(12.03.2022, 08:00)Spitzenwitz schrieb: Ich fixiere mich ausschließlich auf die Musik, die mir gefällt. Die logische Konsequenz ist eine große Menge
entsprechender Tonträger, nicht umgekehrt.
Genau aus diesem Grunde würde ich auch nie ein Radio einschalten.
Jeder, der sich für Musik interessiert und nicht nur im Hintergrund konsumiert, durchläuft im Leben verschiedene
Genres und Interessengebiete. Alle diese Phasen spiegeln sich in meinen Tonträgern wieder, nicht in einer Cloud.
Wenn Musik von einem PC/Smartphone kommt, habe ich schon keine Lust mehr, so sind wir aber alle anders.
Mir geht es um das Unbekannte. Ich verbringe etwa 10 Stunden in der Woche mit dem Hören von Musik, die mir nicht gefällt, wobei dieses Gefallen hier nicht weiter definiert wird. Wie bereits des öfteren hier im Forum geschrieben, erweitere ich mit dem Hören von speziellen Radiosendungen meinen Horizont, seit 1972 - die Phase des Glam Rocks. Auf der Suche nach Neuem, Unerhörtem benötige ich kundige Moderatoren, die für mich in den verschiedenen Genren stöbern. Diese sind mir teilweise seit Jahrzehnten bekannt und fast Vertraute geworden. Von den etwa 10 Stunden, die ich dank Streaming der Sendungen auch im Schnelldurchgang durchscannen kann, landen vielleicht 5% in meine Playlist. Gerade habe ich eine Woche hinter mich gebracht, wo es nichts gab, was mein Interesse geweckt hätte.
Seit 1972, wo ich bewußt mit dem Aufnehmen von Musik vom Radio auf Tonband begann, erstelle ich Playlisten. Radio war für mich nie ein Dudelfunk, auch wenn man alles daran setzte, ihn zu einem solchen zu machen. Es war ein Informationsmedium, was mir in meinem Dorf an der Nordseeküste die Welt brachte. Glam Rock - das war London!
Meine Tonbänder sind Playlisten. Ab 1975 hatte ich zwei Bandmaschinen. Mittels Zeitschaltuhr nahm eine meiner Bandmaschinen eine programmierte Radiosendung auf, welche meist im Schnelldurchgang (Play-Fast Forward-Play) "gescannt" wurde um dann die Stücke zu entdecken, die interessant waren. Dank des Kopierens konnte ich nun auch Stücke auf dem "Master" zusammenbringen, die in verschiedenen Radiosendungen gespielt wurden.
Hören will gelernt sein. Schwierige Stücke wollen entdeckt werden. Was ist anders? Was ist besonders? Meine Bandgeräte ermöglichten das, ohne meinen Geldbeutel allzusehr zu beanspruchen. Bis etwa 2013 waren meine Playlisten Bandkopien. Meine Bandgeräte wurden massiv beansprucht. Heute ist das dank Internet nicht mehr nötig. Das Editieren geschieht am Computer. Danach wird die Playlist ausgespielt. Auf Kassette. Ich höre zuhause ausschließlich analoge Medien.
Gestern lief eines meiner Tape Decks 17 Stunden nonstop. Ich hörte mir meine Zusammenstellung des Jahres 2021 an. 15 Kassetten müssen gehört werden. Heute seit 9:00 Uhr läuft die Kiste weiter ... So sind meine Tonbänder ein musikalisches Tagebuch. Wie war meine Stimmung 1972? Ich lege mein erstes Tonband auf und tauche ab.
(12.03.2022, 08:39)Herbert schrieb: So verschieden sind wir gar nicht. Simpel gesagt, kommt ja heute jede Musik vom Computer, am Ende landet sie eben auf Platte oder Band. Wir mögen aber gern was in der Hand halten. Du hast deine Platte, ich mein Band. Haptisch sind wir beide zufrieden.
Der Unterschied ist, dass ich nicht aufbewahre, was ich früher gemocht und heute teilweise abgeschlossen habe.
Ich würde meine 300 Country-CDs nicht mehr im Regal haben wollen, nur weil ich sie früher täglich gehört habe.
(12.03.2022, 09:27)Spitzenwitz schrieb: Natürlich stehen heute etwa 75% der Alben, die ich früher gehört habe, als Zeitdokumente nutzlos im Schrank. Ich habe mehr als einmal darüber nachgedacht, den Bestand drastisch zu reduzieren, es fällt mir aber schwer.
Hinzu kommt, dass gerade Rock und Pop Scheiben aus den 70er und 80er Jahren absolut keinen Wert
darstellen, ein Verkauf solcher Massenware sich demnach überhaupt nicht lohnt.
Es wäre nur Regalplatz, der frei wird, aber nicht frei werden muss, weil er bei mir nicht knapp ist. ... Vielleicht würde mir der Schritt auch irgendwann leid tun.... ich weiß es nicht.
Mit meinen Tonträgern habe ich Glück. Kaufte gleich das Richtige 3.000 stehen hier in meinen Regalen. Musik zur Zeit. Meine erste Schallplatte, im Januar 1975 gekauft, war Bob Dylan "Blood on the tracks", die zweite war Leo Kottke "Ice Water" ... ich möchte nichts davon missen. Alles war bedeutsam. In jener Zeit! Auch hier kann man abtauchen. Eine Reise in die Zeit unternehmen. Sich bewußt werden, wo man herkommt. Musik wird so zum Zeitdokument ...
(12.03.2022, 07:42)Herbert schrieb: Das Schönste in der Musik ist, völlig frei zu sein. Also für mich.
So ist es Mit Musik begebe ich mich auf eine Reise. Dabei kann sogar ein Schlager interessant sein, wie z.B. Mary Roos mit "Arizona Man", wo bereits Giorgio Moroder mitwirkte und dafür sorgte, daß erstmalig im April 1970 ein Synthesizer im deutschen Schlager eingesetzt wurde. Und das mehr als ein Jahr vor den Who auf "Who's next". Wobei trotz dieser Information Mary Roos nie in meiner Sammlung auftauchen wird, die Who dagegen schon. "Who's next" war ein phänomenales Album, es bereitete mir den Weg zur Minimal Music, so wie die Beatles mir spätestens seit "Revolver" die Pforten öffneten für alle Formen des musikalischen Experiments.
Olaf, der eher passiv seit Jahren hier mitliest und sich an den fachlichen Beiträgen über Tonbandgeräte erfreut