Teppaz - Plattenspieler aus Lyon
#1
Es gibt Produkte, die so große Verbreitung und so große Popularität erlangen, daß irgendwann deren Markenname zum Synonym für das Produkt selbst wird.

Für Deutschland kann man als Beispiele Tempo für Papiertaschentücher oder Tesa für Klebeband anführen.

Bei unseren französischen Nachbarn haben die Plattenspieler der Firma Teppaz aus Lyon diesen Status erreicht.

Als in Frankreich der Rock’n’Roll und später der Twist an Popularität gewannen, wurden diese Plattenspieler besonders bei der französischen Jugend unverzichtbar. Gestaltet als kleine, handliche Koffer in ansprechenden Farben waren die Geräte durch ihre leichte und kompakte Bauweise problemlos zu transportieren. Man schnappte sich sein Teppaz und die Plattensammlung und klingelte bei einem Kumpel oder einer Freundin, der/die so unverhofft zum Gastgeber einer spontanen Party wurde. In Frankreich nennt man diese Zeit, besonders die Jahre 1960 bis 1966, „les années yé-yé“. Alles, was aus den USA oder Großbritannien herüberschwappte, wurde nachgeahmt. Französische Künstler legten sich englisch klingende Künstlernamen zu, wie z. B. Johnny Hallyday, Eddie Mitchell oder Sheila (die ein Jahrzehnt später als Sheila & B. Devotion auch in der Disco-Ära noch Erfolge hatte) und auch das englische „yeah yeah“ durfte als yé yé in französischen Nummern nicht fehlen.
 
Gegründet wurde die Firma 1931 in Lyon von Marcel Teppaz. Zunächst wurden Rundfunkgeräte und Verstärker hergestellt. Während des Krieges untersagten die deutschen Besatzer den Bau von Rundfunkempfängern Verstärkern. Also begann Teppaz 1941 mit der Fabrikation von Plattenspielern. Als erster Hersteller in Frankreich bot er Geräte mit Elektromotor anstelle des Federwerks an. Dies war der Ausgangspunkt für den späteren immensen Erfolg der Firma. Die tragbaren Koffer erschienen ab etwa 1955. Unter den Entwicklern dieser frühen Geräte findet sich ein Monsieur Jarre, der Großvater des Musikers Jean-Michel Jarre. Die ersten Modelle benötigten wegen ihrer Röhrenverstärker noch eine Steckdose, doch ab Ende der fünfziger Jahre gab es auch Transistormodelle für Batteriebetrieb. In den sechziger Jahren steigt Teppaz auch in die Herstellung von Kassettenrekordern ein.

Teppaz begnügte sich jedoch nicht mit der Produktion von Abspielgeräten. Er gründete auch eine eigene Plattenfirma. Die Firma mußte sich jedoch mit Künstlern der zweiten und dritten Garnitur begnügen. Die großen Namen waren und blieben anderswo unter Vertrag.

1964 starb Marcel Teppaz überraschend an einem Herzinfarkt. Seine Frau und sein Schwager führten die Firma weiter, sahen sich allerdings einer zunehmenden Konkurrenz durch japanische Firmen gegenüber. Versuche, in das Hi-Fi-Geschäft einzusteigen, brachten nicht den nötigen Erfolg. Die Firma geriet in finanzielle Schwierigkeiten und wurde Ende der siebziger Jahre aufgelöst. Heute existiert Teppaz nur noch als Marke. Zu ihren Glanzzeiten exportierte sie ihre Produkte in über 80 Länder.
 
Nachfolgend zu sehen ist das Modell Présence, mit dem 1955 die Produktion der kleinen Koffer begann.

   

   

   

Der Koffer besteht aus Preßpappe, die mit grünem Kunststoff überzogen ist. Trotz dieses Leichtbaus wiegt der Koffer noch etwas über 5 kg.

   

Der Lautsprecher ist im Deckel untergebracht.

   

   

   

Wahlweise schaltet das Gerät am Ende der Platte ab oder auch nicht.

   

   

Sehr wichtig im Frankreich der fünfziger Jahre war die Möglichkeit, Elektrogeräte an verschiedene Netzspannungen anzupassen. Bei Erscheinen des Présence waren 110 V oder 127 V noch weit verbreitet. 1956 beschloß die Regierung jedoch die Umstellung auf einheitlich 220 V, eine Prozedur, die sich bis in die siebziger Jahre hinzog.

   

Das Tonabnehmersystem ist schwenkbar und enthält zwei Nadeln, für Mikrorillen und Normalrillen.
Dieses hier ist das originale System in elfenbein. Leider liefert der Kristall kaum noch Spannung. Es war allerdings kein Problem, auf einem Pariser Flohmarkt originalverpackten Ersatz zu bekommen, allerdings leider nur in grau.

   

An Elektronik ist nicht viel drin. Es gibt einen zweistufigen Verstärker mit den Röhren EBF 80 und EL 84 sowie eine Gleichrichterröhre EZ 80. Damit und mit dem ordentlichen Lautsprecher ergibt sich ein ganz ordentlicher Klang.

   
 
Die Party kann also losgehen. Yé yé
 
 
Gruß
TSF
 
P.S.: Ein Video zeigt die Herstellung von Plattenspielern bei Teppaz im Jahr 1957. Zu diesem Zeitpunkt verlassen täglich 1000 Plattenspieler die Fabrik.
La fabrication des électrophones Teppaz à Lyon - Vidéo Ina.fr
 
 
 
Teppaz — Wikipédia (wikipedia.org)
Teppaz, la platine vinyle inventée à Lyon que le monde s'arrachait (lyoncapitale.fr)
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#2
Sehr interessanter Bericht.

Gruß
Alfred

Meine Freude an der Tonbandtechnik verdanke ich Hermann Hoffmann, dem Erfinder der Radio-Comedy.

http://www.sender-zitrone.de/
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#3
Bonsoir TSF,

danke, kannte ich noch nicht. Sehr schön, auch die vielen Randbemerkungen. Ich hatte mich schon immer gefragt, was Yé Yé bedeutet...
Mir fällt auf die Schnelle gar kein anderes französisches Plattenspielerfabrikat (Platine tourne disque?) ein. Goldmund und Thorens waren ja schweizerisch.

Schöne Grüße
Frank
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#4
Vielen Dank für die schöne Vorstellung dieses Plattenspielers.
Viele Grüße,

Matthias
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#5
Vielen Dank
für den Bericht
Gruß
Peter
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