Sander und Janzen SJ103/1 - Qualität von 1962
#1
Gestern, bei schönstem Spätsommerwetter bekam ich spontanen Forumsbesuch von Rainer, GDR22.
Er brachte mir zur großen Freude einen Kopfträger zur SJ103a mit.
Nochmals Tausend Dank dafür.
       
Ich suche schon lange einen Kopfträger zu meiner Sander und Janzen SJ103/1 (Rundfunkbezeichnung R 29)
die ich letztes Jahr bereits in meinem Kofferraum-Thread kurz gezeigt hatte.
Nach den gegebenen Hinweisen von Rainer habe ich den Kopfträger umgebaut so dass er mechanisch und elektrisch auf die R 29 passt.
   
Jetzt schließt auch die von der Maschine betätigte Brummklappe ordnungsgemäss.
       
Falls es notwendig sein sollte habe ich noch eine kleinere Mu-Metallabschirmung für den Wiedergabekopf vorrätig.
Der Kopfträger verfügt zusätzlich noch über Synchronspur Aufnahme- und Wiedergabekopf.
Man beachte die Bezeichnung „DEFA“ auf dem Synchronkopf.
Vorerst bleibt die Konfiguration in Mono, ich habe genug Stereomaschinen.
Letztens wollte ich mir ein Vollspur Vergleichsband fertigen, da musste ich auf die ehrwürdige Telefunken M5 ausweichen; also besser eine Vollspurmaschine mehr als zu wenig.

Jetzt lohnte sich auch eine kurze Bestandsaufnahme zur Sander und Janzen SJ103/1:
Die Maschine wurde ab 1962 in Berlin Prenzlauer Berg in der Sonnenburger Straße 70 im Hinterhof-Fabrikgelände gefertigt.
Entwickelt wurde sie in Zusammenarbeit mit dem Rundfunk- und Fernsehtechnischen Zentralamt (RFZ) aus Berlin Adlershof.
Hier ein Foto wie der Produktionsort heute aussieht…
   
Das Laufwerk verfügt über 3 Motore, der Tonmotor ist als Synchronmotor ausgeführt.
Der Bandantrieb erfolgt über ein dreistufiges Gummireibradgetriebe auf die Antriebsrolle.
Die Transportgeschwindigkeit ergibt sich aus dem Übersetzungsverhältnis zweier Stufenscheiben, die im Betriebszustand "Wiedergabe" bzw. "Aufzeichnung" durch ein Gummireibrad  untereinander gekuppelt werden. Das Gummireibrad wird durch einen Elektromagneten angedrückt.
   
Zum Vor- und Rückspulen dient je ein getrennter Motor.
Diese Motoren übernehmen gleichzeitig die Ablaufbremsung, sie behalten also ihre Drehrichtung stets bei. In der Schalterstellung  "Halt" wird ihnen eine besondere Brems(gleich)spannung  zugeführt.
Es gibt also keine mechanischen Bremsen für die Wickelmotore; eine Eigenschaft die auch alle späteren Thurow oder RFZ Maschinen teilen.
   
Die Maschine ist komplett fernsteuerbar und der Tonmotor kann nach Umschaltung mit einer Frequenz von 30 – 100 Hz mit 220 V Wechselspannung fremdbetrieben werden.

Eine Besonderheit dieser Maschine ist die Möglichkeit Bänder in Schichtlage außen oder innen ohne Verschränkung zu benutzen.
Dazu werden in Abhängigkeit von der Einstellung der Bandführungsgabel die Transportrichtung der Wickelmotore umgeschaltet.

Die Steuerung aller Laufwerkfunktionen erfolgt über Taster mit Speicherung der Schaltzustände in Steuerungsrelaiskoffer
Das ist feinste Fernmeldetechnik der alten Schule.
   
Allein dieses Steuerungsteil wiegt über 5 kg….
Allerdings sind hier auch 47 Entstörkondensatoren verbaut welche durch moderne Exemplare ersetzt werden müssen, die Vergußmasse ist in 61 Jahren sauerstoffdurchlässig geworden und die einstigen Qualitäts Kondensatoren werden notwendigerweise von mir getauscht….
       
Die Becher-Elkos hingegen haben ihre erforderlichen Werte behalten.

Die Reibräder sind in gutem Zustand ohne Risse und Dellen und auch die Andruckrolle erfüllt ihre Funktion.
Momentan sind einige Lager verharzt.

Die Aufnahme- und Wiedergabeelektronik besteht im Original aus einzelnen Röhreneinschüben in der entsprechenden Einbautruhe.
An der Truhe hat ein Vorbesitzer bereits gebastelt, das müsste ich irgendwie rückgängig machen.
Die Einschübe sind komplett vorhanden, wurden allerdings farblich von einem Vorbesitzer unpassend lackiert.
   
Wenn ich im Winter dazu komme meine Universal Wiedergabeverstärker abzugleichen besteht alternativ eine reele Möglichkeit daß diese wunderbare Sander und Janzen wieder zu Leben erweckt….
Die Maschine wurde von mir bisher nicht gereinigt, das kommt natürlich noch.

Gruß Jan
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#2
Hallo Jan,

vielen Dank für deine interessante Vorstellung der Maschine. Ich hoffe, der weisse Unterputz Elektro-Einsatz unten rechts in der Konsole stammt nicht auch von den Basteleien des Vorbesitzers.

MfG, Tobias
Strom kann erst dann fliessen, wenn Spannung anliegt.
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#3
Mein lieber Jan,

Du bist ja wirklich schneller, als die Polizei erlaubt ! Respekt !! Und danke fürs zeigen, tolle Arbeit !  thumbup
Eine Frage, hast Du den Wiedergabekopf nur aus dem Mu- Metallgehäuse geschält und wieder eingebaut, oder ist das ein anderer ?
Ich freue mich übrigens sehr, daß Du die Synchronköpfe im Kopfträger belassen hast, das zeugt einmal mehr von Deinem Respekt vor der alten Technik ! Super ! Shy
Und nochmals danke für die beiden AV- Module der R722. Diese werde ich am Wochenende gleich einbauen !
Mann, was so ein Besuch alles anrichten kann... Wink

Viele Grüße, Rainer
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#4
Hallo Rainer,
das ist ein anderer Wiedergabekopf der offensichtlich vorn stärker geschirmt ist als der Originale.

Gruß Jan
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#5
(22.09.2023, 19:18)bitbrain2101 schrieb: ... Ich hoffe, der weisse Unterputz Elektro-Einsatz unten rechts in der Konsole stammt nicht auch von den Basteleien des Vorbesitzers...

Hallo Tobias, 
als ich die Maschinen aus einer großen Lagerhalle abgeholt habe lagen dort in der Truhe diverse Verlängerungskabel und Verteilerdosen.
Keine Ahnung was damit jemand vorhatte.
Ich vermute, die Geräte wurden in den 1980er Jahren aus dem Rundfunkstudio Schwerin von einem engagierten Bastler erworben und die Einbautruhe dann für private Zwecke mit Diodeneingängen, Potentiometern und Austeuerungsanzeigern versehen.
Die Maschinen waren jedenfalls bis 1977 noch im Rundfunkeinsatz wie sich den mit Bleistift angebrachten Bemerkungen entnehmen lässt.

Gruß Jan
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#6
Welch eine schöne alte Technik - vielen Dank für die interessante Dar- und Vorstellung!

MfG
Binse
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#7
Hallo Jan,

da hast Du uns Deine schöne Maschine wieder sehr gut in Erinnerung gebracht. Das Bild der Fabrikationsumgebung von heute ist ja auch ein Knaller.

Ich nehme an, daß die bei SaJa nicht versucht haben, den Synchron-Motor abzubremsen. Na Du weißt schon... M5 und so.

Auf jeden Fall konnten die schon vor der Zeitrechnung Motoren bauen. Die haben die raffinierten Motoren im Tonschreiber b geliefert und das war seinerzeit Super-High-Tec.

Ich bin schon gespannt, wie es weitergeht.

viele Grüße
Manfred
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#8
(23.09.2023, 10:47)Magnettonmanni schrieb: .... Ich nehme an, daß die bei SaJa nicht versucht haben, den Synchron-Motor abzubremsen. Na Du weißt schon... M5 und so....

Diese mechanische Abbremserei eines Drehfeldes, wie bei den originalen M5, gab es bei Sander und Janzen meines Wissens niemals.

Nach Hinweis durch Bernd hatte die SJ103/1 bereits eine mechanische Bremse unterhalb der Schwungmasse.
Sorry für den Irrtum meinerseits.

Gruß Jan
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#9
Hallo Jan,

ich bin sicher, die wußten, warum....

Und dann die taumelbaren Befestigungsschrauben für die Motoren. Das ist schon ganz was besonderes an diesem Gerät.

Wie ging denn der Bandschnitt mit den elektrischen Bremsen?

Viele Grüße
Manfred
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#10
Bei den Nachfolgetypen R29 / R29b der Thurow- KG gab es eine mechanisch einstellbare Bremse an der Welle der Schwungmasse.
Sie bestand einfach aus einem formschlüssigen Hartgewebeklotz, welcher gegen das untere Wellenende der gestuften Schwungscheibe gedrückt wurde.
Der Anpressdruck wurde durch eine Feder realisiert, deren Vorspannung mittels Schraube regulierbar war.
Somit war die Geschwindigkeit fein justierbar.

Bernd
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#11
(23.09.2023, 11:42)capstan schrieb: Bei den Nachfolgetypen R29 / R29b der Thurow- KG gab es eine mechanisch einstellbare Bremse an der Welle der Schwungmasse.
Sie bestand einfach aus einem formschlüssigen Hartgewebeklotz, welcher gegen das untere Wellenende der gestuften Schwungscheibe gedrückt wurde.
Der Anpressdruck wurde durch eine Feder realisiert, deren Vorspannung mittels Schraube regulierbar war.
Somit war die Geschwindigkeit fein justierbar.

Bernd
Hallo Bernd, du hast natürlich Recht.
Auch die SJ103/1 hat bereits diese Bremse, hatte ich noch gar nicht gesehen.
Ich habe mein Posting weiter oben nach deinem Hinweis korrigiert, damit hier nicht soviel Unsinn durch mich verbreitet wird.
Bei der M5 soll ja laut Information hier im Forum durch den Schlupf bei der mechanischen Abbremsung das Reibradgetriebe verschleißen, dann müsste die R29 und spätere gleichfalls davon betroffen sein?

Gruß Jan
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#12
(23.09.2023, 11:13)Magnettonmanni schrieb: Wie ging denn der Bandschnitt mit den elektrischen Bremsen?
Hallo Manfred,
im Ruhezustand wird permanet eine Gleichspannung an die Wickelmotore angelegt.
Damit bleibt das Band gestrafft; die Wickel lassen sich jedoch bequem und leicht von Hand zur Schnittmarkierung bewegen.
Eine separate Bandschere habe ich bisher in keinem Kopfträger der DDR-Maschinen gefunden, ich weiß nicht ob es das oder Markierungsstempel hier gab.

Gruß Jan
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#13
Hallo Jan,
danke für den Hinweis.
Blieben die Wickel dann auch so stehen, wenn man den Schnittpunkt gefunden hatte und die Wickel nicht mehr festhielt?. Es ist ja ein Polruckeln denkbar.

Zur Bremsung des Synchronmotors:
Die M5 ist gemäß Braunbuch keine Sendemaschine gewesen. Sie wurde beim ARD-Rundfunk nur als Zuspielmaschine eingesetzt. Da konnte man das seinerzeit durchgehen lassen. Vielleicht war das mit dieser Maschine ähnlich, aber ich bin kein Blaubuchkenner.

Viele Grüße
Manfred
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#14
(24.09.2023, 09:48)Magnettonmanni schrieb: Die M5 ist gemäß Braunbuch keine Sendemaschine gewesen.

… was aber kaum abschreckende Wirkung zeigte, siehe dieses Bild der B3-Senderegie der ersten Stunde:

   


Gruß, TSD
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#15
(24.09.2023, 09:48)Magnettonmanni schrieb: Blieben die Wickel dann auch so stehen, wenn man den Schnittpunkt gefunden hatte und die Wickel nicht mehr festhielt?. Es ist ja ein Polruckeln denkbar.

Nach meinen bescheidenen elektrotechnischen Kenntnissen tritt bei einer Wechselstrommaschine, die mit einer geringen Gleichspannung erregt wird, kein Polrockeln auf.
Die Wickel werden einfach leicht in der aktuellen Position festgehalten.

Gruß Jan
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#16
Der Bremswiderstand der Wickel bei Anliegen eines Gleichstromes ist vergleichbar dem einer M15a bei Stop.
Zumindest, wenn ich mein TB56d mit der M15a vergleiche.
Meilenweit besser als die Bremse der A807....
Viele Grüße,

Matthias
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#17
Hi zusammen,

da ich inzwischen 7 (!!) Studiomaschinen unterschiedlichen Typs der ex- DDR mein Eigen nenne und diese auch soweit alle laufen, kann ich mit absoluter Sicherheit bestätigen: Die Wickel stehen mit der Gleichstrombremsung Felsenfest, da ruckelt überhaupt nix ! Diese Bremsung gab es seit der 2. Version der Sander & Janzen R28, bis zu den letzten Maschinen, welche bereits nach der Wende noch von der AnToMe GmbH gebaut und vertrieben wurden (T4224, T5234).
Ich hatte die letztgenannte dereinst mal vorgestellt.
Da es sich bei der T5234 um eine reinrassige Cuttermaschine handelt, welche extra fürt Bandschnitte gebaut wurde, muss es gut gewesen sein... Wink

Wer nochmal nachlesen möchte, sehr gern hier: https://tonbandforum.de/showthread.php?tid=20570

Grüße, Rainer
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#18
Hallo in die Runde,

ich war leider längere Zeit nicht auf Sendung. Zwischendurch war ich auch unter Deck.

Ich stelle erneut wieder fest, daß es auch im Alter noch ordentlich was zu lernen gibt.
Seitdem ich die DDR Studiogeräte auch im Bild kenne, hält mich nur mein Alter davon ab, ein neues Sammelgebiet aufzumachen.

Vor rund 50 Jahren hatte ich in den Rundfunktechnischen Mitteilungen zwar kurze Berichte über die Geräte lesen können, aber es wurden keinerlei Bilder gezeigt oder technische Daten veröffentlicht.

In meiner T9u ist eine Wirbelstrombremse eingebaut, die im Normallauf mit Gleichstrom erregt und durch Umschlingung vom Band mitgenommen wird und dabei das Band definiert abbremst zur Erzeugung eines Teils des Bandzugs. 
Im Stillstand der Rolle ist dann aber die Bremswirkung gleich null.

Deshalb hatte ich hier bei Gleichstrom im Wickelmotor als Dauerbremse im Stand daran gedacht, daß möglicherweise ein Feld aufgebaut wird, daß die Rotoren, wie bei einem permanent erregten Gleichstrommotor im Ruhezustand etwas festhält. Wobei man dann mit der Hand über die Pole drüber ruckeln kann.

Mit der mir bekannten Wirbelstrombremse aus der T9u würde das alles nicht funktionieren. Deswegen hatte ich an dieser Stelle Verständnisprobleme gezeigt und ich habe sie eigentlich immer noch. An der Richtigkeit der Darstellung hier habe ich aber keinerlei Zweifel.

Vielleicht schaffe ich es ja noch, an einer solchen Maschine eine Schnittstelle mit den Händen an den Wickelkernen zu suchen und dann die "bombenfeste" Bremsung im Stand zu bewundern, wenn ich die Wickel loslasse.

Hier wurde vermutlich von den großartigen Motorenbauern bei Sander und Janzen seinerzeit eine ganz andere Entwicklung verfolgt, als parallel dazu bei AEG/Telefunken.

Bei dem Bild von Bayern 3 kann man ja noch nachträglich für die Hörer nur hoffen, das schon ein M5-Laufwerk mit direkt antreibendem Papst-Tonmotor (M5A,B,C) eingesetzt wurde. Die alte Getriebe M5 hat ja ordentlich Rabatz gemacht und war eigentlich auf Dauer in der Senderegie nicht gut zu vertragen. Aber wer weiß. . .
Ist eventuell das Aufnahmedatum des Bildes bekannt?
Meine Frau tippt anhand der modischen Details auf Anfang der 70er Jahre.
Dann könnte schon der Direktantrieb vorhanden gewesen sein.

Viele Grüße 
Manfred
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#19
(01.10.2023, 21:02)Magnettonmanni schrieb: Bei dem Bild von Bayern 3 kann man ja noch nachträglich für die Hörer nur hoffen, das schon ein M5-Laufwerk mit direkt antreibendem Papst-Tonmotor (M5A,B,C) eingesetzt wurde. Die alte Getriebe M5 hat ja ordentlich Rabatz gemacht und war eigentlich auf Dauer in der Senderegie nicht gut zu vertragen. Aber wer weiß. . .
Ist eventuell das Aufnahmedatum des Bildes bekannt?
Meine Frau tippt anhand der modischen Details auf Anfang der 70er Jahre.
Dann könnte schon der Direktantrieb vorhanden gewesen sein.

Viele Grüße 
Manfred

Manfred, da haben deine Frau und du absolut Recht.
Auf der linken M5 fehlt die Andruckschraube für die Blattfeder neben dem Zählwerk links.
Demzufolge handelt es sich bei obigen Bild um eine spätere M5? mit polumschaltbaren Synchronmotor.

Gruß Jan
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#20
(01.10.2023, 21:02)Magnettonmanni schrieb: Ist eventuell das Aufnahmedatum des Bildes bekannt?

Irgendwann zwischen dem 1. April 1971 (Sendestart) und dem Dezember 1974 (Veröffentlichung in der ADAC-Motorwelt). Genauer hab ich’s nicht. Sorry für die späte Antwort, hab’s eben erst gesehen.

Gruß, TSD
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#21
Hallo TSD, Hallo Jan,

vielen Dank für die Eingrenzung des zeitlichen Rahmens der Aufnahme des Bildes.

Es ist für mich immer wieder interessant, wie die Mädels aufgrund der modischen Details eine Zeit so ziemlich genau bestimmen können.

Viele Grüße
Manfred
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