Geschichte - NAB- Bandspulenaufnahme
#1
Magnetbänder auf Bandspulen oder Freiwickel mit NAB- Kernen sind im europäischen Raum zuhauf unterwegs.
Tonbandgeräte aus Europa oder Asien besitzen durchweg DIN- Dreizack- Spulenaufnahmen für Bandspulen.
Als Zubehör werden entsprechende Adapter angeboten, um auch NAB- Spulen auf diesen Geräten abspielen zu können.
Wenn so viele Bandhersteller ihre Bänder auf NAB- Spulen anbieten, wo sind dann die passenden Geräte auf denen man NAB- Spulen direkt, also ohne Adapter auflegen kann?
Die Amis haben damals ihre NAB- Norm entwickelt, haben sie auch ihre Bandgeräte nur für diese Befestigungsart gebaut oder besitzen ihre Geräte ebenfalls DIN- Aufnahmen mit NAB- Adaptern?

Bernd
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#2
(02.03.2021, 12:41)capstan schrieb: haben sie auch ihre Bandgeräte nur für diese Befestigungsart gebaut oder besitzen ihre Geräte ebenfalls DIN- Aufnahmen mit NAB- Adaptern?

Zumindest im professionellen Bereich gab es auf Viertelzoll-Maschinen Dreizackaufnahmen mit NAB-Adaptern, hier am Beispiel von Ampex.

Dreizackaufnahmen waren für Spulendurchmesser bis 18 cm üblich, um mit kleineren Kerndurchmessern größere Spielzeiten zu erhalten.

Bandbreiten ab 1" wurden m.W. ausschließlich mit NAB-Kernen geliefert, Dreizackaufnahmen wären für die zu bewegenden Massen im Kilobereich zu schwach gewesen.

Glenn Gould mit Scully 280 (frühe 1970er Jahre):

   
Grüße
Peter


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Ich bin, wie ich bin.
Die einen kennen mich, die anderen können mich.
(Konrad Adenauer)
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#3
Hallo Peter,

ich dachte gerade im professionellen Bereich hätten die Amis ihre NAB- Norm etabliert und prinzipiell auch angewendet, gerade so wie wir den Wickelteller mit Wickelkern (Bobbie)?
Wenn keinem hier ein Gerät mit fest verbauten NAB- Wickeltellern bekannt ist, frage ich mich tatsächlich wozu man 1/4" Bänder mit dieser Norm überhaupt ausgeliefert und vor allem in Europa massenhaft verkauft hat?
Doch nicht um das kleine Nebengeschäft mit den Adaptern zusätzlich zu machen?
Ich verstehe den Sinn dieser Bänder und Spulen überhaupt nicht, zumal sie technisch nur Nachteile bringen (2 x sich addierende Rundlauftoleranzen).
Selbst bei vielen europäischen Studiomaschinen ist die alte Dreizack- Halterung die Grundkonstruktion auf welcher die Bobbie- Wickelkern- Befestigung bzw. die NAB- Adapter aufgesetzt werden.

Also, wozu gibt es NAB- Kerne bzw. -Spulen ???

Bernd
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#4
(02.03.2021, 19:34)capstan schrieb: Also, wozu gibt es NAB- Kerne bzw. -Spulen ???

Ich weiß es nicht, womöglich hat es historische Gründe.

Immerhin gab es Offenwickel mit NAB-Kernen zu Zeiten John Mullins (jener US-Offizier, der zwei K4 Maschinen nach Amerika verbringen ließ):

[Bild: Jack_Mullin_with_a_pair_of_Ampex_model_200s.jpg]

[Bild: Ampex-201-300-Capitol-Records.jpg]

Die Normung der Kernmaße wurde vom zuständigen Ausschuss der (damaligen) NARTB im Juni 1953 festgelegt.

Grüße
Peter
Grüße
Peter


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#5
Wozu NAB-Kerne? Vielleicht doch wegen der Rangierability? (Da habe ich mir doch ein super Wort ausgedacht!)

Bestimmt hatten die Ingenieure damals fettige Finger von Chips, Fritten und Chicken Wings und konnten nicht einfach so auf die Wickel patschen wie hierzulande. Der erste Schritt zum Bandschutz war Schicht innen, das hat aber nicht gereicht. (Mehr Vorurteile konnte ich nicht in diese These einbauen.)

niels
Wer bei Stereoaufnahmen kein Gegenspur-Übersprechen haben möchte, sollte Halbspur-Maschinen verwenden.
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#6
Hallo Bernd, hallo in die Runde,
Die Fragen sind von nicht dem US-amerikanischen Normenausschuß (NARTB) von Annodunnemals angehörenden Deutschen nur mit plausiblen Vermutungen zu beantworten. Die Mühe dafür aber lohnt sich.
Der US-Bandgerätemarkt war vermutlich dominiert von AMPEX und das erste Gerät A 200 geht nach deren eigenem Bekunden auf Konstruktionsprinzipien der deutschen Magnetophone zurück.
Die Geschichte von John Thomas "Jack" Mullin, der gleich nach Kriegsende für den Transport zweier AEG-Magnetophone nach Kalifornien verantwortlich zeichnete, ist sehr spannend, aber gehört wohl nicht hierher.
Just dieser Herr Mullin brachte Ampex und Bing Crosby zusammen, und Ampex baute dann die ersten Geräte für Bing Crosbys Radioshows, die dieser bis dato meist live zwei mal pro Woche wegen der verschiedenen Zeitzonen in USA aufführen mußte. Das nervte ihn.
Von 1945/46 bis 1947 zeichnete Mullin die Bing Crosby Shows mit den Magnetophonen und aus Deutschland mitgebrachten Bändern auf und er schnitt sie auch. Wesentlich mehr, als 1000m ging bei den 30cm Bandtellern nicht drauf. Ich schätze, er kam damals auf gut 30 Minuten Laufzeit bei Ausnutzung bis über den Rand. Das war zwar viel, aber Bing Crosby zu wenig und die 1947 fertigestellte Ampex A 200 hatte denn auch überdimensionierte Bandteller!!! Ja! Bandteller für offenen Wickel auf Wickelkern und mit Schicht außen, wie beim Vorbild von AEG (siehe Bild von Peter Ruhrberg). 
Hätte man den Durchmesser von 60-70 Millimetern der deutschen Wickelkerne dauerhaft übernommen, wären die Bandzugprobleme (die auch die Magnetophone schon hatten) nicht lösbar gewesen mit der damaligen Technik. 
Das Verhältnis von Bandanfang zu Bandende wäre dann mindestens 1:5 gewesen. Das gibt massiven Schlupf an der Tonwelle. Ich vermute, daß man deshalb einem Kernduchmesser gewählt hatte, der das Verhälnis auf 1:3 bei den riesigen Tellern begrenzte.
Das gewählte Profil für den amerikanischen Wickelkern ist wesentlich einfacher präzise herzustellen, als das deutsche Pendant und durch den großen Ausschnitt sehr leicht, und sogar das vorhergehende (deutsche) System paßt gut hinein. Man hat dabei vermutlich auch an Kompatibilität gedacht.
Den Weg zur Verringerung des Schlupfes hatte dann später auch AEG gewählt und die 60 und 70 mm Kerne wurden geächtet. Zur Norm wurde der 100 mm Wickelkern mit AEG-Verriegelung. Dann hat man das Verhältnis 1:3 beim 30cm Teller.
Damit hier nichts durcheinander kommt: Erst die M5 hatte auswechselbare Bandaufnahmen. 
Bis einschließlich T9u konnten die Studiolaufwerke nur freie Wickel oder Spulen mit AEG-Aufnahme abspielen. Auch die für den gehobenen Amateur gedachten AW-Laufwerke der AEG hatten nur AEG-Aufnahme, dafür gab es dann aber 22 cm Spulen. Es gab auch 30 cm Spulen mit AEG-Aufnahme. Beide Größen habe ich selbst. Für die Studiolauferke gab es Adapterzwischenstücke zur Aufnahme der NAB-Kerne und Spulen. Die etwa zeitgleich entstandene KL 15 hatte 18er Dreizackspulen.
Wenn bei den Profis in Deutschland Bänder aus USA auf NAB-Kernen oder -Spulen ankamen (die waren so genial verschraubt, daß man beides daraus machen konnte), dann wurden die vorsichtig umgewickelt, wenn sie bearbeitet werden sollten. Der Rundlauf dieser Ungetüme war nämlich nicht sehr prickelnd. Sie durften aber meist nicht schnell umgespult werden, dann hatte man sehr schnell das 3M-Band statt auf dem Wickelkern unter der Zimmerdecke. Das ist ja nun bei Masterbändern für die Schallplattenproduktion ganz ungünstig.
Die HiFi-Bewegung entdeckte diese NAB-Spulen für die Großspuler erst viele Jahre später und mit den Becherverriegelungen sahen die dann sehr,sehr schick aus. Für Revox´ Großspuler gab es von Anfang an Spulen mit Dreizack.
Die Ampex-Geräte, von denen ich bis in die 70er Jahre Unterlagen habe, hatten keine Verriegelung im Sinne der schönen Becher, sondern einfache Achsen meist mit Stiften für die Dreizackspulen. Auf den Achsen wurde dann der Verriegelungsgriff für den NAB-Auschnitt verschraubt. Das war eine sehr einfache konstruktive und dazu kostengünstige Lösung. -
Als in der Wolle gefärbter AEG-Telefunken Fan muß ich hier sagen: „Viel komplizierter als die seinerzeit patentfähige AEG-Wickelkernverriegelung hätte man dieselbe auch nicht konstruieren können“.

Mit den besten Grüßen

Manfred


P.S. Da bin ich ja zwischenzeitlich mehrfach überrundet worden. 

Peter, Deine Bilder sind ja wunderbar. Ich komme im Moment an meine lange nicht so schönen Bilder nicht heran.

Für eventuelle Diskussionen über Schichtlagen (z.B. weshalb die Deutschen immer alles anders machen müssen):
Jack Mullin steht da just vor einer AMPEX A 200 mit Schichtlage außen. Später in "deutsche Schichtlage" umbenannt.
An der A 200 kann man vermutlich schon sehen, weshalb Ampex dann beim Modell 300 die Schichtlage drehte, aber das ist eine andere Geschichte.
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#7
(02.03.2021, 22:37)Magnettonmanni schrieb:
Als in der Wolle gefärbter AEG-Telefunken Fan muß ich hier sagen: „Viel komplizierter als die seinerzeit patentfähige AEG-Wickelkernverriegelung hätte man dieselbe auch nicht konstruieren können“.

Da wiederum habe ich irgendwo mal gelesen, die Verriegelung der AEG Kerne wäre ursprünglich den Anforderungen der Wehrmacht im Pflichtenheft für den Tonschreiber geschuldet. Ist dem so ? Weiß das jemand genauer ? Leider weiß ich die Quelle nicht mehr, kann aber nur dieses Forum hier oder das rote Magnetofonbuch gewesen sein...

Grüße, Rainer
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#8
(03.03.2021, 08:44)GDR 22 schrieb: Leider weiß ich die Quelle nicht mehr, kann aber nur dieses Forum hier oder das rote Magnetofonbuch gewesen sein...

Falls damit Roland Schellins Magnetophon - AEG-Universalgerät für Tonaufnahme und -wiedergabe gemeint ist, in den beiden Bildüberschriften auf S. 147 heißt es:
"Die Halterung geht auf das Untermann-Patent DE 745849 "Filmspule und Filmspulenachse" vom 5. Oktober 1939 zurück. [Der] Bandwickelkern … wird ebenfalls [dort] beschrieben. Zeitpunkt der Patenterteilung und überlieferte historische Magnetophon-Abbildungen zeigen, dass die eher untergeordnete, aber nicht zu unterschätzende Erfindung dieser betriebssicheren Bandwickelhalterung und -befestigung in die Entwicklungszeit des Tonschreibers c fiel."

Grüße
Peter
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