Aufzeichnungsqualität messen - Testtonfolge und Auswertung
#1
Hallo,

in zwei Threads kam vor kurzem die Diskussion darauf, die Aufnahmequalität über Band messend zu bewerten - um z.B. den Unterschied zwischen zwei Bandgeschwindigkeiten festzustellen, oder um zu prüfen, wie gut die Einmessung zum Band passt: 19cm/s vs 38cm/s und Bandsorte für TEAC A-3340 und Einmessung etc. prüfen. Dass die Diskussion nicht dort verschwindet, mache ich hier mal einen Thread dazu auf.

Es bieten sich natürlich die klassischen Messgrößen an, die an den Engpässen des Magnetbandverfahrens ausgerichtet sind: Empfindlichkeit, Klirrfaktor (und damit Aussteuerbarkeit) bei niedrigen/mittleren Frequenzen, Sättigung (und damit Aussteuerbarkeit) bei hohen Frequenzen, und eigentlich auch Bias- und Gleichfeldrauschen (hier erstmal nicht). So werden sie auch Bias-abhängig in den üblichen Datenblättern angegeben. Zusätzlich ist für eine Kombination aus Gerät, Band und Einmessung der Frequenzgang ganz interessant anzusehen.

Zu jeder Messung davon könnte man ausführlich sowohl über den technischen Hintergrund (Band/Bias/Gerät), die psychoakustischen Zusammenhänge sowie die Technik der Messung und Auswertung schreiben - vielleicht ergibt sich das ja im Laufe der Diskussion bei entsprechendem Interesse. Um aber nicht ewig auszuholen und nicht auf den Punkt zu kommen, will ich hier im ersten Beitrag eigentlich nur die Kurzfassung abliefern: Die Test-Tonfolge, eine Beispiel-Messung, die Auswertung und Diskussion der Ergebnisse.

Für die Messung habe ich eine kleine Sammlung von python-Skripten verwendet, die ich schon vor längerer Zeit mal hier veröffentlicht habe: https://github.com/andreas-schmidt/tapetool. Leider ist der Code weder benutzerfreundlich noch besonders aufgeräumt - dazu war er bisher auch nicht gedacht. Wer sich trotzdem daran versuchen will, sei herzlich (auch zu Fragen) ermutigt Smile. Damit sind auch die Testtöne erzeugt sowie die Auswertung gemacht. Die letzten Änderungen dazu muss ich noch committen und pushen.

   

Die Test-Tonfolge war schon in den Threads oben verlinkt und beschrieben, unten hängt sie aber nochmal an. Das ZIP-Archiv enthält drei Wave-Dateien: Die eigentliche Testfolge, sowie zwei lange Pegeltöne, um damit Soundkarte, Bandgerät und wieder Soundkarte auf den Bezugspegel einzuregeln; dabei ist die Version mit 1 kHz ab 19 cm/s aufwärts und die mit 315 Hz für 9.5 cm/s und darunter gedacht. Die Testfolge enthält dann der Einfachheit halber beides:
  • 1s Pegelton 315 Hz, -20 dBFS, soll dem Bezugspegel auf dem Band entsprechen
  • 1s Pegelton 1 kHz, dito
  • mehrere Sekunden Stille, um vielleicht das Bias-Rauschen messen zu können (noch nicht gemacht), und zumindest eventuelle Störgeräusche zu sehen/hören
  • je 5s mit 315 Hz bzw. 1 kHz, wo der Pegel exponentiell (also linear auf der dB-Skala) von -30 dBFS bis 0 dBFS ansteigt, für die Messung des Klirrfaktors
  • je 5s wie oben, aber mit 6.3 kHz, 10 kHz und 16 kHz, für die Messung der Höhensättigung; deswegen ist auch der Bezugspegel mit -20 dBFS so niedrig gewählt
  • einen Sweep, bei dem die Frequenz von 15 Hz bis 24 kHz wiederum exponentiell so ansteigt, dass auf logarithmischer Frequenzachse jedes Intervall gleiche Messzeit abbekommt.
Dazwischen ist je eine Sekunde Pause, um nicht den ganzen Abklingvorgang schon in der nächsten Messung zu haben. In Audacity sieht das so aus:

   

Als Testmessung verwende ich jetzt das Beispiel aus dem ersten verlinkten Thread: Erhard / musicus hat dankenswerterweise die Tonfolge mit seiner ASC 6002 mit LPR 90 bei 19 cm/s und 38 cm/s aufgenommen und wieder digitalisiert. Für einen ersten Überblick habe ich in Abschnitten von 0.1 Sekunden einfach nur den Pegel beider Kanäle gemessen und aufgetragen:

   

Man sieht zunächst, dass der linke Kanal vielleicht 1-2 dB leiser als der rechte abgebildet wird. Dies kann irgendwo im "Versuchsaufbau" entstanden sein - Ausgangssignal der Soundkarte, Aussteuerungsregler der Bandmaschine, Einmessung des Aufsprechpegels, Einmessung des Widergabepegels, Pegel der Soundkarte beim Digitalisieren. Wo genau, kann man hier nicht mehr leicht rausfinden.

Dann sieht man, dass der Abstand zwischen Rauschen (unbewertet) und Bezugspegel bei 40 bis 45 dB liegt - das könnte schon auf einen relativ gering gewählten Pegel hindeuten, später mehr. Bei den Pegelrampen ist bei 19 cm/s die Sättigung schon deutlich zu sehen, bei 38 cm/s eigentlich garnicht. In den Sweeps sieht man bei niedrigen Frequenzen sehr deutlich schon die Spiegelwelligkeiten.

Nun erstmal zum Klirrfaktor, oder THD. Über das Prinzip haben wir vor langer Zeit in diesem Thread diskutiert: Klirrfaktor messen - zu Fuß.... Dabei verwende ich einen Filter, der seinen Durchlassbereich dort hat, wo die 3. Harmonische zu erwarten ist, und setze den Pegel des gefilterten Signal mit dem ungefilterten ins Verhältnis. Für die 5s-Pegelrampen hier im Beispiel sieht das dann so aus:

   

Hier ist nur ein Kanal ausgewertet, ich glaube, es war der linke. Für niedrige Pegel geht die Messung im Rauschen unter, interessant wird es beim geraden Anstieg oberhalb von ca. -22 dBFS bzw. -18 dBFS. Auffällig ist hier, dass selbst bei 20 dB über Bezugspegel am Eingang in beiden Fällen nur ein Klirr von knapp über 2% erreicht wird. Normalerweise definiert man die Vollaussteuerung bei 3% Klirr; bei einem LPR 35 bei 19 cm/s ist diese für 7.5 dB über 320 nWb/m erreicht; hier haben wir es mit einem LPR 90 zu tun, das vielleicht deutlich mehr Reserven hat? Eher würde ich jedoch vermuten, dass hier der Bezugspegel deutlich unterhalb der 320 nWb/m gewählt wurde. Genau feststellen könnte man das aber nur mit einem Messband.

An dieser Stelle noch die Zahlenwerte von den beiden 1s-Pegeltönen, die das Skript ausgespuckt hat, zuerst für 19, dann für 38 cm/s:

Code:
ref 315    : -26.28314442 -24.43423535
THD ref 315:   0.11469182   0.11725367
ref 1k     : -26.95288131 -25.04129697
THD ref 1k :   0.07139057   0.06716563
noise (unw): -69.44367058 -68.95201194

ref 315    : -26.20184009 -24.33909543
THD ref 315:   0.34904165   0.35136339
ref 1k     : -26.7206213  -24.80464785
THD ref 1k :   0.0888596    0.08823085
noise (unw): -67.52580373 -65.96195349
Klirrfaktor bei Bezugspegel und 1 kHz (THD ref 1k) wäre demnach kleiner als 0.1% in allen Fällen. Zum Vergleich: Das LPR 35-Datenblatt nennt 0.4% bei 320 nWb/m. Fürs LPR 90 habe ich noch kein glaubhaftes Datenblatt vom Hersteller gesehen. Vielleicht liest ja Peter mit, und kann aus seiner Mess-Erfahrung kommentieren, wie sich LPR 90 zu LPR 35 hier verhält, oder mutmaßen, wie hoch hier der magnetische Bezugspegel vielleicht war?

Dann zur Höhensättigung:

   

Sehr schön sieht man bei 19 cm/s die Maxima bei 10 und 16 kHz und kann damit auch den Sättigungspegel ablesen (oder vom Programm ablesen lassen). Als Vergleich wieder das LPR 35-Datenblatt: Für 19 cm/s, 16 kHz und NAB-Entzerrung liegt die Sättigung bei -4 dB unter 320 nWb/m; im Vergleich zum hier (links) bestimmten Bezugspegel (siehe Zahlen oben) liegt die Sättigung bei etwa +3.5 dB.

Bei 38 cm/s hingegen ist quasi kein Sättigungseffekt zu sehen, allenfalls eine geringe Krümmung. Das ist der "hörbare Gewinn an Höhendynamik", den Erhard wahrgenommen hat! (Wie deutlich das bei 9.5 und 4.76 cm/s aussieht kann ich später an einem anderen Beispiel von meiner ASC 4500 zeigen.)

Und, last but not least: Der Frequenzgang über Band:

   

Der Sweep geht von 15 bis 24 kHz, da ist bei 48 kHz Samplingrate eben Schluss. Hier wäre sicher noch mehr dringewesen. Kai hatte auch Befürchtungen geäußert, dass vielleicht der Störabstand einer Soundkarte bei -40 dBFS nicht mehr astrein ist - scheint aber hier nicht zu stören.

Achtung: Bei dieser Methode ist die Unsicherheit auf der Frequenzachse relativ groß, weil jede Verschiebung auf der Zeitachse direkt durchschlägt. Ein Messintervall dauert hier wieder 0.1 Sekunden, und deckt wegen der logarithmischen Skala am oberen Ende mehr als 400 Hz ab. Da kommt es eigentlich schon drauf an, ob man am linken oder rechten Ende jedes Intervalls die Frequenz hinschreibt. Genauer würde es mit Einzelfrequenzen, aber darauf kommt es hier noch nicht an. Wo genau jetzt das obere Ende des Übertragungsbereichs liegt, bleibt also offen - schon für 19 cm/s ist aber der -3 dB-Punkt-unter-1kHz jenseits von 20 kHz!

Bei tiefen Frequenzen und damit großen Wellenlängen sieht man die Spiegelwelligkeit, die bei 38 cm/s und den relativ kleinen Köpfen an der ASC deutlich zuschlägt. Auch darüber hatten wir vor langer Zeit mal einen Thread hier: Kopfspiegelresonanzen - ein paar Messungen.

Mein Fazit zum konkret diskutieren Beispiel: Sehr weiter Übertragungsbereich, kaum Klirr, gute Höhenaussteuerbarkeit, bei 38 cm/s nichtmal eine Sättigung sichtbar! Möglicherweise wird das alles durch einen niedrigen Pegel und damit recht hohes Rauschen erkauft, aber das LPR 90 trägt sicher seinen Teil dazu bei. Auf jeden Fall ist das ein sauber funktionierendes Gerät, an dem Erhard sicher viel Hörfreude hat! Alle Plots hängen nochmal in einem PDF an, ebenso die Messdaten in Textfiles und das Gnuplot-Skript für die Plots.

So weit erstmal. Es gäbe noch viel zu schreiben - bitte kritisch nachfragen, dann ergibt sich das von alleine.

Wer mir eine (oder mehrere) Über-Band-Aufnahmen der obigen Testsequenz schickt, bekommt die Plots hier in den Thread gepostet Smile. Am besten zur Kontrolle auch mit dem Monitor-Schalter in Stellung "Source" zusätzlich.

Wer selbst experimentieren will, weiß wo der Code liegt (siehe oben). Bei ganz viel Bedarf und Interesse wäre es denkbar, eine Version des Programms mit Benutzeroberfläche in Angriff zu nehmen. Für meine Datenblatt-Messungen, die ich hoffentlich irgendwann wieder verfolgen kann, habe ich den gleichen Code verwendet. Auch unsere Cassetten-Freunde aus den Nachbarthreads könnten hier Interesse haben - ich kenne da einen in Schweden... Wink

Viele Grüße
Andreas


Nachtrag: Oje, das sollte eigentlich die Kurzfassung werden :whistling:


Angehängte Dateien
.zip   mol-sol-sweep.zip (Größe: 2.3 MB / Downloads: 11)
.pdf   musicus-mol-sol-sweep.pdf (Größe: 78.4 KB / Downloads: 13)
.zip   musicus-messdaten.zip (Größe: 46.76 KB / Downloads: 7)
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#2
Ja, hier :-)

Damit hätten wir ja schon einen Großteil der Daten abgedeckt, die in den Bändertests normalerweise gemessen wurden: Klirrfaktor, Frequenzgang und Höhensättigung. Ich lasse mich dann beim nächsten Besuch ausbilden, wie man die Messungen am besten durchführt, und dann können wir munter Bänder vergleichen.

Viele Grüße,
Martin
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#3
Obwohl es schon spät ist, wollte ich doch noch schnell das Ergebnis einer Messung an meiner ASC 4500, zur Zeit mit Viertelspur-Kopfträger und gerade frisch von störenden Einstreuungen durch GSM-Signale befreit, bei einem Testlauf mit PER368 hier mitteilen. Plots und Zahlenwerte hängen an. Kommentare und Erläuterungen folgen hoffentlich bald...

Viele Grüße
Andreas


Angehängte Dateien
.pdf   as45-mol-sol-sweep.pdf (Größe: 85.55 KB / Downloads: 19)
.txt   as45.log.txt (Größe: 1.84 KB / Downloads: 9)
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#4
Hallo Andreas,

wieso nennst du das Gerät manchmal AS500x und manchmal AS450x ?

MfG Kai
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#5
Hallo Kai,

gute Frage - ich überlege jedesmal, was eigentlich richtig wäre. Auf und im Gerät selbst steht beides:

       

Die 450x enstanden ja grob gesagt dadurch, dass sie neben der erneuerten 500x-Version mit LED-Zählwerk etwas günstiger angeboten wurden; Änderungen gegenüber der "alten" 500x war wohl, dass die Mischpult-Buchse nicht beschaltet ist, und Cinch/Klinken- statt DIN-Buchsen (wobei es die vielleicht auch vorher schon gab, weiß ich nicht). Das schließe ich zumindest aus einem Artikel der Stiftung Warentest 10/1979, den es auf asc6000.de gibt.

Für diese Messung war das Gerät allerdings auch keine AS4502, denn ich habe gerade den Viertelspur-Kopfträger einer "alten" AS5004 montiert. Wird sie dadurch zur AS4504? Eigentlich nicht.

Namen sind Schall und Rauch Smile

Viele Grüße
Andreas
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#6
Was außen drauf steht ist nur die Verkaufsbezeichnung.
Bei meinem Philips N4417 ist innen auf dem Laufwerk auch der Aufkleber N4416.

Gruß Mani
Besonders gerne repariere ich meine Philips, Braun, Akai und TEAC Geräte Big Grin
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#7
So - ich war ein paar Tage unterwegs, daher kommen meine Anmerkungen etwas später. Zum Versuchsaufbau:
Die Files von Andreas habe ich wie vorgegeben mit -20dB eingepegelt und von einem Tascam DA-3000 Digitalrecorder aufgenommen. Man konnte am Tascam sehen, dass der Sweep genau bis auf 0dB ging, das war also schon mal sehr exakt.
Das Ganze wurde auf einen Tascam DR 40 mit 24/96 überspielt und wieder genau auf 0dB gepegelt. Eine Soundkarte war hier nicht mit im Spiel.
In der Praxis steuere ich bei der ASC und dem LPR90 bis etwa +3dB aus. Der Höreindruck ist dann quasi von der Quelle (= CD) nicht zu unterscheiden.
Die ASC harmoniert sehr gut mit dem LPR 90, mit dem SM900, das ich ursprünglich verwenden wollte, war der Frequenzgang so wellig, dass Herr Herberts, der die Maschine revidiert und eingemessen hat, aufgeben musste.
Die Messungen gebe ich mal an Herrn Herberts weiter, er wird sich freuen, dass "seine" Maschine hier ein gutes Ergebnis eingefahren hat Smile .
Danke an Andreas, der sich so eine Mühe gemacht hat, meinen Höreindruck 19 vs. 38cm/sek. zu messen... Wink

Grüße
Erhard
Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es trotzdem. Karl Valentin
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