Philips RK 5, eine Plastikkrähe?
#1
Hallo,

eine "Plastikkrähe" hatte ich das RK 5, alias EL 3586, genannt. Der größere und etwas ältere Bruder RK 9 hatte recht ordentlichen Frequenzgang, war aber nicht mobil, da Röhrengerät.
Klar gab es auch netzunabhängige Röhrengeräte, das RK 9 von 1961 ist aber keins.
Vielleicht brachte Philips deswegen als Verkleinung das RK 5 raus, zunächst 1961 als RK 5 oder EL 3585 mit dem Frequenzgang von 100-6000 Hz (huch!) und fast gleicher Optik vom RK 9, dann 1963 den Nachfolger RK 5L, EL 3586, mit anderer Frontoptik, verbessertem Frequenzgang von 80-8000 Hz (kleineres huch), sowie überarbeitetem Motor heraus.
Was maßt er sich an, es Plastikkrähe zu nennen, so er denn gar keins hat? Das wäre berechtigte Kritik gewesen, deshalb schnell eins gekauft, um es am lebendigen Leibe prüfen zu können. Warum jetzt erst? Ja, ich kenne das Teil schon seit Kindertagen vom Anschauen, hatte aber nie Gelegenheit, eins zu hören oder zu haben, bin ins Cassettenzeitalter reingeboren worden, das ging die Zeit der kleinen preiswerten Tonbandgeräte zu Ende.

Die Angel also in der Bucht ausgeworfen.
 
Nord-und Ostsee waren wohl noch zu kalt, Atlantik zu wild und Pazifik zu weit weg. Im chinesischen Meer schwimmen die glaube ich nicht, aber die Angel hat gezappelt! Im Mittelmeer. Bella Italia, das ist gut, da rosten sie nicht so schnell und ....quatsch ist ja kein Auto. Also, jemand aus Italien hatte eins. Sah auf den ersten Blick gut aus, vor allen Dingen war die Klarsichthaube NICHT kaputt und das Mikrofon wäre auch dabei, hieß es. Funktionieren täte es auch. Na gut, her damit. Den schweineteuren Versand lassen wir mal beiseite, billig war das Teil nicht gerade, aber angesichts des Zustandes erschien mir der Preis angemessen. Außerdem wollte ich ja nicht irgendwann mal die Tage eins haben, sondern JETZT SOFORT!

Pünktlich wie versprochen kam das Paket denn auch an: "Pakeheet", klotsch, rumms, ins Treppenhaus gepfeffert. Aber, alles gutgegangen, sogar die Klarsichthaube hat überlebt, dank der professionellen Verpackung des netten Verkäufers. Dem schien das gute Stück schwer abgegangen zu sein, er schrieb, nachdem ich mich (wie es sich gehört) für seine Mühe bedankt hatte, dass er froh sei, das Gerät in guten Händen zu wissen. Freut mich. Ich hatte ihm sogar bildlich dargestellt, wie sich die Empfangssituation gestaltet, das Gerät ordnungsgemäß in Deutschland empfangen und in Betrieb genommen wird:

   


So, jetzt endlich, wie sieht es denn nun aus?

   

Kleinere Blessürchen hat es wohl von außen, aber die bemerkt man kaum. Das Gehäuse ist aus empfindlichem Plastik, für sein Alter aber wirklich noch gut erhalten, scheint nie in Kinderhänden oder in rauem Außeneinsatz gewesen zu sein.
Heißa, das Mikrofon ist vorhanden und die Batteriefachklappe nicht abgebrochen:

   

Von hinten ist es schmucklos und größtenteils mit dem Vorgängermodell identisch, bis auf den zweiten Eisenknopf neben der Tonkopfabdeckung, den hat das EL 3586 nicht.

   

Ganz edel, auf den Spulentellern sind Arretierschrauben, habe ich bei keinem im Netz abgebildeten Gerät bisher gesehen. Sollten sie kein Originalzubehör sein, sind sie auf jeden Fall sehr gut angefertigt worden. RK 5 wie auch RK 9 haben in der Dreizackmitte Gewinde.

   

Hier der Größenvergleich zwischen den beiden. Kompatibel sind die Bänder untereinander nicht, Viertelspur und ausschließlich 9,5 cm/s hier und Halbspur nur 4,75 cm/s da.

   

Jetzt geht es aber ans Ausprobieren: Sofort gute Funktion, auch Umspulen. Auf dem Band war aufgeregter Schnellsprechreporter, eventuell aus dem italienischen Mittelwellenradio aufgenommen. Mit Mikrofon natürlich: "Pssst, seid leise, ich muss gerade was aus der Hitparade aufnehmen". Das Ding spielt laut und vernehmlich, auch Aufnahme funktioniert, mitsamten dem Aussteuerungsinstrumentchen. Klingt nur etwas dumpf alles (das lag am beiliegenden grausamen Abrieb-Schmierband).
Fürs Erste kann man zufrieden sein, jetzt geht es ans Entkleiden:

   

   

   

   

   

   

Man sieht es nicht so gut, aber die Köpfe sind kaum abgenudelt:

   

Was ist denn das? Wie alt ist das Ding? Baujahr 1964? Kaum zu glauben, wie gut es von innen aussieht. Scheint alles vollkommen original und unverbastelt zu sein, klasse!
Von wegen Plastikkrähe! Zu der Zeit hat Philips solide gebaut. Natürlich ist z.B. ein UHER Report viel besser, aber das war auch jede Menge teurer damals, kein Vergleich.

   

Ach doch, hier ein Größenvergleich. Ich hatte mit meinem frisch repariertem Ur-Report was mit 4,75 aufgenommen, um es auf dem Philips zu testen. Hat auch gut funktioniert. Reports können gut 4,75, eigentlich mir immer schon eine suspekte Bandgeschwindigkeit, aber die Zielgruppe des RK 5 hatte damals bestimmt nicht viel Moos für Bänder übrig, das passte daher schon gut.
Innen im Hintergehäuse ist sogar noch der Schaltplan aufgeklebt, sehr aufmerksam.

   

Wie klingt es denn jetzt?
Nun, es spielt für seine Größe recht laut und kräftig, ist beileibe keine Krähe! Für Schlager in Mittelwellenqualität reichts, aber wirklich gut kann man die Tonqualität nicht nennen. Damals aber wohl schon, Cassetten waren noch nicht weit verbreitet und klangen zu der Zeit auch nicht besser. Nebenbei auf dem Küchentisch Unterhaltungsmusik spielen, dafür ist es gut, dank seines kräftigen Lautsprechers. 2400 Watt, boahr! 2/64, aha.

   

Was gut ist, spielt es, bewegt sich was, es "lebt" dabei irgendwie. Sowas haben neuzeitliche Geräte nicht. Ein knuffiges kleines Teil, wird bei mir in guten Händen bleiben.

Gruß
Peter S.
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#2
Eine schöne Vorstellung, vielen Dank dafür.
Viele Grüße,

Matthias
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#3
Hallo Peter!

Wieder eine Gerätebeschreibung und ein Zustandbericht,
wie nur Du sie "verzapfen" kannst.

Viel Information, viele Bilder - und alles humorvoll verpackt.
Vielen Dank dafür, und weiter so...

Grüße
Wolfgang
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