Anordnung der Lautsprecher auf der Schallwand - wirklich so entscheidend?
#1
Hallo,

bevor jemand über den tieferen Sinn dieses Thread rätselt: Es ist reine Neugier.

Wir hatten letztens bzgl. der Selbstbau-Boxen eines Forenbenutzers schon mal eine intensive Diskussion über die sinnvolle Anordnung der Lautsprecherchassis auf der Schallwand (ich verzichte mal drauf, den Thread zu verlinken). Dabei habe ich auch so einiges erfahren, was mir in der Form vorher nicht bewusst war und was ich bei einem Selbstbauprojekt (sofern ich dazu handwerklich überhaupt in der Lage wäre) womöglich auch falsch gemacht hätte.

Ich kann mich erinnern, daß in einigen Testberichten aus den 1980er Jahren nebeneinander über dem Tieftöner angeordnete Hoch- und Mitteltöner (was vermutlich oft so gebaut wurde, um die Schallwand kompakt zu halten) zumindest dann verpönt waren, wenn die Anordnung bei der "linken" und "rechten" Box identisch war. Einige Hersteller (Pioneer?) bauten daher spiegelbildlich gedrehte Boxen für den linken und rechten Kanal.

Nun sind mir ja letztens diese seltsamen, aber für meine Ohren klanglich guten Boxen von Eltropa mit Isophon-Bestückung aus den 1970er Jahren zugeflogen:

   

Hier sind Hoch- und Mitteltöner auch seitlich versetzt angeordnet - aber nicht neben-, sondern übereinander! Platzersparnis gegenüber einer mittigen Anordnung ist also gleich Null und war somit kein Grund.

Kai (kaimex) schrieb dazu:

kaimex,'index.php?page=Thread&postID=260333#post260333 schrieb:mein erster Eindruck beim Betrachten des Frontplatten-Fotos: Selbstbau...

(...)

Ich kenne keinen vernünftigen Grund für eine seitlich versetzte Montage. Normal wäre senkrecht übereinander und bei professionem/r Design und Fertigung Tiefen-gestaffelt, um die unterschiedlichen Verzögerungszeiten der Chassis auszugleichen.

Tatsache ist aber: Es sind keine Selbstbau-Boxen. Sie wurden industriell und in Serie gefertigt.

Nun stelle ich mir die Frage: Wie ist die Anordnung zu erklären? Di­let­tan­tis­mus seitens des Herstellers (wer auch immer das war - Eltopa war ja nur eine Handelsmarke, die die Boxen womöglich ohne exakte Spezifikationen bei irgendeiner Möbelfabrik in Auftrag gegeben hat), waren die Erkenntnisse zum Boxenbau vor 45 Jahren noch nicht so weit gediehen, oder gibt es vielleicht doch einen vernünftigen Grund?

Hat jemand eine Idee?

Gruß,
Timo
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#2
Hallo Timo,
wie "kaimex" schon sagte, gibt es keinen akustischen Sinn für diese Anordnung. Mittel- und Hochtöner gehören zumindest möglichst dicht zusammen und zentrisch platziert. Der Hochtöner scheint auch nicht aus einer Edelschmiede zu stammen. Besondere (akustische) Design-Rafinesse ist hier sicher nicht zu vermuten.

Liebe Grüße
Frank
In Rust We Trust!
T e s l a  B 1 1 6 (A.D.),  R E V O X  B 7 7
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#3
Hallo Frank,

der Hochtöner ist wohl (wie die anderen Chassis auch) von Isophon. Nach damaligen Maßstäben zwar noch keine Edelschmiede, aber schon ein einigermaßen angesehener Hersteller. Die Boxen wiederum stammen von einer Handelsmarke, unter der auch Glühlampen und Kassetten vertrieben wurden, und waren vermutlich für ihre Klasse eher preiswert.

Mich macht stutzig, daß die Anordnung - gerade weil sie so ungewöhnlich ist - den Eindruck erweckt, als habe sie jemand aus irgendwelchen Gründen bewusst so gewählt. Wenn ich keine Ahnung hätte und die Lautsprecher nur irgendwie auf der Schallwand unterbringen wollte, würde ich es wahrscheinlich (nach dem, was Kai schrieb) richtig machen und sie einfach mittig übereinander anordnen und die Abstände ungefähr gleich wählen. Aber hier: Hochtöner links, Mitteltöner rechts, und der Abstand zwischen Hoch- und Mitteltöner deutlich größer als der zwischen Mittel- und Tieftöner - das macht man doch nicht ohne Grund...?

Mal eine ganz weit hergeholte Theorie (bin Laie, möglicherweise ist es kompletter Unfug): Kann es sein, daß man die Abstände zwischen Hoch- und Mitteltöner möglichst groß gewählt hat, um gegenseitige magnetische Beeinflussung zu minimieren?

Übrigens habe ich eben noch zufällig diesen Thread von Matthias M. entdeckt. Die Boxen sind ebenfalls mit Isophon-Chassis bestückt (vermute ich zumindest mal aufgrund des erwähnten Aufklebers) und haben eine ähnliche Anordnung. Was meine Vermutung stärkt, daß es dafür irgendeinen Grund gibt.

Gruß,
Timo
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#4
Hallo Timo,

mit dem Hersteller der HT und MT hat das schon mal nichts zu tun zumal man bei Matthias' Boxen auf der Innenaufnahme sehen kann, dass die beiden Chassis nicht nebeneinander gepasst hätten. Denn hier schien es wohl um eine Verbreiterung der Abstrahlcharakteristik im Mittel-Hochton Bereich zu gehen (zumindest im Bereich der Übergangsfrequenz, deren Verlauf man sich ja nicht als "scharf gezogene Grenze" vorstellen darf.) Dies scheint mir auch bei deinen Boxen die Absicht hinter dieser Anordnung gewesen zu sein. Man hat überhaupt in der damaligen Zeit viel mehr "herum experimentiert" um LS zu sounden und ihnen etwas Eigenständiges mit auf den Weg zu geben. Wenn alle Hersteller der reinen Lehre gefolgt wären, wäre die Abgrenzung vom Wettbewerber wohl nicht so einfach gewesen.

Gruß
Peter
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#5
Hallo Peter!

PeZett,'index.php?page=Thread&postID=264327#post264327 schrieb:zumal man bei Matthias' Boxen auf der Innenaufnahme sehen kann, dass die beiden Chassis nicht nebeneinander gepasst hätten.

Na ja, aber sie hätten halt mittig übereinander gepasst, so wie es nach Ansicht der meisten Nutzer hier richtig gewesen wäre.

Zitat:Denn hier schien es wohl um eine Verbreiterung der Abstrahlcharakteristik im Mittel-Hochton Bereich zu gehen (zumindest im Bereich der Übergangsfrequenz, deren Verlauf man sich ja nicht als "scharf gezogene Grenze" vorstellen darf.) Dies scheint mir auch bei deinen Boxen die Absicht hinter dieser Anordnung gewesen zu sein. (...)

Das wiederum klingt nach einer möglichen Erklärung. Zumindest unter Einbeziehung der Erkenntnis, daß es im Lautsprecherbau immer wieder mehr oder weniger kurzlebige Modeerscheinungen gibt.

Gruß,
Timo
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#6
Je nach Abstrahlkeule des Hoch und des Mitteltöners versucht(e) man durch Versetzen entweder eine zu starke Bündelung des Übergangsfrequenzbereiches zu erzielen (um eine Pegelspitze in diesem Bereich zu unterbinden) oder aber die "Keule" zu verbreitern.

Gruß
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#7
Hallo Timo,

Adenauer soll mal sinngemäß gesagt haben "was interessiert mich mein Geschwätz von gestern...".

Es gibt/gab doch Motivationen, Lautsprecher-Chassis auf einer Schallwand seitlich zu verschieben.
Ein solcher Grund ist das Phänomen, daß durch Schallbeugung an Gehäusekanten der Frequenzgang der Schallabstrahlung so geändert wird, als würden dort "Sekundärschallquellen" sitzen.
Unter diesem Begriff kannst du an einigen Stellen im Internet Erläuterungen und Diskussionen finden.
Eine mit etlichen Beispielen illustrierte Quelle ist
https://heissmann-acoustics.de/kantendif...ranordnun/
Lautsprecherboxen waren bis in die 70er Jahre meist rechteckige Kisten mit prägnanten Kanten, oft sogar noch seitlich angehoben als Rahmen für eine vorgesetzte Schallwand-Abdeckung. Da treten dann auch ausgeprägte Sekundärquellen auf. Die Effekte von linker und rechter Kante addieren sich bei mittiger Platzierung der Chassis. Interferenzen mit der Abstrahlung des Chassis sind frequenzabhängig über Abstand der Kante zum Chassis (Laufzeitunterschied zur Hörposition). Verschiebt man ein Chassis seitlich, werden die Abstände zu beiden Kanten unterschiedlich und die beiden Einflüssen werden im Spektrum auseinandergezogen, die Extremwerte der Effekte damit wohl kleiner.
Später ist man dann darauf gekommen, die Stärke der Sekundärquellen durch spezielle Gestaltung der Kanten (Abschrägen, Verrunden) bzw Vermeiden von Kanten zu verringern. Das erfordert natürlich eine aufwendigere Herstellung der Gehäuse.
Wenn du dich weiter über Lautsprecher informieren möchtest, kann ich noch das Buch von Schwamkrug & Römer "Lautsprecher, Dichtung und Wahrheit" empfehlen, das man irgendwo im Internet zum Download findet. Darin gibt es viele Informationen, was sich alles auf den Frequenzgang und Impulsverhalten eines Lautsperchers auswirkt. Auf Seite 45 wird kurz auf den Kanteneffekt eingegangen, illustriert mit Bild 1.39. Ab Seite 146 werden "Einfluß der Gehäuse auf die Übertragungsfunktion" und Impulsverhalten erläutert. Auf Seite 152 wird das klassische Bild aus der Arbeit von H.F.Olsen über die Abhängigkeit des Schalldruckverlaufes von Frontplatte, Chassis-Position & Gehäuseform gezeigt. Das Buch ist für den interessierten Praktiker geschrieben.

MfG Kai
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#8
Hallo Kai,

danke für die umfassende Antwort. Den Heißmann habe ich überflogen. Überraschend ist, daß er als "Worst-Case-Szenario" beschreibt, was meines Eindrucks zufolge und wenn ich es richtig verstehe, eine weit verbreitete Bauweise bei Lautsprecherboxen ist. So spontan musste ich an die beliebte und angesehene NuBox-Reihe von Nubert denken.

Mich würde interessieren (um auf den Betreff zurückzukommen), ob ich als Normalsterblicher mit ungeschultem Gehör den Unterschied zwischen einer "guten" und "schlechten" Chassisanordnung und Schallwandkonstruktion heraushören würde. Zu meiner Kinderzeit hatten meine Eltern im Wohnzimmer z.B. sehr eigenwillige Lautsprecherboxen ohne Markenlogo und Typenschild aus den frühen 1970er Jahren (vermute ich mal) mit sage und schreibe fünf Chassis, davon zwei auf einer Ebene nebeneinander angeordnete Hochtöner. Das dürfte (obwohl es fertig gekaufte Boxen waren) nach heute gängigen Maßstäben ein ähnlicher Sündenfall sein wie das hier letztens diskutierte Selbstbau-Projekt. Aber geklungen haben sie für meine Wahrnehmung wirklich nicht schlecht! Als meine Eltern Anfang der 1990er Jahre ihr Wohnzimmer neu eingerichtet haben und sie loswerden wollten, haben ich ernsthaft geschwankt, ob ich sie für mich nehmen und meine damaligen Magnat All Ribbon Pro 15 abgeben soll (für beide hatte ich keinen Platz). Klanglich war das für mich eine Liga. Letztendlich hat vor allem die Optik für den Verbleib der Magnats entschieden (die Boxen meiner Eltern waren weiß und hatte eine graue, nicht abnehmbare Stoff-Front, was so gar nicht in meine Einrichtung passte).

Wie auch immer: Meine Frage bzgl. der Eltropa-Boxen ist durch die Beiträge von Dir und Peter beantwortet. Dankeschön!

Gruß,
Timo
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#9
Hallo Timo,

vieles von dem, was da beklagt wird, erkennst du nur bei einer Messung im schalltoten Raum.
In einem normalen Hörraum kann das leicht untergehen in all dem, was die Umgebung der Lautsprecher dem idealen Übertragungsverhalten antut.

Wer das Gruseln lernen möchte, sollte sich mal mit dem Audiotester oder einem Soundkartentester oder sonstigem Program zur Frequenzgangmessung selbigen von einer seiner Boxen zu einem Mikrofon an seinem Hörplatz anschauen.
Trotzdem gilt auch hier: Besser man bemüht sich, als alles zu ignorieren.

MfG Kai
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#10
moin moin,

ich möchte hier mal kai's aussage illustrieren.
   
so sieht der f-gang am hörplatz meiner pc speaker aus, die gezackte linie.
reginald
Das wahre Verbrechen verübt die volkstümliche Musik am Gehörgang der Menschheit.
( Benno Berghammer )
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#11
Danke für das Beispiel,

das Bild kommt mir ehrlich gesagt noch "reichlich zivil" vor.
Wie groß ist der Hörabstand ?
Kannst du bei dem Programm die Anzahl der Meßpunkte einstellen und mal auf ein paar hundert erhöhen (wenn es noch nicht soviele waren).
Falls das Bild interpolierend geglättet ist, sollte man das abschalten, wenn mögich.
Diese Room-Equalizer neigen zu sowas, damit etwas übrig bleibt, was sie händeln können.

MfG Kai
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#12
moin moin,
das plug-in gibt einen gleitsinus aus und nimmt gleichzeitig auf.
ich habe 3 durchläufe gemacht in 700, 800 und 900 mm abstand, das ist das gemittelte ergebnis.
mein hörabstand ist 800.
reginald
Das wahre Verbrechen verübt die volkstümliche Musik am Gehörgang der Menschheit.
( Benno Berghammer )
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#13
gelöscht, war quatsch

Grüße
Dieter
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#14
Hallo Reginald,

kann es sein, daß wir unter Hörabstand was anderes verstehen ?
Mein Hörabstand (Kopf zu Box) beträgt grob geschätzt 3500 mm (3,5 m).
Ich mag mir nicht vostellen, daß du 80 cm vor einer HiFi-Anlage sitzt, das paßt doch allenfalls zu Schreibtischstuhl und PC-Boxen auf den Schreibtisch-Ecken.
Je größer die Abstände, um so welliger wird der Frequenzgang. Wenn man Mesungen mit verschiedenen Abständen mittelt, verschwindet einiges davon.
Wer sich richtig gruseln will, darf das nicht tun.

Ein anderer Unterschied liegt möglicherweise in der Mikrofon-Anordnung. Es sollte keine größere Richtwirkung als ein Ohr haben (?Niere?). Und das Ohr wird normalerweise nicht zur Box gerichtet, weil man zwei davon hat. Die stehen meist zu ~45° nach außen gedreht gegen die Verbindungslinie Kopf-Box.

MfG Kai
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#15
moin moin,
meine pc lautsprecher sind philips mfb rh 544, das verwendete meßmikro ist ein superlux ecm-999.
das programm ermittelt für links & rechts getrennt und da ich am pc sitzend auch nur 80cm von den boxen weg bin kommt das also auch hin.
für 3,5m sind meine arme zu kurz Wink , von hifi anlage habe ich nichts geschrieben.
reginald
Das wahre Verbrechen verübt die volkstümliche Musik am Gehörgang der Menschheit.
( Benno Berghammer )
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#16
Um die RH544 MFB-Boxen als PC-Lautsprecher kann man dich ja fast beneiden.
Wenn da die erlaubte Leistung von 60 W draufgeht ...

Den Mitteltöner benutze ich hier auch in Mitte der 70er Jahre gebauten Boxen. Die können auch mit MFB im Bass (10") betrieben werden. Oben über der Mittelton-Kalotte kommt dann noch eine Hochton-Kalotte. Alles als Aktiv-Box mit aktiven Filtern, 3 Endstufen und die Lautsprecher direkt an deren Ausgängen betrieben.
Dann ist die Hörsituation bei dir aber eine deutlich andere als im Wohnraum-Szenario mit entsprechden Abständen (auch zu Fußboden und Decke) und die noch relativ geringe Welligkeit in der Messung verständlich.

MfG Kai
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