Incis TK6 de luxe
#1
Über italienische Hersteller und deren Modelle wurde hier noch nicht viel berichtet.
Da ist es höchste Zeit, die Lücke ein wenig zu schließen.

Die Firma Incis, Fratelli Seregni, hatte ihren Sitz in Saronno, wenige Kilometer nordwestlich von Mailand. Incis fertigte ab den fünfziger Jahren Tonbandgeräte. In den Siebzigern gehörten auch Autoradios, teils auch mit Kassettenlaufwerk, zum Programm.

Das Modell, um das es hier geht, das TK6 de luxe, ist ein Röhrenkoffer aus den Sechzigern.

   

   

   

Es handelt sich um einen Holzkoffer mit Kunststoffüberzug mit den Abmessungen 35 x 19 x 31 cm (B x H x T) und einem Gewicht von 7,5 kg. Das TK6 de luxe nimmt 15-cm-Spulen auf und läuft mit 19 und 9,5 cm/s. Laut Hersteller erreicht es dabei einen Frequenzumfang von 60 bis 16000 Hz bzw. 60 bis 12000 Hz.

Die Elektronik arbeitet mit den Röhren ECC83, ECC85, ECL82 und EM84.
Das Gerät verfügt über zwei Köpfe in Viertelspur-Technik.

   

Die Bedienung ist recht einfach. Lautstärke bzw. Aussteuerung werden mit dem Drehknopf links verändert, der mit dem Netzschalter kombiniert ist. Der Drehknopf rechts wählt die Laufwerksfunktion. Darüber sitzt der A/W-Umschalter, darunter findet man die Spurwahltasten.

Der eingebaute Verstärker kann nur mono. In Stellung Stereo werden jedoch beide Spuren ausgelesen und deren Signale an eine Ausgangsbuchse geleitet. Mit einem geeigneten externen Stereo-Entzerrer-Verstärker ist dann auch stereophone Wiedergabe möglich.

Das Gerät verfügt über getrennte Höhen- und Baßregler. Der Mix-Regler erlaubt bei Aufnahme das Mischen zweier Signale von Mikrophon- und Radio-/Phono-Eingang.

Das TK6 de luxe verfügt als Besonderheit über eine Duoplayfunktion. Bei Aufnahme auf der einen Spur wird grundsätzlich die andere Spur ausgelesen und verstärkt. Ihr Signal steht an der Radiobuchse zur Verfügung und kann mittels Kopfhörer oder externer Verstärker-Lautsprecher-Kombination mitgehört werden. So kann die zweite Aufnahme synchron zur ersten erfolgen. Anschließend kann man durch Drücken beider Spurtasten beide Aufnahmen anhören.

   

Oberhalb der Spulen befindet sich der Geschwindigkeitsumschalter. In Stellung Stop wird auf das Reibrad zur Vermeidung von Dellen kein Druck ausgeübt.

In das Loch darunter soll beim Transport des Koffers ein Stift eingeschraubt werden, der den Motor fixiert. Bei Nichtgebrauch steckt man den Stift in eine entsprechende Halterung im Kofferdeckel.

   

Schauen wir mal unter die Haube.

   

Dort findet sich ein simples Ein-Motoren-Laufwerk mit Reibradantrieb. Zur Geschwindigkeitsumschaltung wird der Motor in der Höhe versetzt, in Stop-Stellung wird er vom Reibrad zurückgezogen. Die Mechanik ist simpel, aber robust und funktioniert zuverlässig. Die Umspulgeschwindigkeit hängt bei diesem Antrieb natürlich von der gewählten Bandgeschwindigkeit ab. In Stellung 19 cm/s werden zwar keine Rekorde aufgestellt, aber die Umspulzeit ist noch akzeptabel.

Ein Blick auf die Köpfe:

   

Kein Einschliff zu sehen. Das Gerätchen ist früher wohl nicht sehr intensiv genutzt worden.

Blick auf die Unterseite:

   

Der größte Teil der Elektronik sitzt auf einer großen Platine. Lediglich die Bauteile rund um die Klangregelung und die Ansteuerung des Magischen Auges befinden sich auf einer zweiten kleinen Platine bei den Potis.

   

Der kleine Lautsprecher im Koffer erzeugt eine ganz passablen Klang. Natürlich gibt es eine Anschlußmöglichkeit für einen externen Lautsprecher, wobei der eingebaute wahlweise auch abgeschaltet werden kann.

Auf die Unterseite des Bodens hat man die Seriennummer aufgestempelt:

   

Als Zubehör war ein Mikrophon erhältlich, auf dem der Incis-Schriftzug leider schon etwas verblaßt ist.

   

In der Bedienungsanleitung, hier in französischer Sprache, …

   

… weist man darauf hin, daß man auf dem Gebiet der Tonbandgeräte schon etwas Erfahrung hat:

   

« Das Haus Incis fertigt seit 10 Jahren Tonbandgeräte und Laufwerke für Tonbandgeräte. Export in alle Welt. »

Leider habe ich nirgends im Gerät einen Hinweis auf das Baujahr gefunden. Radiomuseum.org sagt 1962. Das könnte hinkommen.

Was ist von dem Köfferchen zu halten?

Die Mechanik mußte natürlich gesäubert und frisch geschmiert werden. Alle Gummiteile waren noch weich und brauchbar. Da der Vorbesitzer das Gerät offenbar immer in Stop-Stellung aufbewahrt hat, gab es auch keine Dellen im Reibrad. An der Elektronik wurde nichts getauscht. Alle Spannungen an den Röhren waren noch im Soll, alle Kondensatoren – soweit ersichtlich alle aus italienischer Produktion – waren noch brauchbar.

Unterm Strich also ein simples, aber robustes und zuverlässiges Gerät mit einem ordentlichen Klang.

Bezahlt habe ich dafür 10 Euro. Leider waren dem Gerät die originalen Drehknöpfe für Lautstärke und Laufwerksfunktion abhanden gekommen. Man hatte andere montiert, die aber nicht recht dazu paßten. Also mußte ein Schlachtgerät her.

Es kostete ebenfalls 10 Euro und kam in Gestalt eines Incis TK6 ohne de luxe, verkauft in Frankreich unter der Marke Cartel.

   

Dieses einfachere Modell verwendet den gleichen Koffer und das gleiche Laufwerk, arbeitet also ebenfalls mit 19 und 9,5 cm/s. Im Gegensatz zur de luxe-Version ist es jedoch ein Halbspurgerät.

   

Damit entfällt hier die Duoplayfunktion, wodurch auch die Elektronik einfacher ausfallen kann und mit ECC83, ECL82 und EM84 auskommt.

Statt getrennter Regler für Höhen und Bässe gibt es nur eine Tonblende, der Mix-Regler ist aber auch hier vorhanden.

Auch bei diesem Modell hat man die Seriennummer auf den Boden gestempelt:

   

In Deutschland praktisch nicht existent, finden sich auf italienischen Verkaufsplattformen doch hin und wieder Incis-Modelle. Auch in Frankreich wird gelegentlich - wenngleich deutlich seltener - eines gesichtet. Der « Export in alle Welt », von dem die BDA spricht, könnte nach Südamerika gegangen sein, z. B. nach Argentinien, wo es eine größere italienische Einwanderergemeinde gibt.

Gruß
TSF
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#2
Hallo TSF!

"Endlich" wieder eine Deiner tollen/ausführlichen Vorstellung von
bei uns seltener Tonbandgeräte.

Mir war die Firma INCIS bis heute unbekannt.
Vielen Dank dafür, daß meine Wissenslücken ein klein wenig ge-
ringer geworden ist.

Gruß
Wolfgang
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#3
Interessantes Gerät ! Dank auch meinerseits der ausführlichen Vorstellung! 
Die Bezeichnung "TK" sowie "de Luxe" erinnert mich doch stark an die Bezeichnungen von Grundig 
Tonbandkoffern.
Zufall?
Meine TOP - Wickler:
Akai GX 747
Sojuz 111
Revox A 77 1/4 Spur und HS
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#4
Ich freue mich immer, wenn jemand diese einfacheren Geräte schätzt und vorstellt. Von italienischen Tonbandgeräten hörte ich auch gerade zum ersten Mal. Die Modellbezeichnung ist wirklich kurios. Wink

Viele Grüße
Nils
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#5
Gruß und Dank an TSF (was haben sich deine Eltern eigentlich dabei gedacht, dir so einen komischen Namen zu geben? :-) ). Von dem Gerät kannte ich nur ein unscharfes Foto. Es macht ja einen guten Eindruck und ich finde es auch recht hübsch, das ist bei italienischen Tonbandgeräten nicht selbstverständlich. Und die Bedienung ist sehr aufgeräumt.

Bemerkenswert ist, es gehört zu den ganz wenigen Geräten, auch international gesehen, die bei 15er Spulengröße die Geschwindigkeit 19 bieten! Da fallen mir spontan sont nur Uher 195 und Grundig TK 7 ein.
Die Bezeichnung TK 6 ist wirklich merkwürdig. Bei Grundig stand das TK ja für Tonband-Koffergerät, aber TK in italienischer Sprache??

@ Nils: Doch, kennst du bestimmt, denk an Geloso. Auch einige deutsche Kaufhausgeräte waren Italiener, zum Beispiel dieses schrille Einfachgerät von Quelle mit dem sternförmigen Geschwindigkeitswähler, ich komme gerade nicht auf die Bezeichnung. Recht primitive Kiste, aaaaber Dreimotorenantrieb.

VG Stefan
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#6
Hallo zusammen,
danke für Eure Kommentare. Es freut mich, daß auch so ein Mauerblümchen im Forum auf Interesse stößt.


(06.03.2022, 20:26)PeterSIB schrieb: Die Bezeichnung "TK" sowie "de Luxe" erinnert mich doch stark an die Bezeichnungen von Grundig
Tonbandkoffern.
Zufall?


Darüber habe ich auch gerätselt, zumal das K im Italienischen eher selten ist. Vielleicht ist die Bezeichnung tatsächlich an Grundig angelehnt.


(06.03.2022, 20:59)tk141 schrieb: Von italienischen Tonbandgeräten hörte ich auch gerade zum ersten Mal.


Es gab mehrere Hersteller in Italien.
Am weitesten verbreitet dürften die Geloso-Modelle sein, zu denen Geloso aber nur den Namen und den Vertrieb beigetragen hat. Hergestellt wurden sie von Magnetofoni Castelli.
Siehe die Vorstellung des Geloso G255 sowie die anschließende Diskussion hier:
https://tonbandforum.de/showthread.php?tid=13219


Weitere Hersteller waren Nuova Faro und Radiomarelli, von denen einige wenige Modelle in Deutschland von Quelle verkauft wurden, wenngleich unter anderen Bezeichnungen.
Und dann gab es noch Brionvega, Garis, GBC und LESA.


(07.03.2022, 11:47)Vollspurlöschkopf schrieb: … zum Beispiel dieses schrille Einfachgerät von Quelle mit dem sternförmigen Geschwindigkeitswähler, ich komme gerade nicht auf die Bezeichnung. Recht primitive Kiste, aaaaber Dreimotorenantrieb.


Das ist das Nuova Faro NF333, bei Quelle als Simonetta TB 11.
https://tonbandforum.de/showthread.php?t...#pid227721
https://tonbandforum.de/showthread.php?tid=21809




Gruß
TSF
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#7
Oh, hatte ich wohl alle verpaßt.

Aber ein interessanter Blick über den Tellerrand.

Viele Grüße
Nils
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#8
Danke TSF für die Ergänzung. Hatte beim Schreiben nicht den Zugriff auf meine Datenbank. Das Nuova Faro kam bei einem Tonbandgeräte-Test der Zeitschrift DM (einst eine Konkurrenz zur Stiftung Warentest) im Jahr 1962 sehr schlecht weg.

Aber zurück zu INCIS. Von INCIS gab es zu der Zeit auch ein ganz süßes Kleingerät mit 10er oder 11er Spulen.
Und später jenes hässliche Stehend-Modell, das einem Super-Acht-Projektor ähnlich sieht. Das wurde in D von Neckermann vertrieben.

VG Stefan
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#9
(17.03.2022, 09:24)Vollspurlöschkopf schrieb: Von INCIS gab es zu der Zeit auch ein ganz süßes Kleingerät mit 10er oder 11er Spulen.

Incis Jerry 1004
https://www.radiomuseum.org/r/incis_jerr...004_b.html

Zitat:Und später jenes hässliche Stehend-Modell, das einem Super-Acht-Projektor ähnlich sieht.

Als Röhrengerät Incis V12
https://www.radiomuseum.org/r/incis_v12.html
in der Transistorversion Incis V34
https://www.radiomuseum.org/r/incis_v_34.html

Gruß
TSF
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#10
Jaaa, dreimal Danke. Das sind die Typen die ich meinte. Schwer zu glauben dass der Winzling "Jerry" (und wo ist Tom?) mit Röhren bestückt ist, noch dazu mit einer EL 84, wo man, wenn schon, dann eine EL 95 erwarten würde.

Was die "Projektor"-Modelle V12 und V34 betrifft: Ich muss es nochmal betonen, ich glaube es sind die weltweit HÄSSLICHSTEN Tonbandgeräte die jemals gebaut wurden. Oder kennt jemand noch schlimmere?

Fasznierend auch immer wieder, welche gähnende Leere in ausländischen Einfach-Tonbandgeräten herrschte (siehe Link V12).

VG Stefan
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