe Dynamik, Bassbereich nur in Mono, da ansonsten die Nadel skippt etc) kannst du aber natürlich auch nicht mit den Digitalquellen der Radiosender vergleichen, die um Welten besser sind. Die beste Quelle die man haben kann ist ohnehin die CD. Dort gilt allerdings, dass man tunlichst genau darauf achten sollte, dass es Originalaufnahmen sind und keine tontechnisch vergewaltigten "Remaster". Ein akutes Beispiel was ich dabei habe sind viele Klaus Lage-Alben, die in der originalen Abmischung eine richtig schöne Dynamik haben und im Remaster stark komprimiert wurden.

Kurzum: Du wirst einfach den Optimod-Klang von WDR4 mögen. Ich mag den auch und höre WDR4 regelmäßig auf meinem Saba Freudenstadt 16-Röhrenradio.
Schnürsenkelband: Teac A3300SX-2T, Revox A77 MK3, Sony TC-366, Grundig TK 3200, Grundig TK 8, Simonetta TB 491
Kassette: Onkyo TA-2870, RFT SK 3000 Hifi
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Lieblings-Bandsorten / Empfehlungen in zufälliger Reihenfolge:
Standardband: Orwo 104, Orwo 106, Orwo 103, Orwo 100, BASF/Agfa PER-528
Langspielband: Orwo 113, BASF/Agfa PER-368, LPR-35, BASF PES-40, BASF LGS-35, Agfa PE-31/PE-36/PE-39
Doppelspielband: Orwo 120, BASF LGS-26, Agfa PE-41/PE-46/PE-49, Grundig GD15
Dreifachspielband: Orwo 130
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