DIY A77 MkIV Vari-Speed
#1
Hallo,

Die A77 MkIV hat die gleiche Drehzahlregelung wie die B77 MkI. Für die B77 gibt es (bekanntlich) eine externe "Variable Speed Control Unit".

Ich habe heute etwas ähnliches mit Teilen aus der Bastelkiste aufgebaut.
   
Die Drehzahl der Tonwelle wird normalerweise mit dem Poti R217 beim NE555 Timer IC eingestellt. Bei 19 cm/s ist die Frequenz des Rechteck-Signals zB an Messpunkt (C ) auf 800 Hz einzustellen, bei 9.5 cm/s auf 400 Hz.
Zusätzlich kann die Frequenz über eine Steuerspannung an Pin 5 des Timers beeinflußt werden.
Dieser Pin liegt an einem Internen Spannungsteiler, der 2/3 der Betriebsspannung von Pin 4 erzeugt, die als Referenz für den internen Pulsgenerator dient.
Auf der Platine gibt es bereits Bohrungen mit Lötaugen für "Control voltage" (markiert mit CV), Masse und die "12V"-Betriebsspannung.
Diese Anschlüsse habe ich über ein kurzes abgeschirmtes (CV) Kabel an eine 5-polige DIN-Buchse geführt, montiert im Loch für die bisherige Lautsprecher-Buchse "LEFT".
In ein kleines "formschönes" Gehäuse, das in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts einen DIY Joy-Stick-Ersatz für einen 8-Bit Computer beherbergte, habe ich die kleine, links skizzierte Schaltung eingebaut.
   
Mit dem kleinen "Knitter"-Schalter kann Vari-Speed ein-/ausgeschaltet werden. In letzterem Fall hat man verlässlich den intern eingestellten Abgleich-Zustand.
Mit dieser Diemnsionierung konnte ich folgende Frequenz/Geschwindigkeits-Variation einstellen:
Aus: 803.5 Hz
Ein: Max: 895.5 Hz  bzw +11.4 %
       Min: 710 Hz bzw -11.6 %

Ich hab dann auch  noch ausprobiert, was mit 1 kOhm || 22 k geht: f_min ~ 455 Hz (unruhig), ab ca. 480 Hz stabil
f_max: 1092 Hz. Mit kurz-geschlossenen 22 k sogar 1122 Hz.
"Buffer"t man die Spannung vor Pin 1, wie in der B77 "Variable Speed Control Unit" praktiziert, lassen sich mit modifizierter Schaltung sogar 1500 Hz erreichen, siehe die Versuche eines youtube-Bloggers:
https://www.youtube.com/watch?v=oAG52DvfXcw

Für meine Zwecke ist der kleine Bereich vorerst ausreichend. Bedarf trat auf beim Digitalisieren alter Bänder aus den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Mein Uher Royal 784S (von Mitte der 60er Jahre) war da recht schlapp geworden. Das führte dazu, daß es bei den Aufnahmen unter Sollgeschwindigkeit blieb.
Beim Abspielen mit Nenn-Geschwindigleit finde ich den UKW Stereo-Pilot-Ton (19 kHz) folglich bei höheren Frequenz, zB so:
   
Das Fenster links unten zeigt einen Zoom mit linearer Frequenzachse in den Bereich 17-22 kHz einer 4096-FFT des Eingangssignals. 19 kHz sind mit der 4ten vertikalen Gitterline markiert
Das Gesamt-Spektrum wird rechts oben in der üblichen logarithmischer Darstellung von 20 Hz - 22 kHz gezeigt anhand einer 16384-FFT.

Mit dem Vari-Speed Zusatz kann ich den Pilot-Ton dann durch Absenken derGeschwindigkeit auf der "amtlichen" Wert ziehen:
   

MfG Kai
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#2
Hallo Kai,

Interessanter Beitrag!

Dass die edele Revox-Maschine auf einen im Grunde recht schlichten RC-Generator mit dem 555-Chip setzt, finde ich fast schon erstaunlich. Allerdings muss man auch sehen, dass das ganze Quarz-Gedöhns zwar sehr gut messbare, aber keine wirklich hörbaren Verringerungen der langsamen Gleichlaufschwankungen bringt und in vielen Geräte wohl eher als Verkaufsargument denn als technischer Fortschritt zu betrachten ist. Die Leute kaufens halt eher, wenn da z.B. 0,01% draufsteht als wenn es eine Größenordnung schlechter ist, selbst wenn eigentlich klar sein sollte, dass die mechanischen Gegebenheiten erheblich größere Störeinflüsse bewirken.

Den Pilot-Ton als Referenz zu nehmen, finde ich eine gute Idee. Geht halt nur bei Aufnahmen vom Radio. Ich hatte bei meinem 1. "Selbstgebauten" oft einen hörbaren Störeffekt, was aber nicht auf 19kHz lag sondern eher an hörbaren Interferenzen mit der Vormagnetisierung. Ein anständiges LC-Filter schaffte schließlich Abhilfe.

Was mir nicht ganz klar ist: Du schreibst, dass Du die Bänder digitalisierst - hier wäre es doch deutlich einfacher, die Geschwindigkeit vom Sound-Editor ein wenig korrigieren zu lassen - Oder geht es auch ums "normale" Abhören?

MfG, Binse
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#3
Hallo Binse,

eine Quartz-gesteuerte Geschwindigkeitsregelung hat den Vorteil, daß nichts abgeglichen werden muß und es nicht unter Alterung von RC-Gliedern leidet.
Der NE555 wird in der Schaltung als Low-Cost Frequenz-Spannungswandler benutzt. Wenn man dem Datenblatt glauben darf, ist die Funktion sogar recht unabhängig von der Betriebsspannung. Das hat man auch versucht mit der nachfolgenden OP-Regler-Schaltung zu realisieren.

Interferenzen von (ungeraden) Oberwellen aus dem Audio-Signal mit der Vormagnetisierung kann es durchaus geben, insbesondere natürlich bei Übersteuerung im Hochton-Bereich.

Die meisten Sound-Editoren können entweder die Geschwindigkeit nur um einen konstanten Wert korrigieren oder vielleicht noch um ein einfaches Geschwindigkeits-Profil über der Laufzeit.

Bei einem schlapp gewordenen Antrieb macht die Geschwindigkeit jedoch allerlei "Spaziergänge". Ich habe gestern abend 2 Stunden mit der Hand am Korrektur-Potentiometer zugebracht. Dabei konnte ich zB etliche Male eine allmähliche Drift des korrigierten Pilo-Tons zu tieferen Frequenzen beobachten (der ich ständig entgegen-gesteuert habe) und dann plötzlich einen Sprung um geschätzte 170 Hz nach oben, als ob da eine mechanische Relaxations-Schwingung zugange war, zB durch Bewegung eines Reibrades zwischen zwei Extrema.
Ich traute mich kaum, mal die Hand vom Poti zu nehmen, um in der Küche eine Stärkung einzuwerfen.
Ich wüßte keinen Editor, der das gleiche könnte.
Ich habe vor ein paar Jahren mal Software geschrieben, die nach Digitalisierung wav-Files blockweise bezüglich der Pilot-Frequenz analysiert und dann per Resampling korrigiert. Das war damals aber auf Fälle f>19 kHz beschränkt.
Außerdem finde ich es immer besser, die Korrektur gleich an der Quelle durchzuführen, einmal weil Resampling rechen-intensiv ist, wenn die Qualität nicht leiden soll, und zweitens weil man damit falsche Wiedergabe-Entzerrung vermeidet.

Das was ich momentan als "menschlicher Regelkreis" mache, läßt sich auch noch automatisieren dadurch, daß die Analyse-FFT die Pilot-Frequenz auswertet und einen Korrektur-Wert an einen DA-Wandler sendet, der dann das jetzige Potentiometer als Stellglied ersetzt, ergänzt um eine Integral-Regler-Funktion, die Abweichungen vom Sollwert gen Null treibt.

Dazu bräuchte ich zB einen per USB steuerbaren 12-Bit (multiplying) DAC. Gefunden habe ich bislang nur USB->I2C Wandler und per I2C ladbare DACs, merkwürdigerweise kein bereits kombiniertes Modul.
In der Bastelkiste habe ich noch  alte 12-Bit CMOS-DACs und auf Vorrat gekauft liegt auch ein USB-Parallel-Interface rum. Da wäre aber noch einiges an Zutaten erforderlich, um die gewünschte Funktion herzustellen.
Danach gäbe es dann noch einiges zu programmieren.  Wenn es dann mal "funzen" sollte, könnte ich mich wieder auf Austeuerung, Balance und Kopf-Verdreckung beim Überspielen konzentrieren..

MfG Kai
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#4
(30.12.2020, 13:52)kaimex schrieb: ... 2 Stunden mit der Hand am Korrektur-Potentiometer ...
Wenn man ständig nachregeln und zudem noch unvermittelte Sprünge ausgleichen muss, dann gibt es dazu wohl auch keine einfache Alternative. Zumal das dann auch noch schneller, "on the fly" geht, direkt bei der Aufnahme. Eine allmählichen Änderung ließe sie allerdings bei Audacity über "Geschwindigkeit und Tonhöhe gleitend ändern" ganz gut beherrschen. (obwohl ich die noch nie praktisch benötigte habe) Die beiden anderen Funktionen für jeweils Tonhöhen- oder Geschwindigkeitsänderung einzeln sind ja fürs Tonband-Digitalisieren eher unbrauchbar, vielleicht ist letztere gut für Tanzschulen.

Die Idee zu realisieren, dieses Ausregeln des Tonmotors anhand des 19kHz-Pilottons zu automatisieren, stelle ich mir als ziemlich aufwendig vor!*) An einem bereits digital verfügbaren Signal mag das erheblich einfacher sein.
Eventuell kann heute verfügbare Profi-Software wie "Melodyn", die ja sogar Aufnahmen von Sängern, die den Ton nicht halten können, gerade biegen kann, (auf Wunsch sogar in Live), so etwas leisten.

MfG, Binse

*) Stichwort Regelschwingen, verschiedene mechanische und elektrische Trägheitsmomente, die sich auch noch mit den Wickeldurchmessern ändern usw.
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#5
Bau dir doch einen Diskriminator für 19khz.
Am Ausgang hast du in Abhängigkeit der Phase, Frequenz  eine +- Ausgangspannug.
Wie bei der Mittenanzeige UKW-Radio.
Damit auf zwei Op und mit DC Offset verstärken.

Von je einem OP auf einen Optokoppler.
Den Transistor entsprechend vom Schleifer zum heissen Ende.
Den anderen vom Schleifer zum kalten Ende.
Natürlich alles einstellbar zum Abgleich.
So kann in beiden Richtungen eingegriffen werden.

Gruß Mani
Besonders gerne repariere ich meine Philips, Braun, Akai und TEAC Geräte Big Grin
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#6
Hallo Mani,

so oder ähnlich hätte ich es auch im vorigen Jahrhundert gemacht,
mittlerweile versuche ich aber, mit möglichst geringem Hardware-Aufwand auszukommen und möglichst viel in Software zu erledigen. Das Ergebnis ist immer flexibler in Sachen Anpassung an sich wandelnde Anforderungen und neue Ideen.
Siehe den Siegeszug der SDR-Radios bzw -Transceiver im Amateurfunk und in der professionellen Kommunikation (SDR = Software Defined Radio).
Ich bin ziemlich sicher, daß eine moderne Variante eines Tonband-Gerätes Wiedergabe-seitig nur noch in der ersten Stufe aus Analogtechnik bestehen würde. Danach käme sofort ein 16 oder 24 Bit ADC, der "Rest" würde in Software erledigt und allenfalls ganz zum Schluß noch mal Analog draus gemacht.

MfG Kai
Nachtrag: Da habe ich noch ein wichtiges Argument vergessen: Gelegentlich sind auf Band auch Stücke ohne Pilot-Ton oder sogar welche mit Ton bei 15.6 kHz. (oder16.5 kHz).
Dann soll es auch noch funktionieren, ohne "in den Wald zu laufen". In Analog-Technik erfordert das Zusatzschaltungen, die sowas erkennen und die letzte Geschwindigkeit "festhalten". In Software ist das eine Angelegenheit von ein paar "if"-Anweisungen. Der das Potentiometer erstzende DA-Wandler bleibt einfach bei seiner letzten Einstellung.
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#7
@so oder ähnlich hätte ich es auch im vorigen Jahrhundert gemacht,

Danke Kai für deine aufmunternden Worte. Smile

Gruß Mani 
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#8
Das war weder böse noch herablassend gemeint:
ich löte nicht mehr so gerne wie damals,
erstens wegen der Augen und zweitens wegen der Dämpfe...

MfG Kai
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#9
Alles gut.
Hab ich auch gar nicht böse aufgefasst, nur lustig. Smile Smile

Gruß Mani
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