Ich hab jetzt auch ein Tefifon!
#1
Mir lief neulich mal wieder ein bemerkenswertes Stück obskurer Unterhaltungselektronik zu, das wo ich nun hier vorzustellen gedenke:

Ich gehe davon aus, daß die Grundprinzipien der Funktion einer Schallplatte und der darauf befindlichen Tonaufzeichnung bekannt sind, ja?
Okay, nun bin ich mir sicher, daß auch die Begriffe "Tonband" bzw. "Musikkassette" noch nicht ganz verschwunden sind, und auch hier noch Kenntnisse über das Wie und Warum existieren.
Was soll jetzt diese umständliche Einleitung?
Gemach, gemach.
Stellt euch mal vor, jemand will die obengenannten Techniken miteinander verbinden.
Gut, einfach einen Plattenspieler und ein Tonbandgerät in ein Gehäuse einbauen, das kann ja jeder.
Nein, viel kranker.
Man nehme eine Schallplatte, rolle die darauf befindlichen Rillen ab, presse diese auf ein endloses Kunststoffband und packe das dann in ein Abwickelgehäuse.



Wie bitte? Huh

Doch, sowas gabs mal. Rolleyes

Im Ernst! Smile

[Bild: 41014396op.jpg]
Was ist denn das? Mach doch mal den Deckel auf!

[Bild: 41014397jn.jpg]
Bitteschön! Es ist ein...

[Bild: 41014398cq.jpg]
...TEFIFON!

Und wie war das jetzt mit den... Kassetten?

[Bild: 41014399at.jpg]
Hier haben wir eine, in der Papphülle. Leider mußte ich mit den "Schallbandkassetten" (genau so wird das hier genannt) zufrieden sein, die beim Kauf dabei waren. Dodgy Für den Preis wollte ich aber nicht meckern.

[Bild: 41014400lh.jpg]
Hier das Ding von oben...

[Bild: 41014401ww.jpg]
...und hier von unten, man erkennt das rote Schallband und die Aufnahme für den Antrieb.

[Bild: 41014402fu.jpg]

[Bild: 41014403sq.jpg]

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Man zieht das Band vorsichtig aus der Kassette und fädelt es dann um die Antriebsrolle. Unter dieser liegt im Gehäuse ein dickes Schwungrad für den Gleichlauf.

[Bild: 41014405zl.jpg]
Rechts liegt das Tonabnehmersystem in Ruhestellung...

[Bild: 41014406ky.jpg]
...und hier in angelegter Position.

[Bild: 41014407dn.jpg]
Ein Blick von oben, also wie bei einer Schallplatte...

[Bild: 41014408ao.jpg]
..nur daß hier eben das Band als mechanischer Tonträger wirkt.

[Bild: 41014409vc.jpg]

[Bild: 41014450ew.jpg]
Wer's nicht glaubt, eine Makro-Aufnahme der Rillen. Eigentlich ist es ja nur eine einzige Rille, aber eben auf einem Endlosband.

Hier die Bedienungsverleitung:
[Bild: 41014512av.jpg]

[Bild: 41014504rq.jpg]

[Bild: 41014506oi.jpg]

[Bild: 41014507zj.jpg]

Das Innenleben ist eher überschaubar:
[Bild: 41014558rv.jpg]

[Bild: 41014559fx.jpg]

[Bild: 41014561ui.jpg]

[Bild: 41014562eh.jpg]

[Bild: 41014563mx.jpg]


Und wie klingt das Ding jetzt?
Eigentlich nicht schlecht, altersgemäß, es kommt bei dem Band, wie bei einer Schallplatte drauf an, wie man es pflegt. Da sich die Bänder aber in der Kassette befinden, sind mechanische Schäden eher selten.

Bis jetzt hab ich das Gerät nur an dem kleinen Dackelradio angeschlossen,
[Bild: 41014411ci.jpg]
aber auch da klingt es schonmal nicht schlecht. Mit einem DIN-Cinch Adapter ist eine Verbindung zu einer modernen Anlage problemlos möglich.

[Bild: 41014541ji.jpg]
1961 war das eine Menge Geld, und das für eine damals schon technische Sackgasse, was wohl schon absehbar war:

Ick freu mir. Big Grin

Links zur weiterführenden Vertiefung der Thematik:
https://oldtimeradio.de/firma-166.php
https://de.wikipedia.org/wiki/Tefifon
http://www.magnetbandmuseum.info/das-tef...[]=Tefifon
http://www.tonbandmuseum.info/das-tefifon0.html
http://www.tonbandmuseum.info/tefiholiday.html
http://www.tonbandmuseum.info/das-buch-b...fifon.html

Duröhre:
https://www.youtube.com/watch?v=nBNTAmLRmUg&
https://www.youtube.com/watch?v=9tTURrAWVYE
https://www.youtube.com/watch?v=IpyS3JLVsM8
Und für starke Nerven, "Meister Jambo und das Tefifon": https://www.youtube.com/watch?v=uZpb2NLpjXg
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#2
Ein erstaunliches Stück Geschichte. Vielen Dank für die ausführliche Vorstellung.

LG
Mike
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#3
Ich lese auch gerne solche Vorstellungen alter Technik, vielen Dank.

MfG, Tobias
Strom kann erst dann fliessen, wenn Spannung anliegt.
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#4
Gratulation! Ich liebe es, bin aber noch nie über eins gestolpert.

Viele Grüße
Nils
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#5
So was gab's tatsächlich??? Glückwunsch zu dem seltenen Stück!

Erhard
Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es trotzdem. Karl Valentin
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#6
Das war eigentlich eine gute Erfindung .... vier Stunden Spielzeit ! Beachtlich ! Ist schade, dass sich gute Technik, wie schon so häufig, nicht durchsetzt.

Manni
2 Dreher und ca. 38 Tonbandgeräte an drei Anlagen ............  Rolleyes
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#7
Moin zusammen,

diese Technik kenne ich noch aus meiner frühen Kindheit in den 50er Jahren.
Schon damals faszinierte mich die Tontechnik (wenn auch mehr spielerisch) und die Faszination ist bis heute ungebrochen.

Schönen Tag und Gruß

Alfred

Meine Freude an der Tonbandtechnik verdanke ich Hermann Hoffmann, dem Erfinder der Radio-Comedy.

http://www.sender-zitrone.de/
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#8
Ich hatte schon öfters vom Tefifon gehört, wusste aber nichts über dessen Funktionsweise. Wirklich sehr bemerkenswert.
Vielen Dank für die Präsentation, so etwas sehe und lese ich immer sehr gern.  Smile
Viel Spaß mit diesem Außergewöhnlichen Gerät.

Grüße, Rainer
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#9
Hallo Freunde,
beim Tefifon sollte man ab und zu die Abtastnadel wechseln.
Habe auch ein Tefifon hier stehen.
Je nach Typ bekommt man diese auch noch.
Interessanter Beitrag.
Gruß
Peter
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#10
Das Tefifon ist bereits in den 30er Jahren gebaut worden. Damals schrieb man den Namen noch mit "ph".



https://www.radiomuseum.org/r/tefi_tefiphon.html





Das erste Nachkriegs-Cassettensystem hat Dr. Daniel 1950 vorgestellt:



http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/s...f/44449434





Alle Geräte sind sehr robust und reparaturfreundlich aufgebaut. Kriegt man meistens recht einfach zum Laufen. Abtaster sind problemlos zu erneuern.

Schwieriger wird es, seltene Bänder zu finden. Denn es gab auch Jazzbander und Amerikanische Musiker wie Sinatra, Doris Day, Louis Armstrong usw. oder auch sogar ein Band mit Dave Brubeck und sogar Miles Davis. Auch Peter Frankenfeld, Brigitte Mira, Hans Moser und andere sind auf Tefi zu hören. Sogar Roberto Blanco mit dem Orchester Hans Last (der sich später "James" nannte).


Teenager-Party, Jazztime oder Weltstar-Cocktail sind gesuchte Raritäten.

Anfangs (1950) liefen die Bänder mit 45,6cm/s. Damit war maximal eine Stunde am Stück zu machen. Die meisten Bänder liefen zwischen 25 und 35 Minuten. Das war im Vergleich zur Schellackplatte enorm!

1954 stellte man um auf 19cm/s und packte eine fünfte Rille pro mm auf das Band. Dadurch steigerte man die maximale Spielzeit auf vier Stunden am Stück.

Man konnte nun ganze Opern am Stück hören!

Die Klangqualität war mit der Schellackplatte vergleichbar, vielleicht etwas besser.

Was stören konnte, was das mechanische "gruscheln" das das Band in der Cassette beim abspielen erzeugt.

Es gab die Möglichkeit, das Tefifon zum Plattenspieler umzufunktionieren mit einer Cassette mit Plattenteller obendrauf und Zusatztonarm, der von Dual zugeliefert wurde.

Es gab auch einen Magnettonzusatz. Damit konnte man selber aufnehmen. In der Cassette befand sich dann ein Magnetband, das mehrspurig bespielt werden konnte.

Alles in allem eine innovative Idee, die sich dann der Vinylplatte und dem "richtigen" Tonbandgerät geschlagen geben musste.
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#11
Hallo Achim,

danke für die Tefi-Vorstellung und die tollen Bilder!

Gekannt habe ich das Tefi schon länger, aber noch nie in Natura oder auf so guten Bildern dargestellt gesehen. 

Meine Frage an Dich und an die anderen Fachwissenden: Wie wird das TA-System gesteuert, es müsste doch "schwebend" aufgehängt sein?!

Gruß
Hannes
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#12
Ich vermute mal, dass die Rillen in dem Schallband von oben nach unten abgetastet werden. Dabei dürfte die Schwerkraft dem Tonabnehmer helfen, dass er sich langsam, Rille für Rille, nach unten bewegt.

MfG, Tobias
Strom kann erst dann fliessen, wenn Spannung anliegt.
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#13
Hallo Achim,
toller Bericht, ich musste stellenweise schmunzeln was die deutsche Nachkriegsindustrie alles produziert hat.
Danke für die vielen Erklärungen und Bilder, das mit der langen Laufzeit ist ja bemerkenswert.
Weiß man etwas über den Frequenzgang des Gerätes?

Viele Grüße, Jan
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#14
hi Achim,

dann muss ich doch auch mal:

das Gerät ist mir kurz nach Weihnachten über den Weg gelaufen:


   

   

   

   

Es ist noch unrestauriert, wie man sehen kann, ist der Tonkopf mit dem Nadel-Tonabnehmer abgebrochen, Ersatz liegt aber schon bereit. Ich hatte das Gerät schonmal vorgestellt, als ich nach einem Steckverbinder gesucht habe:

https://tonbandforum.de/showthread.php?tid=22431

Deshalb hier nur kurz - es gab von Tefi auch mal den Versuch, Magnetbandkassetten zu bauen, ein solches Gerät sieht man hier. Die Tonköpfe sitzen in dem Kasten, der sich oberhalb der großen Rolle befindet, der AW-Verstärker befindet sich links vom Laufwerk. Wenn man das Gerät wie ein normales Tefifon benutzen will, schaltet man den Magnettonteil einfach ab.

Die Technik ist zusammen mit den ganz frühen Nachkriegslaufwerken entwickelt worden, die noch mit 45cm/sek liefen, das Gerät, was ich habe, ist die letzte Generation von etwa 1954, wo man den Magnettonzusatz noch verbaut hat.

Auf dem letzten Bild erkennt man die Magnetspuren auf dem Band, mittlerweile habe ich gelernt, dass es von den Cassetten auch noch zwei Versionen gibt, die sich durch die Zahl der Spuren unterscheiden. Zwischen den Spurlagen gibt es jeweils eine Rille, in der eine Metallklinge geführt wird, an der die Köpfe hängen.

Magnetcassetten habe ich leider nur zwei, und diese in stark angeschossenem Zustand. Das tragische an solchen Raritäten ist, dass die Leute meistens nicht mal wissen, was sie haben. Der Verkäufer wollte mir immer vorführen, dass das UKW-Radio noch spielt, ein Umstand, der mich überhaupt nicht interessiert hat. Ich denke, auch die meisten Magnetbandcassetten sind in den Müll gewandert, weil niemand wusste, was das ist.

In den blauen Schachteln sind übrigens zwei Ronette Kristallmikrofone drin, die fotografiere ich nochmal extra. So ein Mikrofon gehörte  standardmäßig zu den Tefi Geräten dazu, es unterschied sich vom Ronette Modell nur durch das Tefi-Logo und den exotischen Steckverbinder. Hier werde ich basteln müssen, denn schon die Ronette Modelle sind kaum noch zu finden.

ach ja, die größten späteren Raritäten von Tefi sind die Stereocassetten, das KC4 war das letzte Tefi Laufwerk aus den frühen sechzigern und schon vollstereo. Es gab auch Stereo Versionen des Vorgängerlaufwerks KC1, meist eingebaut in Stereo Musiktruhen. Leider sind dann kaum Cassetten in stereo produziert worden, weil das System zu der Zeit schon kurz vor dem Aus stand.

Gruß Frank
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